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Papstbesuch in Belgien – Franziskus in Brüssel: „Die Kirche muss sich schämen und um Vergebung bitten“

27.09.2024, Belgien: Papst Franziskus besucht während seines Besuchs in Belgien das Heim Saint-Joseph, eine Seniorenresidenz für Menschen in wirtschaftlichen Notlagen. Foto: Vatican Media/IPA via ZUMA Press/dpa

AKTUALISIERT- Auch Belgien wurde und wird von Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche erschüttert. Bei einem Besuch von Papst Franziskus fallen klare Worte.

Premierminister Alexander De Croo (Open VLD) hat konkrete Schritte von Papst Franziskus zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche gefordert. Worte genügten nicht, sagte der liberale Politiker bei der Begrüßung des Pontifex im Schloss Laeken in Brüssel. „Sie setzen sich für Gerechtigkeit ein. Aber es liegt noch ein langer Weg vor uns“, sagte De Croo. Seine Worte fielen für eine Begrüßung ungewöhnlich scharf aus.

27.09.2024, Belgien, Brüssel: Papst Franziskus (2.v.r), Königin Mathilde (r) und König Philippe (2.v.l) hören die Rede von Alexander De Croo (r), Premierminister von Belgien, in der Grande Galerie des Schlosses von Laeken. Foto: Andrew Medichini/AP/dpa

Der Regierungschef sagte: „Die Menschenwürde muss an erster Stelle stehen, nicht die Interessen der Institution.“ Die Opfer müssten gehört und in den Mittelpunkt gestellt werden, sie hätten ein Recht auf die Wahrheit. „Die Gräueltaten müssen anerkannt werden. Und es muss für Gerechtigkeit gesorgt werden.“ Auch König Philippe forderte die Kirche in seiner Rede auf, die Bemühungen entschlossen und unermüdlich fortzusetzen.

– Papst weicht vom Redetext ab:

Nach den Worten von De Croo und König Philippe wich das Oberhaupt der katholischen Kirche überraschend vom Redemanuskript ab und bezeichnete den Missbrauch in der Kirche als Schande. „Die Kirche muss sich schämen und um Vergebung bitten und versuchen, alles zu tun, damit so etwas nicht wieder passiert.“

Zwar gebe es auch in anderen Umfeldern wie in der Familie, im Sport und in der Schule viele Fälle von Missbrauch, doch die Kirche müsse sich unabhängig davon ihrer eigenen Verantwortung bewusst sein. Auch für ein einziges Opfer müsse die Kirche um Vergebung bitten. „Das ist unsere Schande und Demütigung“, sagte Franziskus sichtlich bewegt.

Papst Franziskus bleibt bis Sonntag in Belgien, offizieller Anlass ist das im kommenden Jahr anstehende 600. Jubiläum der katholischen Universität in Löwen sowie ihrer Partneruniversität, der katholischen Universität in Louvain-La-Neuve im französischsprachigen Landesteil Wallonie. Er trifft auch auf 15 Opfer sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche.

Abschluss der Reise ist am Sonntag eine Messe in einem Stadion in Brüssel, zu der neben belgischen Katholiken auch Gläubige aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden erwartet werden.

„Papst muss die Schuld der Kirche an Missbrauchsfällen anerkennen“

Zum Besuch von Papst Franziskus in Belgien schreibt die flämische Zeitung „De Standaard“ am Freitag:

„Eigentlich gibt es nur eine gemeinsame Erwartung: dass der Papst echte Anerkennung der Schuld für den Machtmissbrauch demonstriert, der in Schulen, Internaten und Pflegeeinrichtungen der katholischen Kirche grassierte. (…) Trotz wiederholter Empörungswellen, trotz öffentlicher Säuberungsrituale, trotz Schlichtungsausschüssen und parlamentarischer Kommissionen bleibt das quälend zwiespältige Gefühl, dass man in Rom – und letztlich auch hier – nicht wirklich über den sexuellen Missbrauch erschüttert ist.“

Die flämische Zeitung schreibt weiter: „Es gibt keine bitterere Illustration dafür als das Lied, das 37.000 Gläubige bei der Eucharistiefeier im König-Baudouin-Stadion gemeinsam singen sollten. Es wurde von einem Priester komponiert, der sich selbst des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht hatte, wie sich jetzt zeigte. Alles war bekannt, wurde jedoch vertuscht. Erst nach einem Aufschrei ist das Lied aus dem Programm gestrichen worden. Ein Bischof zieht sich zurück, aber das Heft mit dem Lied wurde trotzdem verteilt.“

