Politik

Wahl in Frankreich: Hält Brandmauer gegen rechts?

22.06.2022, Frankreich, Paris: Marine Le Pen (M), Vorsitzende der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN), und die neu gewählten Abgeordneten der Partei stehen in der Nationalversammlung. Foto: Christophe Ena/AP/dpa

Vor der Parlamentswahl in Frankreich ziehen Hunderttausende gegen Marine Le Pens Rechtsnationale auf die Straße. Präsident Emmanuel Macron hofft wohl auf die Brandmauer gegen rechts. Ein gewagtes Spiel.

Kämpferisch und entschlossen demonstrierten in Frankreich zuletzt Hunderttausende vor der Parlamentsneuwahl gegen die Rechtspopulisten um Marine Le Pen. Auch bei Demonstrationen am Wochenende wollen sich abermals etliche Menschen in Frankreich gegen die Rechtsnationalen stellen, die die Europawahl in Frankreich klar gewonnen haben und auf dem Vormarsch sind.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hofft, ihnen mit dem neuen Votum Einhalt zu gebieten. Dabei setzt er wohl maßgeblich auf den vielbeschworenen Schutzwall gegen die extreme Rechte. Doch das Bild der Massen auf der Straße gegen rechts darf nicht trügen. Die Brandmauer hat längst zu bröckeln begonnen.

15.06.2024, Schweiz, Stansstad: Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, applaudiert während der Eröffnungsplenarsitzung des Gipfels zum Frieden in der Ukraine. Foto: Urs Flueeler/KEYSTONE/EDA/POOL/dpa

Eine zerstrittene Linke, eine Rechte als Schreckgespenst und in der Mitte einzig Macron als wählbare Alternative – so hatte sich der Staatschef die Wahl wohl vorgestellt. Nur: Das Bild sieht anderthalb Wochen vor der ersten Wahlrunde ganz anders aus. Das linke Lager hat im Eiltempo ein Bündnis geschmiedet. Auch die Konservativen nahmen Macrons ausgestreckte Hand nicht an. Dieser hatte im Grunde das gesamte politische Spektrum – abgesehen vom rechtsnationalen Rassemblement National (RN) und der Linkspartei La France Insoumise – dazu aufgerufen, gemeinsame Sache zu machen gegen die extremen Kräfte.

Das Kalkül des Staatschefs könnte es sein, auf eine Zusammenarbeit in der zweiten Wahlrunde zu setzen, zumindest informell, um die Rechtsnationalen zu verhindern. Denn das Unterhaus wird im Mehrheitsrecht gewählt.

Kaum ein Abgeordneter kommt in der ersten Wahlrunde über die erforderlichen 50 Prozent von einem Mindestsatz der eingeschriebenen Wähler. In der zweiten Runde gewinnt in einer Stichwahl dann die Person im Wahlkreis mit den meisten Stimmen.

15.06.2024, Frankreich, Paris: Ein Demonstrant hält während einer Kundgebung ein Banner gegen die Rechtsextremen. Foto: Michel Euler/AP/dpa

Macron dürfte hoffen, dass alle demokratischen Kräfte dann gegen die Wahl eines RN-Kandidaten in Runde zwei aufrufen, die Brandmauer gegen rechts zur Wirkung kommt.

Dieses Bündnis über Parteigrenzen hinweg war in Frankreich lange Zeit fest verankert. Es verhalf dem Konservativen Jacques Chirac bei der Präsidentschaftswahl 2002 in der Endrunde gegen den Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen zum Sieg. Auch Macron profitierte bei den Wahlen 2017 und 2022 von den Stimmen derer, die Marine Le Pen auf keinen Fall im Élyséepalast sehen wollten und daher – mitunter zähneknirschend – ihn wählten.

Doch solide ist die Brandmauer längst nicht mehr. Während Jean-Marie Le Pen lediglich 17,79 Prozent der Stimmen einholte, kam seine Tochter Marine 2017 auf 33,9 Prozent. Vor zwei Jahren landete sie mit 41,45 Prozent nur relativ knapp hinter Macron. Ein Grund dafür ist, dass Macron viele Wähler aus dem linken Spektrum bitter enttäuscht und desillusioniert hat. Dazu kommen der allgemeine Rechtsruck in Europa und die erfolgreiche Wandlung Le Pens.

