Gesellschaft

Müssen jetzt sogar die Gemeinden Personal entlassen?

Zeichnung: Robert Maaswinkel

Eine Arbeitsstelle bei der Gemeinde war stets ein Job fürs Leben. Ist dies heute nicht mehr der Fall? In einigen Kommunen der Wallonischen Region wird Alarm geschlagen. In der Stadt Andenne sah man sich sogar gezwungen, etwa ein Dutzend Beschäftigte zu entlassen, weil die Gemeinde zu viele Personalkosten hatte. In den neun Gemeinden der DG besteht diese Gefahr offenbar nicht – noch nicht?

„Die finanzielle Lage der wallonischen Gemeinden wird immer gefährlicher“, sagte der Vorsitzende der Union der Städte und Gemeinden der Wallonie (UVCW), Jacques Gobert, in einem Rundfunkinterview.

Ursache ist nach Einschätzung von Gobert, dass der Föderalstaat immer mehr Aufgaben den Kommunen übertragen habe, was mit zusätzlichen Belastungen für die kommunalen Haushalte verbunden sei.

Die Gemeinden hätten nur drei Möglichkeiten, dieses Problem in den Griff zu bekommen, so Gobert: Steuern erhöhen, Dienstleistungen abbauen oder Personal nicht mehr ersetzen bzw. entlassen.

In wallonischen Gemeinden zu viel Personal?

Friedhelm Wirtz, Bürgermeister von Büllingen.

Friedhelm Wirtz, Bürgermeister von Büllingen.

Zu letzterer Lösung entschied sich die Gemeinde von Andenne (Provinz Namur). Es sei ein strukturelles Problem, erklärte Bürgermeister Claude Eerdekens (PS): „Die Kosten steigen und steigen. So haben wir keine andere Wahl, als uns von einem Teil des Personals zu trennen. Und ich sage sogar voraus, dass wenn die Hilfeleistungszonen kommen, es auf kommunaler Ebene sogar Massenentlassungen geben wird.“

Der Bürgermeister von Büllingen, Friedhelm Wirtz, ist da ganz anderer Meinung. Jedenfalls was die neun Gemeinden der DG betrifft, sind nach seinem Dafürhalten Personalentlassungen auf Gemeindeebene kein Thema.

„Ich kann nur vermuten, was der Kollege Eerdekens meint“, sagte Wirtz gegenüber „Ostbelgien Direkt“: „Ich nehme an, dass es um die Finanzen der Gemeinde von Andenne nicht gut bestellt ist. Die Frage, die sich für mich stellt, ist, ob die Gemeinde von Andenne in der Vergangenheit nicht zu viel Personal eingestellt hat. Es ist kein Geheimnis, dass sich etliche wallonische Kommunen früher bei der Einstellung von Personal ausgesprochen großzügig verhalten haben. Hingegen ist man hier bei uns personell auf Sparflamme gefahren. In der DG muss sich jeder den A… aufreißen, damit die Arbeit der Gemeinde auch getan wird.“

Friedhelm Wirtz (Mitte) beim Empfang für Premier Elio Di Rupo in Eupen am 26. Februar 2013 im Gespräch mit Alfred Lecerf (links) und Charles Servaty. Foto: Gerd Comouth

Friedhelm Wirtz (Mitte) beim Empfang für Premier Elio Di Rupo in Eupen am 26. Februar 2013 im Gespräch mit Alfred Lecerf (links) und Charles Servaty. Foto: Gerd Comouth

Wenn eine Gemeinde den ordentlichen Haushalt nicht mehr in den Griff bekommt, dann hat sie laut Friedhelm Wirtz nicht hundert verschiedene Möglichkeiten, sondern muss im Extremfall an die Personalkosten ran.

Dies könnte in Andenne der Fall sein. So etwas könne man für die neun Gemeinden der DG zwar nicht grundsätzlich ausschließen, so Wirtz, doch stünden nach seinen Erkenntnissen hierzulande Personalentlassungen nicht auf der Tagesordnung.

In Büllingen ist man sogar dabei, Personal zu rekrutieren, versicherte Friedhelm Wirtz. Und wenn der Bürgermeister von Andenne befürchte, dass allein schon wegen der Einrichtung neuer Hilfeleistungszonen seine Gemeinde mehr Kosten zu tragen habe, dann liege auch dies, so vermutet Wirtz, möglicherweise daran, dass die Feuerwehr von Andenne zu viele Feuerwehrleute oder Verwaltungsangestellte zähle.

