Notizen

In Polen sind bereits 500.000 Flüchtlinge aus der Ukraine

01.03.2022, Ukraine, Shehyni: Menschen gehen an einer Schlange von Autos vorbei, die auf dem Weg zur polnischen Grenze sind. Foto: Pavlo Palamarchuk/AP/dpa

AKTUALISIERT – In Polen sind nach Angaben der Regierung seit Beginn des Ukraine-Kriegs rund 500.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland angekommen.

„Wir sind verpflichtet, unseren Nachbarn zu helfen, und wir tun es auch. Wir haben einen humanitären Korridor eingerichtet, wir haben alle Verfahren beschleunigt, die wir von unserer Seite aus beschleunigen konnten“, sagte der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Mittwoch vor einem gemeinsamen Besuch mit EU-Ratspräsident Charles Michel am Grenzübergang Korczowa. Michel sagte, die EU-Mitgliedsländer müssten solidarisch zusammenstehen, die Ukrainer aufnehmen und humanitäre Unterstützung leisten.

01.03.2022, Polen, Medyka: Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, warten am polnischen Grenzübergang auf einen Bus. Foto: Markus Schreiber/AP/dpa

„Polen hilft allen Menschen, die vor dem Krieg fliehen, allen Kriegsflüchtlingen, egal, aus welchem Herkunftsland sie kommen“, sagte Morawiecki. Alle würden gleich behandelt. Er warnte, man solle russischen Propagandakampagnen über das Vorgehen an der Grenze keinen Glauben schenken. „Wir haben Tausende von Beweisen und Zeugnissen für alle diese Situationen.“

In sozialen Medien hatten kürzlich Videos mit Szenen an der polnisch-ukrainischen Grenze die Runde gemacht, die nicht nur in Afrika für Empörung sorgten. Einige afrikanische Flüchtlinge hatten den Vorwurf erhoben, auf ukrainischer Seite tagelang in bitterer Kälte und ohne Versorgung von Grenzbeamten rüde am Passieren der Grenze gehindert worden zu sein, während weiße Flüchtlinge sie passieren konnten. Die Vorwürfe bezogen sich zum Teil auch auf die Abfertigung durch den polnischen Grenzschutz. (dpa)

Polen entdeckt sein Herz für die vielen Flüchtlinge aus der Ukraine: „Wir könnten in der gleichen Situation sein“

Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) etwa 368.000 Menschen auf der Flucht. Wie der polnische Grenzschutz mitteilte, kamen allein in Polen mehr als 200.000 Flüchtlinge seit Beginn des Ukraine-Kriegs an.

Ganz Polen hilft. Das ist der Eindruck, den man in der Kleinstadt Przemysl nahe der Grenze zur Ukraine bekommen kann. Vor dem Bahnhof stauen sich Autos und Kleinbusse. Manche sind bis unters Dach vollgeladen mit Spenden für die Flüchtlinge, die hier mit Zügen aus der Ukraine ankommen.

26.02.2022, Polen, Przemysl: Flüchtlinge aus der Ukraine gehen nach ihrem Grenzübertritt in Polen durch das polnische Grenzgebiet. Foto: Michael Kappeler/dpa

Renata Czarnecka und ihre Tochter Wioletta sind mit einem schicken weißen Flitzer vorgefahren. Sie laden Windeln, Baby-Wischtücher und Mineralwasser aus dem Kofferraum. „Wir könnten alle in der gleichen Situation sein. Niemand ist mehr sicher“, sagt die 60-jährige Justizangestellte. „Für mich ist das ein ganz normaler menschlicher Reflex, hier etwas zu spenden.“

Seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine hat Polen nach Angaben der Regierung in Warschau bereits mehr als 200.000 Flüchtlinge aus dem östlichen Nachbarland aufgenommen. In der Nähe von Przemysl befinden sich zwei Grenzübergänge. Der Bahnhof der ostpolnischen Stadt hat ein Gleis mit russischer Breitspur. Hier kommen die Züge aus Kiew, Lwiw und Odessa an. Sie bringen immer mehr verzweifelte Menschen.

