An Allerheiligen gedenken Christen der Verstorbenen. Über die Bedeutung dieses Feiertages, das Totengedenken in unserer heutigen Zeit und unsere Friedhöfe, auf denen es immer mehr leere Grabstätten gibt, sprach „Ostbelgien Direkt“ mit Lothar Klinges, Pastor im Pfarrverband Bütgenbach-Elsenborn-Weywertz.
Nachfolgend das Interview mit Lothar Klinges (54) im Wortlaut.
OD: Welches ist für Sie der schönste Friedhof in der DG, natürlich außerhalb der Gemeinde Bütgenbach, in der Sie als Pfarrer tätig sind? Und weshalb?
Lothar Klinges: Abgesehen von den Friedhöfen der Gemeinde Bütgenbach kenne ich nur ganz wenige Friedhöfe in der DG. Friedhöfe sind Orte, die man meistens nur besucht, wenn sich ein verstorbenes Mitglied der Familie dort befindet. In meiner Zeit als Kaplan in Eupen (1984-1993) sprach mich der Friedhof von Eupen immer an.
OD: Und warum?
Klinges: Der Friedhof zeichnet sich durch seine Vielfalt von verschiedenen – auch historischen – Grabarten und eine eindrucksvolle Gartenarchitektur aus. Der idyllische, stimmungsvolle Landschaftsgarten bietet einen Ort der Ruhe und Besinnung. Zugleich beeindruckte mich die Stätte als Naturort. Das ist natürlich meine subjektive Meinung, denn ein Friedhof ist dann wirklich „schön“, wenn er zu einem bewussteren Umgang mit dem Tod führt und man spüren kann, dass die Menschen die Gräber ihrer Verstorbenen mit Liebe pflegen.
OD: Die Friedhöfe bieten bisweilen ein etwas trostloses Bild. Immer mehr Gräber sind verwildert oder leer. Was empfinden Sie als Geistlicher, wenn Sie das sehen?
Klinges: Die tiefe Trauer nach dem Verlust eines nahen Angehörigen hält manchmal nicht für lange an. Während der Tod eines nahen Angehörigen als „große Katastrophe“ empfunden wird, stelle ich fest, dass danach oft nicht mehr viel kommt. Zum Friedhof zieht es die Verwandtschaft dann eher selten.
Das ist auch eine Konsequenz unserer mobilen Gesellschaft. Um das Grab der verstorbenen Eltern kümmern sich die Kinder dann nur noch selten.
Die mangelnde Grabpflege ist aber auch eine Frage der Wertigkeit. Welchen Wert haben die Eltern, die Großeltern, die sich nicht selten für ihre Kinder und Enkeln „aufgerieben“ haben, noch für die nachkommende Generation? Früher wurde von Generation zu Generation weitergegeben, dass man Tote nicht vergessen soll. Doch die heutige Gesellschaft sieht nicht mehr ein, dass sie den Aufwand für die Grabpflege betreiben soll.
OD: Sie meinen, Grabpflege ist auch Seelenpflege…
Klinges: Genau, denn der Friedhof ist nicht nur für die Toten da, sondern auch für die (Noch-)Lebenden. Der Friedhof ist ein Ort, an dem man sich mit dem Tod auseinandersetzt. Aber der Tod ist ein großes Tabuthema – und die Trauer wird oft verdrängt.
Nicht wenige, auch in der Eifel, „lösen“ dieses Thema mit einer Urnenbestattung oder mit der Verstreuung der Asche. Fast jedes zweite Begräbnis in meinem Pfarrverband ist eine Einäscherung, meistens verbunden mit der Lösung der Grabpflege. Die Hinterbliebenen möchten sich dieses Problems ein für allemal entledigen.
In Zukunft verliert der Friedhof mehr und mehr an Bedeutung, damit auch verbunden der Allerheiligen- und Allerseelen-Tag. Warum noch als Gemeinschaft zusammen zum Friedhof gehen, wenn sich dort kein Grab eines nahen Angehörigen mehr befindet?
OD: Für Hochzeiten und Geburtstagsfeten wird viel Geld ausgegeben, an Beerdigungen und Gräbern jedoch wird gespart. Ist unserer Gesellschaft gewissermaßen die „Kultur des Todes“ abhanden gekommen?
