Gesellschaft

Kramp-Karrenbauers Witz über das „dritte Geschlecht“: Was ist im Karneval an Humor noch erlaubt?

28.02.2019, Baden-Württemberg, Staufen: Die Bundesvorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, steht vor dem Narrengericht. In einer Fastnachtsrede machte sich die CDU-Chefin lustig über „Toiletten für das dritte Geschlecht“. Foto: Patrick Seeger/dpa

AKTUALISIERT – Es ist Karneval. Auch an Karneval gibt es Grenzen. Hat Annegret Kramp-Karrenbauer diese Grenzen bei ihrem Fastnachtauftritt überschritten, weil sie ein konservatives Klientel bedienen wollte, wie Kritiker meinen?

Es dauerte etwas, bis die Brisanz der Äußerung von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer in der Medienwelt ankam. Es war wohl mal wieder eine Privatperson, die die Sendung zwei Tage später sah, sich an ihren Äußerungen zu „Toiletten für das dritte Geschlecht“ störte und das in den sozialen Medien verbreitete. Was sorgte für die späte Empörung?

Kramp-Karrenbauer musste sich am vergangenen Donnerstag als Angeklagte beim „Stockacher Narrengericht“, einer schwäbisch-alemannischen Fastnachtsveranstaltung in dem Städtchen am Bodensee, als weit und breit einzige Frau gegen eine Männerriege verteidigen.

28.02.2019, Baden-Württemberg, Staufen: Die Bundesvorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, steht vor dem Narrengericht und verzieht das Gesicht. Foto: Patrick Seeger/dpa

Ihre Verteidigungsrede war vor allem gegen die Männerdominanz im Saal gerichtet. „Guckt Euch doch mal die Männer von heute an. Wer war denn von Euch vor kurzem mal in Berlin? Da seht ihr doch die Latte-Macchiato-Fraktion, die die Toiletten für das dritte Geschlecht einführen. Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür, dazwischen, ist diese Toilette.“ (Siehe VIDEO unten)

Nun sind derbe Zoten – und auch Entgleisungen – im Karneval oder bei der Fastnacht nichts Neues. Grünen-Chefin Annalena Baerbock gesteht Kramp-Karrenbauer – oder kurz AKK – denn auch zu, dass ein Witz immer mal daneben gehen könne. „Aber wenn man sich dafür nicht entschuldigt, wenn er auf Kosten von Minderheiten geht, dann steckt da mehr dahinter.“ Es gebe eine Vorgeschichte, nämlich umstrittene Äußerungen Kramp-Karrenbauers zur Ehe für Schwule und Lesben.

Steckt mehr dahinter? Ihre Vorgängerin im CDU-Vorsitz, Angela Merkel, hatte im Sommer 2017, wenige Monate vor der Bundestagswahl, die von der Union bis dahin abgelehnte „Ehe für alle“ abgeräumt, indem sie so nebenbei die Abstimmung im Bundestag freigab.

Damals stimmte immerhin ein knappes Viertel der Unionsabgeordneten für die Homo-Ehe. AKK hatte dagegen noch 2015 als saarländische Ministerpräsidentin in der „Saarbrücker Zeitung“ ihre Position klar gemacht, es gebe in Deutschland bisher eine eindeutige Definition der Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau. Wenn diese Definition geöffnet würde, „sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen“.

Von Kramp-Karrenbauer Entschuldigung gefordert

Hat sie nun mit den Äußerungen gezielt versucht, auf Kosten einer Minderheit intersexueller Menschen, eine konservative Klientel zu bedienen, wie ihr auch vorgeworfen wird? So ganz einfach ist das nicht.

Gesundheitsminister Jens Spahn, der dem konservativen Flügel der CDU zugerechnet wird und mit einem Mann liiert ist, kritisierte Kramp-Karrenbauers Familienbild und hielt ihr diese Äußerungen noch bei den Regionalkonferenzen vor der Wahl zur Parteispitze vor.

Es war auch nicht verwunderlich, dass der Bundesverband der Lesben und Schwulen in der Union von ihr eine Entschuldigung für ihren Karnevalswitz über Toiletten für intersexuelle Menschen fordert.

04.03.2019, Düsseldorf: Ein politischer Mottowagen mit den Figuren von Annegret Kramp-Karrenbauer (l, CDU) und Andrea Nahles (SPD) rollt vor dem Rosenmontagszug aus einer Halle. Foto: Marcel Kusch/dpa

Dem SWR sagte der Vorsitzende Alexander Vogt, auch im Karneval gebe es Grenzen. Auch, wenn der Witz von Kramp-Karrenbauer keine böse Absicht gewesen sei, mache das die Sache nicht besser. Das kann zumindest als Hinweis genommen werden, dass die Rechnung, auf diese Weise eine konservative Klientel zu binden, nicht zwingend aufgeht.

Regierungssprecher Steffen Seibert reagierte jedenfalls recht kühl, als er nach einer Stellungnahme der Kanzlerin gefragt wurde. „Büttenreden kommentiere ich nicht“, sagte er und verwies schmallippig darauf, dass die Bundesregierung erst vor kurzem die Rechte intersexueller Menschen gestärkt habe.

