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Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs beantragt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas

Die Bildkombo zeigt Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel (l, Archivfoto vom 24.12.2023) und den Anführer der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, (Archivfoto vom 30.03.2022). Foto: Zwigenberg/Talatene/AP/dpa

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und gegen den Anführer der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, beantragt. Das teilte der Gerichtshof am Montag in Den Haag mit.

Chefankläger Karim Khan ermittelt seit Monaten wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zuge des Gaza-Krieges. Weitere Haftbefehle sollen die Richter des IStGH Khan zufolge gegen Israels Verteidigungsminister Joav Galant sowie Sinwars Stellvertreter Mohammed Deif und den Hamas-Auslandschef Ismail Hanija verhängen. Beide Seiten reagierten empört auf Khans Anträge.

Den Hamas-Führern wirft der Ankläger unter anderem „Ausrottung“ sowie Mord, Geiselnahme, Vergewaltigungen und Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Er forderte die Terrororganisation auf, alle israelischen Geiseln umgehend freizulassen und für die „sichere Rückkehr zu ihren Familien“ zu sorgen.

26.09.2022, Niederlande, Den Haag: Staatsanwalt Karim Khan, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes, sitzt im Gerichtssaal des Weltstrafgerichts. Foto: Peter Dejong/AP Pool/dpa

Ministerpräsident Netanjahu und Verteidigungsminister Galant werden von Khan unter anderem beschuldigt, für das Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung sowie für willkürliche Tötungen und zielgerichtete Angriffe auf Zivilisten verantwortlich zu sein. Khan betonte zwar das Recht Israels, seine Bevölkerung gegen alle Angriffe zu verteidigen. Er erklärte jedoch zugleich, dieses Recht entbinde Israel nicht von der Pflicht, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten.

Auslöser des Gaza-Krieges war das beispiellose Massaker mit mehr als 1.200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Im folgenden Krieg wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörde bisher 35.456 Palästinenser getötet, wobei die unabhängig kaum zu verifizierende Zahl nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheidet.

Ob die beantragten Haftbefehle erlassen werden, müssen nun die Richter der Vorverfahrenskammer des IStGH entscheiden. Wenn sie die Tatvorwürfe als bestätigt ansehen, kann das Hauptverfahren gegen die Beschuldigten eingeleitet werden.

Israel kritisierte die Anträge gegen Netanjahu und Galant scharf. Außenminister Israel Katz sprach von einer „skandalösen Entscheidung“. Diese stelle „einen frontalen, zügellosen Angriff auf die Opfer des 7. Oktober und unsere 128 Geiseln in Gaza“ dar. „Während die Mörder und Vergewaltiger der Hamas Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen unsere Brüder und Schwestern begehen, erwähnt der Chefankläger im gleichen Atemzug unseren Ministerpräsidenten und Verteidigungsminister, neben den verabscheuungswürdigen Nazi-Monstern der Hamas – eine historische Schande, die für immer in Erinnerung bleiben wird“, sagte Katz nach Angaben seines Büros.

31.03.2021, Niederlande, Den Haag: Der Sitz des Internationalen Strafgerichtshofs. Foto: Peter Dejong/AP/dpa

Die Hamas kritisierte ihrerseits die Anträge des Chefanklägers auf Haftbefehle gegen ihre Anführer. „Seine Entscheidung vergleicht das Opfer mit einem Henker und ermutigt die (israelische) Besatzung, den genozidalen Krieg fortzusetzen“, hieß es in einer Stellungnahme, die von dem Hamas-nahen TV-Sender Al-Aksa verbreitet wurde.

Es wird davon ausgegangen, dass Sinwar und Deif sich seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als sieben Monaten im unterirdischen Tunnelsystem der Hamas im Gazastreifen versteckt halten. Hanija führt dagegen Berichten zufolge mit einem Teil seiner Familie seit Jahren ein Luxusleben in Katar.

Das Gericht hat zwar keinerlei Möglichkeiten, Haftbefehle selbst zu vollstrecken. Jedoch ist die Bewegungsfreiheit der Gesuchten dadurch erheblich eingeschränkt. Denn im Falle von Haftbefehlen sind alle Vertragsstaaten des Gerichts verpflichtet, die Beschuldigten festzunehmen und nach Den Haag zu überstellen, sobald sie sich in ihrem Land befinden.

139 Staaten weltweit haben das Römische Statut – die vertragliche Grundlage des IStGH – unterzeichnet, 124 davon haben es ratifiziert. Israel gehört neben den USA, Russland und China zu den Staaten, die das Gericht nicht anerkennen. Aber die palästinensischen Gebiete sind Vertragsstaat. Daher darf der IStGH-Ankläger auch ermitteln. (dpa)

18 Antworten auf “Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs beantragt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas”

  1. Marcel Scholzen Eimerscheid

    Hier werden Opfer und Täter in einen Topf geworfen. Das kann nicht sein. Dann müsste man auch den ukrainischen Präsidenten anklagen.

