Gesellschaft

Die Zeitungen kämpfen ums Überleben

Gemütlich und in aller Ruhe Zeitung lesen: Viele Menschen haben dazu nicht mehr die Muße und die Zeit... Foto: Shutterstock

Die Zeitungswelt ist in Unruhe: In Deutschland erlebt die Presse laut Bundesagentur für Arbeit derzeit die größte Entlassungswelle seit Bestehen der Bundesrepublik. Auch in Belgien und in anderen Ländern wird die Lage immer kritischer: Auflage und Werbeeinnahmen sinken, und die Kosten steigen. In Ostbelgien sieht sich das Grenz-Echo gezwungen, den Preis für ein Jahresabonnement auf 295 Euro zu erhöhen. Quo vadis, Tagespresse?

„Vorher sind mal einzelne Redaktionen insolvent gegangen. Aber das war nie die Größenordnung, die heute erreicht wird, wo wir mehrere Redaktionen haben, die viele Menschen freisetzen“, sagte ein Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg.

„Nur der Beginn einer Pleitewelle“

Verlage hatten wegen gesunkener Erlöse auf dem Print-Anzeigenmarkt zuletzt Schließungen, den Abbau von Arbeitsplätzen oder Umstrukturierungen angekündigt. Insgesamt sind Hunderte Arbeitsplätze betroffen. Die Wirtschaftszeitung „Financial Times Deutschland“ wird eingestellt. Die „Frankfurter Rundschau“ hatte vor kurzem Insolvenz angemeldet. Schon Ende September war die „Abendzeitung Nürnberg“ nach 93 Jahren eingestellt worden.

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In Deutschland traf die Krise bisher vor allem die „Frankfurter Rundschau“ und die „Financial Times Deutschland“ erfasst. Foto: dpa

Für den früheren Chefredakteur der schwer angeschlagenen „Frankfurter Rundschau“, Uwe Vorkötter, sind die Massenentlassungen auf dem Medienmarkt nur der Beginn einer Pleitewelle. „Die Krise, die seit Jahren beschworen wird, hat ihre ersten beiden prominenten Opfer gefordert. Es werden nicht die letzten sein“, schreibt Vorkötter in einem Gastbeitrag für das „medium magazin“.

Zu wenig junge Leser

Das Netz zeigt Wirkung. Immer mehr Leser wenden sich von den einstigen Qualitätsmedien ab und versorgen sich aus dem Internet mit Informationen. Der Hunger nach faktentreuer Berichterstattung wächst. Zugleich wird mehr und mehr Menschen bewusst, dass dieser Hunger schon längst nicht mehr aus kostenpflichtigen Quellen zu stillen ist, sondern vorzugsweise dort, wo es nichts kostet: im Netz.

Das größte Problem für die geschriebene Presse: Es gelingt nicht mehr, die aussterbende ältere Leserschaft, die jahrzehntelang der guten alten Zeitung die Treue hielt, durch neue, junge Leser zu ersetzen – trotz vieler Anstrengungen, die für Jugendliche unternommen wurden und werden.

In Belgien wird die Lage der geschriebenen Presse ebenfalls immer kritischer. Vor allem den frankophonen Zeitungen macht der Anzeigen- und Leserschwund zu schaffen. Nachdem die Gruppe Sudpresse schon vor einigen Monaten umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen beschließen musste, sieht sich jetzt auch die Rossel-Gruppe zu Einsparungen genötigt: rund 10 Millionen Euro nur in Belgien. Die Tageszeitung „Le Soir“ muss mit 3 Millionen Euro weniger auskommen.

Übermächtige Konkurrenz – Kostenlose Informationen aus dem Internet

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Nicht mehr die Zeitung, sondern Smartphone und Internet bestimmen den Alltag von Jugendlichen. Foto: Shutterstock

In Ostbelgien muss auch das Grenz-Echo dafür sorgen, dass es sich über Wasser halten kann. Letzte Woche gab der Verlag bekannt, dass man den Preis für das Einzelexemplar sowie für das Abonnement erhöhen müsse. Seit Samstag kostet die Einzelausgabe des Grenz-Echo 1,20 Euro. Das Jahresabonnement ist für 295 Euro zu haben. Man reagiere damit „auf die stark steigenden Produktionskosten“, hieß es: „Ursache ist im Wesentlichen die Steigerung der Energiepreise, die direkt den Druck, die Transporte und damit die Postverteilung verteuern. Auch die zurückliegende sowie die für 2013 erwartete Steigerung der Personalkosten werden durch die Preiserhöhung nur teilweise aufgefangen.“

In anderen Ländern wie Großbritannien und Frankreich sieht es nicht besser aus. Wie in Deutschland wurden auch in Frankreich zwei bekannte Titel eingestellt: Nach „France Soir“ musste auch „La Tribune“ die Segel streichen.

