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SERIE – TEIL 2: GE-Redaktion war vor 20 Jahren unabhängiger als heute

Die Printausgabe des Grenz-Echo. Foto: OD

„Ostbelgien Direkt“ setzt heute seine Serie „90 Jahre Grenz-Echo: Am Hof der Alten Dame vom Marktplatz“ mit der 2. Folge fort. Gerard Cremer schildert, wie er im Oktober 1993 zum ersten Mal zu der einzigen deutschsprachigen Tageszeitung kam und welches seine ersten Erfahrungen waren.

Es war eigentlich schon mein dritter Anlauf, um zum Grenz-Echo zu kommen. Wie ich schon in der ersten Folge dieser Serie bemerkt hatte, übte das Zeitungshaus am Eupener Marktplatz auf Journalisten eine gewisse Faszination aus (siehe Artikel „SERIE – 1. Teil: Die Faszination der Alten Dame vom Marktplatz“).

Mein erster Anlauf war 1980 oder 1981 gewesen. Heinrich Toussaint, damals Direktor und Chefredakteur in Personalunion, hatte mich, der ich damals bei der Aachener Volkszeitung in Aachen arbeitete, gefragt, ob ich Interesse hätte, Korrespondent des Grenz-Echo in Brüssel zu werden.

Kurt Grünebaum war zu jener Zeit bereits in Pension, berichtete aber noch für das Grenz-Echo aus Brüssel. Er wollte allerdings kürzer treten. Toussaint suchte jemanden, der in der Hauptstadt das aktuelle Tagesgeschehen noch intensiver verfolgt, als dies Grünebaum von seinem Schreibtisch aus tun konnte.

Das Verlagsgebäude des Grenz-Echo am Eupener Marktplatz. In den 1990er Jahren war die Redaktion noch auf der ersten Etage des alten Gebäudes am Marktplatz untergebracht. Foto: OD

Der Job reizte mich. Um mehr über die Tätigkeit in Brüssel zu erfahren, habe ich einmal Grünebaum besucht. Mit der „grauen Eminenz“ des Journalismus führte ich ein längeres Gespräch, an dem auch Grünebaums Frau Alice teilnahm.

In den Tagen und Wochen danach kamen mir aber Zweifel, ob meine Frau und ich diesen Sprung nach Brüssel, der ja nicht nur ein beruflicher Wechsel war, sondern auch ein privater, wagen sollten. Auch Heinrich Toussaint zögerte und zauderte. Aus dem Plan wurde jedenfalls nichts. Mit der Zeit nahm Erni Mreyen die Stelle in Brüssel ein.

Das zweite Mal, wo ich drauf und dran war, mich der Redaktion des Grenz-Echo anzuschließen, war 1988. Ich hatte zu jener Zeit den „Grenzland-Report“ ans Grenz-Echo verkauft. Bei dieser Gelegenheit hatte Alfred Küchenberg, der einige Jahre vorher zusammen mit Ernst Thommessen ins Zeitungshaus am Eupener Marktplatz eingestiegen und das Tagesgeschäft übernommen hatte, mir vorgeschlagen, beim Grenz-Echo zu arbeiten.

Ich hatte auch schon mehr oder weniger zugesagt, doch entschied ich mich dann doch anders. Nach der Zeit beim „Grenzland-Report“ verspürte ich ein großes Bedürfnis, Ostbelgien zu verlassen, mal andere Luft einzuatmen, eine neue Erfahrung zu machen.

Mit 32 Jahren sah ich den Zeitpunkt gekommen, ins Ausland zu gehen. So kam es, dass ich Korrespondent in Rom wurde, von wo aus ich von 1989 bis 1993 gelegentlich auch fürs Grenz-Echo berichtete, insbesondere anlässlich der Fußball-WM 1990 in Italien.

Nicht mit offenen Armen empfangen

Vor meiner Rückkehr aus Rom telefonierte ich mit Alfred Küchenberg und sagte ihm, dass ich und meine Familie beabsichtigten, nach Eupen zurückzukehren. Ich hatte ein paar Angebote von einigen Zeitungen, für die ich in Rom gearbeitet hatte, aber nichts Konkretes.

Als mir Küchenberg am Telefon sagte, beim Grenz-Echo seien einige personelle Änderungen geplant und es wäre für mich der ideale Zeitpunkt, um in seinem Hause als Redakteur zu arbeiten, zögerte ich keine Sekunde und sagte zu.

Nur zwei Tage nach meinem ersten Arbeitstag am 1. Oktober 1993 schrieb ich meinen ersten Kommentar, der auf Seite 4 der Ausgabe vom 4. Oktober erschien (siehe unten links) und bei den Grenz-Echo-Kollegen nicht so gut ankam.