Schaffung einer Hilfeleistungszone

Die Eupener Feuerwehrkaserne: Künftig eine einheitliche Hilfeleistungszone für die gesamte DG. Foto: OD

Die Eupener Feuerwehrkaserne: Künftig eine einheitliche Hilfeleistungszone für die gesamte DG. Foto: OD

Künftig wird es für die DG eine Vereinheitlichung aller Feuerwehrdienste zu einer Hilfeleistungszone geben. Zwar bleiben die Feuerwehren, die es heute gibt, in ihrer Gemeinde bestehen, doch wird nicht mehr wie bisher jeder Bürgermeister für seine Feuerwehr zuständig sein, insofern er überhaupt eine hat, sondern diese untersteht dann der Hilfeleistungszone, die von einem Zonenrat geleitet wird, dem die neun Bürgermeister der DG angehören. Dieses Kollegium entscheidet dann auch u.a. über Personal und Anschaffungen.

Da nicht jede Gemeinde in der DG über eine eigene Feuerwehr verfügt, was zum Beispiel für Raeren und Bütgenbach der Fall ist, wird die Aufrechterhaltung der Dienstleistung für die gesamte Zone einige Gemeinden mehr kosten als andere.

Dass aber wegen dieser Reform einige Gemeinden genötigt sein könnten, Peronal zu entlassen, das glaubt Friedhelm Wirtz nicht.

Gravierende Probleme könnten die hiesigen Gemeinden nur bekommen, wenn einige Faktoren zusammenkommen – wenn beispielsweise die Dotationen des Föderalstaates drastisch reduziert werden, das Steueraufkommen deutlich abnimmt und sich die Einnahmen vermindern, etwa – im Fall von Büllingen – die Einnahmen aus dem Holzverkauf. Dann, ja dann könnte der „worst case“ eintreten, den andere Kommunen in der Wallonischen Region heute haben… (cre)

23 Antworten auf “Müssen jetzt sogar die Gemeinden Personal entlassen?”

  1. Eupenmobil

    Typisch Wallonie: man hat schlecht gewirtschaftet, jetzt ruft der rote Eerdekens nach mehr Geld für die Gemeinden. Herr Wirtz hat vermutlich Recht: die haben in der Vergangenheit zu viel (rotes?) Personal eingestellt.

  2. Réalité

    Nach Antwerpen,muss auch die Stadt Gent Personal reduzieren!Sollten unsere Gemeinden auch dazu gezwungen sein,welch ein Glück das wir unsere Regierung in Eupen noch haben!Die stellen noch Stellen zur Verfügung,und stellen weiterhin ein!Verstehe wer will!??

    • Kommentator

      Dass Lambertz ständig das „Belgien zu viert“ einfordert, könnte auf Dauer eben dieses Vorhaben zunichte machen. In der Wallonie sind nach dem, was man hört, immer mehr Politiker genervt ob der ständigen Forderungen von Lambertz nach einer Gleichstellung der kleinen DG mit den heutigen drei Regionen. Wenn Lambertz so weitermacht, erreicht er gar nichts. Weshalb soll Namur Kompetenzen an die DG abtreten? Was bringt ihr das? Die Wallonen werden die DG noch lange zappeln lassen. Das Gleiche gilt für die Provinz. Früher haben die Deutschsprachigen geschickter mit den Wallonen verhandelt und waren auch erfolgreicher als jetzt, wenn es darum ging, weitere Kompetenzübertragungen zu verlangen.

  3. Anonymous

    Da haben wir sie wieder, die Krankheit der wallonischen Sozialisten: Wenn es gut geht, stellt man großzügig Personal ein und wirbt damit, dass man der große Macher und Wohltäter ist. Wenn es schlecht geht, sind immer andere an der Misere schuld. Dann müssen die zukünftigen Ex-Gemeindebediensteten sich eben nach einem anderen Job umsehen. Es gibt ja schließlich immer noch Unternehmen, die Personal suchen. Wo ein Wille, da auch ein Weg. Mir verursacht diese wallonische Sozialistenmentalität sowieso schon lange Brechreiz: Wie ein Hahn rumkrähen, solange es gut geht; für jeden Mist „streiken“ (d.h. Paletten und Reifen verbrennen, Jupiler saufen und Arbeitswillige anpöbeln) und selbst null Einsatz zeigen. Wenn es dann mal schlechter geht und man selbst gefordert wird, dann wird sich gleich umgebracht und die Schuld beispielsweise auf Lakshmi Mittal geschoben. Da braucht man nur auf die Metaller im Saarland zu schauen: Die haben sich mal selbst auf die Hinterbeine gestellt, mal nachgedacht und schwupps, schon haben sie ihren Betrieb selbst übernommen und betreiben ihn überaus erfolgreich. Das darf man von dem versoffenen wallonischen FGTB-Pack nicht zu erwarten. Die können nämlich weder denken, noch handeln. Das hat die paternalistische Politik in der Wallonie denen innerhalb von 40 Jahren ausgetrieben.

