Politik

Trio führt die deutschen Sozialdemokraten – Kein Ausweg aus der Krise: Große Koalition wackelt weiter

03.06.2019, Berlin: Manuela Schwesig (M), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Malu Dreyer (r), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, und Thorsten Schäfer-Gümbel (l), SPD-Vorsitzender in Hessen, geben in der Parteizentrale eine Pressekonferenz. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

AKTUALISIERT – Wer kann den freien Fall der Sozialdemokraten in Deutschland stoppen? Und wer traut sich? Bisher gibt es nur Absagen für die Nachfolge der gescheiterten Vorsitzenden Andrea Nahles. Die Christdemokraten schauen machtlos zu, wie die große Koalition weiter wackelt.

Nach dem Rückzug von Andrea Nahles von der Spitze der Sozialdemokraten zeichnet sich kein rascher Ausweg aus der Koalitionskrise in Deutschland ab.

Der Vorstand entschied am Montag in Berlin, dass die drei Vize-Vorsitzenden Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel die krisengeplagte Partei kommissarisch führen sollen. Wie schon Vizekanzler Olaf Scholz erklärten die drei aber, nicht für den Vorsitz zur Verfügung zu stehen.

Vor allem der Verzicht von Manuela Schwesig, der Ministerpräsidentin des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern, gilt als Überraschung.

03.06.2019, Berlin: Manuela Schwesig (M), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Malu Dreyer (r), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, und Thorsten Schäfer-Gümbel, SPD-Vorsitzender in Hessen, geben in der Parteizentrale eine Pressekonferenz. Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa

In drei Wochen will die SPD bei einer Vorstandssitzung klären, wann und wie der Parteivorsitz neu besetzt werden soll. Der sozialdemokratische Außenminister Heiko Maas schlug vor, eine Doppelspitze wie bei den deutschen Grünen einzurichten und diese per Urwahl zu küren.

Dreyer, Ministerpräsidentin des Bundeslandes Rheinland-Pfalz, erklärte, die SPD stehe auch nach der Talfahrt bei der Europawahl und dem Rücktritt von Nahles vorläufig treu zur großen Koalition mit CDU und CSU. „Wir haben uns nach einem Mitgliedervotum entschieden, in die große Koalition einzugehen, und wir sind vertragstreu“, sagte sie in Berlin.

Jedoch wolle die SPD-Führung am 24. Juni darüber entscheiden, unter welchen Bedingungen sie das Bündnis über 2019 hinaus fortsetzen und wann genau sie ihre Halbzeitbilanz ziehen wolle.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel betonte, sie sehe trotz der Personalturbulenzen bei der SPD die Arbeitsfähigkeit der großen Koalition nicht gefährdet.

„Ich nehme zur Kenntnis, wie die SPD ihre Entscheidungen fällt (…). Ich habe nicht den Eindruck, dass daraus ein Signal der Instabilität einhergeht“, sagte Merkel am Montag nach einem Treffen der CDU-Fraktionsvorsitzenden von Bund und Bundesländern in Weimar. Das sei jetzt ein Findungsprozess in einer neuen Situation für die SPD. In einer Koalition tue man gut daran, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie dort stattfänden.

03.06.2019, Berlin: Andrea Nahles, bisherige Vorsitzende der SPD, verlässt nach Ihrem Rücktritt vom Parteivorsitz das Willy-Brandt-Haus. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Beim christdemokratischen Koalitionspartner stieß die Entscheidung für eine kommissarische Dreier-Führung allerdings auf Unverständnis. „Ein Trio? Und wer ist jetzt der verbindliche Ansprechpartner, wer führt?“, fragte CDU-Vize Julia Klöckner auf Twitter.

Die Spitzen von CDU und CSU machten zudem deutlich, dass sie auch auf einen plötzlichen Auszug der SPD aus der großen Koalition vorbereitet seien.

Die CDU fühle sich der Stabilität verpflichtet, sagte die Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer nach einer Führungsklausur in Berlin. Aber: „Für alles, was kommt oder nicht kommt, können Sie davon ausgehen, dass die CDU vorbereitet ist“, sagte die CDU-Chefin auf die Frage, ob sie sich bereit fühle, bei einem Ausscheiden der SPD Kanzlerkandidatin oder Kanzlerin zu werden.

