Notizen

Watzke: „Ohne Geisterspiele säuft ganze Bundesliga ab“

Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund. Foto: Bernd Thissen/dpa

AKTUALISIERT – Bloß keine Sonderstellung – aber bitte „zügig“ zurück zum Fußball-Spielbetrieb! Im vehementen Werben für eine zeitnahe Rückkehr der Bundesliga hat der Boss von Borussia Dortmund, Hans-Joachim Watzke, düstere Zukunftsszenarien gezeichnet und vor einem Kollaps des ganzen Systems gewarnt.

„Wenn wir den Fußball nicht weiterspielen, dann säuft die ganze Bundesliga ab“, sagte Dortmunds Geschäftsführer in der Sendung „Wontorra – allein zu Hause“ bei Sky am Sonntag. Sollte man gar über ein Jahr keinen Fußball spielen können, „dann gehen überall die Lichter aus – auch beim BVB“, fügte Watzke an.

Das von der Deutschen Fußball Liga (DFL) erarbeitete Konzept hält Watzke für tadellos. „Wenn man unser Konzept jetzt ablehnt, wird sich auch in acht Wochen daran nichts ändern“, rief Watzke auch den politischen Entscheidern zu, die nun die Erlaubnis für eine Wiederaufnahme der Bundesliga mit Geisterspielen geben müssen. Doch aus der Politik blieben an diesem Wochenende die Mutmacher für den erhofften Neustart an diesem Wochenende aus.

11.03.2020, Nordrhein-Westfalen, Mönchengladbach: Ein Kameramann filmt das Aufwärmen der Mannschaften im zuschauerfreien Stadion Borussia Park. Das Spiel Gladbach-Köln fand wegen des Coronavirus ohne Zuschauer als Geisterspiel statt. Foto: Roland Weihrauch/dpa

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der jüngst noch einen Start am 9. Mai in Aussicht gestellt hatte, sagte „Focus online“ mit Blick auf die nächste Runde von Kanzlerin und Ministerpräsidenten am Donnerstag: „Aber ich würde diesmal nicht allzu viel erwarten. Es wäre sinnvoll, wenn wir nächsten Donnerstag ein Update machen, aber keine zusätzlichen überstürzten Aktionen einleiten.“ Die Bundesliga müsse maximale Hygiene-Forderungen erfüllen und könne selbst dann nur „auf Bewährung starten“, betonte Söder.

Auch der ehemalige Bayern-Präsident Uli Hoeneß lobte die Beteiligten für ihr Management. „Bei der DFL wird in dieser Krisensituation sehr gut gearbeitet, wie gerade die Verhandlungen mit Sky zeigen: Damit wurde die notwendige Liquidität für einige Vereine geschaffen“, sagte Hoeneß dem „Kicker“. Er halte Geisterspiele für „fragwürdig, doch angesichts der wirtschaftlichen Lage einiger Vereine sind sie lebensnotwendig und bedingungslos“.

Watzke mag mit seiner Konzept-Beurteilung „Mehr geht nicht“ womöglich recht haben, doch auch dem 60-Jährigen müsste klar sein: Auch die Akzeptanz in der Bevölkerung und die Verhältnismäßigkeit von Aufnahme des Profifußballs zu sonstigen Maßnahmen dürften eine maßgebliche Rolle spielen. Werden die Kontaktbeschränkungen am 30. April erneut verlängert, dürften DFL und Clubs das beste Konzept zunächst nichts helfen, da weiterhin nicht mal ein reguläres Training stattfinden könnte. Zwischen Sicherheitskonzept und versprochener Disziplin bei der Isolierung bleibt deshalb nur eins: Geduld.

Uli Hoeneß, ehemaliger Präsident des FC Bayern München. Foto: Sven Hoppe/dpa

Ein Zwang, der einige Vereine in existenzielle Nöte bringt, solange die TV-Gelder für die neun ausstehenden Spieltage nicht fest eingeplant werden können. Werder Bremen muss nach eigenen Angaben bereits Schulden aufnehmen und rechnet im schlechtesten Fall mit einem Verlust von 40 Millionen Euro. Diese Fälle sorgen auch Watzke: „Wir wissen, dass Solidarität gefragt ist. Aber wenn wir was verteilen wollen, müssen wir auch mal wieder was einnehmen.“

Er fügte hinzu: „Und jeder weiß, wenn es Insolvenzen gibt, kommen auch die sogenannten Weißen Ritter, die dann sagen, wir geben euch Geld, aber ihr müsst dafür sorgen, dass 50+1 fällt.“ Mit der 50+1-Regel soll verhindert werden, dass Kapitalanleger die Stimmenmehrheit in Profi-Clubs übernehmen.

