Volles Haus und volles Programm bei der Lit.Eifel-Lesung mit Sasa Stanisic am Donnerstagabend in Eupen. Im Jünglingshaus las der aus Bosnien-Herzegowina stammende deutschsprachige Autor aus seinem neuen Roman „Vor dem Fest“.
Sasa Stanisic (36) ließ Ulli, Eddy, Susi und vor allem Lada zu Wort kommen, die sich in dem in 24 Stunden abgehandelten Roman auf das bevorstehende Fest im uckermärkischen Fürstenfelde vorbereiten.
Die vier sind Teil einer Clique, die die Geschichte und die Geschicke des aussterbenden Dorfes symbolisieren und die der Autor seinen Roman in der ersten Person Plural erzählen lässt.
Die von Sasa Stanisic gewählte Wir-Form ist eine soziologische Wahrheit. „Wir“ Leute vom Land denken, fühlen und handeln wahrscheinlich tatsächlich eher kollektiv wie urbane Existenzen.
„Wir“ eher ausgrenzend als verbindend
Dass das „Wir“ nicht uneingeschränkt positiv ist, wird mit dem Auftauchen des „Adidas-Mannes“ vor dem Fest deutlich. Der trägt immer einen von zwei schmuddeligen Trainingsanzügen und bestellt sich in der Fürstenfelder Bäckerei O-Saft und Puddingbrezel.
Mehr wissen die Dörfler nicht von ihm, mehr gibt er an Gesprächsstoff nicht preis. Er ist ein Fremder, und er bleibt ihnen fremd. „Wir“, erklärt Stanisic in der Frage- und Diskussionsrunde mit seinen Zuhörern, sei weniger eine verbindende als vielmehr eine ausgrenzende Vokabel.
Auf der Zugfahrt nach Eupen habe er auf der Landkarte lange suchen müssen, um ein Dorf zu finden, das ähnlich abgeschieden sei wie Fürstenfelde – und er sei auf Baelen gekommen, sagte Stanisic. Als er es falsch, nämlich „Bälen“ aussprach, und das Auditorium ihn mit einer Stimme „Balen“ korrigierte, sagte der Autor enttäuscht: „Das kennen alle – dann gleicht es doch nicht meinem Dorf . . .“
Ein Kaff, das es überall gibt
„Vor dem Fest“ ist der Roman eines Kaffs, das es überall geben könnte – und überall gibt. Es ist damit ein moderner, vielschichtig, witzig und hintersinnig zugleich erzählter Heimatroman, der überall auf der Welt angesiedelt sein könnte.
Dass das wahre Vorbild für Fürstenfelde in der Nähe seiner bosnischen Heimatstadt Visegrad liegt, erzählte Sasa Stanisic seinen Lit.Eifel-Gästen beim Eupener Abend nicht. Dort besuchte er einmal den Friedhof und fand auf beinahe jedem Grabstein seinen Nachnamen.
Nach einer Kleinstadt im Debütroman und Fürstenfelde in „Vor dem Fest“ werde sein nächster Roman in noch kleinerem Rahmen angesiedelt, verriet der Autor bei der Lit.Eifel – und zwar in einer Familie, die sich sektengleich gegen „die Welt draußen“ abkapselt, und in der die Kinder doch beginnen, sich ein Bild dieser fremden Welt zu machen. (pp/Agentur ProfiPress)