Politik

Vor 50 Jahren nahm der Autonomieprozess für das Gebiet deutscher Sprache seinen Anfang

Bis heute sind beschmierte Schilder wie diese in ganz Belgien zu sehen, auch in Ostbelgien. Foto: dpa

Die Verabschiedung der Sprachengesetze vor 50 Jahren hatte weitreichende Folgen für Belgien im Allgemeinen und für das Gebiet deutscher Sprache im Besonderen. Man kann sogar sagen, dass die Deutschsprachigen 1963 definitiv in Belgien angekommen sind. Damals nahm der Autonomieprozess, der bis heute andauert und noch nicht abgeschlossen ist, seinen Anfang.

Von den verschiedenen Jubiläen, die in diesem Jahr in der DG gefeiert werden (50 Jahre Sprachengesetzgebung, 40 Jahre RdK, 30 Jahre RDG, 25 Jahre eigener Gerichtsbezirk…) ist die Sprachengesetzgebung von 1963 nicht unbedingt das, was im Gedächtnis vieler Menschen haften geblieben ist. Trotzdem war dieses Ereignis von großer Tragweite.

Erstmals Deutsch in Gesetzen erwähnt

1963 wurden die Sprachengrenzen per Gesetz festgelegt. Foto: Wikipedia

1963 wurden die Sprachengrenzen per Gesetz festgelegt. Foto: Wikipedia

„1963 war sicherlich für das Gebiet deutscher Sprache ein ganz wichtiges Jahr“, unterstreicht der langjährige Kammerabgeordnete Albert Gehlen gegenüber „Ostbelgien Direkt“: „Damals wurde territorial festgelegt, wo das Sprachengesetz Anwendung findet. Es wurden damit also die Grenzen des deutschen Sprachgebiets abgesteckt. Darüber hinaus wurde erstmals Deutsch als Landessprache in Gesetzen erwähnt, was sehr wichtig war. Die deutsche Sprache fand Anwendung in der Verwaltung und im Unterrichtswesen, später dann auch für das Gerichtswesen.“ Ab 1963 konnten also die Bürger im Gebiet deutscher Sprache in Verwaltungsangelegenheiten – zum Beispiel im Kontakt mit der Post oder der Telefonverwaltung – darauf bestehen, dass in ihrer Muttersprache kommuniziert wird.

Eines von vielen Büchern, die den Sprachenstreit in Belgien zum Thema haben.

Eines von vielen Büchern, die den Sprachenstreit in Belgien zum Thema haben.

Mit den Sprachengesetzen wurden natürlich auch die Grenzen des flämischen und des frankophonen Gebiets sowie von Brüssel festgelegt. Damit verbunden war die Schaffung der sogenannten „Gemeinden mit Spracherleichterungen“ (Fazilitäten) und des Gerichtsbezirks Brüssel-Halle-Vilvoorde, der bis vor kurzem den Streit zwischen Flamen und Wallonen immer wieder neu entfacht hat. Von da an wurden auch Mouscron-Comines und Voeren ein Brennpunkt, ebenso Leuven (Löwen).

Da sich die Université Catholique de Louvain (UCL) ab 1963 auch rechtmäßig auf flämischem Territorium befand, wurden in Löwen die Frankophonen von da an gewissermaßen als „ungebetene Gäste“ betrachtet. Die Bewegung „Walen buiten“ (Wallonen raus) gewann immer mehr an Elan. Erst im Jahre 1968, als der Beschluss gefasst wurde, die UCL etappenweise ins frankophone Sprachgebiet zu verlagern, wo später mit Louvain-la-Neuve (Neu-Löwen) ein Universitätscampus aus dem Boden gestampft wurde, konnte der Streit beigelegt werden.

Sprachengesetze nicht nur von Vorteil

Ab 1963 wurde das Voergebiet ein permanenter Krisenherd im Sprachenstreit zwischen Flamen und Wallonen.

Ab 1963 wurde das Voergebiet ein permanenter Krisenherd im Sprachenstreit zwischen Flamen und Wallonen.

Für das Gebiet deutscher Sprache hatte die Sprachgesetzgebung von 1963 übrigens nicht nur Vorteile. „Unklar war die Situation vor allem im Unterrichtswesen“, so Albert Gehlen: „Fürs Unterrichtswesen mussten die Sprachengesetze innerhalb eines Jahres per Kgl. Erlass bestätigt werden, was aber nicht geschehen ist. Niemand wusste genau, ob die Sprachengesetze im Unterrichtswesen anwendbar waren oder nicht. Dies führte dazu, dass die Sprachengesetzgebung im Norden und im Süden des Gebiets deutscher Sprache eine Zeit lang unterschiedlich gehandhabt wurde.“