Auch bei der CSU werden die Zweifel an der großen Koalition offensichtlich größer. Zwar sagte Parteichef Markus Söder nach einem Auftritt bei der Konferenz der Unions-Fraktionschefs von CDU und CSU in Weimar, die CSU wolle eine gute, starke Regierung.

Aber eine große Koalition dürfe auch kein Selbstzweck sein, sondern müsse «eine inhaltliche Erzählung» bereithalten. „Das Motiv darf eben nicht sein: Man regiert, weil man Angst hat, sich dem Wähler zu stellen.“ Die große Koalition dürfe nicht nur das Projekt sein: „Warten bis 2021“.

An der Spitze der SPD standen seit 1946 als Vorsitzende: (oben, l-r) Kurt Schumacher (05/1946 – 08/1952), Erich Ollenhauer (09/1952 – 12/1963), Willy Brandt (02/1964 – 06/1987), Hans-Jochen Vogel (06/1987 – 05/1991), Björn Engholm (05/1991 – 05/1993), (mittlere Reihe l-r) Rudolf Scharping (06/1993 – 11/1995), Oskar Lafontaine (11/1995 – 03/1999), Gerhard Schröder (04/1999 – 03/2004), Franz Müntefering (03/2004 – 11/2005), Matthias Platzeck (11/2005 – 04/2006) und (unten l-r) Kurt Beck (05/2006 – 09/2008),erneut Franz Müntefering (10/2008 – 11/2009), Sigmar Gabriel (11/2009 – 03/2017), Martin Schulz (03/2017 – 02/2018) sowie Andrea Nahles (04/2018 – 06/2019). Foto: -/dpa

Die neue SPD-Spitze bestritt, dass die Partei nach dem Rücktritt von Nahles gelähmt sei. Der SPD-Chef im Bundesland Hessen, Thorsten Schäfer-Gümbel, sagte, seine Partei habe schon oft bewiesen, dass sie auch in schwierigen Situationen handlungsfähig sei. „Und das sind wir auch derzeit.“ Schwesig sagte zu ihrem Verzicht auf eine Kandidatur für den Vorsitz, ihr Platz sei in Mecklenburg-Vorpommern. Dies habe sie so für sich entschieden.

Dreyer sagte, es sei für sie schon lange klar, dass sie als Ministerpräsidentin bei der nächsten Wahl in Rheinland-Pfalz wieder antreten wolle. Deshalb habe sie ausgeschlossen, neue SPD-Chefin zu werden. Schäfer-Gümbel will sich im Herbst aus der Politik zurückziehen – er wechselt als Arbeitsdirektor zur Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Nahles war am Vormittag im Parteivorstand offiziell zurückgetreten. Die ehemalige Vorsitzende verließ das Willy-Brandt-Haus bereits nach einer Dreiviertelstunde mit den Worten „Machen Sie’s gut“. An diesem Dienstag will Nahles auch in der SPD-Fraktion offiziell zurücktreten. Hier soll es ebenfalls eine kommissarische Lösung geben: mit dem Kölner SPD-Abgeordneten und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich.

Die Niederlagen bei der Europawahl und der Regionalwahl im Bundesland Bremen am 26. Mai hatten die Diskussion über Nahles‘ politische Zukunft befeuert. (cre)

Nachfolgend ein Tweet über mögliche Szenarien für die GroKo in Deutschland:

25 Antworten auf “Trio führt die deutschen Sozialdemokraten – Kein Ausweg aus der Krise: Große Koalition wackelt weiter”

  1. Für Edi:
    https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/nahles-geht-weg-die-spd-kann-auch-weg-und-was-ist-mit-der-cdu/
    ….
    „Die altbackene SPD hat völlig den Kompass verloren. Sie engagiert sich für das Schicksal von verurteilten Ladendieben, für die Einrichtung von Gendertoiletten, für Straffreiheit von Schwarzfahrern und das Taschengeld für richtige oder falsche Asylbewerber. August Bebel hätte den Genossen von heute bedeutet: Ein Programm direkt ins politische Nirwana. Aber die Partei-Legende August Bebel («Wer nicht arbeitet, soll nicht essen») ist 105 Jahre tot“, spottete Hans-Herrmann Tiedje in der NZZ. Im Europawahlkampf kämpfte Katarina Barley für noch mehr Zuwanderung. Sind das die Lösungen, die ihre Wähler wollen?