Kritik an der schnellen zuschauerlosen Bundesliga-Fortsetzung gibt es von vielen Seiten: von einzelnen Politikern, von Fan-Organisationen – und auch von der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die vor möglichen Fan-Ansammlungen vor den Stadien warnt. „Geisterspiele sind eine Gefahr, auch wenn der Veranstalter im Stadion alles tut, damit Hygienevorschriften eingehalten werden, um das Infektionsrisiko so niedrig wie möglich zu halten“, sagte GdP-Vize Jörg Radek in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Keine große Menschenansammlungen vor den Stadien

Wenn das Stadion zu einem potenziellen Ziel von Fans werde, sei dies „verheerend“, fügte Radek an. „Es darf während dieser Pandemie nicht zu großen Menschenansammlungen vor den Stadiontoren kommen. Das ist nicht nur verboten, es wäre unverantwortlich.“

Beim bisher einzigen Geisterspiel Gladbach gegen Köln war es zu einer Zusammenkunft vor dem Stadion gekommen – allerdings in einer Phase, in der drei Tage zuvor ein volles Stadion noch der Normalzustand war.

Herbert Reul, Innenminister in Nordrhein-Westfalen, hält Geisterspiele für möglich und sagte der Tageszeitung „Die Welt“: „Wir bereiten uns in der Polizei intensiv darauf vor, weil es Probleme geben könnte.“

Der Spielball liegt auf einem Podest im Stadion. Wann rollt der Ball wieder? Foto: Jan Woitas/dpa

Watzke sagte, er kenne keine Gruppierung, die so etwas angekündigt habe. „Den Fußball unter Generalverdacht zu stellen, ist auch nicht in Ordnung.“ Auch ein Vertreter des Fan-Bündnisses „Unsere Kurve“ widersprach den Befürchtungen der Polizei. Aus Sicht der Fans sei es in der aktuellen Lage „völlig irrsinnig, vor die Stadien zu gehen“, sagte Thomas Kessen in der TV-Sendung „Doppelpass“ von Sport1. „Das ist ein Ablauf, der da konstruiert wird, den halte ich für annähernd ausgeschlossen“, fügte der Fan-Sprecher hinzu. Zumal viele Fans und Fangruppen die Geisterspiele gar nicht sehen wollen.

Das Bild von der nimmersatten Milliardenbranche, die trotz immer höherer Summen so schnell vor dem Ruin steht, polarisiert das Meinungsbild zum Fußball derzeit noch mehr als sonst. Über die zahlreichen Kritiker und die zum Teil drastische Ablehnung für die Hygiene-Pläne hatte DFL-Boss Christian Seifert schon am Donnerstag gesagt, er spüre „eine Missgunst, die mich schon überrascht“ und „wenig good will“.

Auch Watzke fragte nun: „Wie kommt das, dass uns Teile der Gesellschaft so kritisch sehen, während das vor Wochen noch einige anders gesehen haben?“ Mögliche Kritikpunkte seien die gigantischen Ablösesummen, die Gehälter und teilweise auch das Verhalten der Beteiligten. „Ich wünsche mir, dass so etwas nach Corona vielleicht alles wieder ein bisschen zurückgedreht wird“, erklärte der BVB-Boss. Man müsse den Profis verdeutlichen, „was sie für einen privilegierten Beruf haben“. (dpa)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

23 Antworten auf “Watzke: „Ohne Geisterspiele säuft ganze Bundesliga ab“”

  1. Ekel Alfred

    Es geht denen nur um die Bundesliga….Millionen Transfersummen sind für Spieler vorhanden….aber nicht für die Überwindung einer Krise….obschon die meisten Clubs im Besitz von Scheichen u.a. sind….Lindner von der FDP sagt zu Recht….das letzte was geöffnet wird….ist die Bundesliga….

  2. Vielleicht sollten sich die Fußballvereine jetzt, statt zu jammern, europaweit darauf verständigen, eine totale Reform des Profifußballs umzusetzen. Es ist mittlerweile sowieso pervers, was diese Nichtskönner verdienen.

    Man sollte es machen wie in der MLS. Da gibt es ein Höchstbudget für die Gehälter des Kaders, welches, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, bei 4,9 Millionen US- Dollar liegt. Jeder Verein darf maximal 3 Spieler haben, die mehr verdienen, aber das Gehaltsbudget mit jeweils gut 480000 Dollar belasten. Wenn man jetzt von einem 25 Mann- Kader ausgeht, bleiben für die „normalen“ 22 Spieler also nur noch gut 3,4 Millionen Dollar, oder halt ca. 155000 Dollar pro Kopf, über. Das hat gleich mehrere Vorteile. Es gibt viel weniger überschuldete Vereine und auch einen viel spannenderen Wettbewerb, weil es unter diesen Voraussetzungen selbst Milliardäre nicht schaffen, anderen Vereinen alle guten Spieler wegzukaufen.

    Man könnte ja hier in Europa durchaus etwas höhere Summen ansetzen, aber die momentanen Spielergehälter sind nicht mehr zu rechtfertigen.

    • Die Konkurrenz macht's

      Natürlich stehen die Gehälter in keinem Verhältnis zur Leistung. Es wird sich aber immer ein Klub finden, der überbietet.
      Fussball ist und bleibt der beste Weg, seine Schränke voller Geld zu waschen… Nur im Krisenfall, wie heute, ist „offiziell“ kein Geld da. Man könnte ja fragen, wo’s her kommt.

      • Wenn es hier in Europa auch so eine verbindliche Regel gäbe wie den Salary Cap in den nordamerikanischen Profiligen, könnte kein Club mehr etwas überbieten. Das hätte nämlich den sofortigen Lizenzentzug zur Folge! Deshalb gibt es dort auch noich einen faireren Wettbewerb. In jeder einzelnen US- Liga haben in den letzten 15 Jahren mehr verschiedene Teams den Titel geholt als in allen europäischen Fußballigen zusammen. In der Bundesliga oder der Jupilerleague sind es doch fast immer dieselben Teams, die Meister werden. Es gab in beiden Ligen nur 5 verschieden Meister während der letzten 20 Jahre. Sowohl die Superbowl (Football), als auch den Stanley Cup (Eishockey) gewannen in den letzten 20 Jahren jeweils 14! verschiedene Teams! Dank Salary Cap gibt es da keine Übermannschaften wie in Europa, wo alleine Real Madrid und der Fc Barcelona die Hälfte aller CL- Titel, Anderlecht die h der letzten 20 Jahre gewonen haben.

        • Anderlecht die Hälfte aller JL- Titel oder Bayern sogar weit mehr als die Hälfte der BL- Titel der letzten 20 Jahre gewonnen haben. Das ist ja nicht mehr interessant, weil man ja meistens schon vorher weiß, wer Meister wird!

            • Es geht den Vereinen dabei überwiegend um die TV- Gelder und andere Werbeeinnahmen durch die Übertragung im TV! Borussia Dortmund hat in der Saison 2016/17 durch TV- Gelder und die Championsleague fast 126 Millionen € eingenommen, der Fc Bayern im selben Zeitraum sogar gut 182 Millionen! Zuschauereinnahmen und Trikotverkäufe sind für die nur ein verschmerzbares Zubrot. Letztere würden ja während einer Geisterspielsaison sogar erhalten bleiben.

  3. Natürlich sehen auch viele „Normalverdiener“ des Bundesligazirkus (Platzwart,Raumpflegerinnen,Sekretärinnen,…) ihre Jobs gefährdet.Dies ist höhst bedauerlich.Das aber in einer Zeit in der unzählige kleine Selbständige vor dem Nichts stehen,gerade die jammern,die an besagtem Produkt jahrelang Millionen Euro verdient haben,ist unsäglich.

  4. Johann Klos

    Diese ganze Jammerei verdeutlich eigentlich – nicht nur in der BRD – das der Gesetzgeber dringenst den Posten : notwendige zukünftige Rücklagen in den Bilanzen der Vereine überprüfen und gegebenfalls im Verhältnis zum Umsatz anpassen sollte.

    • Ekel Alfred

      @ Johann Klos (Hans, Hänschen), das wäre eine Möglichkeit….aber die Geldgeber der erstklassigen Vereine sind meistens ausländischer Herkunft….und die bestimmen halt….wo’s lang geht….

      • Das ist nur bedingt richtig. Es gibt sowohl in Deutschland, als auch hier in Belgien, ein offizielles Lizenzierungsverfahren. Man müsste nur die Statuten dieses Verfahrens endlich 1:1 anwenden. Dann würde der Großteil der Vereine hüben wie drüben nämlich ohne Lizenz dastehen! Ausländische Investoren, die in D wegen der 50+1- Regel ja ohnehin kaum eine Rolle spielen, hätten da gar nichts zu melden! Sie könnten höchstens bedingungsloses Geld in den Verein pumpen, damit ihr Verein eine Lizenz bekommt.

  5. Alfons van Compernolle

    Weder die Bundesliga noch die Vereine saufen ab , wenn kein Fussball gespielt werden kann.
    Das Problem in der Bundesliga die ausbleibenden Milliarden Einnahmen und die enormen durch nichts zu rechtfertigenden Millionen-Gehaelter der Spieler und der Vereinsfuehrungen.
    Mit anderen Worten diese Herrschaften haben Angst um ihren Millionen-Euro-Job.
    Sich einen anderen Job suchen zu muessen , wo man mehr Arbeiten muss und doch einiges weniger
    verdient !! In dieser Koronakrise ist nur eines wichtig , das Retten von Menschenleben und zum gegebenen Zeitpunkt wieder normal seinen taeglichen Beruf ausueben zu koennen.
    Auf Gewerblichen Fussball kann man in solchen Krisenzeiten auch gerne verzichten !

    • Ich gebe Ihnen ansonsten völlig Recht bei Ihren Ausführunge, aber fast alle Profivereine, egal in welchem Land, müssen, bis auf sehr wenige Ausnahmen, allesamt Insolvenz anmelden, wenn bis spätestens nächsten Monat nicht wieder gespielt wird. Mitleid braucht man mit denen natürlich nicht zu haben, den ganzen Horecabetrieben geht es ja auch nicht besser! Und da hat vorher niemand Millionen verdient!

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