26.09.2024, Belgien, Steenokkerzeel: Papst Franziskus (M) kommt am ersten Tag seines viertägigen Besuchs in Luxemburg und Belgien auf dem Luftwaffenstützpunkt Melsbroek in der Nähe von Brüssel an, flankiert von Königin Mathilde (l) und König Philippe (r). Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa

Abschließend heißt es in dem Kommentar zum Paostbesuch in Belgien: „Die Kirche müsse demütiger sein, sagte Erzbischof Luc Terlinden. Aber natürlich bleibt sie die Kirche. (…) Der Papst kann immer noch mühelos ein Stadion füllen. Aber erst sein Gespräch mit Missbrauchsopfern wird darüber entscheiden, ob sein Besuch einen Eindruck hinterlässt.“

Mehrere Opfer sexuellen Missbrauchs in Belgien hatten Anfang September im Vorfeld des Besuches von Papst Franziskus in einem offenen Brief an das Oberhaupt der katholischen Kirche eine gründliche Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der Kirche verlangt. Die Unterzeichner fordern den Papst in dem Text, der in der Tageszeitung „Le Soir“ veröffentlicht wurde, außerdem dazu auf, das Leid der Opfer anzuerkennen.

„Obwohl sie sich wiederholt diesem Thema mit Klarheit und Überzeugungskraft angenommen haben, haben Sie sich nie an uns, die Opfer, genauer gesagt an die Überlebenden in ihrer Gesamtheit gewendet“, heißt es in dem Brief. „Ist es nicht an der Zeit, der Welt diese wertvolle Botschaft zu senden, die so viele Opfer brauchen, oft ohne es zu wissen?“, fragen die sechs Unterzeichner, die den Brief im Namen all derer geschrieben haben, die die „schlimmsten Verbrechen“ durch Vertreter der katholischen Kirche erfahren haben.

Eucharistiefeier vor 39.000 Gläubigen im König-Baudouin-Stadion

Abschluss der Reise von Papst Franziskus in Belgien ist am Sonntag eine Messe im Brüsseler König-Baudouin-Stadion, zu der neben belgischen Katholiken auch Gläubige aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden erwartet werden.

Papst Franziskus ist nach Johannes Paul II. der zweite Papst, der Belgien besucht. In unserem Land sind mit rund 8,3 Millionen Menschen gut 70 Prozent der Einwohner katholisch.

Nachfolgend das Programm des Besuchs von Papst Franziskus in Belgien ab Freitag:

Freitag, 27. September

– Besuch des Schlosses von Laeken – 09.15 Uhr: Papst Franziskus wird vom König und der Königin, dem Premierminister, den verfassten Körperschaften und der Zivilgesellschaft in Audienz empfangen. Papst Franziskus wird auch eine Rede halten.

– Besuch der Universität Löwen – 16.30 Uhr: Der Papst wird am Freitagnachmittag die KU Leuven besuchen. Er wird eine Ansprache halten, bevor er kurz mit einigen jungen Flüchtlingen zusammentrifft. Anschließend wird die Öffentlichkeit Gelegenheit haben, den Papst während eines kurzen Rundgangs zwischen den Universitätsgebäuden und der St. Peterskirche zu begrüßen.

Samstag, 28. September

– Dialog mit der Kirche in Belgien in der Herz-Jesu-Basilika von Koekelberg – 10.00 Uhr: In der Basilika von Koekelberg wird Papst Franziskus mit den Kirchenführern der katholischen Kirche in Belgien zusammentreffen.

26.09.2024, Belgien, Steenokkerzeel: Papst Franziskus (r) spricht mit Königin Mathilde, als er am ersten Tag seines viertägigen Besuchs in Luxemburg und Belgien auf dem Luftwaffenstützpunkt Melsbroek in der Nähe von Brüssel ankommt. Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa

– Besuch der Universität in Louvain-la-Neuve (Ottignies) – 16.30 Uhr: Der Papst wird in der Aula Magna mit Studenten und Professoren zu den Themen Klima, philosophische Wurzeln der sozialen und ökologischen Krisen, soziale Ungleichheiten, die Stellung der Frau und die Rolle von Sparsamkeit und Solidarität zusammentreffen. Papst Franziskus wird eine Ansprache halten, bevor er vor das auf dem Parkplatz des Theaters versammelte Publikum tritt.