Kramp-Karrenbauer wollte zu all dem nichts sagen. Vielleicht kommt noch etwas bei ihrem Auftritt am Aschermittwoch im mecklenburgischen Demmin.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak verteidigte seine Chefin in der „Passauer Neuen Presse“: „Es ist Karneval. Und im Karneval sollte man die Dinge nicht zu ernst nehmen.“

Nun stellt sich wie so oft die Frage: Kann man im Karneval Witze auf Kosten von Minderheiten machen, die es in der Gesellschaft ohnehin nicht leicht haben? Man kann. Aber muss man das? Und überhaupt: Was ist heutzutage an Humor noch erlaubt? (dpa/cre)

Nachfolgendes VIDEO zeigt die umstrittene Passage beim Bühnenauftritt von Annegret Kramp-Karrenbauer:

30 Antworten auf “Kramp-Karrenbauers Witz über das „dritte Geschlecht“: Was ist im Karneval an Humor noch erlaubt?”

  1. Als mögliche Merkel-Nachfolgerin darf sie das nicht sagen. Sie darf es denken, aber nicht sagen. Das war auch mal Nicolas Sarkozy passiert, der einen Bürger, der in der Menge auf ihn schimpfte, „pauvre con“ nannte. Schlecht für Sarkozy, denn eine Kamera hatte die Szene eingefangen und gesendet. Danach war Sarkozys Karriere so gut wie beendet. Für AKK könnte dieser Faux-Pas ebenso enden. Ihre Gegner werden sie wegen diesen Vorfall zermürben.

    • Ihre Gegner werden sie wegen diesen Vorfall zermürben.

      @ Logisch

      Glaub ich nicht, das ist nach Aschermittwoch wieder vergessen. Aber keine Angst, bei AKK ist mit Ausflügen ins Fettnäpfchen häufiger zu rechnen.

  2. Hier wird etwas aus politischen Gründen hochgekocht. Man sucht seit ihrer Wahl AKK zu ducken. Man kramt in ihrer Vergangenheit, um ihr zu schaden. Nun baut man einen Popanz auf: AKK hat sich, wie viele Karnevalisten, über das Rumgeeiere bei den Geschlechtern lustig gemacht. Das ist erlaubt – nicht nur in der Karnevalszeit, sofern man nicht beleidigt. Und das hat sie nicht. Es gibt – so wie es bei uns die dauerleberwurstbeleidigte CSP – auch in anderen Ländern dauersichbeleidigtfühlende Minderheiten, die geradezu darauf warten, dass man sie mal im öffentlichen Diskurs kritisch unter die Lupe nimmt, um dann empört aufzuschreien. Und das von AKK war ein karnevalistischer Beitrag – keinesfalls böse.

    • Im Bundesstaat New York gibt es mittlerweile 31 verschiedene Geschlechter.

      Wenn’s jetzt noch ein Witz wäre…

      Wie üblich wird über kurz oder lang alles Mögliche an gesellschaftlichen, sozialen und politischen Dünnschiss aus den USA importiert. Das ganze hirnrissige Gedöns, dass dort im Moment an den Unis abgeht, in Sachen Politicial Correctness und Virtue Signaling, u.A. bei dem ganzen Gender-Scheiss, wird irgendwann auch hier auftauchen. Und wenn, dann Prost Mahlzeit.

  3. Ne Alte Karnevalist

    Frage mich warum euch alle die deutsche Politik interessiert ?
    Das soll uns in Belgien scheiss egal sein oder ?
    Haben doch selber ein Kasperl Theater bei uns in Belgien mit dem Mischel
    Lieber Schwul oder Lesbisch sein anstatt ein Heiliger Kinderschänder

  4. Ich habe noch einen…
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    Die 185 Kinder einer Hamburger Kita sollten zu Fasching auf Indianerkostüme verzichten. Die Kita-Leitung verweist auf eine Broschüre für vorurteilsfreie Erziehung. Darin heißt es: Jungen könnten sich doch als Meerjungmänner verkleiden.
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    Quelle: Welt.de

  5. Wieviel Maulkorb verträgt unsere Gesellschaft noch? Die Frau hat nen derben Witz zu Karneval gemacht, na und?? Was soll diese miese Diskussion, ist die Frau deswegen eine schlechte Politikerin? Ach ja, bevor es ganz unter geht: Noch mal was von Philippe Barbarin gehört?

  6. Bürger ll

    Das war doch nicht so schlimm , oder ? In der Karnevslszeit werden solche Sprüche eben gemacht , na und ……
    Das ist genau wie mit dem Indianer Kostüm in der Kinderkrippe , alles nur Menschen die sich bemerkbar machen müssen weil sie selber zu blöd sind etwas ordentliches auf die Beine zu bringen

    • @ Bürger II

      Schlimm war nicht das eine hochrangige Politikerin glaubt unbedingt witzig sein zu müssen sondern das sie glaubt um witzig zu sein unbedingt (und im wahrsten Sinn des Wortes) ins Klo greifen zu müssen.
      Auch Politiker haben ein Recht auf Freizeit, Bühne und Humor, sie müssen aber immer bedenken das sie „unter Beobachtung“ stehen. Ein bisschen Niveau schadet da nicht.

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