Gesellschaft

„Eupen-Grieche“ wehrt sich gegen Vorurteile

Diese Fotomontage erstellte OD vor Monaten anlässlich eines Interviews mit Antonios Antoniadis zum Thema Griechenland.

Antonios Antoniadis musste während des Wahlkampfes Witzeleien und sogar Anfeindungen in Zusammenhang mit Griechenland über sich ergehen lassen. Im Interview mit „Ostbelgien Direkt“ erklärt der SP-Regionalpräsident, weshalb es ihn stört, ständig mit Griechenland in Verbindung gebracht zu werden, und warum er die Häme gegen die Griechen als deplatziert und ungerecht empfindet.

Zehn Jahre verbrachte Antonios Antoniadis in Griechenland, bevor es ihn und seine Familie nach Eupen zog. Heute ist er politischer Berater im Kabinett von Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz. Bei der Stadtratswahl vom 14. Oktober gelang dem 27-Jährigen der Einzug in den Eupener Stadtrat. Dort wird er mit Beginn der neuen Legislaturperiode Fraktionssprecher der SPplus.

OD: Sie mögen es offenbar überhaupt nicht, mit Griechenland und der Eurokrise in Verbindung gebracht zu werden. Warum?

Antoniadis: Die Verbindung ist nicht das Problem. Meine Eltern sind griechischer Herkunft. Und auch wenn ich die längste Zeit meines Lebens in Belgien lebe, stehe ich zu meinem Migrationshintergrund. Ich mag die Gängelung eines gesamten Volkes nicht. Solche Erfahrungen hat unsere Gesellschaft bereits in der Vergangenheit gemacht. Trotzdem wird nun eine ganze Nation als „Tätervolk“ abgestempelt.

Griechen-Witze haben Hochkonkunktur

OD: Und weshalb reagieren Sie so empfindlich auf Griechen-Wirze?

Antoniadis: Auf Griechen-Witze reagiere ich nicht empfindlich. Im Gegenteil, ich versuche seit Jahren, welche zu sammeln. Seit der Eurokrise haben diese Hochkonjuktur.

OD: Kennen Sie einen?

Antoniadis: Ich kann mir leider keine Witze merken, aber letzte Woche habe ich noch diesen gehört: „Wie merkst du dir die 11 88 0 (Telefonauskunft in Deutschland, A.d.R.)? 11 Mio. Griechen erhalten 88 Mrd. und zahlen 0 zurück.“

spplus

Antonios Antoniadis (links) mit SPplus-Spitzenkandidat Werner Baumgarten im Wahlkampf.

OD: Wenn auf „Ostbelgien Direkt“ ein Kommentar erscheint: „Hoffentlich wird Antoniadis, der Grieche, nicht Finanzschöffe“, empfinden Sie das als rassistisch? Auf den deutschen Kabarett-Bühnen sind Griechen-Witze inzwischen gang und gäbe. Sind die deutschen Kabarettisten deshalb Rassisten?

Antoniadis: Man muss zwischen Humor und (politisch motiviertem) Rassismus unterscheiden. Es gibt einen Unterschied zwischen dem Kabarettisten und dem anonymen Autor in einem Online-Forum. Kabarett ist eine darstellende Kunst, die gesellschaftskritisch und unterhaltend ist. Der anonyme Autor eines Online-Kommentars ist kein Künstler. Er verfolgt ganz andere Ziele. Ich denke aber im Großen und Ganzen nicht, dass man da ernsthaft Vergleiche ziehen kann. Ansonsten könnte man die Aussagen rechtsextremer Parteien auch als Stand up-Comedy bezeichnen.

Merkels fehlender Respekt gegenüber Griechenland

OD: Wie groß ist Ihre Verärgerung über die deutsche Kanzlerin Angela Merkel?

Antoniadis: Wir brauchen das Thema nicht unnötig zu emotionalisieren. Lassen Sie uns über die Fakten sprechen: Die deutsche Kanzlerin macht ihre Arbeit gut. Zumindest wenn es darum geht, die deutschen Interessen zu vertreten. Deutschland wird als der Zahlmeister Europas dargestellt. Und doch hat Deutschland bisher keinen Cent gezahlt. Deutschland profitiert von der Krise. Mit den sogenannten Hilfszahlungen werden die Interessen von Banken bedient. Staatsbetriebe werden von einer Treuhandgesellschaft verscherbelt. Der Fonds ähnelt übrigens einem Online-Shop (http://www.hradf.com/en). Deutschland bekommt außerdem durch die Krise Kredite zu 0% Zinsen. Darüber spricht die Kanzlerin nicht. Hinzu kommt der fehlende Respekt. Erst vor ein paar Tagen hat die Kanzlerin Griechenland seit dem Ausbruch der Krise erstmalig besucht.

fair trade

Bei einem Urlaub auf einer griechischen Insel macht Antonios Antoniadis Werbung für eine Fair-Trade-Marke.

OD: Wenn den Griechen Korruption oder Missmanagement vorgeworfen wird, ist dies nicht die Realität?

