Leserbrief

Ursula Wiesemes: Schul-Systemfehler

Ende November habe ich mir im Kino den neuen Film von Erwin Wagenhofer „ALPHABET“ angesehen. Wahrlich ein guter Film. Ich hätte mir gewünscht, dieser Film hätte etwas länger auf dem Kinoprogramm gestanden, damit er möglichst viele Menschen erreicht.

Es ist keine leichte Kost. Er zeigt, auf welchem Trip unsere Gesellschaft in Bezug auf Schulbildung und Arbeitswelt ist. Auch wenn wir die besten Rahmenpläne, Kompetenzförderdekrete und wie die ganzen Wunderheilmittel für Schule heißen, einführen; so geht es doch in erster Linie darum, unsere Kinder und unsere Jugendliche zurechtzubiegen, um den Arbeitsmarkt und somit das Wirtschaftssystem zu bedienen.

Das Ziel ist ganz unmissverständlich „Besser und mehr Leistung“, denn der Profit ist in unserer Welt der Maßstab. Und danach ist alles ausgerichtet, und er gibt die Richtung vor, in der unsere Kinder sich zu bewegen haben.

Nur wenige Kinder können diesen Anforderungen nachkommen. Gott sei Dank, möchte ich mal sagen. Wohin würde uns das Ganze führen? Im Grunde zeigen uns die Kinder, die Schwierigkeiten damit haben, wie grob wir gegen ihre Kindernatur vorgehen.

Viele Eltern haben den Wunsch, dass ihre Kinder erfolgreich durchs Leben kommen und möglichst die beste Schulbildung erfahren. Die Wunschvorstellung der Eltern bringt oft Druck fürs Kind mit sich.

Was nützt es einem Menschen, die Schulmühle mit Druck durchlaufen zu haben, wenn ihm seine Lebensfreude frühzeitig abhandenkommt? Ganz zu schweigen von den Kindern und Jugendlichen, die ganz auf der Strecke bleiben und nicht mehr an ihre Fähigkeiten glauben können, nur weil ihre Talente nicht in den gepriesenen Hauptfächern liegen.

Die Pisa-Studie belegt den Ländern, der Politik und deren Schulen, wie es mit ihrem „Können“ aussieht. In meinen Augen eine traurige Angelegenheit. Was wird nun wieder alles in Bewegung gesetzt, um den Ansprüchen gerecht zu werden und statistisch besser da zu stehen?

Nun mögen die Schulreformen, die in den letzten Jahren vollzogen wurden, mit noch so einem schönen Wortschatz beschrieben sein, es geht im Endeffekt um Leistung und nicht um den Menschen. Frau Wimmer hat in ihrem GE-Kommentar vom 30.11 „Kinder sollen Kinder bleiben“ den Wahnsinn, meiner Meinung nach, gut beschrieben. Und dann kommt da ein André Stern daher, der ebenfalls im Film „Alphabet“ anwesend ist und erzählt, dass er niemals eine Schule besucht hat und trotzdem 5 Sprachen spricht und Erfolg hat.

Gestern Abend durfte ich ihn in Verviers erleben. Seine Worte machen Mut, dass es auch anders geht. Es kann auch anders in der Schule werden, aber erst dann, wenn uns klar wird, wie reich unsere Kinder von Natur aus sind. http://www.alphabet-film.com/

5.12.2013 Ursula Wiesemes – Vivant-Ostbelgien

12 Antworten auf “Ursula Wiesemes: Schul-Systemfehler”

  1. Hört sich fatal nach Waldorfpädagogik an. Als Resultat kenne ich nur Kinder die mit 12 Jahren keinen verständlichen Brief an ihre Brieffreundin verfassen können, und beim Bruchrechnen gerade einmal 2-Klässler Niveau erreichen. Hochbegabte Ausnahmetalente wie von Frau Wiesemes angeführt, taugen nicht als Vorbild für eine allgemeine Bildungspolitik. Blaise Pascal hat sich als 12-jähriger mit Kreidezeichnungen die Grundlagen der Geometrie beigebracht ; genügt es deswegen alle Kinder mit Kreide spielen zu lassen, in der Hoffnung dass das schon klappt, mit der Geometrie und so….

