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Viele Tote und Verletzte bei zwei Sprengstoffanschlägen in Kabul – Belgien beendet militärische Rettungsflüge

26.08.2021, Afghanistan, Kabul: In diesem Bild aus einem Video kümmern sich Menschen um eine verwundete Person in der Nähe des Ortes einer tödlichen Explosion außerhalb des Flughafens in Kabul. Foto: Uncredited/Asvaka News Agency/dpa

Die militärisch gesicherten Evakuierungen aus Afghanistan unter Zeitdruck laufen teils noch, da erschüttern zwei Explosionen die Hauptstadt. Augenzeugen schildern dramatische Szenen. Für Menschen in Kabul wird die versuchte Ausreise vom Flughafen immer gefährlicher.

Bei zwei Sprengstoffanschlägen in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind nach Angaben der militant-islamistischen Taliban mindestens 13 Menschen getötet und mehr als 50 weitere verletzt worden. Auch mehrere US-Soldaten wurden getötet und weitere verletzt, wie das Pentagon am Donnerstagabend mitteilte.

Die genaue Zahl der Anschlagsopfer blieb zunächst offen. Auf Videos waren zahlreiche Tote zu sehen; es wurde daher befürchtet, dass die Zahl der Opfer noch deutlich steigt. Pentagonsprecher John Kirby sprach auf Twitter von einer „komplexen Attacke“.

26.08.2021, Belgien, Melsbroek: Das gecharterte Flugzeug der Air Belgium, Airbus A340, dass für die Evakuierung von Bürgern aus Afghanistan eingesetzt wurde, ist auf dem Militärflughafen angekommen. Foto: Nicolas Maeterlinck/BELGA/dpa

Der Sprecher des politischen Büros der Taliban in Doha, Suhail Schahin, erklärte, man verurteile den grausamen Vorfall aufs Schärfste und werde alles unternehmen, um die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Er bestätigte, dass sich zwei Explosionen ereigneten. Eine fand ersten Informationen zufolge an einem der Flughafentore statt, eine weitere bei einem nahe gelegen Hotel.

Der lokale Fernsehsender Tolo-News veröffentlichte auf Twitter Bilder, auf denen zu sehen ist, wie Verletzte in Schubkarren transportiert werden. Ein Augenzeuge erzählte dem TV-Sender, die Explosion sei sehr stark gewesen. Manche Menschen seien ins Wasser gefallen – an einem Gate ist ein langer Wassergraben – und mehrere ausländische Soldaten seien zu Boden gefallen.

Der gut vernetzte afghanische Journalist Bilal Sarwari schrieb auf Twitter, ein Selbstmordattentäter habe sich in einer großen Menschenmenge in die Luft gesprengt. Mindestens ein weiterer Angreifer habe danach das Feuer eröffnet. Sarwari berief sich auf mehrere Augenzeugen in dem Gebiet.

Die Sicherheitslage rund um den Flughafen hatte sich zuletzt noch einmal deutlich zugespitzt. Massenhaft und dicht gedrängt stehen Menschen um den Flughafen von Kabul und hoffen auf Ausreise. Mehrere Länder, darunter Belgien, haben aus Furcht vor terroristischen Anschlägen ihre Evakuierungen bereits beendet.

Unter Warnungen vor Terroranschlägen in der afghanischen Hauptstadt Kabul steuern die militärischen Rettungsflüge von dort auf ein Ende zu. Deutschland flog am Donnerstag mit einem ihrer letzten Evakuierungsflüge 150 weitere Menschen aus. Belgien, Dänemark und Polen stellten die Evakuierungen bereits ein, die Niederlande planten das noch für Donnerstag, Frankreich für Freitag.

23.08.2021, Afghanistan, Kabul: Soldaten und Helfer verteilen eine Spende an Menschen, die auf eine Ausreisemöglichkeit warten. Foto: Stfw Schueller/Bundeswehr/dpa

Die belgische Militärevakuierungsmission „Operation Red Kite“ flog mit Militärflugzeugen zwischen der pakistanischen Hauptstadt Islamabad und Kabul hin und her, um Belgier mit ihren Familien sowie afghanische Dolmetscher und Mitarbeiter von Menschenrechtsorganisationen sicher aus dem Land zu holen.

Der letzte belgische Flug verließ Kabul am Mittwochabend, wie Premierminister Alexander de Croo mitteilte. Ab jetzt werden nur noch Menschen von Islamabad nach Belgien gebracht.

Der Andrang am Flughafen von Kabul stieg am Donnerstag noch einmal, wie ein Augenzeuge der Deutschen-Presse Agentur berichtete. Die Menschen stünden an einem Tor „so eng aneinander wie Ziegel einer Mauer“, es gehe keinen Meter voran.

Mehrere Stellen warnen aktuell vor Terrorgefahr rund um den Flughafen. Die US-Botschaft forderte US-Bürger, die sich derzeit am Abbey Gate, East Gate oder North Gate aufhielten, dazu auf, das Gebiet „sofort“ zu verlassen.

Großbritanniens Staatssekretär im Verteidigungsministerium, James Heappey, sprach im TV-Sender Sky News von der Drohung eines „ernsthaften, unmittelbaren, tödlichen Angriffs“ binnen Stunden auf den Flughafen oder die von westlichen Truppen genutzten Zentren.

Außerhalb des Flughafen kam es zu einer Explosion, wie Pentagonsprecher John Kirby am Donnerstag auf Twitter schrieb. Über mögliche Opfer wurde zunächst nichts bekannt.

