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Ukraine erinnert an Massaker von Butscha vor 1 Jahr

31.03.2023, Ukraine, Butscha: Dieses Foto zeigt Eduard Heger (l-r), Ministerpräsident der Slowakei, Maia Sandu, Präsidentin der Republik Moldau, Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, Robert Golob, Ministerpräsident von Slowenien und Andrej Plenkovic, Premierminister von Kroatien, bei der Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung. Foto: Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

Wie kein anderer Ort in der Ukraine steht Butscha als Symbol für Gräueltaten in Russlands Krieg gegen die Ukraine. Einige Leichen wurden mit gefesselten Händen auf dem Rücken gefunden. Ein Besuch in der befreiten Stadt.

Trauer und Schmerz sind in der Kleinstadt Butscha mit ihren Hochhäusern und breiten Straßen auch ein Jahr nach Abzug der russischen Truppen fast mit den Händen greifbar. An der Andreaskirche, wo viele Zivilisten in Massengräbern gefunden wurden, leitet Priester Andrij Halawin von der neuen Orthodoxen Kirche der Ukraine Trauerzeremonien für jene, die aktuell im Krieg fallen. In vielen Kirchen mischt sich in den Abschied von gefallenen Soldaten zusätzlich die Erinnerung an den Jahrestag des Massakers von Butscha.

Auf dem Friedhof am Rande des Orts mit seinen einst 36.000 Einwohnern liegen auch anonyme Gräber nicht identifizierter Toter. Auf vielen anderen Ruhestätten wehen die blau-gelben Flaggen der Ukraine, zu sehen sind Fotos der gefallenen Verteidiger des Landes.

31.03.2023, Ukraine, Butscha: Menschen stehen während einer Gedenkveranstaltung zum ersten Jahrestag der Befreiung der Kleinstadt Butscha um Kerzen herum, die in Form einer Landkarte der Ukraine aufgestellt sind. Foto: Mstyslav Chernov/AP

Wie kein anderer Ort steht Butscha, eine gute halbe Stunde von der Hauptstadt Kiew entfernt, für die Gräueltaten des Kriegs. Auf dem Weg dorthin sind die Spuren der Kämpfe der ukrainischen Truppen gegen die russische Armee unübersehbar: an Gebäuden die Zerstörungen, es gibt Einschlaglöcher, zerborstene Scheiben und zertrümmerte Straßen.

Vor einem Jahr, am 2. April, nur Tage nach dem russischen Abzug, gingen auch die Bilder von Leichen auf der Jablunska-Straße um die Welt. Sie liegt weit abseits des Zentrums von Butscha in einer Siedlung mit kleinen Häusern und überschaubaren Grundstücken. Einige der Toten hatten auf dem Rücken gefesselte Hände. Ein toter Mann lag neben seinem Fahrrad. Ein Jahr später ist in der Straße kaum noch etwas zu sehen von den Szenen der Gewalt. Einschusslöcher an Zäunen und Gebäuden zeugen von Kämpfen. Die Straße ist menschenleer.

Nach unterschiedlichen Angaben sollen allein in Butscha entweder 422 oder 461 Zivilisten getötet worden sein. Generalstaatsanwalt Andrij Kostin spricht sogar von 700 Menschen, die nach dem russischen Einmarsch ums Leben gekommen seien. Kostin berichtet zudem von bereits 91 identifizierten russischen Soldaten, die an den über 9.000 registrierten Kriegsverbrechen im Kreis Butscha beteiligt gewesen sein sollen. „Folter, Mord, sexuelle Gewalt. Das ist das wahre Gesicht der ‚russischen Welt’ und des Regimes der Russischen Föderation, das auf der völligen Missachtung der Prinzipien der Menschenrechte gegründet ist“, sagte Kostin im Februar.

27.04.2022, Ukraine, Butscha: Ein Priester segnet drei Verstorbene, die während der russischen Besatzung starben und aus provisorischen Gräbern in Butscha exhumiert wurden. Foto: Emilio Morenatti/AP/dpa

Im gesamten Kiewer Gebiet sind bis Anfang März dieses Jahres laut Polizeichef Andrij Njebytow 1444 Leichen von Zivilisten gefunden worden. Knapp 200 Leichen konnten dabei noch nicht identifiziert werden. „Wir nehmen die DNA, verarbeiten alle Vermisstenanzeigen und wenden uns an die Verwandten und versuchen, sie zu identifizieren“, sagte Njebytow dem ukrainischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Mit eindringlichen Videos erinnert die Ukraine nun – ein Jahr später – wieder an die Verbrechen. Schon zum Jahrestag des Kriegsbeginns am 24. Februar bezeichnete Präsident Wolodymyr Selenskyj Butscha als sein persönlich schlimmstes Kriegserlebnis. Die Führung in Kiew zeigte vor einem Jahr nach dem Abzug der russischen Truppen die Leichen. Staatsgäste aus dem Ausland besuchten den Ort, wo Einsatzkräfte die Leichen in schwarzen Säcken aus den Gräbern zogen.