So kam es, dass ich zum 1. Oktober 1993 Mitglied der Grenz-Echo-Redaktion wurde. Ich kann nicht behaupten, dass ich von den neuen Zeitungskollegen mit offenen Armen aufgenommen wurde.

Der Empfang war eher kühl und reserviert. Damals bezog die Redaktion noch die Räumlichkeiten im alten Gebäude auf der ersten Etage, wo auch Küchenberg sein Büro hatte.

Ich machte mich sofort bei den Kollegen unbeliebt, weil ich schon am ersten Wochenende nach meinem Arbeitsbeginn einen Kommentar schrieb. Ganz abgesehen davon, dass zu jener Zeit beim Grenz-Echo das Schreiben eines Kommentars in erster Linie Sache des Chefredakteurs war, wurde es von meinen neuen Kollegen als unpassend gewertet, nur zwei Tage nach meinem ersten Arbeitstag gleich einen Kommentar zu schreiben.

Dass neue Redakteure es schwer haben, von einer alteingesessenen Redaktion sofort akzeptiert zu werden, war für mich nicht neu. Schon in meinen ersten Berufsjahren bei der Aachener Volkszeitung in Aachen hatte ich mehrfach beobachten können, dass Neuankömmlinge erst einmal als Eindringlinge betrachtet werden, vor allem wenn sie bereits eine gewisse Berufserfahrung vorweisen können. Weshalb also sollte es mir anders ergehen?

Spion oder „Kollaborateur“

Ich war anfangs über einige Dinge sehr erstaunt und angenehm überrascht. Im Gegensatz zu dem, was ich bis dahin geglaubt hatte, legte die Grenz-Echo-Redaktion damals größten Wert auf ihre Unabhängigkeit, jedenfalls gegenüber der Direktion.

Ich würde sogar behaupten, dass meiner Ansicht nach die Redaktion des Grenz-Echo bis heute nie mehr so unabhängig von der Verlagsführung war wie in den 1990er Jahren.

Das hatte mehrere Gründe. Ein erster Grund war sicherlich, dass Journalisten in Belgien zu jener Zeit viel mehr Wert legten auf die Autonomie ihrer Redaktion. Sie bildeten eine Korporation und hatten ihre Prinzipien. Das galt übrigens für die gesamte belgische Zeitungslandschaft.

Erst mit der Zeit, als die Printmedien wirtschaftlich nicht mehr so gut dastanden wie früher, wurden die Zeiten für die Journalisten schwieriger. Die Direktionen nahmen immer mehr Einfluss auf die Redaktion. Das war erst recht der Fall, als die Bedeutung des Internets zunahm.

Grenz-Echo-Verleger Alfred Küchenberg. Foto: Gerd Comouth

Ein zweiter Grund war, dass in den 1990er Jahren Grenz-Echo-Verleger Alfred Küchenberg noch viele andere Baustellen hatte.

Zwar hatte er in der Niermann-Affäre Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre immer wieder versucht, Einfluss zu nehmen auf die Zeitung. Später hatte sich jedoch – vielleicht gerade wegen dieser Affäre – in der Grenz-Echo-Redaktion eine Form von Solidarisierung entwickelt.

Jedenfalls hatte die Redaktion gegenüber der Direktion Mitte der Neunziger eine große Autonomie, was ich so nicht erwartet hatte.

Das Selbstbewusstsein der Redaktion gegenüber dem Verleger war so ausgeprägt, dass einige Kollegen es mir übelnahmen, dass ich anfangs morgens bei meiner Ankunft am Marktplatz zuerst einmal das Büro von Alfred Küchenberg betrat, um diesem einen guten Morgen zu wünschen.

Mehr war da nicht. Küchenberg fragte meistens, wie es mir ging und ob es was Neues gebe, das war’s auch schon.

Wie mir später ein Kollege hinter vorgehaltener Hand erzählte, störten sich viele Grenz-Echo-Kollegen daran, dass ich morgens bei Küchenberg reinschaute. Die Korporation der Grenz-Echo-Redakteure dachte wohl, ich sei Küchenbergs Spion, in jedem Fall ein „Kollaborateur“ der Direktion. Das sah man gar nicht gerne.

Integrationsparcours

Kurzum, einer, der sofort einen Kommentar schreibt und dann auch noch jeden Morgen dem Verleger guten Tag sagt, war der Redaktion zumindest anfangs in höchstem Maße suspekt.

Mit der Zeit legten sich jedoch diese Irritationen. Mein Integrationsparcours schritt immer weiter voran. Das Verhältnis wurde zwar nie so herzlich, wie ich dies früher in Aachen bei der Aachener Volkszeitung gekannt hatte, jedoch war es von gegenseitigem Respekt geprägt. Darauf ließ sich einiges aufbauen.