20.08.2021, Afghanistan, Kabul: In diesem vom US Marine Corps zur Verfügung gestellten Foto halten US-Marines Säuglinge während der Evakuierung am Hamid Karzai International Airport. Foto: Sgt. Isaiah Campbell/U.S. Marine Corps/AP/dpa

Nach Angaben des russischen Botschafters vor Ort kamen im Chaos am Flughafen in den vergangenen Tagen bereits circa 50 Menschen ums Leben. «Die Amerikaner können dort tatsächlich nichts sicherstellen», sagte Dmitri Schirnow im russischen Staatsfernsehen.

Seit der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban versuchen Tausende Menschen, aus Afghanistan zu fliehen. Seit mehr als einer Woche versammeln sie sich rund um verschiedene Eingänge des Flughafens, um auf einen Evakuierungsflug zu kommen.

In einem Video eines Augenzeugen sieht man in der prallen Sonne Menschen mit Dokumenten in der Hand winken. In der Menge sind auch Kinder und Frauen zu sehen, man hört Babys weinen.

Polen flog insgesamt 1.300 Menschen aus, 200 davon auf Bitten anderer Länder und Organisationen, wie Vize-Außenminister Marcin Przydacz in Warschau sagte. Dänemarks Verteidigungsministerin Trine Bramsen sagte zum Ende der dänischen Mission, Flüge aus Kabul seien „nicht mehr sicher“.

Die Balkanländer Albanien und Kosovo erklärten ihre Bereitschaft, tausende Afghanen zumindest vorübergehend aufzunehmen. Albanien werde etwa 4.000 Menschen, die als sogenannte Ortskräfte für die Nato-Mission in Afghanistan tätig gewesen seien, sowie ihren Angehörigen Aufenthalt gewähren. Das erklärte Ministerpräsident Edi Rama dem US-Nachrichtensender CNN. Auch das Kosovo will 2000 evakuierte Afghanen aufnehmen. Das Nato-Mitglied Albanien beteiligte sich mit einem kleinen Kontingent am Afghanistan-Einsatz des Westens. (dpa)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

7 Antworten auf “Viele Tote und Verletzte bei zwei Sprengstoffanschlägen in Kabul – Belgien beendet militärische Rettungsflüge”

  1. Johann Klos

    Entweder die Bevölkerung selbst entledigt sich ihrer Taliban-Herrschaft (u. auch gleich der Stammesstrukturen), oder sie lernen damit zu leben…ganz easy.

    Wer den Besatzern vertraut hat, gehofft hat auf eine Wende in Afghanistan war aus meiner Sicht ein Träumer und hat die Realität nicht sehen wollen.

    Auch wenn die Frauen dort 20 Jahre ein „Erwachen“ erleben durften, so war – wenigstens mir -doch immer klar, dass sich die islamische Kultur im Kopf, so nicht besiegen lässt.

    Bis heute sind Begriffe wie Demokratie, Menschenrechte, Gleichberechtigung für mehr als 90 Prozent der Afghanen nur leere Worthülsen mit denen sie nie vorhatten sich zu identifizieren.
    Es ging ihnen im Grunde eigentlich immer nur um finanzielles Abstauben.

    Wir sollten daraus lernen das unsere westliche Lebenseinstellung sich nicht unbedingt exportieren lässt, zumal bei tieferer Betrachtung die derzeitige Form
    unseres Vorturnerdemokratieverständniss alles andere als ………..ist.

    Und passt mal schön auf die Merkel auf, sie ist dabei mit etwas weniger als 1 Milliarde für einige Anrainer Schurkenstaaten einen neuen „““ Willkommen Deal „““ auszuhandeln, zu zu sagen als ihr Abschiedsgeschenk für den zweiten Anlauf Ihrer wir schaffen das Politik. Ach ja, selbstverständlich bekommen die Taliban davon auch etwas ab.

    • Wae doch überhaupt nicht die Taliban sondern eine IS Splittergruppe
      welche mit den Taliban verfeindet ist, Putin und der Westen ist raus was brachte es nichts
      im Gegenteil die IS sind noch schlimmer als die Taliban von wem wurde die IS unterstützt
      von einem Staat der Emiraten, Der Terror geht noch schlimmer weiter jetzt. Überall was mit dem Islam zu tun hat Weltweit ist Ärger

  2. Guido Scholzen

    An wen gingen denn in den letzten 20 Jahren die Milliarden an „Aufbauhilfe“ in Afghanistan?

    https://www.tagesspiegel.de/meinung/zuviel-geld-fuer-die-falschen-leute-die-nato-hat-die-warlords-in-afghanistan-gestaerkt-nicht-die-demokratie/27116204.html

    Zustände wie in Afrika. Was hier geschehen ist, ist nichts anderes als die Jahrzehnte alte Realität von Entwicklungshilfe.
    Ein Afrikaner sagte mal zu mir:
    „Entwicklungshilfe ist, wenn das Geld der armen Menschen in den reichen Ländern zu reichen Menschen in den armen Lândern geht.“
    Genau das ist in Afghanistan auch geschehen, mehr nicht.
    Wer wird in Zukunft den Binnenstaat Afghanistan aufbauen?
    Lassen sich die Taliban und andere Warlords (die von der Mohn-Produktion leben) auch von der chinesischen Polit-Mafia kaufen wie viele afrikanische Politiker, um Teil der neuen Seidenstraße zu werden? ich bin gespannt, was da passiert…

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