Gesellschaft

1. November: Allerheiligen

Allerheiligen gleichen die Friedhöfe einem Lichtermeer. Foto: Shutterstock

„Ostbelgien Direkt“-Mitarbeiter Jannis Mattar, 19 Jahre, hat sich vor dem Allerheiligen-Feiertag zum Eupener Friedhof begeben und sich dort umgeschaut. Im folgenden Bericht schildert er seine Eindrücke.

Friedhöfe sind abgelegene Orte der Stille, Einsamkeit und des Todes. Nicht viele Seelen verirren sich hierher, denn auf Schritt und Tritt wird man von den Gedanken an verstorbene Freunde und Verwandte verfolgt. Nur zu Allerheiligen verwandelt sich der Begräbnisort in ein Besucherzentrum. Auch an diesem kalten Herbsttag sind vor Allerheiligen viele geschäftige Angehörige am Werk, um die Gräber für das anstehende Fest zurecht zu machen.

friedhof boris5

Der Eupener Friedhof am Vortag von Allerheiligen. Foto: OD

Als ich durch das Tor den Vorhof betrete, höre ich das Getummel, zu dem Gärtner und Besucher das ihre beitragen. Und obwohl der Abend bereits angebrochen und die Sonne kaum mehr zu sehen ist, kommt bei dem steten Lärm nicht die Stimmung auf,  deretwegen ich gekommen bin.

Herrliche Einsamkeit

Auf dem Weg zum anderen Ende des Friedhofs ändert sich das. Jeder Schritt, bei dem der Kies und die vielen kleinen Äste unter den Schuhen knacken, scheint mich immer weiter in die herrliche Einsamkeit zu führen, mit der ich an das Grab meiner Großeltern treten will.

Über ein Jahr schon ist es her, dass mich ein Begräbnis zuletzt an diesen Ort führte. Was man einem so jungen Menschen vielleicht nicht zutrauen mag, aber dennoch der Realität entspricht, ist, dass ein Friedhof etwas unglaublich Beruhigendes und Schönes an sich hat. Denn sobald man die Tore passiert, spielt die Welt draußen keine Rolle mehr. Gedanken und Empfindungen klammern sich sogleich an diejenigen, die wir geliebt und verloren haben.

Wenn sich der Geist öffnet, verschließen sich die Sinne

allerheiligen-friedhof-normal

An Allerheiligen werden die Gräber der Toten mit Kränzen, Blumen und Gestecken geschmückt. Foto: Shutterstock

Angekommen am Grab meiner Großeltern, schwindet die Realität um mich herum. Das leise Dröhnen der Gärtnergeräte und der Lärm der nahen Stadtmitte verschmelzen zu einem kaum wahrnehmbaren Hintergrundrauschen.

Wenn sich der Geist öffnet, verschließen sich die Sinne. Das ist der Moment, an dem man sich in stiller Einsamkeit und Ehrlichkeit in Erinnerungen fallen lässt und mit denen spricht, die man seit langem vermisst.

Wie im Rausch vergeht die Zeit, und um mich herum wird es dunkel. Ich habe mit meiner Oma das Nötigste besprochen: Wie die Schule so läuft, wie es dem Vater geht und über den Geburtstag meiner Nichte. Ob sie mich hört, weiß ich nicht, aber es ist befreiend, sich nicht hinter einer Fassade zu verstecken und sich alles von der Seele zu reden.

Sirene eines Krankenwagens holt mich zurück ins Leben

Kaum fertig, holt mich die Sirene eines Krankenwagens zurück ins Leben. Die Augen sind feucht, und eine salzige Tränenspur zeichnet meine rechte Wange.

Ich kehre dem Grab den Rücken und wandere in der immer präsenteren Dunkelheit zum Ausgang. Auf bald, und ich hoffe, dass sich vielleicht noch der eine oder andere Enkel hierher verirren mag.

JANNIS MATTAR

13 Antworten auf “1. November: Allerheiligen”

  1. Erika Kautz

    Lieber Jannis, dieser Artikel ist sehr schön geschrieben und beschreibt anschaulich die Stimmung, die Sie selber umfangen hat beim Besuch des Eupener Friedhofes. Falls Sie heute morgen in Friedhofsnähe gewesen wären, hätte kein Sirenengeheul eines Krankenwagens Sie ins Leben zurück geholt, sondern DREI Laubbläser. 06.45Uhr – untere Simarstrasse – Ohren betäubender Lärm, der schon von weitem auf der Aachener Strasse zu hören war. Drei Arbeiter waren dabei mit besagten Höllenmaschinen Laub durch die Gegend zu wirbeln. Ob das um diese Tageszeit und überhaupt nötig ist??? Da wünscht man sich tatsächlich den guten alten Laubrechen zurück, dauert zwar etwas länger, dafür stinkt und lärmt er wesentlich weniger!