    Das ganze wird natürlich für viel Wirbel sorgen. Nur praktisch wird das kaum Auswirkungen haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Deutschland Netanjahu verhaften wird bei einem Staatsbesuch oder der Hamas Chef auf Besuch ist in einem arabischen Land.

    In dieser Sache wird das Gericht wahrscheinlich von vielen Regierungen ignoriert, um den Nahost Konflikt nicht weiter an zu heizen.

    • @Marcel Scholzen Eimerscheid

      OK, wird ignoriert.
      Aber was passiert künftig wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht?
      Gilt der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs nur für afrikanische Putschgeneräle?
      Wie hoch schätzt man den Wert eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH)?
      Papierwert – 0,5 Euro Cent oder gilt der Tagespreis?

      • Marcel Scholzen Eimerscheid

        Wird sein wie immer. Die großen lässt man laufen und die kleinen hängt man auf.

        Israel ist diesem Gerichtshof nie beigetreten. Man kann also darüber streiten, ob er zuständig ist. USA China und Russland sind diesem Gericht nie beigetreten. Die Amerikaner haben sogar ein spezielles Gesetz verabschiedet, dass US Bürger vor diesem Gericht schützen soll.

        Mich würden gerne die Motive des Anklägers interessieren. Vielleicht geht es ihm nur darum, Aufsehen zu erregen, wohlwissendlich daß die Anträge abgelehnt werden, um seiner Karriere einen Schub zu geben. Vielleicht will er nach Ende des Mandats in einer berühmten Anwaltskanzlei Netanjahu.

        • Die Hauptfrage ist ohnehin, warum tritt man diesem Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) überhaupt bei?
          Tritt man diesem bei, damit man später von ihm verurteilt werden kann?
          Ist es da nicht besser, nicht beizutreten und zu gucken, wie die Beigetretenen verurteilt werden?
          …oder „müssen“ bestimmte Staaten diesem Gericht beitreten, gibt es dann „Bonuspunkte“?

  2. Zahlen zählen Fakten

    Wer hat nochmal 1200 israelische Zivilisten bestialisch umgebracht und so vergewaltigt, dass das Beck voll Blut ist? Wer ist nochmal die Terrororganisation schlechthin und hat viele Milliarden Euro eingesetzt um ein Terrorcamp zu bauen, mit der alleinigen Ausrichtung, Juden zu töten?

  3. der heilige josef

    Bush und Blair verbringen einen gemütlichen Lebensabend, nie mussten sie sich rechtfertigen für ihren Angriffskrieg gegen den Irak. Geschätzte Opferzahl durch diesen Krieg und seine Folgen mehr als 1,5 Millionen Tote.

  4. Hans Eichelberg

    „Falls der Haftbefehl kommt
    Wenn die Richter zu dem Schluss kommen, dass es „vernünftige Gründe“ für die Annahme gibt, dass Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden sind, stellen sie einen Haftbefehl aus. Der Haftbefehl muss den Namen der Person sowie die spezifischen Verbrechen enthalten, für die eine Verhaftung beantragt wird. Die Richter können die Haftbefehlsanträge aber auch ändern oder nur Teile des Antrags der Staatsanwaltschaft bewilligen.

    Wird Netanjahu verhaftet?
    Das Gründungsstatut des IStGH verpflichtet alle 124 Unterzeichnerstaaten des IStGH, jede Person, gegen die ein IStGH-Haftbefehl vorliegt, festzunehmen und auszuliefern, wenn sie ihr Hoheitsgebiet betritt. Allerdings kann der Gerichtshof eine Verhaftung nicht erzwingen.

    Der UN-Sicherheitsrat kann blockieren
    Nach den Regeln des Gerichtshofs kann der UN-Sicherheitsrat eine Resolution verabschieden, die eine Untersuchung oder eine Strafverfolgung für ein Jahr aussetzen oder aufschieben würde – mit der Möglichkeit, dies auf unbegrenzte Zeit zu verlängern.

    Können Netanjahu und Hamas-Chef Sinwar noch reisen?
    Ja, das können sie. Sobald jedoch ein Haftbefehl ausgestellt wurde, besteht die Gefahr, dass sie verhaftet werden, wenn sie in einen IStGH-Unterzeichnerstaat reisen, was ihre Entscheidungsfindung beeinflussen kann. Russlands Präsident Wladimir Putin, gegen den ein internationaler Haftbefehl bereits vorliegt, ist unter anderem deshalb nicht zu den G-20-Gipfeln ins Ausland gereist. Politikern oder Diplomaten ist es nicht untersagt, Personen zu treffen, gegen die ein IStGH-Haftbefehl vorliegt. Politisch gesehen könnte dies jedoch ein schlechtes Bild abgeben.