    • karlh1berens

      Wozu braucht ein(e) Altenpfleger(in) Blaise Pascal wenn sie in 20 Jahren den ganzen Horden studierter aber seniler oder an Alzheimer erkrankten Studienräten und Inschenören die Windeln wechseln muss. Und das für einen Bruchteil des Lohns den diese „Elite“ zeit ihres Lebens kassiert hat ?
      Unser ganzes Schulsystem dient nur dem Zwecke der Selektion. Wer sich für Geometrie interessiert ist, erst recht im Zeitalter des Internets, auf keine Schulen angewiesen.

    • Damien François

      Nein, in der Natur überleben nicht die Stärksten, sondern die Fittesten – heisst ja auch bei Darwin „the survival of the fittest“ und nicht „the toughest“ oder „the strongest“.
      „Fit“ ist in dem Kontext, derjenige, der sich besser anpasst, und in seinem „Oikos“ im weitem Sinn lebt ohne diesen beherrschen zu wollen – unsere judeo-christliche Erbsünde.
      Sonst wären die Dinosaurier noch da…

  2. Baudimont

    Schulgeld für eine Privatschule können Sie in Belgien nicht von der Steuer absetzen.

    Kinder werden absichtlich verblödet in staatlicher Schule

    Nur schon in der Unterrichtspraxis kommt es zu einer Vielzahl Menschenrechtsverletzungen. Die meisten davon werden begangen, wenn Lehrer versuchen, Schüler zu disziplinieren.

    Beispielsweise werden Schüler bei „Delikten“ oft nicht als unschuldig angesehen, solange ihre Schuld unbewiesen ist (Art. 11(1) AEMR). „Unabhängige“ Verfahren werden ohnehin nicht durchgeführt, auch schon wegen der fehlenden Gewaltenteilung nicht. Oft kommt es zu Mehrfachbestrafungen oder es gibt Kollektivstrafen, obwohl nicht jede bestrafte Person nachweisbar „schuldig“ ist. Schülern wird willkürlich Eigentum abgenommen, darunter auch persönliche Briefe, die teilweise sogar vor der Klasse vorgelesen werden, was eine Mißachtung der Privatsphäre der Schüler darstellt (Art. 12 AEMR), wobei derartiges bei weitem nicht die einzige Art von Erniedrigung der Schüler ist. Hin und wieder drohen Lehrer Schülern sogar mit körperlicher Gewalt, in seltenen Fällen wenden sie diese tatsächlich an, auch wenn das ausdrücklich verboten ist.

    Häufig wird die in Artikel 19 AEMR stehende Meinungsfreiheit nicht respektiert. Oder die Schüler werden aufgrund ihrer Ansichten diskriminierend behandelt. In anderen Fällen werden sie zu persönlichen Sachen befragt, ohne die Auskunft verweigern zu dürfen, was Artikel 12 AEMR widerspricht. Nicht selten kommt es seitens der Lehrer zu Beleidigungen und Angriffen auf die Ehre der Schüler, was ebenfalls im Gegensatz zu Artikel 12 AEMR steht….

    Staatlicher Schule = Menschenrechtsverletzung

    Die Waldorfpädagogik:
    Besondere Anliegen sind uns dabei Friedenserziehung, Toleranz, Menschenrechte, die Förderung von Demokratie, Weltinteresse, Weltoffenheit, interkulturellem Lernen, Umweltbildung und eines Bewusstseins für gemeinsame Werte und Schätze.

