Leserbrief

Johann Klos: Der Klüngel – Eckpfeiler der Demokratie?

Sollte Ihnen beim Lesen dieses Aufmachers der Unterkiefer vor Erstaunen runterfallen, bedeutet das lediglich, dass Sie sich bisher zu oberflächlich mit dem Begriff des „Altruismus“ auseinandergesetzt haben.

Wenn OD jedes Jahr einmal diese Dose aufmacht, vergisst die Redaktion bewusst oder auch unbewusst, auf den positiven Ursprung dieses Begriffes hinzuweisen. Was ist schlecht an Nachbarschaftshilfe und die daraus resultierenden Netzwerke? Diesem Begriff lag ursprünglich kein betrügerischer Hintergedanke zugrunde. 

Auch auf der politischen Ebene sollte man zuallererst das Klüngeln als eine Gesprächsform verstehen, welche es ermöglicht, hier und da den kleineren Dienstweg einzuschlagen. Wenn ich den Begriff des kleineren Dienstweges hier anführe, ist damit der Versuch des Zustandekommens einer legitimen Kooperation gemeint, welche uns noch meilenweit vom Begriff der Korruption trennt.

Einfacher ausgedrückt: Die durch unser Demokratieverständnis notwendigen überparteilichen Koalitionen bedingen ein Kontakteknüpfen zwecks Erreichen einer bestimmten Zielvorgabe. Wenn Sie genauer hinschauen, werden Sie feststellen, dass es in der Politik – anders als im Privaten – vor allem Nutznetzwerke gibt, welche auf freundschaftlicher, aber auch auf feindschaftlicher Ebene gepflegt werden und auf Knopfdruck abrufbar sind. 

Im Gegensatz zum Privaten bedürfen solche Verbindungen nur eines Minimums an Pflege und sind zudem wesentlich sprunghafter. Der Begriff der politischen Freundschaft hat mit Emotionen überhaupt nichts gemein. Sie tun gut daran, nicht zu vergessen, dass es immer nur Zweckfreundschaften sind, die Ihnen seitens der Politik vorgegaukelt werden und die nur den Zweck erfüllen müssen, gewisse abgesteckte Ziele mit Hilfe anderer zu erreichen.

Um Macht anzuhäufen, muss man in der Lage sein, unterschiedlich ausgerichtete Parteistrukturen gleichzeitig anzuhören, um daraus einen für sich maximalen Nutzen zu erreichen.  Nur aus solchen Klüngeleien regeneriert sich Macht. 

Solange solches „Geklüngele“ ohne Schädigung von Dritten oder der Allgemeinheit über die Bühne geht, ist dieser Klüngel sogar wünschenswert.

Da aber Politiker auch nur Menschen sind, können auch Sie sich nicht von Emotionen freisprechen. Daraus folgt wie bei allen Lesern dieses Artikels, dass auch Sie nicht frei sind von menschlichen Urtrieben und Sie somit zum Erhalt von Macht, auch anfällig sind für negatives „Geklüngel“.

Mal ehrlich, wer von uns stellt seine subjektive Weltanschauung in regelmäßigen Abständen unaufgefordert auf den Prüfstand?

1.10.2015 Johann Klos, Eupen

8 Antworten auf “Johann Klos: Der Klüngel – Eckpfeiler der Demokratie?”

  1. Natürlich gibt es auch positive Aspekte dieser Klüngel.
    Aber die Hauptbotschaft im Kommentar von OD war eigentlich, dass es die Freiheiten und Demokratie bedrohen. Ich sehe hier keinen Grund zum Widersprechen, denn das Gleiche geschieht auch in größeren Staaten oder Staatsgebieten und wird dort „Korruption“ in der Politik genannt, obwohl es nur eine unmittelbare Folge von diesem Klüngel ist.

    Klüngel als Gesellschaft evtl. ja, aber in der Politik ist so etwas nicht gut gesehen und oft auch Bedingung für Vetternwirtschaft und Bevorzugung mancher Bevölkerungsgruppen.

  2. Öppe Alaaf

    Hallo Herr Klos, jetzt muss ich doch ein wenig schmunzeln.

    Darf ich fragen, ob Sie je in einem größeren Unternehmen beschäftigt waren? Sie beschreiben informelle Netzwerke und benennen sie „Klüngel“. Selbst der geneigteste Kölner würde das nicht mit „klüngeln“ bezeichnen. Herr Cremer und Sie benutzen anscheinend das gleiche Wort für verschiedene Dinge. Ich musste dabei an den Euphemismus „Atomkriege sind bleifreie Auseinandersetzungen“ denken.

    Dass, was der Politiker in Eupen „klüngeln“ nennt beruht auf der Adaptation eines Begriffes, der sich im Eupener Raum eingebürgert hat. Etwas zwischen den Parteien „ausklüngeln“ hat nichts mit dem Sinne von „Klüngel“ zu tun, den Herr Cremer in seinem Artikel meinte.

    Sie sollten es doch merken, wenn dort auf Vorteilnahme, Mobbing oder ähnliche angespielt wird und Sie hier vom Klüngel als „kurzem Dienstweg“ sprechen. Na ja, manche lesen nur die Überschriften.

    Mal ehrlich: Parlament kommt von „parlement“, „reden“. Es ist normal, dass Parteien miteinander reden und effiziente Lösungen finden. Dafür den Begriff „klüngeln“ mit einer absolut positiven Konotation zu benutzen, gibt es nur in Ostbelgien …und in Köln.

    Mal eben eingeschoben: Ich habe in Eupen vorgestern den Ausspruch „Jemand habe …gearbeitet bis zu Vergasung“ gehört. Das sagt man nirgendwo mehr, ausser in Ostbelgien, glaube ich :)

    Also halten wir fest:
    Das Parlament ist der Eckpfeiler der Demokratie.
    Korruption ist kein Eckpfeiler der Demokratie.
    Klüngel ist Korruption.
    Ostbelgisches Deutsch ist exotisch und wird von der eigenen Bevölkerung manchmal missverstanden.
    …es liegt wohl an der Zuwanderung…aus Deutschland…nicht aus Köln.

    Meinten Sie das mit Ihrem Post „Bleibt zu hoffen das Sie verständlich genug geschrieben haben.“ ?

  3. R.A. Punzel

    „… Letzten Endes sind Beamte auch nur Menschen und wir alle sind nur ein Produkt der Gesellschaft.“ Mit diesen Worten drückte der Präsident des Rechnungshofs in Nicaragua (sic!!!) aus, warum sich Korruption im öffentlichen Sektor seiner Meinung nach nicht ausrotten lässt.

    Anscheinend hat der gute Mann sich vorher im PDG informiert…

    Einfach so gedacht, könnte man denken, dass neue Gesetze die Situation verbessern könnten. Allerdings, mit steigender Zahl von Gesetzen dürften auch die Möglichkeiten für Korruption zunehmen: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing… ;-((

  4. Herr Klos, gerade die PS/SP hat denen ihre „weiße Weste“ ein Wäsche nötig! Und dann, ähnlich wie teils bei der katholischen Kirche, sich nach außen hin, bemühen „sauber“ zu verkaufen.

  5. Marcel Scholzen (Eimerscheid)

    In der Politik gibt es keine Freundschaften, sondern nur gemeinsame Interessen mit anderen. Denn wer in die Politik geht, tut dies aus persönlichen und vor allem aus eigennützigen Gründen, um zu profitieren (Posten, Geld, Ansehen, etc). Richtige Freundschaften gibt es nur im privaten Bereich.

  6. Réalité

    Hallo Herr Klos,
    hörte noch letzter Tage im Radio von Ihrem Parteikollegen, den früheren Bürgermeister Van Cauwenberghe aus Charleroi. Er würde jetzt zum 6 male angeklagt, und müsste vor Gericht. Hat schon 5 x vorher Schwein gehabt und noch immer eine weisse Weste. Diesmal geht es um Essensvergabe für Sodexho. Sowas nennt man „aber richtig geklüngelt“. Vor allen Dingen kommt das oft bei der Politik vor.
    Ein Schelm der böses dabei denkt……
    Gruss!

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