Sonntag, 29. September

– Eucharistiefeier im König-Baudouin-Stadion – 10.00 Uhr: Am Sonntagmorgen wird Papst Franziskus der Eucharistie im König-Baudouin-Stadion vorstehen. Die Eucharistie (wie auch alle anderen öffentlichen Aktivitäten des Papstes) wird live im Fernsehen und in anderen Medien weltweit übertragen. Etwa 39.000 Gläubige (darunter die Königsfamilie und Vertreter aus Politik und Diplomatie) werden an der Eucharistie teilnehmen. Vor Beginn der Feier können die Zuschauer den Papst auf der Straße zum Stadion begrüßen.

– Abschiedszeremonie auf dem Militärflughafen Melsbroek – 12.15 Uhr: Der Papst wird von den kirchlichen und politischen Autoritäten Belgiens in einer kurzen und nüchternen Zeremonie begrüßt. Der Sänger Christoff und der Kinderchor Scarletta aus Aarschot werden die Zeremonie musikalisch begleiten.

Während seines Besuchs in Belgien wird der Papst voraussichtlich auch 15 Opfer sexueller Gewalt innerhalb der Kirche in aller Stille treffen (siehe Bericht anbei).

Luxemburg: Tausende jubeln Papst im Papamobil

Die Tour des Papstes mit dem Papamobil durch Luxemburg-Stadt war ein Höhepunkt des Papst-Besuchs im Großherzogtum. Tausende Menschen kamen, um dem Pontifex zuzujubeln.

Tausende Menschen haben Papst Franziskus in Luxemburg zugejubelt. Das Oberhaupt der katholischen Kirche fuhr im Papamobil mit dem Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich durch das Zentrum von Luxemburg-Stadt.

Bei regnerischem Wetter säumten die Menschen Straßen, winkten und riefen dem Papst zu. Nach der rund zwei Kilometer langen Tour kam er am Bischofshaus an, wo er viele Hände schüttelte und Bonbons an Kinder verteilte. Auch aus den deutschen Grenzregionen waren Besucher gekommen.

26.09.2024, Luxemburg: Papst Franziskus (M) winkt einer jubelnden Menge zu, als er mit dem Erzbischof von Luxemburg, Kardinal Jean-Claude Hollerich (l), in einem Papamobil durch Luxemburg-Stadt gefahren wird. Foto: Omar Havana/AP/dpa

Auf der Strecke kam es zu einem Zwischenfall: Eine Frau stürmte mit einem Plakat auf das Papamobil zu. Sicherheitskräfte zerrten sie sofort weg. Auf dem Plakat stand „Stierkampf ist eine Sünde“.

Der Papst war am Vormittag zu einem Tagesbesuch in Luxemburg eingetroffen. Nach einem Treffen mit dem Luxemburger Großherzog Henri und Großherzogin Maria Teresa hatte er im Stadt-Palais eine Rede gehalten. Am Nachmittag stand noch eine Begegnung mit Katholiken in der Kathedrale Notre-Dame auf dem Programm.

Als Papamobil – aus den italienischen Wörtern papa (Papst) und automobile (Auto) – werden die Fahrzeuge bezeichnet, die der Papst bei seinen öffentlichen Auftritten nutzt. Es ist der erste Besuch eines Papstes in Luxemburg seit knapp 40 Jahren. Am frühen Abend reist Franziskus weiter nach Belgien. Dort wird der 87-Jährige bis zum 29. September bleiben und sich in den Städten Brüssel, Löwen und Louvain-la-Neuve aufhalten.

Papst Franziskus ist nach Johannes Paul II. im Jahr 1985 der zweite Papst, der Luxemburg besucht. Luxemburg ist das zweitkleinste Land der EU und zählt rund 650.000 Einwohner, darunter gut 40 Prozent Katholiken. (dpa)

32 Antworten auf “Papstbesuch in Belgien – Franziskus in Brüssel: „Die Kirche muss sich schämen und um Vergebung bitten“”

  1. Guido Scholzen

    Franziskus wird sich an den drei Tagen auch eine Stunde Zeit nehmen für Opfer des Missbrauchsskandals: 15 handverlesene Betroffene will er einzeln nacheinander treffen.
    –> genau dieser Punkt interessiert die Öffentlichkeit. Der Rest ist was für Freaks.