Von Nachteil war sicherlich auch, dass mit der Festlegung der Sprachengrenzen das Gebiet deutscher Sprache eine Einheit bildete, was auf frankophoner Seite einiges an Misstrauen auslöste, was sich u.a. im Telefonverkehr (unterschiedliche Telefonzonen für den Norden und den Süden) bemerkbar machte. Zudem bedeutete die Sprachengesetzgebung von 1963 das endgültige Aus für den Bahnhof von Herbesthal. Grenzbahnhof wurde definitiv der jahrzehntelang unansehnliche Bahnhof von Welkenraedt. (cre)

 

23 Antworten auf “Vor 50 Jahren nahm der Autonomieprozess für das Gebiet deutscher Sprache seinen Anfang”

  1. Für mein geliebtes Belgien war das wohl eher der Anfang vom Ende. Man hätte sich zum Erhalt der Einheit auf EINE neutrale Sprache einigen müssen.
    Und ob wir in der DG wirklich angekommen sind mag ich zu bezweifeln, zumindest wenn ich mir die Generation meiner Söhne anschaue.

  2. hauseterJong

    Wo soll ich angekommen sein??? Mit meinen 58Jahren bin ich Hauseter und bleibe Hauseter, da ändert auch mein belgischer Pass nichts.
    Ich mull dat platt, en dat hatt met de Wagges nex am hoot! Dütsch bliev dütsch!!

  3. Teurer Quatsch

    Ich bin Kelmiser und wohne in Gemmenich. Ich kann hier nicht den geringsten Unterschied geschweige denn Nachteil zu Kelmis und Eupen feststellen. Der aufgeblähte Politapparat der DG ist in meinen Augen rausgeworfenes Steuergeld.

  4. iloveeupen

    Ich trinke mit Belgiern die sagen sie sind deutsche und Wallonen die sagen sie sind Franzosen gerne mein Bier aber jede Jeck ist anders.
    Die beschmierten Schilder siehste überall.
    Wie wäre es mit einer freien Wahl, wie es in Demokratien so üblich ist.
    Wenn dabei herauskommt wir sind wieder Germanen, dann ist es so!
    Demokratie hält sowas aus.
    Dann brauchen wir nicht so’n Quatsch der aus Brüssel kommt!!

  5. Ob Germane, Belgier, Franzose oder Luxemburger, wenn das Haus brennt ist mir egal aus welchem Land die Feuerwehr kommt, hauptsache es wird eine Lösung für mein Problem gefunden. Atmet ein Malmedyer eine andere Luft als ein Aachener oder Lütticher? Regional denken ist gut, wenn es um die örtliche Wirtschaft geht, aber das Problem ist nicht DER Deustche oder DER Belgier, das Problem sind die interessen welchen die Politiker verfolgen und diese dienen nicht der Allgemeinheit sondern einer gewissen Klientel. Ich bin froh in Belgien leben zu dürfen, alleine schon wegen der Mehrsprachigkeit.

  6. Genauso ist es Fan, leider hat meine Generation kein Franzosisch gelernt und wir wurden bis weit in die 70er fies diskriminiert.
    Das steckt leider noch vielen in den Knochen.
    Heute richtet sich die junge Generation nach Deutschland oder LU aus , ich habe keine Idee wie ich meine Jungs noch von Belgien begeistern kann. Die Mehrsprachigkeit die du ansprichst greift nur bedingt, da in den Firmen Englisch die erste Fremdsprache ist.

  7. Es reicht!

    Die DG ist doch noch nicht Mal fähig dafür Sorge zu tragen dass auf einfachen Produkten des täglichen Gebrauchs die Produkthinweise in deutscher Sprache verfasst werden. Ich finde es Schade dass auf vielen Produkten die deutsche Sprache nicht zu finden ist.
    Von 20 Produkten die im Aldi zu finden sind, sind über die Hälfte nicht mit deutscher Produktbeschreibung.
    Wie ist das möglich?

  8. Die Politiker, welche sich früher leidenschaftlich für die Förderung und den Erhalt der deutschen Sprache in unserem Gebiet einsetzten, haben, nachdem sie selbst an die Macht kamen, dieses lobenswerte Ziel aus den Augen verloren.

    Unsere Muttersprache wird noch täglich mit den Füssen getreten!

    • Öppe Alaaf

      Ich bin vollkommen bei Ihnen, dass die heutigen Politiker über das Ziel hinausgeschossen sind, aber ohne deren Einsatz wäre die deutsche Sprache wahrscheinlich ganz verschwunden.

      …betrachten wir doch das Glas als halbvoll und nicht als halbleer: Die DG ist eine Erfolgsstory!

      …die Frage ist lediglich, wann das Ziel aus den Augen verloren wurde.

    • Kerstges Angela

      auch ich beanstande, dass auf belgischen (und auch deutsche Produkte, die in Belgien eingeführt werden), die Gebrauchsanweisung nicht in der dritten anerkannten Landessprache aufgeführt ist. Diesbezüglich habe ich hin und wieder auch die Hersteller vergebens angeschrieben. Mein Schreiben blieb unbeantwortet.