Klinges: „Nichts ist umsonst. Nicht einmal der Tod, denn der kostet das Leben“ – diesen Spruch kennen wir. Für meine eigene Bestattung habe ich jedenfalls vor mehreren Jahren eine Begräbnisversicherung abgeschlossen, denn die Hinterbliebenen sollen meine eigene Beerdigung nicht finanzieren. Dafür möchte ich schon selber aufkommen, so dass in meinem Fall niemand „sparen“ muss. Mein Tod darf mich etwas kosten, weil er mir wichtig ist.
Ich erlebe es bei den Brautvorbereitungsgesprächen mit jungen Brautleuten, die im kommenden Jahr heiraten möchten. Die Planung einer Hochzeit nimmt locker viele Monate in Anspruch, beschäftigt nicht nur die Brautleute, sondern auch das Umfeld und kostet oft sehr viel Geld – Mühen, die die Menschen für diesen einen besonderen Tag im Leben gerne in Kauf nehmen.
OD: Das Sterben aber, auch ein sehr besonderer Tag im Leben, wird meistens nicht so geplant.
Klinges: Ja, das ist genau der Punkt. Stattdessen wird so getan, als würde es gar nicht stattfinden. Lediglich der billige Vorsatz „Na ja, da machen wir uns Gedanken, wenn es soweit ist“ spukt in den Köpfen. Dabei ist der Tod verlässlicher als so manche Braut und kommt, auch wenn wir den Zeitpunkt nie genau wissen.
Deshalb sollten wir den Tod – wie unsere Hochzeit oder die große Geburtstagsparty mit 150 und mehr Leuten – genauso planen, spätestens bei der Diagnose einer schweren Erkrankung, solange wir noch dazu in der Lage sind.
Natürlich lässt sich das Sterben nicht wie eine Hochzeit oder Geburtstagsparty planen. Das ist mir schon klar. Aber wenn man sich vorher damit auseinandersetzt, kommt man ganz sicher besser damit zurecht.
Die Endlichkeit gehört zum Leben. Genau das ist es, was viele Menschen vergessen haben. Ich verstehe viel mehr vom Leben, wenn ich etwas vom Tod begriffen habe. Wir müssen lernen, dass unser Leben endlich ist, eine Begrenzung hat. Das Leben wird schöner und wertvoller, wenn es ein Ende hat.
Wenn ich am Tod, im Vergleich zu einer Geburtstagsfete, sparen will, dann liegt es daran, dass mir dieser besondere Tag, mein eigener Tod, nicht wichtig ist. Und dabei ist mein Todestag doch die Geburt zu einem neuen Leben, mein erster Geburtstag. Und der darf mich etwas kosten.
OD: In Eupen finden keine Beerdigungen samstags statt. Wäre es nicht an der Zeit, dies zu ändern? Samstags haben die Menschen mehr Zeit als unter der Woche.
Klinges: Es ist in der Tat so, dass in den anderen Pfarren Ostbelgiens Begräbnisfeiern auch am Samstag stattfinden. Der Samstag ist sogar der bevorzugte Begräbnistag, da die meisten Arbeitnehmer frei haben. Für uns Priester wird es manchmal eng, da wir neben den Abendgottesdiensten, Hochzeiten, Goldhochzeiten und anderen Veranstaltungen zahlreiche Verpflichtungen am Samstag haben. Im Pfarrverband Bütgenbach habe ich das Problem so gelöst, dass am Samstag meistens die Laien-Begräbnisleiter den Dienst übernehmen. Aber es steht mir nicht zu, mich in die inneren Angelegenheiten Eupens einzumischen.
OD: Es scheint, dass am Samstag die Priester immer mehr zu tun haben.
Klinges: In Zeiten des akuten Priestermangels ist es für manche Brautpaare schwierig, einen Hochzeitstermin am Samstag mit den wenigen verbleibenden Priestern zu finden. An manchen Samstagen im Jahr 2015 habe ich zum Beispiel in meinem Pfarrverband neben den beiden Abendgottesdiensten drei Hochzeiten bzw. Goldhochzeiten an einem Samstagnachmittag. Das verlangt von uns Priestern neben den Vorbereitungen große Konzentration während den Gottesdiensten.
So manchen Brautpaaren habe ich schon absagen müssen, da ich am betreffenden Samstag keine Zeit mehr habe, es sei denn am Vormittag. Aber dazu sind die wenigsten Brautpaare und Goldpaare einverstanden. Da stelle ich dann leider wenig Flexibilität seitens der Hochzeitspaare und Goldpaare fest. Hinzu kommt, dass ich zum Beispiel für Hochzeiten auch im Pfarrverband Monschau angefragt werde, da auch dort die Priesternot groß ist.