Denn einige Dinge, die mich beim Grenz-Ech störten, wollte ich unbedingt ändern. Einfach nur Mitläufer sein, um meine Ruhe zu haben, das war eh nicht mein Ding. (cre)

Die Serie wird fortgesetzt. Bereits erschienen:

SERIE – 1. TEIL: Die Faszination der Alten Dame vom Eupener Marktplatz

23 Antworten auf “SERIE – TEIL 2: GE-Redaktion war vor 20 Jahren unabhängiger als heute”

  1. Pressekonfekt

    Herr Cremer, zurückblickend, fehlen heute dem G E mehr denn je, solche „Queertreiber“ wie der Cremer von damals! Heute ist das Blatt schon froh, solche Mini Erfindungen, wie u a: Echolino zu drucken. Das G E kann froh sein mit den zwei Werbeblättern verwandt zu sein, ansonsten wäre es schon lange „über die Wupper“! Jedenfalls wird das Blatt es sehr schwer haben noch lange zu bestehen. Es fehlen denen die Ideen, das Umfeld, sowie auch innovative Leute. Das Resultat sieht man alle Tage.

    • R.A. Punzel

      Solange das G-E seine Fähnchen in den Wind – der gerade weht – hält, sprich regierungsfreundlich berichtet, wird es keine Probleme haben (dann rollt eben der Rubel). Welche Regierung(en) haben sonst noch kostenlose Werbung? Mit anderen Worten, die Abonennten bezahlen den Schwachsinn politischer „Aktivität“ mit dem sie eingelullt werden. Entspricht in manchen Staaten dem Wortbegriff Korruption.

  2. Abo abbestellt!

    So wie viele Leute, habe auch ich das Abo gekündigt. Es gibt heute soviele gute und bessere Alternativen, dass es sich erübrigt. Mich stört besonders diese unattraktive Monatsausgabe. Da meint man, man hätte mal ewas Lesbares, jedoch auch die so tollen Reklameseiten sind nummeriert, daher fast 3/4 Werbung, mitten in den Berichten etc. Ein tolles Durcheinander und einer Tageszeitung total unwürdig. Auch wenig attraktiv das W E Magazin. Da sieht man u a den Hubert vom Venn schon seit ein paar Jahrzehnten. Langweilig.

  3. Es reicht!

    Kann es sein das es sich bei dem Blatt um ein Regierungsblatt handelt? Frag mich sowieso ob der Wahlwerbewahnsinn mit Ganzseitigen Beweihräucherung der DG Minister und deren Gatten vor den letzten Wahlen überhaupt LEGAL war?

  4. Ich bin mit dem GE seit 50 Jahren sehr zufrieden. Regional deckt es sowohl kleine wie große Ereignisse ab. Die Berichte von Nathalie Wimmer und Petra Förster finde ich immer sehr gut und informativ. Auch Werner Keutgens und Martin Klevers Berichte sind immer sehr lesenswert. Ich fühle mich immer bestens informiert. Bitte weiter so.

    • Réalité

      Kann man so, oder auch anders sehen Logisch!?_? Sie haben ja sowieso die „Regierungslinie“ gepachtet. Daher sind nun aber auch im Forum einige viele eben nicht auf der Linie! Das die Leser und Abonnenten nicht sehr mit dem Blatt zufrieden sind, zeigt wohl der grosse Verlust an Druckzahlen und Kunden zu beweisen! Oder sehen Sie das etwa anders! Das ist doch der beste Beweis an Unzufriedenheit, ansonsten hätten sich die Zahlen ja sicher doch gesteigert!?_?_? Ist doch Logisch, oder doch wieder nicht…?_?_?_?_

  5. An Tante Grenzecho

    Ich bin Abonnent und lese und liebe das Grenzecho seit Jahrzehnten mit all seinen (Schrift-)Fehlern. Es ist wie mit meiner Tante Erna, die ist zwar schon alt, nicht besonders hübsch oder intelligent, aber sie hat immer was zu erzählen; manchmal höre ich zu, manchmal einfach weg. Weiter so.

    • Pressekonfekt

      Liebe Tante! Ja das waren auch noch Zeiten, damals! Da schaute man zuerst in die „Rubrik: Rabelais“, und vieles andere und Neues stand darin! Heute hat man andere Mittel. Die sind ausserdem viel schneller und damit aktueller! Bleibe du ruhig bei Deinen alten Gewohnheiten. Die neue und modernere Welt wählt sich da was besseres, und mit anderer Qualität aus! Mache du weiterhin Reklame für das Blatt, es wird nicht viel nützen. Ausserdem finden die fast keine Redakteure mehr. Und die guten Restlichen die gehen zu grösseren Verlagen, weil bessere Löhne und mehr Attraktivitäten.
      Mache du ruhig weiter, liebes Tantchen, und bleib bei deinen Gewohnheiten, das G E Wird es überleben!

