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Eine der größten Tragödien der Fußball-Geschichte nach Massenpanik in Indonesien

01.10.2022, Indonesien, Malang: Fußballfans tragen einen verletzten Mann nach Zusammenstößen beim Erstliga-Spiel zwischen Arema FC und Persebaya FC. Foto: Yudha Prabowo/AP/dpa

AKTUALISIERT – Indonesien erlebte am Sonntag eine der größten Katastrophen der Fußball-Geschichte. Die  Zahl der Toten bei einer Massenpanik nach einem Spiel in der Provinz Ost-Java ist inzwischen auf 174 gestiegen.

Das teilte Emir Dardak, Vizegouverneur der Region, am Sonntag bei Kompas TV mit. Mehr als 100 Verletzte seien in Krankenhäuser gebracht worden, bei elf sei der Zustand kritisch, sagte er weiter.

Die Polizei habe Tränengas eingesetzt, um randalierende Fans zu zerstreuen, sagte der Polizeichef der Provinz, Nico Afinta, zuvor bei einer Pressekonferenz. 34 Menschen seien auf dem Spielfeld des Kanjuruhan-Stadions ums Leben gekommen, alle weiteren in Krankenhäusern, sagte Afinta laut dem Radiosender Elshinta und dem Sender tvOne weiter. Zur Ursache für die Ausschreitungen machte er zunächst keine Angaben.

01.10.2022, Indonesien, Malang: Fußballfans stürmen das Spielfeld während Zusammenstößen zwischen Fans im Kanjuruhan-Stadion nach dem Erstliga-Spiel zwischen Arema FC und Persebaya FC. Foto: Yudha Prabowo/AP/dpa

Zu den Ausschreitungen war es nach dem Erstliga-Spiel zwischen Arema FC und Persebaya FC gekommen. Im Anschluss an die 2:3-Niederlage von Arema hatten in Malang Tausende Zuschauer den Platz gestürmt. Auf Fotos, die auf der Seite von tvOne veröffentlicht wurden, ist unter anderem ein völlig zerstörtes Auto im Stadion zu sehen. Weitere Bilder zeigen den Platzsturm sowie Rauchschwaden auf dem Platz und den Tribünen.

Es seien rund 42.000 Menschen im Stadion gewesen, sagte Ferli Hidayat, der örtliche Polizeichef von Malang. Alle seien Arema-Fans gewesen, weil der Veranstalter den Fans von Persebaya den Zutritt zum Stadion verboten hatte, um Schlägereien zu vermeiden.

Der indonesische Präsident Joko Widodo forderte in einer Ansprache eine „gründliche“ Untersuchung. Zudem ordnete er nach eigenen Angaben an, dass der Spielbetrieb in der ersten Liga bis zu einer Auswertung der Untersuchungen und Verbesserungen durch den indonesischen Verband PSSI gestoppt werde.

02.10.2022, Indonesien, Malang: Menschen, die nach ihren Angehörigen suchen, betrachten Fotos von Opfern der Fußballkrawalle, die ihnen von Freiwilligen zur Verfügung gestellt wurden, um ihnen bei der Identifizierung ihrer Familienangehörigen zu helfen. Foto: Dicky Bisinglasi/AP/dpa

Widodo sprach den Opfern sein Beileid aus. „Ich bedauere diese Tragödie zutiefst und hoffe, dass dies die letzte Fußballtragödie in diesem Land ist.“

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International setzt sich für eine Untersuchung des Tränengaseinsatzes durch die Polizei ein. Es müsse sichergestellt werden, „dass eine derartige herzzerreißende Tragödie nie wieder passiert“, sagte Usman Hamid von Amnesty International in einer Mitteilung. Tränengas solle niemals auf begrenztem Raum eingesetzt werden.

Unter den Toten seien auch zwei Mitglieder der Polizei gewesen, sagte Provinzpolizeichef Afinta. Die meisten Menschen seien an Sauerstoffmangel gestorben. Bei den Ausschreitungen wurden überdies 13 Fahrzeuge beschädigt, darunter zehn der Polizei.
Die Fußball-Clubs Arema und Persebaya sprachen den Opfern und ihren Familien ihr Beileid aus.

„Arema FC spricht tiefes Beileid für die Katastrophe in Kanjuruhan aus. Das Management von Arema FC ist auch für den Umgang mit den Opfern verantwortlich, sowohl für die Toten als auch für die Verletzten“, sagte Vereinschef Abdul Haris. Der Club werde ein Krisenzentrum und eine Opferinformationsstelle einrichten.

02.10.2022, Indonesien, Malang: Frauen weinen in einem Krankenhaus, nachdem sie die Bestätigung erhalten haben, dass ihr Familienmitglied unter den Toten der Fußballkrawalle ist. Foto: Dicky Bisinglasi/AP/dpa

„Bei den Familien der Opfer entschuldigt sich das Management von Arema FC zutiefst und ist bereit, eine Entschädigung zu leisten. Das Management ist bereit, Vorschläge für den Umgang mit der Katastrophe anzunehmen, damit viele gerettet werden“, erklärte Haris.

Der indonesische Verband setzte den Spielbetrieb in der ersten Liga zunächst für eine Woche aus. Arema wurde die Austragung von Heimspielen für den Rest der Saison untersagt. Zudem habe der Verband ein Untersuchungsteam eingesetzt, das noch am Sonntag seine Arbeit aufnehmen sollte.

„PSSI bedauert die Aktionen der Arema-Anhänger im Kanjuruhan-Stadion. Es tut uns leid und wir entschuldigen uns bei den Familien der Opfer und bei allen Beteiligten für den Vorfall“, sagte der Verbandsvorsitzende Mochamad Iriawan. Man werde die Polizei bei der Aufklärung unterstützen.

Indonesien gilt als ein fußballbegeistertes Land. Obwohl es an internationalen Erfolgen mangelt, kommt es rund um Fußballspiele immer wieder zu Ausschreitungen und Gewalt. Indonesien ist vom 20. Mai bis 11. Juni 2023 Gastgeber der FIFA U20-Weltmeisterschaft mit 24 teilnehmenden Mannschaften. (dpa)

Doll über Stadion-Katastrophe: „Macht sehr nachdenklich“

Der in Indonesien beschäftigte Trainer Thomas Doll hat die katastrophale Massenpanik bei einem Fußballspiel in seiner Wahlheimat mit Bestürzung aufgenommen. „Ich bin unsagbar traurig über die Vorfälle. Die Verarbeitung wird sicherlich lange brauchen“, sagte der frühere Bundesligacoach, der seit April beim indonesischem Erstligisten Persija Jakarta angestellt ist.

11.05.2019, Niedersachsen, Hannover: Thomas Doll, der damalige Trainer von Hannover 96, steht vor dem Spiel in der Arena. Foto: Peter Steffen/dpa

„Ich habe schon die ersten Gespräche mit meinen Spielern dahingehend geführt. Sie alle sind verständlicherweise sehr betroffen. Das hat nichts mehr mit Fußball zu tun. Das alles macht schon sehr, sehr nachdenklich.“

Von den Ausschreitungen und der anschließenden Massenpanik beim Erstliga-Spiel in der indonesischen Provinz Ost-Java zwischen Arema FC und Persebaya FC erfuhr Doll im Mannschaftshotel, in dem er und sein Team sich auf das Spiel bei Persib Bandung vorbereiteten.

„Sofort wurden wir aus Sicherheitsgründen in gepanzerten Polizeiwagen zu unserem in 40 Kilometer abgestellten Team-Bus gefahren und sind unter Polizeischutz nach Jakarta zurückgekehrt“, berichtete der frühere deutsche Nationalspieler: „Wir sind alle froh, dass wir nun zu Hause sind.“ Doll erinnerte sich an ein Spiel in Arema, „da war alles sehr friedlich“. Er habe eine „tolle Atmosphäre“ gespürt, „die Fan-Gruppen sind miteinander befreundet“.

Der frühere Offensivstar des Hamburger SV sagte, dass die Saison „verständlicherweise für unbestimmte Zeit unterbrochen“ worden sei. „Wir wissen alle nicht, wie es mit dem Liga-Betrieb weitergeht“, sagte Doll. (dpa)

Schwere Unglücke in Fußball-Stadien

Bei Ausschreitungen oder Massenpaniken in Stadien sind in der Fußball-Geschichte bereits hunderte von Menschen ums Leben gekommen. Die Deutsche Presse-Agentur dpa dokumentiert weitere besonders schwere Unglücke:

1. Februar 2012: 74 Tote und rund 1000 Verletzte in der ägyptischen Stadt Port Said nach dem Ende der Partie zwischen Al-Masri und Al-Ahli.

10. Mai 2001: 127 Tote in Ghana beim Spiel zwischen den Accra Hearts of Oak und Kumasi Asante Kotoko.

16. Oktober 1996: 84 Tote beim WM-Qualifikationsspiel zwischen Guatemala und Costa Rica, 147 werden verletzt.

15. April 1989: 96 Tote und mehr als 700 Verletzte bei einer Panik im Hillsborough-Stadion von Sheffield bei der Partie des FC Liverpool gegen Nottingham Forest.

29. Mai 1985: 39 Tote und mehr als 400 zum Teil Schwerverletzte beim Europacup-Finale FC Liverpool gegen Juventus Turin im Brüsseler Heysel-Stadion.

20. Oktober 1982: Mindestens 66, nach unbestätigten Angaben sogar bis zu 340 Tote, nach dem UEFA-Pokalspiel Spartak Moskau gegen den FC Haarlem.

17. Februar 1974: 48 Tote in Kairo vor dem Spiel al Zamalek SC gegen Dukla Prag.

2. Januar 1971: 66 Tote in Glasgow nach dem Lokalderby der Rangers gegen Celtic.

23. Juni 1968: 73 Tote in Buenos Aires vor dem Spiel Boca Juniors gegen Rio de la Plata.

24. Mai 1964: Mehr als 300 Tote bei Tumulten beim Länderspiel Peru gegen Argentinien in Lima. 500 Menschen werden schwer verletzt. (dpa)

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