Nachrichten

Trauer um den „Bomber“: Gerd Müller war der König des Strafraums – „Er war der allergrößte Stürmer“ [VIDEO]

20.09.1983, München: "Servus Gerd" heißt auf der Anzeigetafel des Münchner Olympiastadions, wo Gerd Müller (l) an diesem Abend seine sportliche Karriere beendet. Foto: -/dpa

Tore waren sein Markenzeichen. Das wichtigste schoss Gerd Müller im WM-Finale 1974. Der FC Bayern verdankt dem Torjäger seinen rasanten Aufstieg zum Topclub. Die schwere Erkrankung des „Bombers“ berührte die Nation. Nun ist der frühere Weltklasse-Torjäger gestorben.

Die Wohlfühlzone im Leben von Gerd Müller umfasste exakt 665,28 Quadratmeter. Denn als Fußballer war der nur 1,76 Meter große Stürmer der König des Sechzehnmeterraums. Wenn der „Bomber der Nation“ in Tornähe an den Ball kam, hat es meistens Bumm gemacht.

Kein deutscher Angreifer vor und nach ihm erreichte seine Klasse. Keiner erzielte so viele Tore. Es müllerte in praktisch jedem Spiel. Der Strafraumstürmer Müller erledigte seinen Job in den Stadien auf unnachahmliche Weise: Er traf blitzschnell aus der Drehung, im Fallen und im Sitzen, mit links oder rechts und mit dem Kopf. Ganz egal. Der Sechzehner war sein Reich.

23.08.2003, Nordrhein-Westfalen, Köln: Der ehemalige deutsche Fußball-Nationalspieler Gerd Müller hält nach der Jubiläumsveranstaltung „40 Jahre Bundesliga“ im Coloneum einen goldenen Fußballschuh. Foto: picture alliance / dpa

Am frühen Sonntagmorgen ist Müller im Alter von 75 Jahren gestorben, wie sein einstiger Verein mitteilte.

„Heute steht die Welt des FC Bayern still“, äußerte Vereinspräsident Herbert Hainer. „Die Nachricht von Gerd Müllers Tod macht uns alle tief betroffen. Er ist eine der größten Legenden in der Geschichte des FC Bayern, seine Leistungen sind bis heute unerreicht und werden auf ewig Teil der großen Geschichte des FC Bayern und des gesamten deutschen Fußballs sein“, sagte der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn und versprach: „Gerd wird für immer in unseren Herzen sein.“

„Gerd Müller war der allergrößte Stürmer, den wir in Deutschland hatten“, hatte Ex-Bundestrainer Joachim Löw 2015 zum 70. Geburtstag des Torjägers gesagt. Dieses Urteil gilt über seinen Tod hinaus. Schon der damalige Ehrentag des Weltmeisters (1974), Europameisters (1972) und des mit Abstand erfolgreichsten Torschützen der Bundesliga (365 Tore in 427 Partien) musste ohne große Feierlichkeiten begangen werden. Der traurige Grund: Gerd Müller hatte Alzheimer. Er lebte seit Jahren in einem Pflegeheim. Dort wurde er bis zuletzt professionell betreut.

Bei der heimtückischen Erkrankung geht das Gedächtnis verloren. Das Wesen des Betroffenen verändert sich.

07.07.1974, Berlin Sportarchiv: Der Deutsche Gerd Müller jubelt mit Bundestrainer Helmut Schön (l) über den Sieg im WM-Finale Deutschland gegen die Niederlande bei der Fußball-WM. Foto: picture alliance / Karl Schnörrer/dpa

Der FC Bayern hatte die schwere Erkrankung wenige Wochen vor Müllers 70. Geburtstag publik gemacht. Das Schicksal des von vielen nur „Bomber“ genannten Müller berührte über die Fußballszene hinaus viele Menschen in Deutschland.

Zum 75. Geburtstag sprach Uschi Müller über den Gesundheitszustand ihres Mannes. „Er ist immer ein Kämpfer gewesen, war immer tapfer, sein ganzes Leben lang. Das ist er auch jetzt. Der Gerd schläft seinem Ende entgegen“, schilderte sie in der „Bild“-Zeitung.

Fußball-Idol Uwe Seeler, in der Nationalmannschaft lange Sturmkollege Müllers, sprach von Traurigkeit, als er von Müllers Erkrankung erfuhr. Uli Hoeneß nannte das Los des alten Kameraden furchtbar. Für den Vereinspatron des FC Bayern war „der Gerd“ stets mehr als ein großartiger Fußballer. Er war für ihn vor allem „ein feiner Mensch“.

Hoeneß, der in den großen Bayern-Zeiten in den 1970er Jahren an der Seite Müllers stürmte, zählte zu denen, die auch in der größten Lebenskrise des sportlich so erfolgreichen Profis da waren und entschlossen halfen. Denn das Leben abseits des Rasens beherrschte Müller nicht derart wie den Ball und die Vorstopper im Strafraum.

Der Sieg über seine Alkoholkrankheit Anfang der 1990er Jahre war der vermutlich wichtigste im Leben des gelernten Webers aus Nördlingen. „Nach vier Wochen bin ich aus der Kur gekommen. Es in so kurzer Zeit zu schaffen, das war schon eine Leistung“, erzählte Müller bei einem Treffen im Herbst 2007 in München mit Stolz. Damals wirkte er als Co-Trainer der Bayern-Amateure an der Seite von Hermann Gerland.