Für die Neuankömmlinge gibt es direkt auf dem Bahnhof ein großes Hilfsangebot. Rote Pfeile und Schilder auf Polnisch und Ukrainisch weisen den Weg zum Aufnahmepunkt in der Bahnhofshalle. An langen Tischen kümmern sich hier Männer und Frauen von der Berufsfeuerwehr um die Anliegen der Flüchtlinge.

26.02.2022, Polen, Przemysl: Geflüchtete aus der Ukraine suchen nach ihrem Grenzübertritt von Schehyni in der Ukraine nach Medyka in Polen im polnischen Grenzgebiet nach passender Kleidung, die von polnischen Bürgern bereitgestellt wurde. Foto: Michael Kappeler/dpa

„Menschen, die aus der Ukraine ankommen und keine Reisemöglichkeit ins Landesinnere von Polen haben, können sich bei uns auf Listen setzen lassen. Freiwillige kommen hierher, bieten Transport und Unterkunft an. Wir führen das dann zusammen“, sagt Feuerwehrhauptmann Lukasz Zielinski. Der Aufnahmepunkt vermittelt auch Plätze in Notunterkünften, die die Stadt Przemysl in Schulturnhallen eingerichtet hat.

Neben der staatlichen Hilfe gibt es auch Initiativen von Bürgern. So hat sich eine Facebook-Gruppe gebildet, die Flüchtlingen private Unterkünfte, Transport und Sachhilfe organisiert.

Schon seit mehreren Wochen hat Polens nationalkonservative PiS-Regierung ihr Land auf die Aufnahme einer großen Zahl von Flüchtlingen vorbereitet. Das Innenministerium wies die Gebietsverwaltungen an, geeignete Räume aus Notunterkünfte herzurichten. Selbst der erzkonservative Bildungsminister Przemyslaw Czarnek betonte, ukrainische Kinder seien willkommen in polnischen Schulen.

26.02.2022, Polen, Przemysl: Flüchtlinge, die vor dem Konflikt in der benachbarten Ukraine fliehen, gehen mit ihrem Gepäck eine Straße entlang. Foto: Petr David Josek/AP/dpa

Ein krasser Unterschied zu der Art, wie Polen noch vor wenige Monaten reagierte, als viele Migranten aus Krisengebieten wie Afghanistan, Syrien und dem Irak versuchten, von Belarus aus illegal in die EU zu gelangen. Die PiS-Regierung schickte 10.000 Soldaten an die Grenze, richtete eine Sperrzone dort ein. Sie baut gegenwärtig einen 5,5 Meter hohen Zaun. Die Botschaft lautet: Migranten sollen draußen bleiben.

„Zu Ukrainern fühlen die Polen eine enge Verbindung. Außerdem ist der Krieg nicht weit weg, sondern direkt an unserer Grenze“, sagt Sprecherin Kalina Czwarnog von der Hilfsorganisation „Ocalenie“ (Rettung), die sich für die Migranten an der belarussischen Grenze eingesetzt hat. Jetzt hilft sie auch den Ukrainern. „Aber leider hat der unterschiedliche Umgang auch mit rassistischen Vorurteilen zu tun.“ Das könne man gut daran sehen, wie sich die PiS-Regierung zu den Migranten aus Afghanistan, Syrien und dem Irak geäußert habe, und welche Position sie heute zu den Ukrainern einnehme.

26.02.2022, Polen, Przemysl: Eine Frau weint neben einem Mädchen aus der Ukraine nach ihrem Grenzübertritt von Schehyni in der Ukraine nach Medyka in Polen. Foto: Michael Kappeler/dpa

Die Flüchtlinge aus der Ukraine jedenfalls fühlen sich in Polen gut aufgenommen – und die meisten wollen erstmal im Nachbarland bleiben. „Wir suchen gerade hier eine Wohnung. Wenn sie nicht mehr bombardieren, gehen wir zurück nach Lwiw“, sagt die Apothekenhelferin Maria Pototschniak (38), die in der Bahnhofshalle von Przemysl auf einem Feldbett sitzt und ihrer kleinen Tochter Alinka ein Fläschchen gibt.