„Ereignisse, die man sich im 21. Jahrhundert nicht vorstellen konnte, wurden in den Vororten von Kiew, Butscha und Irpin, zur Realität“, sagt Selenskyj zum Jahrestag des Massakers. „Doch die Befreiung des Gebietes Kiew wurde zu einem Symbol dessen, dass die Ukraine in diesem Krieg gewinnen kann.“ Am Freitag besuchte er auch Butscha selbst mit Staatsgästen und ehrte Soldaten mit Orden.

Die ukrainische Post, die immer wieder Kiews Triumphe auf Briefmarken verewigt, präsentierte am Freitag mehrere Wertzeichen. Das Motto der Briefmarken: „Kein Vergeben! Kein Vergessen!“ Symbolisch für Butscha ist auf der Marke ein Foto mit einer zerstörten russischen Militärkolonne auf der Bahnhofsstraße der Kleinstadt abgebildet.

03.04.2022, Ukraine, Butscha: Schwarze Leichensäcke liegen in einem Massengrab. In der ukrainischen Stadt Butscha, 25 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Kiew, bietet sich nach dem Rückzug der russischen Armee ein Bild des Grauens. Foto: Rodrigo Abd/AP/dpa

Die Bilder des Grauens sind allgegenwärtig, die Beweise aus Sicht auch von Menschenrechtlern erdrückend. Es gibt unzählige Vorwürfe gegen die Russen, darunter Mord, Folter, Vergewaltigung. Trotzdem weist Russland, das am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert war, auch zum Jahrestag zurück, Kriegsverbrechen begangen zu haben.

In einer langen Stellungnahme behauptete die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, einmal mehr, es habe sich um eine Inszenierung gehandelt, um eine diplomatische Lösung des Konflikts zu verhindern. Russland habe sich damals bei Verhandlungen in der Türkei offen gezeigt und als Zeichen dafür seine Truppen aus der Region Kiew abgezogen. „Als Antwort hat die ukrainische Führung die grobe und zynische Provokation in Butscha inszeniert.“

Trotz russischer Forderungen gebe es keine offiziellen Namenslisten oder gerichtsmedizinische Gutachten zu den Zivilisten, „deren Leichen auf den Straßen gezeigt wurden“, sagte Sacharowa. Die im Internet und sozialen Netzwerken veröffentlichten Fotos bezeichnete sie als Manipulation. „Das Selenskyj-Regime hat etwas zu verbergen.“

Klar ist, dass die Menschen in Butscha ohne den russischen Einmarsch noch leben würden. In der Andreaskirche bleibt Priester Halawin nur die Trauerarbeit und das Beten – für einen Sieg des Landes gegen die russischen Besatzer. Er steht am offenen Sarg eines gefallenden Soldaten. Dutzende sind gekommen, um sich von Ihor Djukarjew zu verabschieden, seine Mutter und die Witwe küssen den Toten.

Der 24-Jährige wurde am 20. Februar bei Kämpfen nahe Dibrowa im Gebiet Luhansk getötet. Er war zusammen mit Mutter und Schwestern als Kind 2014 vor den Kämpfen aus dem Donbass nach Butscha geflohen. Am 24. Februar 2022 meldete er sich bei Kriegsausbruch freiwillig und war der jüngste in seiner Einheit. Ein Jahr später, es ist der 25. Februar, wird er am Friedhof von Butscha von Soldaten in Uniform zu Grabe getragen. Viele von ihnen lassen ihren Tränen freien Lauf. (dpa)

34 Antworten auf “Ukraine erinnert an Massaker von Butscha vor 1 Jahr”

    • Erleuchtung Jean

      #Why Not

      Mir sind weder aktuelle noch offizielle Zahlen bekannt, wie viele Leben durch die gelieferten Waffen bisher gerettet werden konnten.

      Mir ist nur die Aussage eines ehemaligen Friedensaktivisten, Kriegsdienst- und Wehrdienst-Verweigerers geläufig, der immer wieder erklärt, dass mehr Waffen und schnellere Lieferungen von Waffen, Menschenleben retten können.