  2. Norbert Weber

    Liebe Frau Kautz, dann nehmen Sie sich doch Ihren Laubrechen, und säubern sie wenigstens die Gegend um den Friedhof, dann haben die Verstorbenen ihre Ruhe, und sie verwünschen ihren Laubrechen nach einer halben Stunde. Die Gemeindearbeiter werden es ihnen danken

  3. R.A. Punzel

    @Erika Kautz: Waaaas? Um 06.45 Uhr wird schon gearbeitet? Mitten in der Nacht? Also, an Ihrer Stelle würde ich mir das nicht bieten lassen: Ab sofort hat in Eupen, insbesonders in der „unteren Simarstrasse“ und rund um die Aachener Strasse Totenstille zu gelten. Einschränkend: Von 00.00 bis 24.00 Uhr auch in Ostbelgien. Wo kämen wir sonst hin, wenn nicht einmal die Toten ihre Ruhe haben. R.I.P.

  4. Sehr schön geschrieben,danke :) Ich gehe selbst oft zum Westfriedhof Aachen,einfach nur um die Ruhe und Atmosphäre dort zu geniessen. Den Terz allerdings den die meisten um diese „Feiertage“ rum machen interessiert mich nicht,traurig,wenn man ein Gedenktag braucht um sich der Toten zu erinnern.

    • Ja, @lise, da bin ich ganz Ihrer Meinung. Sonst sieht man das ganze Jahr über niemanden an den Gräbern seiner Angehörgien! Die Gräber verkommen wörtlich. Und vor Allerheiligen wird dann gearbeitet an den Gräbern was das Zeug hält! Neu gepflanzt, geputzt und geschrubt! Denn was sollen denn schliesslich die Leute von uns denken, wenn diese an unserem Grab vorbei gehen am 01.11!!! Mein Vater, der beireits seit 20 Jahren verstorben ist hasste dies schon zur damaligen Zeit! Und ich hasse es immer noch! Und werde garantiert nicht zu so einem Tag auf den Friedhof gehen! Dann lieber an anderen Tagen! Ich finde das auch fürchterlich, dass man einen Gedenktag benötigt um seiner Lieben zu Gedenken! :-(

  5. Ich freue mich, dass sich die meisten Kommentarschreiber auf den Inhalt des Textes beziehen :) Wahrscheinlich hat G. Cremer nicht von ungefähr das Alter des Autors angegeben… Wenn man – gleich zu welchem Zeitpunkt des Jahres – zum Friedhof geht, dann kann man eine Ahnung davon bekommen, was mit Begriffen wie „Ruhestätte“. „letzte Ruhe“ gemeint sein kann; warum viele Menschen auch diesen Ort brauchen und schätzen, um mit denen, die ihnen auch heute noch wichtig sind, obwohl sie gestorben sind, ins „Gespräch“ zu kommen. Einfach, weil dort der Rahmen und die Ruhe gegeben sind, die man anderenorts nur schwer finden kann. Schön, dass bei OD auch solche Texte ihren Platz finden.

  6. bernadette keil

    “ “Ostbelgien Direkt”-Mitarbeiter Jannis Mattar, 19 Jahre, hat sich vor dem Allerheiligen-Feiertag zum Eupener Friedhof begeben und sich dort umgeschaut. Im folgenden Bericht schildert er seine Eindrücke.
    Friedhöfe sind abgelegene Orte der Stille, Einsamkeit und des Todes. Nicht viele Seelen verirren sich hierher, denn auf Schritt und Tritt wird man von den Gedanken an verstorbene Freunde und Verwandte verfolgt. Nur zu Allerheiligen verwandelt sich der Begräbnisort in ein Besucherzentrum. Auch an diesem kalten Herbsttag sind vor Allerheiligen viele geschäftige Angehörige am Werk, um die Gräber für das anstehende Fest zurecht zu machen.“

    Sorry aber ich finde diesen Bericht sehr sehr arm. Arm im Geiste! Man wird dort nich verfolgt, man verirrt sich auch nicht dorthin. Und NICHT NUR zu Allerheiligen pflegen Angehörige die Gräber. UND JA, zum Glück IST es eine Art „Besucherzentrum“. Angehörige begeben sich dorthin in Gedenken, Liebe und Erinnerung. Und dass dann rege dort gearbeitet und gepflanzt wird ist durchaus positiv.
    Also der Rest Deines Berichtchens ist dann sehr rührend, aber der Einstieg war ziemlich makaber.
    Verirren wird man sich nicht, es gibt auch (überwiegend) Menschen die gehen „bewusst“ zu den Gräbern, viele Menschen täglich. Sorry, aber um solche Themen zu umschreiben brauchst Du noch nen Hauch an Lebens- und Todeserfahrung. Dass man Opa oder Oma „begraben“ musst ist in Deinem Alter quasi normaler Lauf des Lebens. Aber auf dem Friedhof begegnest Du auch ganz anderen Geschichten. Also nicht zuviel schreiben über Dinge die Menschen sehr bewegen, von denen man aber selber (zum Glück) nicht allzuviel weiß oder versteht!

  7. Schlembach Paul

    @bernadette keil: Sehr gut (Be)geschrieben.Jannis Mattar(19 Jahre) hat nur einen sentimentalen „Versuch“ unternommen auf die
    Tränendrüsen zu drücken.Das,ist Ihm auch (Bei manchen Leuten) gelungen.Sollte sich Ihren letzten Satz zu Herzen nehmen.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern