Gesellschaft

Was kann Belgien von Deutschland lernen – und was Deutschland von Belgien?

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (hier bei einem Treffen in Berlin im Januar 2012 mit Belgiens Premier Elio Di Rupo) kann 100 Tage vor der Wahl mehr als nur zuversichtlich sein. Foto: dpa

„Ostbelgien Direkt“ hat dem Präsidenten des Arbeitgeberverbandes in der DG (AVED), Ludwig Henkes, und Geschäftsführer Volker Klinges die Frage gestellt, was Belgien von Deutschland lernen kann – und umgekehrt. Die Bundesrepublik gilt in vielerlei Hinsicht als „Musterknabe“ in Europa, jedenfalls was Teile seiner Wirtschafts- und Haushaltspolitik betrifft.

Henkes und Klinges waren am Montag im DG-Parlament zum Europäischen Fiskalpakt angehört worden (siehe dazu Artikel „Ludwig Henkes und Volker Klinges“).

OD: Was kann Ihrer Meinung nach Deutschland von Belgien lernen?

Ludwig Henkes: Lernen kann Deutschland von Belgien zum Beispiel, dass wir in Belgien ein sehr gut integriertes soziales System haben, dass die Menschen bei uns gut aufgehoben sind, dass man sich um sie sorgt, dass es Kindergärten gibt und dass wir in Belgien vielleicht eines der weltweit am besten funktionierenden Schulsysteme besitzen. Auf all diese Errungenschaften können wir stolz sein.

OD: Was kann Belgien von Deutschland lernen?

Ludwig Henkes (rechts) und Volker Klinges (2.v.l.) nach ihrer Anhörung im PDG beim Interview mit BRF-Redakteur Frederik Schunck. Foto: OD

Ludwig Henkes (rechts) und Volker Klinges (2.v.l.) nach ihrer Anhörung im PDG beim Interview mit BRF-Redakteur Frederik Schunck. Foto: OD

Volker Klinges: Belgien kann vor allem von Deutschland lernen, was hohe Effizienz bedeutet. Zum Beispiel bei der Entscheidungsfindung und bei der Umsetzung von Entscheidungen. Da zeigt sich Deutschland in höchstem Maße effizient. Da hinkt Belgien hinterher. Ich nehme nur als Beispiel die sogenannte „Agenda 2010“, die wahrscheinlich den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder das Amt gekostet hat. Jedenfalls wurde damals entschieden, dass Deutschland anders aufgestellt werden soll, und diese Entscheidung wurde in ihrer ganzen Konsequenz und Effizienz umgesetzt.

Trotzdem möchte ich deutlich machen, dass Belgien die „Agenda 2010“ nicht 1:1 übernehmen soll, sondern nur jene Teilbereiche, die unser Land aufgrund seines Wirtschaftssystems und seiner Kultur auch tatsächlich weiterbringen könnten.

Deutschland ist ganz anders strukturiert als Belgien. Bei uns sind Zuständigkeiten auf nahezu allen Ebenen des Föderalstaates angesiedelt und werden deshalb nicht von nur einem Gliedstaat oder einer Behörde verwaltet, sondern von mehreren. Dadurch entstehen zum Teil langwierige Diskussionen, was sich zu Lasten der Effizienz auswirkt. In dieser Hinsicht können wir von Deutschland viel lernen.

OD: Unterschiedlich ist auch, wie in den beiden Ländern der soziale Dialog geführt wird.

Ludwig Henkes: Belgien kann durchaus das eine oder andere vom Sozialdialog in Deutschland lernen, der nach dem Prinzip der Subsidiarität organisiert ist, d.h. dass all das, was in den Betrieben vor Ort geregelt werden kann, nicht auf übergeordneter Ebene zerredet und verzettelt wird.

Ludwig Henkes (2.v.r.) und Volker Klinges (r.) bei ihrer Anhörung im PDG zum Thema Fiskalpakt. Foto: OD

Ludwig Henkes (2.v.r.) und Volker Klinges (r.) bei ihrer Anhörung im PDG zum Thema Fiskalpakt. Foto: OD

Was Belgien auch von Deutschland lernen kann, ist das, was der frühere Kanzler Schröder gemacht hat. Schröder hatte seinerzeit dafür einen sehr harten Satz formuliert, der – wenn ich mich recht entsinne – lautete: „Wir müssen die Menschen aus ihrer sozialen Hängematte herausholen und sie dazu bringen, wieder mehr Eigenverantwortung zu übernehmen.“

OD: Was soll dies konkret heißen?

Ludwig Henkes: Ich würde mir für Belgien wünschen, dass wir dieses tolle soziale System, das wir haben und auf das wir zu Recht stolz sind, im allgemeinen Interesse stückweise hinterfragen. Warum sollten die Menschen nicht selbst einige Aufgaben übernehmen, die das Sozialsystem bietet?

Volker Klinges: Ein sehr wichtiger Aspekt bei diesem Vergleich zwischen Belgien und Deutschland betrifft die Arbeitskosten. Deutschland hat sich inzwischen darauf fokussiert, dass die Wirtschaft die Basis des Wohlstandes ist. Deswegen wurden in der Bundesrepublik die Arbeitskosten so organisiert, dass ein hohes Maß an Wettbewerbsfähigkeit erzielt wurde, wodurch sich Deutschland auf den internationalen Märkten wieder positionieren konnte. (cre)

Info: Zu den Unterschieden bei den Lohn- und Arbeitskosten siehe auch die Stellungnahme des Arbeitgeberverbandes in der DG in der Meldung „Ludwig Henkes und Volker Klinges“.

 

19 Antworten auf “Was kann Belgien von Deutschland lernen – und was Deutschland von Belgien?”

  1. Ohne Polemik

    In diesem Beitrag wird die Agenda 2010 als Errungenschaft für Effizienz dargestellt und es ist wieder einmal das gleiche Lied, dass von vielen Politikern gerne im In- und Ausland angepriesen wird. Fakt ist dass das Lohnniveau in Deutschland in den letzten Jahren in vielen Bereichen unterhalb der Inflations geblieben ist und dass dadurch die Exportattraktivität stark verbessert wurde. Diese fragwürdige Vorgehensweise hat die Wettbewerbsverzerrung in Europa weiter angeheizt. Für Deutschland ist diese Situation langfrstig nicht von grossem Nutzen, denn seit mehr als 10 Jahren stagniert die Inlandsnachfrage und der Wohlstand beruht einzig und allein auf den hohen Exportanteil.
    Deutschand bezahlt diesen Zustand mit moderner Sklaverei:
    Ein Euro Jobs, keine Mindestlöhne, Leiharbeiter erhalten bedeutend weniger Lohn als Festangestellte mit gleicher Tätigkeit und Qualifikation.
    Wenn dies die Methode sein soll, die in anderen Ländern und auch in Belgien verbreitet werden soll, bedeutet dies einen totalen Rückschritt. Es kann nur das Geld ausgegeben werden, dass auch verdient wird und nur eine steigende Kaufkraft kann zu einer positiven Zukunft beitragen.
    Für den Fall, dass sich ganz Europa an die Agenda 2010 orientiert, schwindet auch der Deutsche Vorteil und das Ergebnis wird sein, dass alle zu den Verlierern gehören.
    Es gibt nur eine Lösung: die Kaufkraft muss rauf, vor allem in Deutschland. Wenn ganz Europa das gleiche Lohnindexierunssystem wie Belgien hätte, hätten wir sicherlich nicht das zwei der drei Klassen Europavon Heute.

  2. „Was kann Belgien von Deutschland lernen“( Aber Achtung nur Satire)

    – Keinen indexierten Lohn mehr gewährleisten (.Wunsch u.a. der Frau Merkel)
    – Die Abschaffung des Mindestlohnes, bei gleichzeitiger Einführung eines Dumpinglohnes, dort wo es keine Tarifabkommen gibt.
    -Kompetenz im Straßenbau.

    „und was Deutschland von Belgien“ ?

    alles Mögliche, nur nicht den Straßenbau

  3. Das mit dem Strassenbau war gut :-) ich kann noch die Stromversorgung, die Sauberkeit, die Verwaltung, das DG Parlament :-) und die Justiz hinzufügen.
    Böse Zungen würden hier auch noch den Fleiss bemerken.

  4. Öppe Alaaf

    …wo sind Die, die für einen Anschluss an Deutschland optieren?

    Gewinnt ihr denn so wenig, wenn es nach Osten geht oder habt ihr euch aus Protest in Schweigen gehüllt?

    Öppe „sucht die Exilteutonen“ Alaaf

    • Ex Belgier

      Oh je … jetzt fangen die Vergleiche der Hauptstadt Eupen mit der Hauptstadt Berlin an. Wenn eins sicher ist: Es wird keinen Anschluss von OB an D geben. Auch nicht an LUX. Wozu auch?! In OB lebt es sich doch ganz gut …. grins . . zwischen Okzident und Orient ;-)

      • Ex Belgier

        PSS.: da fällt mir eine Szene aus ‚dem Leben des Brian‘ ein: Was haben uns die Besatzer gebracht???? Einer sagt: Die Kanalisation … Der nächste: Sicherheit … Etc. Etc.etc. So wie in dieser Komödie, kommt mir inzwischen Europa vor.

      • Öppe Alaaf

        OK, darf ich den Versuch machen, Sie zu verstehen?

        Ich gehe ‚mal davon aus, dass Sie entweder sehr alt oder sehr frustriert sind, weil Ihnen Belgien übel mitspielt.

        Im ersten Falle würde Ihnen persönlich der Wiederanschluss nichts mehr bringen. Sie hätten einfach nicht mehr viel davon.

        Im zweiten Falle rate ich zur Vorsicht: Sie plädieren für den Anschluss an ein sozial schlechter entwickeltes Land, in dem Leute, die bereits in Belgien zu den Frustrierten gehören, wahrscheinlich sogar zu den Verlierern zählen werden. Warum tun Sie sich das an?

        Verstehen Sie mich bitte richtig, ich will es wirklich verstehen.

        Deutschland hat in der Zwischenzeit einen zweiten Weltkrieg verloren, der die deutsche Gesellschaft für die nächsten Generationen traumatisierte und noch heute seine Nachwirkungen entfaltet.

        Wenn Sie alt sind: Fall A.

        Wenn Sie jung sind: Glauben Sie, sie haben mit ihrem wilhelminischen Ansichten im heutigen Deutschland überhaupt Platz?

        Solche Aussagen wie die Ihre, würden in Deutschland strafrechtlich verfolgt werden. Kein Witz! Warum sehnen Sie sich danach?

        Was treibt Sie zu solchen Aussagen?

        • Borussia

          Ich fand es lediglich witzig sie zu provozieren, hat ja auch geklappt.
          Im allgemeinenen scheinen sie hier und nicht nur sie, sofort intolerant zu reagieren sobald es um unsere Nachbarn geht.
          Etwas frustriert öppe :-)
          Jede Jeck ist anders, in diesem Sinne Alaaf ;-)

          • Öppe Alaaf

            Schade, dass es nur heisse Luft war. Ich dachte, dass endlich mal einer zu seiner Meinung stehen würde.

            Nehmen Sie meine Fragen bitte nicht als Intoleranz auf. Es hätte mich wirklich gefreut, wenn Sie eine echte Meinung gehabt hätten.

            Alaaf ;)

            • Borussia

              Ach öppe, irgendwie scheint keiner drauf zu reagieren.
              Wenn ich mein Bier in der Oberstadt trinke bekommt man an der Theke so einiges mit.
              Ich glaube die meisten haben sich mit Belgien arrangiert, ein paar andere fühlen sich eher an Deutschland gebunden da uns aus der Wallonie immer noch Ablehnung entgegen kommt und nicht zu vergessen die Super Belgier die zumeist vom Staat bezahlt werden, gerne in der Nähe vom Gospert zu finden.
              Ich glaube das ist ein realistisches Bild. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte.
              Im übrigen ist mein Nick Borussia dem Verein aus Gladbach geschuldet, sonst nichts ;-)
              Lebve öppe, trink mal ein Bier mit!
              Alaaf

              • Öppe Alaaf

                bitte nich‘ persönlich nehmen. ich hab ja auch gerne hier provoziert. …aber seit ein paar Wochen is‘ nix mehr los.

                …käme auf das Bier zurück, wenn ich ein paar MG Fans in Eupen sehe. Das Passwort lautet: „Im Westen nix neues?“

                Alaaf :)

  5. Darüber kann ich zumindest lachen, den ersten Beitrag fand ich reichlich geschmacklos. Wobei unsere Hymne, warum gibt’s nichts offizielles zum mitsingen. „Oh DG du mein Vaterland“
    Wäre mal ein Beitrag in OD wert, oder?!

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