    Um in der Sprache des Parteigründers zu bleiben: Die SPD heute holt immer noch neue Esser im Sinne Bebels, die nicht arbeiten, an Bord, und lässt ihre früheren Wähler unter Deck schuften. Zu hohe Steuern, zu hohe Sozialabgaben, zu hohe Energiekosten, zu hohe Mieten – bei zu schlechten Schulen, zu schlechter Infrastruktur, zunehmend auch zu schlechter Gesundheitsversorgung wegen überlasteter Kliniken und Ärzte und bald verheerend niedriger Sozialleistungen für frühere Beitragszahler schlechthin. Und zu viele neue Minderqualifizierte per Asyleinwanderung, wo doch klar ist: Mit der Digitalisierung verschwinden genau deren Jobs. Neue Arbeitskräfte werden geholt, die nicht arbeiten und die das Land nicht braucht. Die Bürger wissen das längst.
    ////

    P.S. In Belgien gibt es für diese Entwicklung den Spruch „Merçi Moureaux“, was aber nur die Flamen zum Umdenken bewegt hat, die Wallonen haben den Knall noch nicht gehört….

    • Ex Belgier

      Sehr geehrter DAX,

      ich freue mich, wenn mein Horizont erweitert wird und mit den Zitaten von Herrn Bebel haben Sie das getan.
      Ich bin völlig bei Ihnen, dass die SPD ihr Profil schärfen könnte, wenn sie sich um Ihr Klientel kümmert. Arbeiterpartei kommt von arbeiten.
      Das Spielfeld ist unermesslich:
      Die Arbeitsbedingungen für Pflegeberufe, LKW Fahrer, Handwerker etc. etc. müssen verbessert werden. Durch steuerliche Erleichterungen, Pensionszusagen, attraktiveres Arbeitsumfeld und und und.
      Ich gehe sogar davon aus, dass dies zu einem gesellschaftlichen Konsens führen kann. Zwischen den vermögenden Personen und den Arbeitenden innerhalb eines Steuer – Systems. Dazu gehört allerdings auch, dass sich Groß Konzerne daran beteiligen. (Google, Amazon etc. profitieren davon – die sollen auch Steuern zahlen) Es gehört auch dazu, dass ein Sozialsystem nicht überlastet werden darf. Deshalb benötigt dieses System Reserven um wirtschaftliche Veränderungen auffangen zu können. (z.B Schließung von Ford Genk) Damit man mich nicht falsch versteht: Ich bin für Asyl im eigentlichen Sinne. Ich bin für Zuwanderung. Ich bin für einen Sozialstaat und soziale Marktwirtschaft. Ich bin gegen Alimentierung.

      • Marcel scholzen Eimerscheid

        Genau ein gesellschaftlicher Konsens zwischen Arbeit und Kapital. Eben soziale Markwirtschaft und kein Neoliberalismus à la Schroeder. Rueckkehr zu den Wurzeln in einer zeitgemaessen Form. Das gleiche gilt auch fuer die deutschsprachige SP. Die braucht auch eine komplette Erneuerung.

    • Hausmeister

      Richtig, @Ghostrider
      Die Sozialisten sind europaweit überall auf dem absteigenden Ast. Aber die DG hält an einen gut vernetzten Sozi fest. Nur, dessen Netz besteht fast nicht mehr…

  2. Deutschland hält auch an Wahlverlierer Maas fest. Egal was bei Belgien, DG, Wallonie Politik geschieht, hauptsache nicht politisch so sehr sinken wie Deutschland. Die schaffen sich komplett ab, und die Grünen werden Ihnen jetzt den Rest geben.
    Deutsche Politik=Satireprogramm.

      • Hej Edi, bewerben Sie sich doch für den Posten, die SPD sind an einem Punkt angekommen, die nehmen jeden um die Leiche zum Friedhof zu fahren. Dann waren Sie auch einmal „Parteivorsitzender“. Sie schaffen das….

        • @ DAX

          Sie können offensichtlich nur in Duktus und Inhalt bei anderen Menschen abkupfern. Und das wiederholen Sie permanent. Haben Sie in der Schule auch immer beim Nachbarn abgeschrieben?

              • Um es mit den Worten von Woody Allen zu sagen, ich habe keine Angst vor dem Sterben, ich möchte nur nicht dabei sein wenn es passiert. Ich finde es aber nett von Ihnen dass Sie sich solche Sorgen um meinen Gemütszustand machen. SPD bzw. SP Mitglied? Da ist bekanntlich die Empathie quasi Parteiprogramm. Na ja, vielleicht nicht gerade mit alten weißen Männern, oder so….

