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Auch Rote Teufel hatten schon mit folgenschweren Fehlentscheidungen von Schiedsrichtern zu kämpfen

14.06.2002, Japan, Shizuoka: Der Belgier Marc Wilmots (l) und der Russe Egor Titov (r) kämpfen um den Ball während des letzten Spiels der Gruppe H der ersten Runde der Fußball-WM 2002. Belgien besiegte Russland mit 3:2 und qualifizierte sich für die zweite Runde. Foto: Belga

Auch einen Tag nach dem EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Spanien, das die Iberer kurz vor dem Ende der Verlängerung mit 2:1 für sich entschieden, gibt es weiter Diskussionen um das von Schiedsrichter Anthony Taylor nicht geahndete Handspiel des spanischen Abwehrspielers Marc Cucurella.

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat nicht zum ersten Mal mit einer folgenschweren Entscheidung eines  Schiedsrichters zu kämpfen, die es in Zeiten, als weder auf den Videoassistenten (VAR) noch auf die Torlinientechnik zurückgegriffen werden konnte, viel häufiger gab als heute.

Die wohl größte und folgenschwerste Fehlentscheidung in der Geschichte des Fußballs ist das „Wembley-Tor“ im Endspiel der Weltmeisterschaft 1966 zwischen England und Deutschland.

Es war der Treffer zur 3:2-Führung für England. Wie man inzwischen zu wissen glaubt, war es gar kein Treffer, denn zu 99,9 Prozent kann man behaupten, dass der Ball beim Schuss des Engländers Geoff Hurst unmöglich die Torlinie in vollem Umfang überschritten hatte.

Die 101. Minute, die Geschichte um das „Wembley-Tor“ nimmt hier ihren Anfang: Der Engländer Geoff Hurst (links) schießt den Ball an die Torlatte, der Deutsche Willi Schulz (rechts) kann dies nicht verhindern. Foto: dpa

In der 101. Minute überwand Hurst den deutschen Torwart Hans Tilkowski mit einem Schuss aus kurzer Distanz. Der Ball prallte von der Unterkante der Latte auf den Boden auf und wurde dann vom deutschen Verteidiger Wolfgang Weber übers Tor ins Toraus geköpft.

Der Schweizer Schiedsrichter Gottfried Dienst entschied zunächst auf Torabstoß und erst nach Rücksprache mit dem sowjetischen Linienrichter Tofiq Bachramov auf Tor. Die Kommunikation erfolgte mittels Zeichensprache, da Bachramov nur Aserbaidschanisch und Russisch sprach und die beiden Schiedsrichter so keine gemeinsame Sprache zur Verständigung hatten.

Eine Aufbereitung eines 35-mm-Films, der während des Spiels 1966 aufgenommen wurde, zeigte zweifelsfrei, dass der Ball weder während des Auftreffens an die Latte noch während seiner Flugphase vollständig die Torlinie überschritten hatte. Die Kamera, die diese Bilder aufgenommen hatte, befand sich fast auf Höhe der Torauslinie, so dass zu erkennen ist, dass der Ball den kürzesten Weg zwischen Torlatte und Linie genommen hatte und auf dieser aufsprang. Diese Erkenntnisse wurden im Mai 2006 veröffentlicht.

Auch die Fans der belgischen Nationalmannschaft hatten einige Male unter einer Fehlentscheidung eines Schiedsrichters zu leiden. Einige kosteten die Roten Teufel sogar die Qualifikation für die WM oder den Einzug ins WM-Viertelfinale. Nachfolgend die umstrittensten Entscheidungen:

– 11. Juni 1970, Mexiko City, Mexiko-Belgien 1:0 – Im dritten und letzten Gruppenspiel der WM 1970 in Mexiko unterlag die belgische Mannschaft von Trainer Raymond Goethals Gastgeber Mexiko 0:1 durch einen den Mexikanern in der 14. Minute vom argentinischen Schiedsrichter Angel Coerezza zu Unrecht gewährten Foulelfmeter. Der belgische Verteidiger Léon Jeck spielte im Strafraum eindeutig den Ball, wie die Fernsehbilder zweifelsfrei bewiesen. Gustavo Peña verwandelte den Strafstoß für Mexiko. Belgien schied durch diese Niederlage bereits in der Vorrunde aus.

Torjäger Josip Weber in Aktion bei der WM 1994 in den USA beim 1:0-Sieg der Roten Teufel gegen die Niederlande. Foto: Belga

– 18. November 1973, Amsterdam, Niederlande-Belgien 0:0 – Nachdem sich der spätere WM-Finalist Niederlande mit seinem Superstar Johan Cruyff und Belgien die gesamte Qualifikation über ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert hatten, musste das letzte Spiel in Amsterdam die Entscheidung bringen. Belgien kassierte bis dahin kein einziges Tor, aber Holland hatte mehr Tore erzielt. Folglich waren die „Weißen Teufel“, wie die belgische Mannschaft unter Coach Raymond Goethals genannt wurde, in dieser letzten Begegnung zum Siegen gezwungen, um sich für die WM 1974 in Deutschland zu qualifizieren. Kurz vor Schluss stand es in Amsterdam noch immer 0:0, als die Belgier einen Freistoß zugesprochen bekamen. Jan Verheyen führte ihn aus und erzielte den Siegtreffer für Belgien, der aber vom Schiedsrichter Pavel Kazakov aus der UdSSR wegen Abseits aberkannt wurde. Fernsehbilder bewiesen jedoch, dass beim Freistoß kein Belgier im Abseits stand. Nicht das Holland von Cruyff, sondern Belgien hätte an der WM 1974 teilnehmen müssen.