Die geschriebene Presse hat Radio und Fernsehen überlebt, aber die Konkurrenz des Internets scheint übermächtig zu sein. Welcher Jugendliche bezahlt schon knapp 300 Euro für ein Zeitungsabo, wo er aus dem Netz kostenlos mehr Information schöpfen kann, als ihm recht ist?

Gefahr der „Kannibalisierung“ der eigenen Zeitung

Fraglich ist auch, ob sich mittel- bis langfristig die (kosten)intensiven Bemühungen der Verlage auszahlen, vermehrt auf digitale Angebote umzusatteln. Schließlich läuft jeder Verlag durch das neue Digitalangebot Gefahr, die eigene Zeitung zu „kannibalisieren“. Bei so manchen Zeitungen herrscht Ratlosigkeit, die oftmals in blindem Aktionismus („Dabei sein ist alles“) endet.

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Die Zeitungsverlage sehen in „Apps“ einen Rettungsanker. Zahlen sich die kostenintensiven Bemühungen irgendwann aus? Foto: dpa

Vor allem Tageszeitungen tun sich immer schwerer. Wöchentlich erscheinende Magazine wie der „Spiegel“ können das digitale Angebot komplementär nutzen, aktuelle Geschehnisse zeitnah aufgreifen und wiederum cross-medial die eigene gedruckte Wochenzeitschrift bewerben. In der gedruckten Fassung kann wiederum auf multimediale Elemente der Online-Version verwiesen werden.

„App“ lautet in den Augen zahlreicher Verlage das Zauberwort. Viele hoffen, dank dieser kleinen Programme für Smartphones und Tablets endlich die junge Zielgruppe erschließen zu können, die ihre Zukunft sichern soll.

Der Leser schaut jedoch oftmals in die Röhre, da digitale Kosmetik noch lange nicht die Inhalte verbessert. Stattdessen werden die vorhandenen Inhalte in ein moderneres Gewand gegossen, um sich ein zeitgemäßeres Antlitz zu verpassen. Eine auf Web ausgerichtete Optimierung der Inhalte wird aus Kostengründen ebenfalls oftmals unterlassen. Hauptsache „mittendrin statt nur dabei“. (cre)

13 Antworten auf “Die Zeitungen kämpfen ums Überleben”

    • Auswanderer

      Wenn Sie es kündigen und später neu abonnieren haben Sie nur Vorteile, Pierre! Schließlich werden ausschließlich Neu-Abonnenten großzügig beschenkt. Sichern Sie sich doch einen GEV-Buchgutschein im Wert von 70 Euro. Jedenfalls hat man als „laufender Abonnent“ nicht soviel Glück, da kann man froh sein, dass die Zeitung auch ohne Geschenk rechtzeitig eintrudelt.
      Ein tolles Weihnachtsgeschenk des GE wären statt Sachpreisen interessante Inhalte gewesen, aber aktuell konzentriert man sich ja auf öffentlichkeits- und werbewirksamere Maßnahmen.

  1. Also Copy-Paste alleine wäre nur halb so wild. Heute im erschienen Weykmans-Artikel hielt man es nichtmal für nötig zu erwähnen WO Wirbel um Frau Weykmans entstanden war. Sicherlich nicht in den Kommentaren auf GE.Net, denn da wurden ganze ZWEI Kommentare zum Artikel veröffentlicht (auf Facebook waren es kaum mehr). Stattdessen wurde so getan als sei nach dem entsprechenden Presseartikel ein Bauernkrieg auf offener Straße entfacht worden. Schade, dass die GE-Redakteure der durch die Obrigkeit vorgegebenen Marschroute des Totschweigens anderer Medien bedingungslos gehorchen, statt Journalisten mit Eck‘ und Profil zu sein. Liebes GE, ihr wurdet nun 85, Zeit erwachsen zu werden!

  2. Mein Vorschlag Es sollte ein „modulares GE“ geben, wählbar
    (kaufbar) wären 3 Bereiche 1. Lokalredaktion 2. Weltredaktion 3.
    Sport Ich persönlich würde für z.B. den halben GE-Preis das Paket 1
    nehmen. Paket 2 ist Tage vorher schon kostenlos im Web zu lesen.
    Paket 3 interessiert nur Sportinteressierte, also können die den
    Aufpreis zahlen wenn sie wünschen. Vielleicht könnte das GE dann in
    halber Größe oder Tabloid erscheinen?

  3. Die Sache ist vor allem: Wieso soll man sich das Grenz-Echo
    kaufen, wenn morgens um 8 schon sämtliche (oder zumindest der
    Großteil und das wichtigste) Nachrichten auf der eigenen
    Internetseite veröffentlicht werden? Ich find mit der Maus scrollen
    wesentlich praktischer als tapeten-große Seiten zu blättern und mir
    die Finger zu schwärzen.

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