  4. In der Wallonie arbeitend (in leitender Funktion) aber in Eupen lebend (ich bin Eupener durch und durch), kann ich manchen Gedanken der hier auffgefasst wird nur bestätigen. Jedoch sehe ich hier nicht die SP als Missetäter sondern eher die Grundeinstellung der Wallonen, die sich immer mehr den Slogan “ Qualité de vie avant tout“ auf die Fahne schreiben anstatt dafür zu sorgen dass der Laden brummt. Ich höre schon die Stimmen die da sagen werden : die haben alle von der SP gelernt, aber damit bin ich nicht einverstanden. Der Mensch in der Wallonie geht arbeiten um zu leben aber lebt nicht um zu arbeiten! In der Wallonie hat man das noch nicht verstanden UND wird das auch nicht verstehen! Party feiern (siehe Careé in Lüttich, Liege en plage, Village Gaulois…etc) ist so manchem lieber als zu studieren, fleissig zu sein und das Niveau zu erhöhen! Ich für meinen Teil wäre froh mit der 4ten Region, dies ist in meinen Augen der einzig richtige Weg! Oder fühlt sich hier jemand als Wallone? Wo ist da unsere eigene Identität?

    • Johann Klos

      Endlich mal ein Kommentar in die richtige Richtung. Diese Mentalitätsdifferenz wird noch begünstigt durch die in den 60 u 70 Jahre enorme Einwanderungswelle aus Italien. Städte wie La louviere oder Charleroi sind praktisch Kopien von Palermo. Dies südländische Mentalität lässt grüßen. Die Gewerkschaften und die Politik wurden auch in den Führungsetagen von Nachkommen dieser Landsleute überflutet. Ein überaus freundliches, geselliges Volk aber eben etwas Südländisch.

      • „Städte wie La louviere oder Charleroi sind praktisch Kopien von Palermo……“

        Und wovon sind denn Städte, wie Molenbeek, Anderlecht, Schaerbeek usw.
        Kopien?
        Da ist mir die“ südländische Mentalität“ und das“ freundliche gesellige Volk“ doch lieber.
        Von denen hat man eben nichts zu befürchten.

  5. Schlaglochhausener

    In der DG steht die Gemeinde Bütgenbach am schlechtesten da. Riesige Schuldenberge und demnächst auch noch höhere Kosten für die Feuerwehr. Da wird der Bürgermeister die armen Schlaglochhausener dann wieder kräftig zur Kasse bitten. Als ob das Leben so nicht schon teuer genug wäre.

  6. Da muss nur einmal beim Kabelwerk die Globalisierung zuschlagen, und schon brennt im Norden der DG der Baum. Es ist schon wichtig, dass alle im öffentlichen Dienst auch verstehen, wo ihr Geld erwirtschaftet wird, denn auch wenn die selbstverständlich dafür arbeiten gehen, volkswirtschaftlich ist es trotzdem Transfergeld! Das bekommt die Wallonie jetzt zu spüren, da schlachtet man ja die Kuh statt sie zu pflegen, und jetzt merken auch die „fonctionnaires PS“ das Geld verdient, und nicht nur unter „copains“ verteilt, werden muss…

      • Die Märkte bzw. die Marktpreise sind durch die Globalisierung enorm unter Druck, dem kann sich kein Internation tätiges Unternehmen entziehen. Da entscheidet oft die Macht des Faktischen, egal wie sehr man sich auch lokal um die Erhaltung von Arbeitsplätzen bemüht…

        • Das Werk hält sich zur eigenen Zufriedenheit über Wasser. Es gibt momentan noch genug Kundschaft, die gerne einen höheren Preis für bessere Qualität als China-Ware bezahlt. Manche Massenware hat es schwer preislich mit der Konkurrenz mitzuhalten, daran wird aber gearbeitet. Diese macht jedoch nicht den Löwenanteil des Verkaufs aus. Es hilft natürlich auch, dass zwei andere nah gelegene Werke vor einiger Zeit die weisse Fahne gehisst haben. Zum Leid derer Belegschaft.

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