Denn während Le Pen vor wenigen Jahren noch als rechter Haudegen auftrat, zeigt sie sich mittlerweile betont sanft. Im letzten Präsidentschaftswahlkampf sagte sie gar, sie wolle Frankreich wie eine Mutter führen. Erfolgreich hat sie das RN „entteufelt“ und von dem radikalen Image gelöst, das mit ihrem Vater und dessen Holocaust-Verharmlosung einherging. Längst hat sie sich und ihre Partei bis weit in die bürgerliche Mitte wählbar gemacht und das Schreckgespenst des Rassemblement National für viele verpuffen lassen.

02.06.2024, Frankreich, Paris: Die Vorsitzende der französischen rechtsextremen Nationalen Sammlungsbewegung, Marine Le Pen (3.v.l), und der Spitzenkandidat der Partei für die bevorstehenden Europawahlen, Jordan Bardella (2.v.r), nehmen an einer Wahlkampfveranstaltung teil. Foto: Thomas Padilla/AP/dpa

Wie salonfähig das RN mittlerweile ist, sieht man auch darin, dass der Chef der konservativen Républicains, Éric Ciotti, kurzerhand ein Bündnis mit ihnen für die Parlamentswahl ankündigte. Ein großer, empörter Teil der einstigen Volkspartei versucht nun, Ciotti als Vorsitzenden loszuwerden, denn eine Allianz wäre ein Dammbruch.

Und noch ein weiteres Problem gibt es, sollte Macron wirklich auf die Brandmauer setzen. Umfragen sehen sein Lager zurzeit hinter RN und dem linken Lager nur auf Platz drei. Die Frage wird also auch sein, in wie vielen Wahlbezirken die Mitte-Kandidaten überhaupt in die zweite Wahlrunde einziehen, und ob Macron für den Kampf gegen RN im Zweifel auch selbst bereit ist, gegen seine Überzeugungen zur Wahl eines linken Kandidaten aufzurufen.

Das zumindest könnte man als nötige Konsequenz sehen, wenn er mit Blick auf die nächste Präsidentschaftswahl, bei der er nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf, sagt: „Ich will genau nicht 2027 die Schlüssel der Macht an die Rechtsextreme geben.“ (dpa)

46 Antworten auf “Wahl in Frankreich: Hält Brandmauer gegen rechts?”

  1. Marcel Scholzen Eimerscheid

    Auch ohne Rechts hat Frankreich und Europa sich herunter gewirtschaftet. Deswegen ist Rechts für mich keine Schreckenversion. Ob es besser wird, weiß ich nicht. Die Rechten können nicht viel schlimmer sein als die Linken. Die können ja mal zeigen, was sie können oder auch nicht.

    • Karli Dall

      @Marcel Scholzen Eimerscheid

      Mir tun die „Rechten“ nichts. Die Linken sind die, die den Rechtschaffenen Schaden zufügen.

      Mal sehen was der Rechte Victor Orban für West-Europa tun kann. Schwerpunkt der ungarischen Ratspräsidentschaft soll die Bekämpfung der illegalen Migration werden.
      Nur 1 Schwerpunktthema, das ist gut. Sehr viel Arbeit, nicht nur bis Weihnachten.

      Damit könnte man auch alle nachfolgenden Ratspräsidenten beschäftigen.

      • Marcel Scholzen Eimerscheid

        Die linken Parteien haben ihre eigenen Wähler verraten, dh die Kleinen Leute. Die sprechen von sozialer Gerechtigkeit und praktizieren die noch nicht mal in den eigenen Reihen. Nur Akademiker kriegen die gutbezahlten Positionen. Die sind gar nicht interessiert an einer Reduzierung der Armut. Denn Armut und Elend gibt den linken Parteien eine Daseinsberechtigung. Man stelle sich vor, Armut und Elend wären verschwunden. Gegen was sollte PS, Ecolo und PTB noch wettern ?

        LePen ist keine Rechtsradikale, sondern eine französische Nationalisten reinsten Wassers. Die kann nicht viel anfangen mit dem Rassenquatsch der AFD. In der Partei von LePen sind viele Nachfahren von Emigranten.

        Ich persönlich kenne viele Afrikaner, die rechts-konservativ eingestellt sind. Für die zählt das Leistungsprinzip. Aus Afrika sind die gewohnt, hart zu arbeiten, weil die sonst verhungern. Die finden es dann befremdlich, dass jungen Menschen direkt mit 18 Geld vom ÖSHZ bekommen können. Junge Menschen, die eigentlich arbeiten könnten.

