Politik

Deutschlands neue Plagiatsaffäre: Franziska Giffey verzichtet lieber auf Doktortitel als auf Ministeramt

13.11.2020, Berlin: Franziska Giffey (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, mit und ohne Namensschild mit der Aufschrift "Dr. Giffey“. Foto: Kay Nietfeld/dpa-Pool/dpa

Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Annette Schavan (CDU) mussten 2011 und 2013 wegen einer Plagiatsaffäre von ihren Ministerämtern zurücktreten. Franziska Giffey (SPD) kam einem Rücktritt zuvor. Aber damit ist ihr Problem nicht gelöst.

Die deutsche Familienministerin verzichtet auf das Führen ihres Doktortitels. Das teilte die stellvertretende Vorsitzende des Berliner SPD-Landesverbands, Iris Spranger, mit.

In der vergangenen Woche hatte die Freie Universität (FU) Berlin angekündigt, sie wolle das Prüfverfahren um Giffeys Doktorarbeit neu aufrollen. Im vergangenen Jahr hatte die Ministerin ihren Rücktritt angekündigt, falls ihr der Titel nach Plagiatsvorwürfen aberkannt werden sollte.

Illustration: Pixabay

Giffey ist eine der Hoffnungsträgerinnen der deutschen Sozialdemokraten. Die Ostdeutsche war 2018 im Alter von 39 Jahren Ministerin im Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geworden. Ende November soll sie zusammen mit dem Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh zur neuen Doppelspitze des SPD-Landesverbands in der deutschen Bundeshauptstadt gewählt werden.

Es wird erwartet, dass sie im Dezember auch als Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 aufgestellt wird. Bei einem Wahlerfolg könnte sie Regierende Bürgermeisterin der Metropole werden.

Giffey bekräftigte am Freitag, dass sie weiterhin für den Berliner SPD-Vorsitz kandidieren wolle. „Ich bin nicht gewillt, meine Dissertation und das damit verbundene nun neu aufgerollte Verfahren weiter zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen zu machen“, schrieb Giffey weiter. Sie werde den 2010 an sie verliehenen Titel „Dr. rer. pol.“ nicht mehr führen, um „weiteren Schaden von meiner Familie, meiner politischen Arbeit und meiner Partei abzuwenden“.

29.11.2019, Berlin: Franziska Giffey (SPD), Bundesfamilienministerin, kommt zum unter dem Motto „Wandel“ stehenden 68. Bundespresseball im Hotel Adlon. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Auch nach ihrem Verzicht auf den Doktortitel gibt es in der Politik Forderungen nach einem Rücktritt der 42-jährigen Familienministerin. Sie kommen auch aus ihrer eigenen Partei.

„Stellt sich heraus, dass sie getäuscht hat, bleibt ihr nur der Rücktritt“, erklärte der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. Es gebe keinen logischen Grund, warum bei ihr andere Maßstäbe gelten sollten als einst bei Karl-Theodor zu Guttenberg.

„Bei den politischen Konsequenzen kann es am Ende keine andere Bewertung als in anderen vergleichbaren Fällen geben“, sagte auch Karin Prien (CDU), Bildungsministerin in Schleswig-Holstein. Aus der CDU-Bundeszentrale hieß es weiter, es gehe bei Giffey auch darum, ob eine Exzellenzuniversität richtig gearbeitet habe oder ein Auge habe zudrücken wollen. Es bestehe ein Interesse der Allgemeinheit, dass das Prüfverfahren fortgeführt werde. In der CDU-Spitze sei man verwundert über die Kehrtwende Giffeys.

Die Studenten des Allgemeinen Studierendenausschusses hätten die Prüfung von Giffeys Doktorarbeit auf den Weg gebracht und ein Anrecht darauf, dass die Rechtmäßigkeit der Promotion geprüft werde, war aus der CDU-Zentrale weiter zu hören. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, gehe man davon aus, dass die SPD ihre moralischen Maßstäbe für wissenschaftliche Plagiate wie in der Vergangenheit auslege. Die Rückgabe eines womöglich unrechtmäßig erworbenen Doktortitels befreie nicht davon, dass die Universität prüft, ob geschummelt worden sei oder nicht.