  2. Guillaume-Marie van Zuylen

    In Luxemburg warnt der Papst vor den „tragischen Wegen des Krieges“
    Das erinnert mich an eine Geschichte.
    Der Oberbefehlshaber der Luxemburger Armee lässt alle Soldaten zu sehr früher Stunde auf dem großen Exerzierplatz antreten und ruft mit befehlender Stimme:
    „Meine Herren, heute morgen greifen wir Russland an.“
    Dann fragt er vor allen: „Hat noch irgendjemand eine Frage?“
    Ein Rekrut tritt aus der zweiten Reihe.
    „Und was machen wir heute Nachmittag?“

  3. Was für ein Zirkus um einen reisefreudigen alten Mann. Mit dem Geld was das alles kostet hätte man besser Hilfebedürfiger bedacht.Das wäre sicherlich angebrachter gewesen. Für mich hat kein Mensch der Welt das Recht den Stellvertreter Gottes (wenn es wirklich einen gibt) auf Erden zu spielen.

  4. Diese Heuchelei der uns belgischen Steuerzahler Millionen kostet sollte abgeschafft werden.
    Wer nicht im Stande ist sein Personal die grundlegenden menschlichen und moralischen Werten zu respektieren hat auch kein Recht als de „Retter alles Böse“ durch die Welt zu pilgern.
    PS; Die Armee hätte auch Personal setzen können die zumindest im richtigen Pass laufen können. Das ist nämlich das Erste, was man lernt…
    (R-Arm bei L-Fuß und erst anhalten dann Befehl abwarten vor nach L gedreht wird…wie armselig)

    • Guido Scholzen

      Was ist der Sinn und Zweck der katholischen Kirche?
      Der Sinn der katholischen Kirche besteht darin, dass Papsttum aufrecht zu erhalten.

      Bergpredigt, Nächstenliebe, 10 Gebote, Verkündigung von Jesu Tod uns Auferstehung, Sinnbild des west-römischen Christentums,… spielen nur dann eine Rolle, wenn es dem Papsttum dient und nützlich ist.
      Wenn es Tendenzen und Faktoren gibt, auch wenn die auf die oben genannten zutreffen sollten und als „christlich“ zu bewerten wären, die aber der Existenz des Papsttums schädlich sein könnten, so werden diese nicht berücksichtigt und abgelehnt oder gar offen bekämpft.
      Römisch katholisch bedeutet in der Praxis die „Papst-Religion“.
      Auch wenn die meisten Gläubigen das nicht wahrhaben wollen.

  5. Der Kaiser von oben

    Wenn man die Kommentare liest: ein giftiges Gemisch aus Unwissen, Vorurteilen ,Neid, Selbstbetrug und greisenhaftem Antiklerikalismus .

    Diese kleinen Motzbelgier. In Asien und Afrika verlangen Millionen begeisterte arme Menschen vom Papst kein Eintrittsgeld sondern ein Wort der Hoffnung. Bei uns nicht nötig, hier sind alle satt, heiter und seelisch (wenn überhaupt) sorgenfrei. Hinter Eupen oder Mouscron ist die Welt zu Ende. Alle im schleimigen Eintopf der Missgunst und des Überdrusses. Und darauf auch stolz.

  6. Peter Müller

    Ich bin froh, das die Armen und Kranken an etwas wie dem Herr Gott glauben. Ich weiss aus Erfahrung, dass wenn man in so einer Situation ist, an vieles glaubt. Und das ist ja gerade die Schande, dass die Kirche der Papst und was alles daran hängt das ausnutzen und davon profitieren. Es könnte auch einfacher gestaltet werden anstatt sich so ein Imperium wie den Vatikan zu leisten. Ein einfaches Kloster würde auch reichen.
    Es gibt natürlich auch Menschen die vergöttern alles ,ob es die Kirche ist, oder die Grünen, Hauptsache sie glauben alles was erzâhlt wird, und sind noch davon überzeugt das es wahr ist.

  7. Ach, die Kirche !
    Die Kirche als Institution hat doch mit Glauben oder Religion nichts zu tun ….
    Die Kirche ist in vielen Punkten Kriminell ( Geldwäsche, usw… )
    Aber wer es mag , … schämen und um Vergebung bitten , das tun alle Sünder und dann lustig weiter …
    Hauptsache es schmeckt !

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