Gesellschaft

Philippe, Mathilde und die Roten Teufel: Erfährt das „Belgien-Gefühl“ eine Renaissance?

Im Oktober 2013, nach dem Erreichen der Qualifikation für die WM in Brasilien, wurde Marc Wilmots noch wie ein Held gefeiert. Foto: Belga

Nach dem Thronwechsel im Juli und der Begeisterung über die Qualifikation der belgischen Fußball-Nationalmannschaft für die WM 2014 in Brasilien scheint das „Belgien-Gefühl“ eine Renaissance zu erleben. Von einer drohenden Spaltung des Landes ist keine Rede mehr, jetzt bejubeln die Belgier das neue Königspaar und liegen sich nach einem Spiel der Roten Teufel in den Armen. Was läuft da anders im Königreich?

In den Medien wird analysiert, wie diese Renaissance der sogenannten „Belgitude“ zu erklären sei. Die Flamen hätten sich bis vor kurzem fast schon geschämt, sich selbst als Belgier zu bezeichnen – jetzt sei das anders, so die flämische Tageszeitung „De Morgen“.

Es tut halt vielen gut, dass nach 12 langen Jahren noch einmal eine belgische Nationalmannschaft an der Fußball-WM teilnimmt, ja sogar zu den Außenseitern gezählt wird.

De Wever eher „Störenfried“ als „Befreier“?

Jubel beim Besuch des Königspaares am Mittwoch in Eupen. Foto: Gerd Comouth

Jubel beim Besuch des Königspaares am Mittwoch in Eupen. Foto: Gerd Comouth

Wie lässt sich erklären, dass die flämischen Nationalisten der N-VA von Bart De Wever nach jüngsten Umfragen in Flandern von 36% auf 28% abgesackt sind, also ungefähr auf ihr Ergebnis bei der Parlamentswahl 2010?

Ist De Wever in dieser Atmosphäre des Nationalstolzes weniger „Befreier“ und mehr „Störenfried“? Trifft es zu, dass der schärfste Gegner der Führungsfigur der N-VA bei den Föderalwahlen am 25. Mai 2014 nicht Kris Peeters (CD&V) sein wird, sondern Vincent Kompany, der Kapitän der Roten Teufel?

Die Tageszeitung „La Libre“ wollte jedenfalls erfahren haben, dass die flämischen Nationalisten das neu entfachte „Belgien-Gefühl“ mit einiger Skepsis beobachten. Der Präsident des flämischen Parlaments, Jan Peumans (N-VA), habe die neue „Belgitude“ als „lächerlich“ bezeichnet. Als er um einen Kommentar über den Sieg der Belgier in Schottland gebeten wurde, soll Peumans gesagt haben: „Davon habe ich erst am nächsten Tag erfahren. Schade für Schottland!“

Politologe: Rote Teufel ohne Einfluss auf Wahlen

Das Königspaar am Mittwoch in Eupen. Foto: Gerd Comouth

Das Königspaar am Mittwoch in Eupen. Foto: Gerd Comouth

Der Politologe Jean-Michel De Waele von der Uni Brüssel (ULB) glaubt jedoch nicht, dass die Begeisterung für die Roten Teufel einen Einfluss auf den Ausgang der Wahlen im Mai 2014 haben werde: „Ich würde das nicht ausschließen, wenn die Wahlen wenige Tage nach einem sehr guten Abschneiden der Roten Teufel bei der WM stattfinden würden. Dem ist aber nicht so, denn gewählt wird einige Wochen vor dem Beginn der WM.“

Laut De Waele ist es auch gut, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Resultaten der Roten Teufel und den Wahlen gibt: „Das würde ja bedeuten, dass die Zukunft Belgiens zum Teil davon abhängt, ob ein 22 Jahre alter Nationalspieler einen Elfmeter verwandelt oder nicht. Das wäre echt gefährlich.“

Populärer als Bart De Wever? Vincent Kompany im Trikot der Roten Teufel. Foto: dpa

Populärer als Bart De Wever? Vincent Kompany im Trikot der Roten Teufel. Foto: dpa

Auch für „De Morgen“ ist klar, dass die Begeisterung für die Roten Teufel gar nichts mit “Nationalismus” zu tun hat. Vielmehr hätten sich die Menschen nach einem kollektiven Erfolgserlebnis gesehnt. Jahrelang habe sich Belgien in einer existenziellen Krise befunden, und jetzt erlebe man in diesem Land so eine Art “kollektiven Befreiungsschlag”.

Und die Begeisterung für das neue Königspaar? Diese lasse sich eigentlich nur mit dem Reiz des Neuen erklären. Die Königstreuen, die Philippe und Mathilde bei ihrer „Joyeuse Entrée“ bejubelten, hätten das Gleiche schon bei Albert und Paola getan. (cre)

Siehe auch Artikel „Königspaar besuchte am Mittwoch in Eupen die 11. Provinz Belgiens [mit Fotogalerie]“

Eine Antwort auf “Philippe, Mathilde und die Roten Teufel: Erfährt das „Belgien-Gefühl“ eine Renaissance?”

  1. Ich glaube auch, dass hier kein neuer Patriotismus aufkommt. Durch den Thronwechsel und die Qualifikation mit den Roten Teufeln gibt es wieder eine stärkere Identifikation vieler Bürger mit dem Land Belgien, vor allem in der Wallonie, in Brüssel und in der DG. Trotzdem glaube ich, dass dieses Klima durchaus auf die Wahlen 2014 in Flandern einen gewissen Einfluss haben wird. Ich kann verstehen, dass die NVA über dieses neue Belgien-Gefühl nicht sehr glücklich ist.

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