Antoniadis: Zunächst müssen Politik und Presse definieren, wer mit „Griechen“ gemeint ist. Eine Kollektivschuld gibt es nicht. Dem griechischen Volk kann man höchstens vorwerfen, dass es eine politische Elite per Wahlrecht unterstützt hat, welche hauptsächlich die eigenen Interessen bedient hat. Eben diese Elite wurde übrigens von Firmen wie Siemens geschmiert, um Aufträge zu erhalten, und eben diese Elite hat selbst in Krisenzeiten astronomische Summen für deutsche Panzer und Hubschrauber ausgegeben. Auch ist die Krise nicht hausgemacht. Wir wollen an dieser Stelle nicht vergessen, dass die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise die Situation in Griechenland verschärft hat. Und auch diese haben nicht die Bürger, sondern die Banken, Hedgefonds und Regierungen verursacht.

OD: Was müsste Ihrer Meinung nach für Griechenland getan werden?

Antoniadis: Griechenland hat ohne Zweifel ein strukturelles Problem. Hier bedarf es der Unterstützung der europäischen Partner. Aber die kann nicht darin bestehen, dass Hilfsgelder für Kreditrückzahlungen freigegeben werden oder dass Lohn- und Rentenkürzungen die Existenz von Millionen von Menschen bedrohen. Ganz wichtig bei dieser Unterstützung sind Zeit und Respekt. Denn Zeit und Respekt haben schließlich die Deutschen beim sogenannten Wiederaufbau auch erfahren.

Griechenland spart – Deutschland häuft Schulden

OD: Welche Trümpfe haben Griechenland und die Griechen zum Beispiel im Vergleich zu Deutschland. Was kann Deutschland von Griechenland lernen?

Antoniadis: Es ist schwierig, zwei Länder bzw. Völker direkt zu vergleichen. Griechenland ist ein strukturschwaches Importland und Deutschland Exportweltmeister. Ich könnte auf Anhieb Folgendes dazu sagen:

1. Während Griechenland momentan in Rekordzeit spart, häuft Deutschland Schulden an – und das obwohl die Staatseinnahmen kräftig sprudeln.

2. Obschon führende Politiker und die Boulevardpresse von den faulen Pleitegeiern sprechen, arbeiten die Griechen pro Woche durchschnittlich 44,3 Stunden und die Deutschen nur 41,7 Stunden.

In unserem vielfältigen Europa sollten wir unsere Kontakte nutzen, gemeinsam arbeiten und voneinander lernen. Das gilt für alle Länder. Für ein Land wie Griechenland, das sich in einer schwierigen Situation befindet, gilt dies umso mehr. (cre)

13 Antworten auf “„Eupen-Grieche“ wehrt sich gegen Vorurteile”

  1. Vielleicht erst mal die Akropolis aus dem Hintergrund nehmen. Das hilft ungemein bei der Schaffung eines vorurteilsfreien Bildes. Und was an Ben&Jerrys(Unilever-Konzern) Fair-Trade sein soll, muss mir bitte mal einer erklären.

    • Bin großer Fan von diesem Eis. Auch wenn Unilever das Unternehmen gekauft hat, so werden weiterhin Fairtrade-Zutaten verwendet. http://www.fairtrade-deutschland.de/top/presse/archiv-pressemitteilungen/detailseite-archiv-pressemeldungen/?no_cache=1&tx_ttnews%5Btt_news%5D=264&cHash=35b92c2d6bc0dcb63b5b10c140332c6e Hier auch ein Absatz aus Wikipedia zum sozialen Engagement: Ben & Jerry’s engagiert sich in vielfältiger Weise in verschiedenen sozialen Bereichen und Projekten. Dies ist seit den Gründerjahren ein Credo der Firma und hat sich auch durch den Verkauf an Unilever nicht geändert. Beispiele hierfür sind das „Ben & Jerry’s Climate Change College“ – ein vom Unternehmen finanziertes internationales Klimaschutzprogramm, das junge Menschen aus verschiedenen Ländern zu Klimabotschaftern ausbildet. Die Idee geht auf den niederländischen Polarexperten Marc Cornelissen zurück. Internationaler Partner des Projektes ist der WWF. Das Caring-Dairy-Programm, das sich für eine nachhaltige Milchwirtschaft einsetzt, ist ebenfalls eines der Firmenprojekte, ebenso wie „Cool your jets“. Seit 2005 sind alle Mitarbeiter verpflichtet, bei der Buchung eines Fluges auch ein „Klima-Ticket“ zu kaufen, wodurch die Teilnahme an einem Klimaschutzprojekt erzwungen wird, um den Kohlendioxidausstoß, der durch die Flugreise verursacht wird, zu neutralisieren. Im Frühjahr 2007 hat Ben & Jerry’s bekanntgegeben, in Europa zu 100 % klimaneutral zu produzieren.

  2. Christian

    Liebe Kathrin Wie kann man sich bei Quellenangaben auf Wikipedia berufen? Jede Person kann in Wikipedia Beiträge erstellen. Im Endeffekt wird der Inhalt auf anstößige, beleidigende oder rassistische Aüßerungen überprüft nicht auf Richtigkeit! Wenn man in Hochschulen eine wissenschaftliche Arbeit schreibt, muss man seine Quellen angeben und wenn Wikipedia als Quelle angegeben wird, wird dies nicht akzeptiert.

      • Die Aldisierung der Gesellschaft, ist für die mit dem dickem „Mercedes“ eine art Sport auf den sie stolz sind, für die produzierenden in aller Welt (auch in Europa) ein Synomym für Hungerlohn und Ausbeutung. „Sind die Geizigen doch geil“!

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