Ähnliche Pläne haben Oksana (45) und ihr Mann Oleg. Beide sind in einer Notaufnahme in der Turnhalle einer Grundschule in Przemysl untergekommen. „Heute Morgen kamen schon Polen und haben uns eine Wohnung angeboten. Ich glaube, kostenlos“, sagt Oksana. Sie hat das Angebot nicht angenommen, denn sie wartet noch auf die Ankunft ihrer Mutter und ihrer Tochter. „Wir wollen in Polen bleiben, Arbeit suchen, wir sind fleißige Leute.“ Vor allem hofft Oksana, dass der Krieg bald vorbei sein wird. „Wenn die ukrainische Armee Lwiw drei Tage verteidigt, werden sich die Russen zurückziehen“, glaubt sie.

Manche Flüchtlinge haben genug Mittel, um sich selbst in Polen für eine Weile über Wasser zu halten. „Eine Familie mit sechs Personen hat für einen Monat im Voraus für meine große Ferienwohnung bezahlt§, sagt ein Vermieter in Przemysl. Er will nun ins Möbelhaus fahren: Seine Gäste brauchen noch mehr Bettwäsche und Decken. (dpa)

Zum Thema siehe auch folgende Artikel auf OD:

22 Antworten auf “In Polen sind bereits 500.000 Flüchtlinge aus der Ukraine”

    • Guido Scholzen

      Nein. nicht ganz.
      Die Polen sind West-Slawen und katholisch.

      Die Ukrainer sind Ost-Slawen und die ukrainische Kirche gibt es mehrere Male. Es sind allesamt Ostkirchen, sie haben meist den orthodoxen Ritus, die Priester dürfen heiraten, einige Kirche sind mit der katholischen liiert und der Papst in Rom ist Oberhaupt einiger Kirchen in der West-Ukraine, denn Teile der Ukraine gehörten mal zur katholischen Polnisch-Litauischen Doppelmonarchie. Vor 400 Jahren war die Polnisch-Litauische Doppelmonarchie eine sehr starke Militärmacht und der flächenmäßig größte Staat Europas: ein 1.000 km breites Band von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. 1612 standen polnische Truppen vor Moskau.

      Die Polen und die Ukrainer hatten immer einen gemeinsamen Feind: MOSKAU. politisch und religiös.

      Der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirchein Moskau war schon immer der Hauspastor des Kremls, auch in atheistischen Sowjetzeiten, und der jetzige Kyrill I. und sein Vorgänger Alexei II. waren KGB-Mitarbeiter. Kyrill I. hatte sogar den Rang eines KGB-Offiziers, so wie Putin.
      Und dieser Kyrill I. betonte demletzt noch, dass „der Wehrdienst in der russischen Armee ein Akt der Nächstenliebe sei“.
      https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/kirchenoberhaupt-sieht-im-militaerdienst-akt-der-naechstenliebe,SyGlkZH

      Andere Länder – andere Sitten: in der Westkirche ist die Corona-Impfung ein Akt der Nächstenliebe, und in der Ost-Kirche ist es halt eben der Wehrdienst fürs Vaterland. Jede Kirche hat eben einen anderen Feind ausgemacht, den es zu bekämpfen gilt.
      Wo hiess es doch früher so schön:
      Da wo der Herrgott ist, da ist der Teufel nicht weit!

  1. Ostbelgien Direkt

    AKTUALISIERT – Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) etwa 368.000 Menschen auf der Flucht. Wie der polnische Grenzschutz mitteilte, kamen allein in Polen mehr als 200.000 Flüchtlinge seit Beginn des Ukraine-Kriegs an.

        • @Gelinde Andlerberg: Dann sagen Sie ja im Umkehrschluss, dass unter den muslimischen Wirtschaftsflüchtlingen Kriminelle, Messerstecher und Vergewaltiger sind. Leider haben Sie damit recht, dass haben wir Silvester 2015 zur genüge erlebt! Aber sicher sind die flüchtenden Frauen mit ihren Kindern aus der Ukraine aus ihrer Sicht auch „Vergewaltiger“ und „Messerstecher“??!!
          Erstmal nachdenken . . .
          Polen macht es richtig und wir sollten es ihnen gleichtun.

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