        • Es sind solche Blindgänger wie Sie, die den RN an die „Macht“ bringen.
          Es werden zwar weiterhin „junge Menschen“ Geld vom ÖSHZ bekommen, aber nur Franzosen.
          Die, die wegen ihrer Abstammung nicht erwünscht sind, werden nicht schneller ausgewiesen als vorher. Höchstens werden sie in die Illegalität und Kriminalität gedrückt.

          Egal ob links oder rechts, ich verwerfe jeglichen Extremismus. Falls der RN mit seinen radikalen Ideen durchkommt, werden etliche arabische Staaten ihre Beziehungen zu Frankreich abbrechen und ihre Milliarden abziehen – bis dass günstig aufgekauft werden kann.

          Immer wieder höre und lese ich, dass die europäischen Werte ein Magnet für das Elend der Welt sein sollen. Wenn wir diese Werte abschaffen, sind wir zwar nicht mehr „attraktiv“, zerstören uns aber selbst.

          • Erleuchtung Jean

            @5/11
            „Europäische Werte“, mit diesem Begriff kann man sich nichts mehr kaufen, da diese Wortschöpfung inzwischen überdehnt wurde.
            Wenn dieser Scheinwert nicht mehr im Vordergrund steht, wird Europa nicht zerstört, sondern sich neu erfinden.

          • Marcel Scholzen Eimerscheid

            Wie rechtfertigen Sie die Bevorzugung von Akademikern bei den linken Parteien ? Es ist nun mal ein Fakt, dass Arbeiter und Handwerker keine hohen Positionen in diesen Parteien bekleiden.

            • Erleuchtung Jean

              @Marcel Scholzen Eimerscheid
              „Wie rechtfertigen Sie die Bevorzugung von Akademikern bei den linken Parteien ?“
              Wenn Sie mich meinen,
              Rechtfertigung ist der falsche Ausdruck, es ist Irreführung und Verarschung. Dies haben aber, zumindest wie man in Deutschland sieht, die Anhänger kapiert und wie die Ratten das sinkende Schiff verlassen.
              Aber um sicher zu sein, sollten Sie Ihre Frage dem Führungskader der Linken stellen, solange es ihn noch gibt. (Die Linke 2 %)

          • 5, sie verwerfen gar nichts, laut ihren Kommentaren stehen sie soweit links das sie die Realität längst aus den Augen verloren haben u wohl jeder CDU oder FDP Politiker der 90ziger für sie räächts war.
            Niemand wird irgendetwas abziehen, nur wenn hier z.B. mal geltendes Gesetz angewendet wird. Bei denen von ihnen angesprochenen lacht man u schüttelt den Kopf über die bekloppte EU. Da sie aber nie dort sind können sie dies natürlich nicht wissen u werden es auch nicht glauben

          • Der „Magnet“ unserer Gesellschaft ist das ÖSHZ. Wenn dort das Geld ausgeht dann werden auch Leute wie Sie ganz schnell buchstäblich am eigenen Leib erfahren wie „multi-kulti“ funktioniert wenn der Kuchen aufgegessen ist…..

        • M.S. aus E.
          Bitte informieren bevor man Quatsch behauptet. Eine ganze Reihe Mitglieder der Afd haben Migrationshintergrund und auch, ob beim Bund oder den Ländern, überall gibt es Afd Abgeordnete mit Migrationshintergrund. Nicht mal beim %-Satz liegt die Afd hinter den Anderen zurück.

  2. René Baart

    Gegen RechtsRADIKAL sollte die Brandmauer doch hoffentlich halten. Leider ist es jedoch derzeit Fakt, dass, durch den schon ziemlich extremen linken Zeitgeist von Politik und Medien, bereits diejenigen als „rechts“ gelten, welche nicht diese linken, frühlingsfarbenen Ideen gutheißen oder gar leben. Dass endlich nach rechts gerückt wird, sollte uns allen Hoffnung geben, weil ansonsten, ohne Recht und Ordnung, unsere Gesellschaft, wie wir sie kennen, dem sicheren Tode geweiht ist. Es darf also ruhig etwas mehr nach rechts rücken. Alles andere ist lediglich eine durch die linke Seite inszenierte Diffamierung.

  3. Wer sich von Begriffen wie „Brandmauer“ vorschreiben lässt was er wählt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Parteien die sich hinter „Brandmauern“ verschanzen sind langfristig eh auf der Verliererstrasse. Für die heutigen Probleme ist weder der FN in Frankreich oder die AfD in Deutschland verantwortlich da sie noch keine Regierung gestellt haben. Alle Probleme die uns heute beschäftigen kommen von dieser Seite der „Brandmauer“…

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