  3. SPD-Schiff sinkt

    Das einst so stolze SPD-Schiff sinkt immer mehr. Seit der Ära Schröder (Hartz IV) macht sie immer weniger ihre Hausaufgaben. So wurde die verpönte Linke immer stärker. Ich persönlich finde diese Entwicklung sehr schade, denn die Volksparteien (CDU und SPD) verlieren in Deutschland immer mehr Wähler. Stattdessen erstarken an den Rändern der Volksparteien immer mehr die extremen Parteien (vor allem die AfD), die nicht gut sind für unsere Demokratie. Dieses Phänomen ist in vielen Ländern der westlichen Welt zu beobachten.

    • DenAhlen

      Ich würde noch ergänzen, dass die Christlichen und Sozialisten für ihren europaweiten Abstieg die Schuld immer bei den Anderen suchen, zum Beispiel beim Wähler. Es käme auch keiner darauf zu überlegen ob nicht die Politik der ‚zentralen Parteien‘ der Grund ist für den Unmut der Wähler. Der Wähler stumpft ab und fühlt sich von der Regierung verraten – europaweit! Diese Stimmung erinnert alle (zumindest geht es mir so) irgendwie an die Zeit vor 80 Jahren, aber diese Erkenntnis allein hilft uns nicht! Wenn politische Paradigmen wie „Jobsjobsjobs“ oder „Privatisierung der Gewinne-Verstaatlichung der Verluste“ oder „mein Land zuerst“ sich nicht wandeln, wie soll sich da denn was verändern?

      Ich würde auf EU-Ebene JEDES andere Dossier in die Schublade verfrachten bis die einheitliche Besteuerung, einheitliche Sozialabgaben und die konsequente Bekämpfung der Steuervermeidung geregelt sind! Das sind die Ursache allen Übels! Wenn diese hunderten Milliarden (EU-weit gerechnet) wieder in die leeren Staatskassen fließen, dann bleibt auch Spielraum für alles Andere und dann kann man wieder über einen Sozialstaat und über humanistische Werte diskutieren! Aber leider hat keiner unserer gut bezahlen Politiker dafür Courage! Sie bewerfen sich lieber den ganzen Tag gegenseitig mit Dreck, aber jeder Tag ohne Lösung bedeutet eine Verschlimmerung … bis es dann eines Tages wieder kracht! Aber jetzt haben sie ja wieder 5 Jahre Ruhe, bis zu den nächsten Wahlen. Aber dann fangen wieder, 2 Wochen vor den Wahlen, alle an zu heulen … bhuhu ‚…unsere westlichen Werte…‘ bhuhu ‚…Nazikeule…‘ bhuhu ‚…jobsjobsjobs…‘ bhuhu ‚…keiner versteht uns Politiker…‘

  4. schlechtmensch

    Ich vermute „der Wähler“ ist nicht in der Lage die zukunftsweisenden Visionen der SPD zu begreifen. Ich schlage Thorsten Schäfer-Gümbel zum Kanzlerkandidaten vor. Dann ist die 5% Hürde in absehbarer Reichweite. Diese Partei braucht kein Mensch mehr. Und nachdem die CDU sich zu Grunde gerichtet hat (dauert etwas länger) gibt es dann nicht mehr die zwei großen Blöcke SPD und CDU sondern die Grünen und die AFD.

    • Populist

      Die Führungsleute der SPD konnten und können nicht genug Migranten bekommen. Mitunter meinten sie noch weiter gehen zu müssen als die CDU. Ich erinnere an das Schultz Zitat 2016 :“Was die Flüchtlinge uns bringen, ist wertvoller als Gold“. Auch unvergessen die Hasstiraden gegen die AfD eines Ralf Stegners bei zahlreichen Polit-Diskussionen. Dabei hat inzwischen jeder Arbeiter begriffen, dass die Zuwanderung mit Steuergeldern ( cc 50 Milliarden pro Jahr) finanziert werden muss, die dann anderswo fehlen; dass Wohnraum knapper und teurer wird; dass die „Facharbeiter“, die hierher kommen keine sind und/oder dass von denen dank Digitalisierung auch immer weniger gebraucht werden. Höchstens in der Sparte Pflegeberufe ist Bedarf, aber ob da bei den Prinzen aus Arabien Einsatz zu erwarten ist darf angezweifelt werden.

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