      Aber und das ist wichtig, irgendwann wird ein Chefkomiker und sein politischer Pöbler den Westlern erklären, wie viele Menschenleben man hätte retten, wenn viel früher schwere Waffen geliefert worden wären.
      Aufgrund dieser Zahlen wird er seine Schadensersatzforderungen bemessen…

  1. Guido Scholzen

    „Kein Vergeben! Kein Vergessen!“ heisst es da an einer Stelle im Text.
    NEIN. das ist völlig falsch.
    Hätte es dieses Motto nach 1945 gegeben, dann hätte die NATO als Bündnis schlechter funktioniert und ein Vereingtes Europa (Montanunion – EG -EU) wie wir es heute kennen wäre doch eher eine Utopie geblieben.

    „Kein Vergessen, aber Vergeben.“ müsste nun das Ziel des doch „so christlichen“ Europas sein.
    Zuerst Bekennung der Sünden, dann Bereuung der Sünden, dann Vergebung der Sünden.
    Aber keiner der orthodoxen Kirchen in Russland oder Ukraine wird diesen Weg gehen, denn wir haben es mit nationalen Kirchenorganisationen zu tun.
    Der Patriarch von Moskau ist der Messdiener des Kremels, und sein Kollege in Kiew hat auch nichts besseres im Sinn als Eigenständigkeit um jeden Preis – auch schon vor dem Krieg.

    Wie wäre es mit Wahrheitskommissionen, wie nach dem Ende der Apartheit in Südafrika?
    ist nur so ‚en christlicher Vorschlag von mir….
    Wie schrieb der preussische General Carl von Clausewitz in seinem Standardwerk „Vom Kriege“: Politik verursacht Kriege; im Krieg treten die politischen Gründe in den Hintergrund, denn nur das Gewinnen und Überleben zählt; nach dem Krieg treten die politischen Gründe wieder in der Vordergrund. (wörtlich: „Nun tritt der politische Zweck wieder hervor“)

    • Der heilige Guido…

      Die Leugnung und Bekämpfung wissenschaftlicher Erkenntnisse war schon immer Merkmal jedweder Religion und ihrer blinden Anhänger. Das war im Mittelalter so und ist bei Guido Scholzen nicht anders. Aus religiöser Sicht könnte man auch aus dem Alten Testament zitieren: “Auge um Auge, Zahn um Zahn”. Aber dabei gehen die Glaubenshüter genauso selektiv vor und kehren das, was aus aufgeklärter Sicht ihre Religion in ein schlechtes Licht rücken könnte, lieber unter den Teppich. Mal ist Guido Scholzen auf dem Wissenschaftsleugner-Trip und manchmal auf dem religiösen Trip. Und oft auf beiden gleichzeitig. Passt schon.

  2. DR ALBERN

    @ Guido Scholzen, Kriege sind Arbeitsbeschaffungsmassnahmen (siehe die deutsche Delegation, die nach Kiew gereist ist, um sich die besten Stücke zu reservieren für den Wiederaufbau) und zur Regulierung der zu rasch wachsenden Weltbevölkerung!!!

    • 9102Anoroc

      @ – DR ALBERN 12:28

      Dann wollen wir mal hoffen , dass die jetzige Generation überhaupt noch etwas aufzubauen hat, gleich wer den Auftrag bekommt.
      Denn wenn ein Atomkraftwerk nur noch strahlt aber keinen Strom mehr produziert, dann gibt es weite Landesteile , wo nichts mehr aufzubauen ist .
      Und der restliche Wiederaufbau dürfte wohl auch Jahrzehnte dauern.
      Aber das scheint einigen Leuten hier ja nicht so wichtig zu sein.
      Unverständlicherweise hoffen manche darauf , dass China und Russland den europäischen Laden übernehmen;
      Hauptsache man hat dann die Genugtuung und den Beweis , dass frühere kriege teilweise auch nicht gerechtfertigt waren , was jedem Schüler im ersten Schuljahr auch schon bekannt sein dürfte.