      • Germano-Belgier

        Dem kann ich nur zustimmen.
        Komisch das es in der Schweiz möglich ist 3 Sprachen auf dem Etikett EINES Marmeladenglases unterzubringen! (Deutsch, Italienisch und Französisch)
        Und das obwohl es auch nur ein „kleines“ Land ist…

    • Kerstges Angela

      …..“auch undere Muttersprache wird noch täglich mit Füßen getreten“, ja so.z.B. bei der Post. Man kann diese telefonisch offiziell nur über (02=Brüssel) erreichen, dort allerdings bemüht man sich vergebens einen deutschsprachigen Service

  9. derSchaeng

    Wo ist denn das miteinander mit unseren Landsleuten?? Von uns wird erwartet einen Wallonen in französisch anzusprechen wie ist es denn umgekehrt???
    Ich bleibe dabei, fur Belgien sind wir immer noch die Kollonie mit den bösen deutschen.

  10. @Öppe
    Das stimmt schon aber wenn man als älterer Mensch in die örtlich Apotheke geht und man nicht verstanden wird oder wie beschrieben die Packungen im Supermarkt nicht lesen kann ist das ganz schön bitter.
    Bemüht man sich denn in den anderen Landesteilen deutsch zu verstehen, ich glaube nicht! Daher kann von „wir sind in Belgien angekommen“ nur bedingt die Rede sein.

    • Öppe Alaaf

      Das mag ja sein dass es nicht optimal läuft.

      Hätte man sich nicht darum gekümmert und den Prozess nicht gestartet, würde heute noch viel weniger deutsch gesprochen.

      Ist das Glas nun halbvoll oder halbleer?

      …und meines Erachtens brauchen wir diesen Nationalstaaten-Plumpaqautsch auch nicht. Es ist nicht die Frage an welchen Staat wir aufgeteilt werden, sondern wie wir als Gemeinschaft in Europa bestehen können. Anschluss an einen anderen Nationalstaat ist einfach nur …Plattitüde!

  11. wollwertz

    Am einfachsten wäre die Eingliederung von Neu-Moresnet, Hauset, Lichtenbusch, Eynatten zu Aachen.
    Kelmis geht zu Vaals, Petergensfeld zusammen mit Roetgen. Damit würden unsere deutschfteundlichen Gemeinden schonmal Ruhe geben und Kelmis ist eh ein Sonderfall.
    Der Rest kann sich ja was überlegen, zumindest solange, bis der Verwaltungapparat alles verschlungen hat.
    Die Süd-DG ist jetzt schon lieber Teil von LU oder Rheinland-Pfalz.

    • Bald fällt das Bankgeheimnis in Luxemburg. In einigen Jahren wird es vielleicht auch mal einheitliche Steuersätze in ganz Europa geben. Und spätestens dann wird sich keiner mehr für den Bauernstaat Luxemburg interessieren.

  12. Ein Fall aus hunderten :

    Die Gemeindeschule in Nieder Emmels wird renoviert!
    Ein junger Eifler Unternehmer ist an dieser Ausschreibung interessiert.

    Zu seinem Leidwesen musste er feststellen, daß das gesamte Lastenheft nur in französischer Sprache existiert.

    Wieso lässt die Gemeinde dies zu?

    Was sagt die Sprachengesetzgebung hierzu?

    Was sagen unsere DG Oberen zu dieser Tatsache?

    • Du hast recht! Es gibt hunderte solcher Fälle. Angefangen von Beschriftungen auf Verpackungen bis zur Vergabe von Aufträgen.
      Es kann überhaupt keine Rede davon sein wir wären definitiv in Belgien angekommen.
      Wir haben uns bemüht deren Sprache zu lernen uns mit deren Kultur zu arrangieren. Was kommt von unseren „Landsleuten“?? Nichts! Man schmeisst uns ein paar Brocken hin und sagt, seit damit zufrieden.
      Ich kann nichts dafür das mein Urgrossvater den Krieg verloren hat.
      Die Zeiten sind lange vorbei und wir sind für die Wallonie noch immer die bösen deutschen.
      Wenn de m so ist, sollte man ins darüber auch die Freie Entscheidung lassen.
      Adieu Belgique! Du hast es nicht anders gewollt.

  13. Fritz Gardel

    Brauchen wir überhaupt den ganzen Zirkus in Eupen? Die Bürger – und die Politiker – haben eindeutig den Boden unter den Füßen verloren (oder auf Frz. Ils ont perdu le nord). 60.000 Leute mit soviel “Regierung”. Das ist einfach lächerlich, wenn es nicht so traurig wäre.

  14. Eigentlich sollten wir Eifler stolz sein, dass wir von vier Ministern deren drei stellen, hinzu kommt der Parlamentspräsident und der Regionalsenator.

    Es ist nur schade, dass diesen „Eifler Entwicklungshelfern im Norden der DG“, die Tieflandluft zu Kopf gestiegen ist und sie nicht mehr mit einem normalen Lohn zufrieden sind.

    Langsam verlieren sie den Boden unter den Füssen. Der Schutz der Muttersprache wird zur Nebensache.

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