OD: Herr Klinges, vielen Dank für dieses Gespräch. (cre)
Als junger Mensch lebt man die Trauer nicht weniger, sondern einfach nur anders. Es muss ja nicht immer alles so sein wie früher.
Lieber Herr Pastor Klinges, vielen Dank für die offenen Worte.
Ja so ist es Herr Pastor Klinges , Ihre offenen Worten haben mich wirklich zum nachdenken gebracht . Im jugendlichen Alter hatte ich meine beiden Elternteile sehr frueh verloren und war quasi auf mich allein gestellt . Bis zu meiner Heirat war ich ein Lebemensch der vor nichts zurueckscheute .Jetzt im nachhinein , wo ich das Pensionsalter erreicht habe vergeht kaum ein Tag wo ich mich immer an meine viel zu frueh verstorbenen Elternerinnere .
Das war wirklich ein interessantes Gespräch.
Ich würde dem Herrn Klingeszwar gerne widersprechen, aber wo er recht hat, hat er recht. Ich persönlich finde Grabpflege sehr wichtig. Es bedeutet schließlich auch, das man den Verstorbenen die letzte Achtung erweist.
….Friedhöfe sind Orte, die man meistens nur besucht, wenn sich ein verstorbenes Mitglied der Familie dort befindet….
Stimmt garnicht! Aber wenn Jemand wie ich dahin geht, dann wird man oftmals weggeschickt.
Mir gefallen Friedhöfe sehr, möchte selber aber NIEMALS auf soeinem liegen.
Besonders „schön“ empfinde ich die verwahrlosten Grabstätten in Großstädten. Wunderbar!
Dass Heutzutage sich viele schon über ihr Ableben Gedanken machen und ihren Liebsten nicht noch nachträglich Kosten verursachen wollen, liegt daran, dass diese Menschen einfach kein Reichtum haben.
ABER auch nicht zuletzt, dass Religion von Menschen erschaffen wurde um Leuten zu zeigen, wofür es sich zu Leben oder Sterben lohnt….
Wir leben in einer Konsumgesellschaft. Wenn du nicht mehr von Nutzen bist, interessiert sich niemand mehr für dich – und wenn du tot bist erst recht.
oft hat der Verstorbene selbst sich schon für eine einäscherung entschieden und nicht die Hinterbliebene Familie. Und auch ein Urnengrab kann schön gepflegt sein!!!
Vielleicht liegt es einfach daran das die Priester Wasser predigen und Wein saufen.Liebe ist nicht wenn man Kinder misshandelt .
Und ansonsten hat die Kirch für mich an dem Tag verloren, als ich gemerkt habe das die Kirche mit zweierlei Maß misst.Wir spenden für Arme Leute, das Geld wird gesammelt und veruntreut.
Siehe z.B. den Vorfall in Kelmis vor paar Jahren.Oder Bischöfe die sich Luxusvillen bauen lassen oder das nachgewiesene Kinderschänder einfach nur in die Eifel versetzt werden. Alles das verbinde ich mit Kirche. der Friedhof gehört zur Kirche.Wer geht denn zum Friedhof?
Ich will absolut nichts mehr mit der Kirche zu tun haben und der Friedhof ist für mich nur ein Platz an dem Tode begraben werden damit diese nicht irgendwo rumgammeln.
Ich gehe nicht dahin damit ich nicht von irgendwelchen Heuchlern angesprochen werde,die nur auf Allerheiligen da rumlaufen im Pelzmantel nur um gesehen zu werden wie Scheinheilig sie doch sind und sich beim Opferstock erstmal 50 Euro reinlegen um dann 3 Zwanziger rauszunehmen.
Die ganze Religion in dieser Richtung ist so angefressen, es ist doch mehr Schlechtes als Gute das man aufschnappt.
Ich verbinde nur noch Schlechtes und Kosten mit Religion.
Helft doch erstmal den Leuten im eigenen Dorf denen es schlecht geht bevor ihr Gelder verschickt die nie ankommen !
Wenn ich sterbe könnt ihr mich einfach verscharren ich brauch kein Kreuz ich will auch nicht das sich die Kirche an meinem Grab bereichert.Geheiratet wird auch nicht, alles nur noch kommerzielle Feste.Kinder denen man anbietet sie bekommen Geschenke auch wenn sie nicht zur Kommunion gehen wollen auch nichts mehr damit zu tun haben.Warum ist das so?