    Gibt es Rückwirkung auf andere Verfahren?
    Sollten die Richter zu dem Schluss kommen, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass Netanjahu und Galant im Gazastreifen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, könnte dies die Forderungen nach einem Waffenembargo in anderen Ländern verstärken.
    Die USA, der wichtigste Verbündete Israels, ist kein Vertragsstaat des Strafgerichtshofs. US-Präsident Joe Biden bezeichnete den Antrag auf Haftbefehl gegen Netanjahu und Galant am Montag als „empörend“. (WELT)

    • Weshalb sollten auch Soldaten und Zivilisten sterben und die Organisatoren des Sterbens straffrei davonkommen .
      Die Krähen sollte man eigentlich bei Beginn eines Krieges sofort festnehmen , um Kriege frühzeitig zu beenden.
      Man kann davon ausgehen , das weder die russische Krähe noch die israelische festgenommen wird .
      Empörend ist , dass man einigen Menschen auf dieser Welt , so viel Macht verleiht , bzw das dumme Volk zusieht , wie sich die Macht geilen , die Macht selbst verleihen .

    • Bäderkönig Eduard

      Gegen den ehemaligen Präsidenten des Sudans, Umar Hasan al Baschir lag auch ein Haftbefehl das internationalen Strafgerichtshofes vor. Dennoch reiste er weiterhin zu Konferenzen in andere Staaten.

  5. Erwin Haep

    Es ist möglich oder denkbar, dass Netanjahu als erstes dann nach Deutschland fliegt und Deutschland den Israeli festnehmen muss, was aufgrund der deutschen Geschichte eine Ungeheuerlichkeit darstellt. Nur Netanjahu nutzt immer diese Rolle sich an das Gesetz zu halten und gleichzeitig auch nicht. Dies war auch geschichtlich seit Jahrhunderten so: sie waren sowohl Belgier und Deutsche, aber gleichzeitig Juden, je nachdem wie es gerade passte.

  6. Guido Scholzen

    Dieser Internationale Strafgerichtshof ist wie die UNO ein verlängerter Arm westlicher Politik, nicht mehr aber auch nicht weniger.
    Es gab ja mal 2002 einen Versuch, einen zionistischen Kriegsverbrecher wie Ariel Scharon an eine ausländische Justiz auszuliefern, und zwar nach Belgien, schon vergessen?
    https://www.spiegel.de/politik/ausland/kriegsverbrecher-klage-wird-israels-premier-scharon-in-belgien-der-prozess-gemacht-a-178566.html
    was wurde draus? Nix.

  7. „Frankreich stellt sich hinter Strafgerichtshof – Scharfe Kritik aus Berlin

    Berlin/Paris (Reuters) – Der Antrag des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofes auf einen Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu entzweit die deutsche und die französische Politik. Während sich das französische Außenministerium klar hinter den Strafgerichtshof stellte, kam aus Berlin deutliche Kritik an dem Vorgehen. „Ein schwarzer Tag für das Völkerrecht“, schrieb der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), am Dienstag auf der Plattform X. „Der Chefankläger des IStGH macht sich zum Büttel derjenigen, die skrupellos eine Gleichsetzung des Hamas-Terrors mit dem Verteidigungsrecht des attackierten Staates Israel vornehmen.“ Kritik am IStGH kam auch von Politikern der CDU und der FDP.

    In der Stellungnahme des französischen Außenministeriums findet sich dagegen keine Kritik am IStGH. Stattdessen heißt es: „Frankreich unterstützt den Internationalen Strafgerichtshof, seine Unabhängigkeit und den Kampf gegen Straflosigkeit in allen Situationen.“

    Durch die gleichzeitige Beantragung der Haftbefehle gegen die Hamas-Führer auf der einen und die beiden israelischen Amtsträger auf der anderen Seite ist der unzutreffende Eindruck einer Gleichsetzung entstanden“, sagte ein Außenamtssprecher in Berlin.“

    Beim nächsten Mal, Haftbefehle nicht gleichzeitig stellen, etwas Zeit vergehen lassen….

    • Rob-Otter

      „Norwegen, Irland und Spanien erkennen Palästina als Staat an“

      Staat ohne Land, ohne Staatsgebiet.
      Der Gazastreifen kann es nicht sein und
      das West-Jordanland nutzen zionistische Siedler mit MP.

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