– 2. Juli 1994, Chicago, Deutschland-Belgien 3:2 – Im Achtelfinale der WM 1994 in den USA bekam es Belgien mit Deutschland zu tun. Beim Stand von 3:1 für Deutschland gab es ein klares Foul an Belgiens Stürmer Josip Weber im deutschen Strafraum, doch der fällige Elfmeter wurde den Roten Teufeln vom Schweizer Schiedsrichter Kurt Röthlisberger verweigert. Der Strafstoß, wenn er denn gegeben und auch verwandelt worden wäre, hätte die Partie in Chicago noch einmal spannend machen können, zumal kurz vor Schluss Philippe Albert noch auf 2:3 verkürzen konnte. Der verweigerte Elfmeter ließ nach dem WM-Aus der Roten Teufel vor allem in Ostbelgien, wo Länderspiele zwischen Belgien und Deutschland immer etwas ganz Besonderes sind, die Volksseele hochhochen.

– 17. Juni 2002, Kobe, Brasilien-Belgien 2:0 – Im Achtelfinale der WM in Japan und Südkorea trafen die Roten Teufel auf Brasilien mit seinen Stars Ronaldo, Rivaldo und Ronaldinho. Die Belgier lieferten gegen den späteren Weltmeister eines ihrer besten Spiele. Ohne die skandalöse Aberkennung eines regulären Kopfballtreffers von Marc Wilmots beim Stand von 0:0 durch Schiedsrichter Peter Prendergast aus Jamaika, der meinte, der Kapitän der Roten Teufel habe beim Kopfballduell seinen brasilianischen Gegenspieler behindert, was außer ihm aber niemand gesehen hatte, hätte womöglich Belgien und nicht Brasilien das Viertelfinale erreicht. (cre)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

18 Antworten auf “Auch Rote Teufel hatten schon mit folgenschweren Fehlentscheidungen von Schiedsrichtern zu kämpfen”

      • Trippelbruder

        Oder Füllkrug der spielt 3 Sekunden voher den Ball mit dem Oberarm.
        Bewegung hin zum Ball. Da das möchte ja keiner drüber diskutieren.
        Lieber suhlt man sich im Selbstmitleid und wird wie beim Wembley-„Tor“ noch 50 Jahre jammern.

        https://auvio.rtbf.be/media/euro-2024-quart-de-finale-espagne-allemagne-3216754
        Füllkrugs klasse Handballfähigkeiten Spielminute 105:26 und beim Zuspiel stand er mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit im Abseits. Aber auch das will man nicht hören.
        10 Sekunden nach dem vermeintlichen Elfmeter, sieht man auch wie der Schiedsrichter sich ans Headset fasst und vom VAR die Info bekommt kein Elfer.

        Kann ja verstehen, dass das nach der guten Leistung schwer zu verdauen ist, aber es bleibt die so. Irgendwann muss es mal gut sein

        • Boah nee...

          @Trippelbruder:
          Habe ich gerade in einem anderem Post genauso beschrieben, aber diese beide Situationen werden, komischerweise, fast nirgendwo erwähnt!
          Naja, vielleicht waren die Fernsehbilder manipuliert. 😁

          • Trippelbruder

            Nicht verwunderlich. Wenn man deutsche Zusammenfassungen von dem Spiel anguckt, werden die Szenen vorher, Zuspiel und Ballannahme, nicht gezeigt.

            Man will wohl Agressionen schüren?

              • Trippelbruder

                Mir würde es reichen, wenn due UEFA sich äussert und für Klarheit sorgt.
                Die VAR-Kommunikation offenlegt , die Abseitslinie beim Passauf Füllkrug zieht und Bilder vom Füllkrugs Handspiel verbreitet.

                Das nimmt ja inzwischen Ausmaße an, wie bei den Coronaverschwörern.. Es läuft eine Petition zur Wiederholung des Spiels, die bereits 300.000 Unterzeicher hat.

                Dann fragt man sich hinterher, warum es bei der WM Schadenfreude gibt, wenn die DFB-Mannschaft verliert

      • Boah nee...

        @Brüssel+Weywertz:
        Ich wohne ebenfalls in der Gemeinde Bütgenbach. Falls Sie den Link von @Trippelbruder nicht öffnen können, könnten wir uns die Szene gerne bei mir bei einem Bierchen zusammen anschauen und unsere Meinungen darüber austauschen. 😉

  1. @Boah nee…
    Keine folgenschwere Fehlentscheidung?
    Alleine das Foul an Pedri in der achten Minute,der verletzt vom Platz musste und Kroos sogar OHNE gelbe Karte davon kam, war für mich (und nicht nur für mich) eine krasse Fehlentscheidung.
    Nix für Ungut 😉.
    Trotzdem,noch weiterhin viel Spaß beim schauen.

    • Boah nee...

      @Nur so:
      Voll einverstanden mit Ihnen. DAS waren Fehlentscheidungen, welche leider hier und anderswo nicht thematisiert werden. Hatte ich aber schon in meinen Post’s vorher erwähnt!
      Ich meinte damit nur das „vermeintliche Handspiel (welches OD hier „anscheinend“ anführt für „folgenschwere ! Fehlentscheidungen“)
      OD, meinen Sie dass so?

    • Peter Müller

      Wenn man keine Argumente hat, muss man natürlich nach etwas suchen. Gelb ist, wenn der Schiedsrichter die Karte zeigt !.
      Ich wette das du , wie viele anderen jetzt den Franzosen das aus wünschst, dann ist der Schmerz vom ausscheiden unserer Mannschaft nicht mehr so gross

  2. Intipuca

    Der Sprecher beim RTB sagte der Arm muss nicht am Körper kleben. Es muss ein Ball zwischen Arm und Körper passen, dies war hier nicht der Fall. Also Schiedsrichterentscheidung korrekt.

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