Der familienpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Martin Reichardt, sagte: „Die einzig richtige Konsequenz ist der Rücktritt der Bundesfamilienministerin.“ (dpa)

35 Antworten auf “Deutschlands neue Plagiatsaffäre: Franziska Giffey verzichtet lieber auf Doktortitel als auf Ministeramt”

  1. Ossenknecht

    Schlimmer kann man seine Wissenschaftskollegen nicht schädigen. Zitiert und damit diskutiert zu werden ist für fast alle die einzige fachliche Anerkennung. Glücklich die, die es nach oben schaffen im Science Citation Index, im Arts and Humanities Citation Index, im Social Sciences Citation Index usw.

    • Walter Keutgen

      Ossenknecht, dass es fast die einzige Anerkennung ist, bezweifele ich. Überhaupt eine Publikation in wissenschaftlichen Zeitschriften zu kriegen ist sehr schwer und die werden gezählt, wenn ein (naturwissenschaftliches) akademisches Amt zu bekleiden ist. Bei der Diskussion des Falls von Gutenberg ist mir aufgefallen, dass ihm vorgeworfen wurde, die einzelnen Sätze nicht mit dem Verweis auf die Publikation, aus der er zitiert haben soll, versehen zu haben. Da muss man aber aufpassen, dass man nicht formuliert, wie ein anderer es schon gemacht hat. Es gibt jetzt Leute, die sich amüsieren mit Computerprogrammen Doktorarbeiten nach Übereinstimmungen zu durchsuchen. Außerdem schmeckte mir schlecht, dass seine Universität das nicht bei der Doktorvergabe herausgefunden hat und der Thesenvater oder die Thesenmutter den Schützling nicht eindringlich vorab darauf hingewiesen hat. Die Computerprüfer haben sich auch die Dissertation von Frau Doktor Merkel vorgenommen und konnten nichts finden und gaben die Begründung in der Naturwissenschaft sei das anders, dort sei jede Arbeit ein Stein, der auf die anderen fußt, um das große Gebäude der Wissenschaft weiter zu bauen. Das Prinzip der Originalität in den Geisteswissenschaften führt meiner Meinung nach doch nur dazu, dass alle möglich denkbaren Meinungen irgendwann vertreten sein werden müssen, also zur totalen Beliebigkeit.

  2. volkshochschule

    Da wird eine Betrügerin enttarnt und sie hat nicht den Anstand aus freien Stücken zurückzutreten. Dabei ist Reue zu zeigen und Verantwortung zu übernehmen der beste Weg für einen Neuanfang.

  3. Theaterstück

    Das große Problem in der Politik, Kompetenzen sind nicht gefragt. Dann fällt es auch nicht auf ob der Doktortitel gekauft ist. Denn die Kompetenzen die ein Politiker haben muss sind Märchen erzählen, schauen dass man nie für das verantwortlich gemacht werden kann was man verbockt hat siehe Dorbrindt, oder darauf hinweisen dass es nicht im Kompetenz Bereich liegt.

  4. Da gibt es einerseits die Frau Giffey die sich ihre Arbeit etwas ‚vereinfacht‘ hat,. Keine Frage, sie sollte ihren Hut nehmen.
    Da gibt es aber auch die Doktormutter bzw. die Gremien die diese Doktorarbeit überprüft haben. Diese sollten ebenfalls zu ihrer Verantwortung stehen.

    • Walter Keutgen

      Toll, eine Doktorarbeit dauert 3 bis 4 Jahre. Ein Universitätsprofessor sucht sich Studenten, die die von ihm ausgesuchte Themen erforschen sollen und von denen er glaubt, dass sie es schaffen. Er legt auch eine Liste Kurse fest, die sie folgen sollen. Dass er es nicht schafft, die Regeln klar auszusprechen, meinetwegen durch einen Dozenten oder Assistenten, und während der Niederschrift der These einmal einen Blick darin zu werfen, finde ich allerhand.

  5. Marcel Scholzen eimerscheid

    Frau Giffey soll froh, diesen blöden Titel nicht mehr zu haben. Davon hat man nichts.

    Leute, die stolz irgendwelche Titel tragen, haben ein schwaches Selbstbewusstsein. Am besten ist es, wenn man sich selber bleibt.

  6. Üblich in dem Beruf

    Der Politikerberuf ist in all den Jahren so verrufen geworde, dass dies hier nur die Spitze des Eisbergs ist! geradezu noch Harmlos was sonst alles rum läuft?! Unser Land steht auch hierbei sicher mit an der Weltspitze. Alleine diese bekannte Wallonische Partei, was da so alles gedreht und geschummelt wurde, und noch wird? Aber die allermeisten kommen sogar noch ungeschoren davon. Bewusst, gewollt, oder ungewollt?? Dat is de question?

  7. Werner Radermacher

    Es ist schlimm, dass Frau Giffey vorverurteilt wird – noch ist nichts bewiesen! Und wenn schon….

    Frau Giffey wird bestimmt eine hervorragende Regierende Bürgermeisterin von Berlin sein. Genauso wie sie eine sehr gute Bezirksbürgermeisterin von Berlin – Neukölln war. Ich hoffe, Frau Giffey bleibt stark und hält durch!

  8. Frau Dr. Dr. Egalinski

    Außer in Deutschland oder Österreich interessiert eh fast niemanden wer welche Doktortitel trägt, es sei denn man ist Arzt. Bei allem Respekt vor der wissenschaftlichen Leistung und der damit verbundenen Anstrengung (selbst wenn der eine oder andere Quellenverweis fehlen sollte), wer sich in Belgien « Doktor » nennen lässt, wird entweder belächelt oder gefragt, was er gegen Sodbrennen oder Rheuma empfehlen kann…

    • Walter Keutgen

      Marcel Scholzen eimerscheid, solche Titel gibt es überall, werden aber nur im deutschsprachigen Raum in der öffentlichen Anrede benutzt. Amerikaner unterzeichnen gerne mit PhD hinter dem Namen, wenn es darauf ankommt.

  9. Ein akademischer Titel ist eine Auszeichnung die eine wissenschaftliche Arbeit krönt.
    Paradoxerweise kann sich in Belgien jeder Arzt Doktor nennen, auch wenn er niemals eine solche Arbeit geschrieben hat.
    Nicht vergessen soll man auch, dass viele Wissenschaftler nur Zeitverträge haben und eine Doktorarbeit schreiben mit einer grösseren Arbeitssicherheit einhergeht.Ausserdem bedarf es eines Doktortitels um eine Professur anzustreben.
    Aber ein richtig guter Wissenschaftler übt sich in Demut und Bedcheidenheit und trägt den Doktortitel nicht vor dich her.

    • Prof. dr. dr.

      Auch in Ostbelgien wird mit akademischen Titeln Schindluder getrieben. Auch hierzulande gibt es einen Träger des Doktortitels, der nachweislich abgeschrieben hat. In Ostbelgien kein Problem! Da lässt sich sogar einer Professor nennen, der keine Halbilitationsschrift vorweisen kann. In Ostbelgien kein Problem.

          • Alfons van Compernolle

            Herr Kollege, in keinster weise , wollte ich Sie wie auch immer mit gleich welchen Verdacht verdächtigen ! Was ich damit versucht habe zu erfahren, ist schlicht welche Person gemeint ist. Ich gestehe ein, dass ich in einem unbedachten ersten Moment an Sie gedacht habe, obwohl ich mir das nicht so recht vorstellen konnte.
            Entschuldigung !

    • Ekel Alfred

      Pierre, im Internet finden Sie unter „Wo kann ich einen Titel kaufen“ tolle Angebote….bereits zum Schnäppchenpreis von 34,35 anstatt 97,15 Euro erhalten sie den Dr.h.c. Titel….