Solange sich bei der Kirche oder den Religionen allgemein nicht was verändert, glaube ich an die Wissenschaft,Ethik hin oder her. Ich könnt mich auch aufschneiden, ist mir egal ich spende auch meine Organe.
atheismus ist die beste Religion, alle gläubige werden abgeschlachtet (siehe Kommunismus, Nationalsozialismus, jetzt Materialismus) und dann gibt es nur die Herrschaft des Einen Diktator
Heute, am Allerheiligentag, habe ich Folgendes erlebt: in einem Dorf das in etwa der Größe Raerens entspricht, findet eine Messe auf dem Friedhof unter freiem Himmel statt. Die Menschen verfolgen die Messe von den Gräbern ihrer Verstorbenen aus, viele wandern während der Messe von einem Grab zum nächsten, um den verstorbenen Angehörigen einen „Besuch“ abzustatten. Ich schätze dass über 1000 Leute anwesend waren. Nach dem Ende der Messe stehen noch viele Menschen beieinander um einfach ein bisschen zu quatschen.
Beim Vorbeigehen an den Gräberreihen erklären viele Eltern ihren Kindern, was es mit dem einen oder anderen Grab bzw. dem Menschen, der dort beerdigt wurde,auf sich hat. Aus meiner Sicht eine gute Möglichkeit, Dorfgeschichte lebendig zu erhalten, auch wenn das sicher nicht das erste Anliegen des Allerheiligentages ist.
Und natürlich ist es so, dass sich die Besucher an diesem Tag mit ihrer Sterblichkeit auseinandersetzen müssen, egal ob sie gläubig sind oder nicht. Und ich pflichte Lothar Klinges bei wenn er meint, dass dies ein großes Tabuthema ist, weil trotz aller technischen und medizinischen Fortschritte wir den Tod noch nicht „abstellen“ konnten.
Zugegeben, ich war nicht auf einem ostbelgischen Friedhof, sondern auf einem polnischen. Aber alle sind gleich sterblich, und ich muss sagen dass mich diese eher offensive Art, mit der Endlichkeit und Sterblichkeit umzugehen, beeindruckt.
Und dabei ist es mir ganz egal, dass auch ich Vielem in der Institution Kirche sehr skeptisch gegenüberstehe, dass auch manche Priester Dinge tun, die mein Vorstellungsvermögen sprengen.
@ Reiner Mattar
Betr.Ihrem Beitrag möchte ich „ein gefällt mir“ posten
Je aelter man wird , destomehr denkt man an den Tot und das ist auch ganz normal .
auch ich schließe mich mit „gefällt mir“ an
Zitat:
„Die Endlichkeit gehört zum Leben. Genau das ist es, was viele Menschen vergessen haben. Ich verstehe viel mehr vom Leben, wenn ich etwas vom Tod begriffen habe. Wir müssen lernen, dass unser Leben endlich ist, eine Begrenzung hat. Das Leben wird schöner und wertvoller, wenn es ein Ende hat.“
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!!!
Liebe geltungsbedürftige „CHRISTEN“.
Mit kostspieligen „Denkmälern“, dessen Kosten meistens auch noch von den Angehörigen getragen werden müssen, werdet Ihr nicht unsterblich.
Ihr werdet schneller vergessen als Euch lieb ist! ;-)
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!!!
Kostspielige „Denkmäler“ von bestimmten geltungsbedürftigen „CHRISTEN“, dessen Kosten meistens auch noch von den Angehörigen getragen werden müssen, sollten sich mal darüber Gedanken machen.
In unserer Zivilisation ist die Einstellung zum Tod tatsächlich das größte Problem, mit dem wir nicht fertig werden – dumm, denn der einzige Weg besteht eigentlich darin, ihn, den Tod, zu akzeptieren. Punkt -, und die zu den meisten Ausuferungen in unserem Dasein führt. Gilgamesh läßt grüßen…
Wir sind sosehr erpicht, den Tod zu besiegen, aus Angst, natürlich, daß wir nicht scheuen, allem andere den Tod zu bringen. Es gibt sogar „Menschen“, die den Tod besiegen wollen… So zum Beispiel ein „Aternsforscher“, der es für möglich hält bald 1.000 Jahre zu leben.“
Aus GEO (April 2013): „Sterben? Später! Der Mann, der das Altern für besiegbar hält“.
Erinnern sollte man sich eher an Mark Aurel, der „predigte“, jeden Tag an ihn, den Tod, zu denken.
Ars moriandi…