    • politisch interessiert - total verzweifelt

      Ich finde ihren Kommentar zwar nicht unpassend oder falsch, aber ich denke, daß man diese Sache differenzierter sehen muss. Wie überall gibt es auch im Schulwesen solche und solche. Die Sachen, die sie aufzählen, geschehen in unseren Schulen, das ist Fakt. Das weiss ich sogar aus eigener Erfahrung.(Habe einen Sohn im dritten Primarschuljahr) Ich denke aber, daß dies nur bei einem Teil der Lehrer der Fall ist. Ich vermute, daß es sich dabei um Lehrer handelt, die ihren Beruf nur aus wirtschaftlichen Gründen ausüben oder aus anderen Gründen ausgebrannt oder unmotiviert sind. Auf der anderen Seite habe ich aber auch schon einige Lehrer kennen lernen dürfen, die ihren Beruf eher als Berufung ansehen und mit Herz und Seele Lehrer sind. Solche Lehrer haben meist weniger Probleme, da sie aktiv Probleme in die Hand nehmen, schon auf Hinweise der Eltern hin und lange bevor „das Kalb versoffen“ ist. Meiner persönlichen Erfahrung nach, sind dies meist die strengen und authoritären Lehrer, während die Lehrer die ihren Job eher locker(antiauthoritär, kumpelhaft)angehen, eher Probleme mit der Disziplin in der Klasse und somit zwingend auch mit der Vermittluing des Lehrstoffes haben.(Nicht in allen Fallen, es gibt Ausnahmen!) In diesem Zusammenhang möchte ich noch mal auf die von ihnen erwähnten Rechte der Kinder zurückkommen, die ich ebenfalls für unverzichtbar halte(Beleidigungen, persönliche Angriffe, Verletzung der Privatssphäre usw von Seiten der Lehrer gegebnüber den Schülern, haben nichts in einer Schule zu suchen!). Allerdings wird in diesem Zusammenhang m.E. nach zu selten von den Pflichten und Verhaltensregeln der Kinder im Unterricht gesprochen. Die Disziplinlosigkeiten, die sich heutige Lehrer zum Teil bieten lassen müssen, sind haarsträubend. Eine krampfhafte Erziehung von Primarschulkindern auf kritisches Denken und eigenständiges Handeln finde ich verfrüht und deplaziert. Eine solche Komponente in der Erziehung von Kindern/Jugendlichen halte ich frühestens ab dem Mittelschulalter für gerechtfertigt. Junge Kinder sollten erst einmal einen erzieherischen Rahmen (in Form von Regeln und Verboten, die in aller konsequenz durchgesetzt werden) bekommen. Was die Walldorfpädagogik angeht, denke ich, daß die hier von ihnen aufgezählten Werte in unserer Gesellschaft leider oft zu kurz kommen. Allerdings ist es auch eine Tatsache, das ein beachtlicher Teil der jungen Leute, die Walldorfschulen besucht haben, später Probleme haben im harten, beruflichen Alltag, Fuß zu fassen. Ich denke daher, daß eine gesunde Mischung aus einer Vermittlung von menschlichen Werten (zum größten Teil Aufgabe des Elternhauses und in der Schule nur unterstützend zu begleiten) und der traditionnellen, authoritär durchgeführten(leider oft auch bei Eltern und Schülern unbeliebten) Vermittlung des Lehrstoffes. Über Generationen hinweg hat diese Unterrichtsmethode ihren Job erfüllt und nun soll das nicht mehr möglich sein? Schade. (Denn auch wenn ich selber in dem Alter strenge Lehrer für ein echtes Übel hielt, habe ich doch jetzt, Jahre später und aus einer gewissen Distanz betrachtet eher eine posistive Erinnerung daran und auch kann ich mich besser an das von solchen Lehrern vermittelte Wissen erinnern).
      P.S. : Ich möchte explizit darauf hinweisen, daß ich mit meinem Kommentar niemandem zu nahe treten oder irgendjemanden schlecht machen möchte, aber dies ist nunmal meine persönliche Meinung zu diesem Thema, die ich mir durch eigene Erfahrung und die Erfahrungen mit meinem Sohn gebildet habe.
      Schönen Tag an alle Leser !

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