  6. Kaiserin

    Ich freue mich jeden Morgen, das Grenz-Echo zu lesen. Auch wenn die News nicht mehr spektakulär sind, schliesslich kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit daddeln um zu erfahren, was die Welt an Schrecklichem und Grausamem zu bieten hat, doch finde ich die kommentierten Artikel weitaus besser als Kurznachrichten am Stück zu konsumieren und sowieso kann man beim Lesen eines Artikels auch spontan entscheiden, eine Pause zu machen oder nach einem Satz innezuhalten und sich seine eigenen Gedanken machen. Es sieht so aus, dass eine kleine Tageszeitung wie das GE keine langen Überlebenschancen mehr hat, aber das halte ich für eine überaus bedauerliche Entwicklung in unserer schnellebigen Zeit. Und, zudem, ich habe den Eindruck, dass die Journalisten beim GE ’nen Tick besser recherchieren wie beim BRF. Gerne lese ich Reaktionen zu diesem Beitrag.

    • Empératrisse

      Gerne hier meine Reaktion auf Ihr Angebot, Hoheit:
      Welchem Lande, welchem Staate stehen Sie denn vor? Wenn Sie soviel Zeitung lesen, wie Sie schreiben, dann kann es nur ein kleines Ländchen sein?
      Ich wüsste gerne etwas mehr über Sie und Ihr Zeitungsgefühl. Ihr Kommentar kommt kurios und gekünselt hinüber, so wie „gezwungen“?
      Also die Bitte um Aufklärung Madame.

  7. @Kaiserin: Sie haben völlig Recht, das GE ist nach wie vor lesenswert. Aber natürlich haben jetzt alle Tageszeitungen einen anderen Stellenwert als noch vor 20 Jahren. Sie müssen mit dem Internet konkurrieren, und diesen Kampf werden sie eines Tages verlieren. Dann werden wir über das regionale Geschehen entweder anders oder gar nicht mehr informiert. Das Ganze zum Schaden der hiesigen Vereine und Gruppen. Dann wird wieder eine Tradition zu Grabe getragen.

  8. Nutzloses Papier

    Ist doch Logisch das Sie die Kaiserin loben! Wenn Sie das Exemplar von heute sehen, ist einen kleinen Tick besser wie der Kurier und Wochenspiegel von gestern! Jede Menge an Reklameseiten, Abgeschriebenes, und Kinderseiten! Als wenn die die Karre noch aus dem Dreck ziehen würden!? Da meint jeder, da haste mal was zum lesen? Jepfiffen! 60% Reklamen drin! Kein Wunder das die auf dem absteigenden Ast sind?

    • Was sind Sie für ein Jammerlappen? Jeder hier weiss, dass am ersten Donnerstag jeden Monats, das GE in alle Haushalte Ostbelgiens GRATIS VERTEILT wird. Diese Aktion wird mit Werbung finanziert. Sie sind wohl nicht von hier, oder?

      • Nutzloses Papier

        Und Sie sind mir eine komische „gruene“? Wohl der erste der solchen Schund auch noch lobt!? Haben mit Kurier und Wochenspiegel schon zwei Werbeblätter! Wir wollen eine richtige Tageszeitung und keine drei Webeblätter, zwei sind deren schon zuviel!! Die Frage: von wo sind Sie denn? Jedenfalls eine komische gruene.

  9. Kaiserin

    Logisch – ich muss wohl eine ewig gestrige sein, denn mein Titel ist ausgestorben, selbst den Kaiser von China gibt’s nicht mehr :).
    Nun, als ich mal darüber klagte, ob ich mir die Kosten für’s GE-Abo nicht doch schenken sollte, meinte eine Freundin: schau dir mal die Arbeit der Redakteure an, du weisst selbst, wieviel Mühe es ist, einen Artikel zu schreiben und das soll dir nicht mal ’nen Euro wert sein? Da habe ich mir gedacht, Recht hat sie schon, denn ich schätze die Arbeit der schreibenden Zunft und es ist mir allemal mehr wert als täglich ’nen Kaffee oder ein Bier in der Kneipe zu trinken. Also: ich werde es weiterhin geniessen, das GE täglich zu lesen, solange es es noch gibt!

  10. Talkrunde

    Was mir aber wohl auffiel: Grenz Echo Lokalrunde, nächsten Sonntag in Amel Restaurant Mitte, da ist sogar der erste Schöffe mit eingebunden. Sonstwo war doch nie jemand von der Politik dabei, bei dieser Veranstaltung des Grenz Echo? Warum denn da jetzt, und wenn, dann sollten auch andere Parteien eingeladen sein?

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