    • Walter Keutgen

      Pierre, Prof. dr. dr., Ende der sechziger Jahre hat man in Belgien den Doktortitel für Juristen, die fortan nur noch Lizenziaten wurden, abgeschafft. Man hat das für Ärzte, die damals noch 7 Jahre studieren mussten, nicht gewagt, wohl aber für Zahnärzte. Die Lizenziaten erhalten neuerdings den Titel Master, dabei sind die Studien auf 5 Jahre verlängert worden. Ingenieur ist übrigens auch ein Titel, wird in Deutschland auch öffentlich getragen, wen auch nicht so systematisch wir Doktor. Um Professor zu werden, muss man habilitieren, dazu muss man eine zusätzliche Dissertation schreiben. Dann ist man „Dr. habil.“. Allerdings wird der Titel in Deutschland selten öffentlich getragen, weil der Titel Professor das beinhaltet. Auf Französisch heißt das „agrégé de l’enseignement supérieur“. Aber, ja, die Universitäten haben eine gewisse Freiheit, wenn es nicht genug Kandidaten gibt, z.B. nach dem Krieg. Von wegen Arbeitssicherheit, um eine Doktorarbeit zu schreiben, meistens kriegte man dafür einen Zeitvertrag. Als die geburtenstarken Jahrgänge auf den akademischen Markt kamen, hat es sogar Doktoranden gegeben, die von ihren Eltern durchgefüttert wurden, wie in alten Zeiten. Möglicherweise ist das in Deutschland noch immer der Fall, bei der Schwemme an Doktoren.

        • Walter Keutgen

          Pierre, dass man so etwas kaufen kann, glaube ich nicht. In Deutschland soll man Adelstitel kaufen können. Das wäre dann, weil der Adel durch die Weimarer Republik abgeschafft worden ist. Das „von“ ist Teil des Familiennamens geworden. Ich denke der Adel hat sich in eine Vereinigung zusammengeschlossen, die die Titel wie Marken im Markenrecht schützt. Hat ein verstorbener Adeliger keine Erben, könnte der Titel wohl verkauft werden. Das sind aber Spekulationen meinerseits nach der Sichtung eines Krimis, wo der Titel gekauft wurde.

          • Sicher kann man Titel kaufen: wenn du ein Unidiplom hast und das nötige Kleingeld sponorst du eine Uni und lässt irgendeinen arbeitslosen Wissenschaftler etwas in deinem Namen schreiben. Die Unis haben Geld und schliessen beide Augen, auch hier in Belgien.
            Das geht auch für einen Mastertitel: so ist es nicht ungewöhnlich dass Söhne reicher Eltern mit einem Diplom aus eher weniger anspruchsvollen Ländern sich für das letzte und/oder vorletzte Unijahr an einer renomierten Uni einschreiben und trotz Sprachschwierigkeiten einen begehrten Abschluss bekommen. Oft fallen diese Absolventen dadurch auf, dass sie scon „etwas“ älter sind und sofort danach eine Ministerposten/ Managerposten/ Stelle als hoher Beamter in ihrem Heimatland bekommen.
            (Fast) alle Ausländer aus nicht europäischen Staaten aus meinem Jahrgang sind solche Wege gegangen. Und es sind durchaus brauchbare Leute geworden.
            Es ist naïv zu glauben, die Wissenschaft sei immer neutral, ehrlich und korrekt, dass sind Wünsche.
            Und in den USA ist es noch erheblich schlimmer.

  10. @Radermacher
    Das ist ja unfasssbar die Politiker können ihre Schafe verarschen wie sie wollen, und Sie finden das ganz toll. War da nicht auch kürzlich etwas mit Griffeys Ehemann? :D
    Bleib stark Franzi, du und deine Familie ihr könnt ganz toll verarschen :D

  11. volkshochschule

    Titel Orden Konsulate, früher ging man zum bekannten Titelhändler Konsul Hans Hermann Weyer und konnte Titel aller Art gegen gegen Cash erwerben. Oder Prominente treffen sogar im Vatikan war der Konsul sehr bekannt.

  12. J. Fensterkreuz

    Es ist Absicht, dass solche ruchlosen Figuren genau dort sitzen, wo die sitzen. Wer ernsthaft glaubt, „demokratische“ Parlamente und Regierungen würden durch Wahlen bestimmt, dem ist nicht zu helfen.

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