      Einige präsentieren sich hier gerne mal als oberschlau , indem sie so viele alte Geschichten wie möglich sammeln, die mit diesem! Krieg nichts zu tun haben.
      Welchen Zweck erfüllt diese Recherche?- rätselhaft !
      Hätte die Ukraine keine Unterstützung bekommen und wir die Augen einfach schließen würden , dann wäre Putin schon einen wesentlichen Schritt weiter und würde die ehemaligen EG – Länder und den hinzugekommenen, mit den nächsten Flüchtlingen anderer an Russland grenzenden Länder finanziell ruinieren.
      Der Handlanger Chinas versucht zwar nur mit diesem Krieg Vorbereitung für eine neue Weltordnung zu treffen und wird dafür eventuell schon jetzt , oder in Zukunft dafür reichlich mit Waffenlieferungen aus China belohnt werden;
      Vom dumm zuschauen unsererseits, würden wir aber irgendwann eine Diktatur ähnliche Politik auch in unseren Breitengraden erleben, durch die Übernahme von Dieben , die eine neue Weltordnung nur zu ihren Gunsten haben möchten , aber nicht für ihre eigene Bevölkerung, will schweigen der Bevölkerung anderer Länder.
      Die Ukraine hat das Recht sich zu verteidigen und die Länder die es nicht so sehen, führen nichts Gutes gegen uns in Schilde.
      Hoffen wir dass die Sache bald vorbei ist und die Ukraine die sind Krieg gewinnt.
      Sonst sehe ich schwarz für unsere eigene Zukunft , oder die unserer Kinder.

      • Karli Dall

        @9102Anoroc
        „Hätte die Ukraine keine Unterstützung bekommen und wir die Augen einfach schließen würden , dann…..

        wäre der Krieg oder die MSO zu Ende und Putin hätte seine Militärparade auf dem Roten Platz vor einem Jahr abgehalten, Gas und Öl würden billig weiterströmen zu unserem aller Wohlergehen.
        Allerdings wären dann vom Westen keine schweren Waffen unterwegs, mit denen Menschenleben gerettet werden…

        Durch diese Waffenlieferungen aber, kann das erfolgreiche Retten von Menschenleben ungebremst weitergehen. Gott und den Natoländern sei Dank.

    • 9102Anoroc

      @ – Karli Dall 16:06

      Ihre Meinung kein Problem.

      Warten Sie es ab , Putin ist noch nicht fertig und würde es auch nicht sein, wenn man ihm die ganze Ukraine geschenkt hätte.
      Hier läuft ein anderes Spiel , als das was wir zu Beginn geglaubt haben.
      Das war meine Meinung.

      • Joseph Meyer

        @Anorok
        Ja, welches Spiel denn wohl, wer sollen denn die großen Diebe sein, der bei uns eine Diktatur einrichten werden?!
        Sind Sie sicher, dass Sie hier nicht genauso wie bei der Corona-Plandemie schon wieder auf das verkehrte Pferd setzen, hier die verkehrten Epidemieexperten, dort die verkehrten Davos-Zöglinge?!

        • 9102Anoroc

          @ – Joseph Meyer 8:53

          Ja wer sollen denn wohl die großen Diebe sein?
          Bestimmt nicht! das amerikanische Pferd , auf dass sie! gesetzt haben , bzw als alleinigen Schuldigen für diesen Krieg ausgemacht haben und ständig indirekt mit der Peitsche schlagen.

          Ihre Sichtweise beschränkt sich doch ausschließlich mit angelegten Scheuklappen immer in die gleiche Richtung;
          Ist man bei ihnen aber schon gewohnt, bei der Pandemie war es ja auch nicht anders.

  3. „Moskau sieht nach einem Medienbericht über angebliche Dokumente zur US-Militärhilfe im Krieg in der Ukraine einmal mehr die Rolle Washingtons in dem Konflikt bestätigt.
    „Wir haben nicht die leisesten Zweifel an einer direkten oder indirekten Verwicklung der USA und der Nato in den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow dem US-Fernsehsender CNN am Freitag.
    Zuvor hatte die „New York Times“ über US- und Nato-Pläne zur Stärkung des ukrainischen Militärs im Vorfeld einer geplanten Offensive gegen die russischen Besatzer berichtet. Ob die Dokumente echt sind, ist unklar. Die Ukraine bezeichnete sie als Fälschung.“

    Leiseste Zweifel?
    Wer zweifelt eigentlich daran? Vielleicht westliche Gesundbeter.
    Die Stärkung des ukrainischen Militärs durch Nato-Staaten, diese Mitteilungen stehen doch fast täglich in Regional- und Lokalzeitungen. Die Militärhilfen in USD muss man nicht berechnen, sondern nur addieren – 4. Klasse Volksschule Sauerland oder Vulkaneifel.
    Wer richtig addiert hat, bekommt ein Fleißkärtchen.

    Wer benötigt dafür noch Geheimdienste?

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