28.06.1972, Bayern, München: Die Spieler des FC Bayern München stellen sich am 28.06.1972 mit der eroberten Meisterschale für ein Mannschaftsfoto im Münchner Olympiastadion auf. Stehend: (l-r) Franz Beckenbauer, Wilhelm Hoffmann, Uli Hoeneß, Trainer Udo Lattek, Georg Schwarzenbeck, Gerd Müller, Franz Krauthausen, Franz Roth; Hockend: Rainer Zobel, Johnny Hansen, Sepp Maier, Paul Breitner. Foto: -/dpa

Spätere Weltmeister wie Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller oder Toni Kroos profitierten von seinem Erfahrungsschatz. Es war eine Aufgabe, die den bodenständigen Müller ausfüllte, glücklich und zufrieden stimmte. „Der Verein ist alles für mich“, sagte er damals.

Trotz Franz Beckenbauer, trotz Uli Hoeneß – den steilen Aufstieg zur Nummer 1 im deutschen Vereinsfußball hatte der FC Bayern besonders Müllers Toren zu verdanken. „Was der FC Bayern heute darstellt, mit diesem Palast an der Säbener Straße – ohne Gerd Müller wären die Leute da immer noch in dieser Holzhütte von damals“, lautet ein Satz, mit dem Beckenbauer gerne Müllers Bedeutung beschrieb: „In meinen Augen ist er der wichtigste Spieler in der Geschichte des FC Bayern.“

Das Einzigartige hat auch Weltmeister Miroslav Klose stets betont. Als er Müller kurz vor der WM 2014 in Brasilien nach 40 Jahren als Rekordtorjäger der Nationalelf ablöste, sagte Klose: „Gerd Müller darf man mit keinem anderen Stürmer vergleichen.“ Klose zeichnet eine feine Eigenschaft aus, die auch Müller innewohnte: Bescheidenheit.

Der inzwischen 43-Jährige führt die DFB-Rangliste mit 71 Treffern an. Klose benötigte für die Bestmarke aber 137 Länderspiele. Müller traf in nur 62 Partien für Deutschland 68 Mal – eine phänomenale Quote von 1,1 Treffern pro Einsatz.

Das Tor für die Ewigkeit schoss er am Ende seiner viel zu früh beendeten DFB-Karriere. Im WM-Finale 1974 erzielte er im Münchner Olympiastadion das 2:1 gegen die Niederlande. „Ich habe schönere Tore gemacht, aber das wichtigste war dieses Weltmeistertor“, sagte er.

07.07.1974, Bayern, München: Der deutsche Stürmer Gerd Müller (l) schießt aus der Drehung am niederländischen Abwehrspieler Ruud Krol vorbei und erzielt so den 2:1-Siegtreffer im WM-Finale 1974 in München. Foto: Werner Baum/dpa

Wenn Müller nach seiner Karriere, die 1982 unrühmlich in den USA ausgeklungen war, seinen Nachfolgern zusah, stellte er sich die immer gleiche Frage, wenn ein Schuss oder Kopfball nicht im Tor landete. „Hättest du den reingemacht?“ Vermutlich ja. Müllers 40 Tore in der Saison 1971/72 waren fast ein halbes Jahrhundert Bundesligarekord. In der vergangenen Saison übertraf ihn der heutige Bayern-Torjäger Robert Lewandowski. Der Weltfußballer aus Polen schaffte 41 Treffer.

Als Müller 1964 als 18-Jähriger vom schwäbischen Amateurligisten TSV 1861 Nördlingen zum FC Bayern wechselte, wurden seine Tore mit einem Grundgehalt von 160 Mark im Monat entlohnt. Heutzutage würde er mit Millionen Euro überschüttet. Doch ein Profileben in Zeiten von Twitter, Facebook, Instagram und täglichem Medienrummel wäre für Müller garantiert eher ein Gräuel als ein Glücksfall gewesen.

Müller war ein Weltstar, aber keiner für Glamour und Rote Teppiche. „Den Franz“ beneidete er nie um dessen Status als Lichtgestalt. Beckenbauer hetzte auch nach der Spieler-Karriere weiter um die Welt. „Ich bin keiner, der gerne weg von zu Hause ist“, sagte Müller, als es ihm noch besser ging. Auf Champions-League-Reisen des FC Bayern ließ er sich von seinem Herzensclub als Attraktion für Sponsoren und Edelfans einspannen. Das genügte einem wie ihm an Aufmerksamkeit. (dpa)

Nachfolgend eine VIDEO-Dokumentation über Gerd Müller:

6 Antworten auf “Trauer um den „Bomber“: Gerd Müller war der König des Strafraums – „Er war der allergrößte Stürmer“ [VIDEO]”

  1. Boah nee...

    Unvergesslich bleibt mir in Erinnerung, als ich ihn, als Kind, vor dem Bundesligaspiel am Samstag, 19. August 1967 bei der Alemannia beim 4-0 Sieg für Bayern beim Aufwärmen auf Tuchfühlung (diese Oberschenkel!!!) erleben konnte. Leider hatte er damals kein Tor erzielt.
    RIP, Gerd.

  2. Ossenknecht

    An die ’72-er und ’74-er Endspiele kann ich mich noch mehr oder weniger gut erinnern. Ich fand „den“ Müller damals einfach nur klasse. Es stimmt mich traurig und erschreckt mich, dass er mir jetzt vorangegangen ist. Ruhe in Frieden, Gerd.

    Gelernter Weber war er also. Das waren Zeiten! Heute webt fast nur noch Asien für Europa.

    Auf dem Bild mit dem Goldschuh sieht er aus wie Dirk Stermann von der Late-Night-Show „Willkommen Österreich“ auf ORF1, wenn der seine Brille aufhat.

  3. Pensionierter Bauer

    Ruhe in Frieden, lieber Gerd!
    Er war ein ganz großer Knipser. Einen unvorstellbaren Torinstinkt hat Gerd Müller ausgezeichnet.
    Leider hatte er das Leben nach seiner Karriere nicht mehr ganz im Griff.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern