Sein Machtwort aus dem Sommer 2012 ist unvergessen: „Whatever it takes“. Mit allen Mitteln stemmt sich EZB-Präsident Draghi gegen die Krise im Euroraum – bis heute. Doch die Kritik am Kurs der Notenbank ist groß.
Ist er nun der Schrecken der Sparer – oder doch der Retter der Eurozone? Mario Draghi hat als EZB-Präsident polarisiert. Nullzins, Strafzins für Banken, Anleihenkäufe – Draghi zog im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturflaute alle Register. Nie zuvor hat die Europäische Zentralbank (EZB) über einen so langen Zeitraum so viel billiges Geld in den Markt gepumpt.
Kurz vor Ende seiner achtjährigen Amtszeit setzte Draghi gegen heftige Widerstände sogar noch eine Verschärfung der ultralockeren Geldpolitik durch.
Angetreten war der Italiener am 1. November 2011 mit dem Versprechen, in der Tradition der Deutschen Bundesbank stabile Preise zu garantieren.
Die „Bild“-Zeitung verpasste „Super-Mario“ prompt eine Pickelhaube: Der Helm sollte den ehemaligen Chef der italienischen Notenbank an preußische Tugenden erinnern. Heute prangert das Blatt „Graf Draghila“ an, der die Konten deutscher Sparer leer sauge.
„Jahrzehntelang haben wir Deutschlands Kindern beigebracht, dass Sparen sinnvoll ist, weil man für schlechte Zeiten in Krisen vorsorgen muss. Sie schleifen diese Kultur“, kritisierte Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis im Sommer 2019 in einem offenen Brief an Draghi. „Das alles kann langfristig nicht gut enden.“
Der Chor der Kritiker ist lautstark. Wahlweise ist von „Fehlentwicklung“, „zerstörerischer Geldpolitik“ oder „Enteignung der Sparer“ die Rede, Banken und Versicherungen fühlen sich durch Draghis ultralockerere Geldpolitik gegängelt und ihrer Erträge beraubt.
Der einstige Jesuitenschüler Draghi, zeigte sich von der Dauerkritik, die vor allem aus Deutschland kam, unbeeindruckt: „Unsere Geldpolitik war erfolgreich“, beschied er im Sommer 2017. Und im Juni 2019 resümierte Draghi – wie so oft mit stoischer Miene -, die EZB habe in schwierigen Zeiten bewiesen, wie flexibel sie handeln könne.
In der Tat: Während Europas Politiker stritten, schuf der Chef einer nicht demokratisch gewählten Institution Fakten. „Die EZB wird alles tun, um den Euro zu retten“, versprach Europas oberster Währungshüter im Sommer 2012: „Whatever it takes“. Draghis Machtwort stabilisierte die Eurozone in der tiefsten Krise ihrer jungen Geschichte – das gestehen sogar seine Kritiker dem scheidenden EZB-Präsidenten zu.
Was Sparer ärgert, freut Schuldner
Schon zu seinem Einstand in Frankfurt überraschte der ehemalige Exekutivdirektor der Weltbank (1984-1990) und spätere Goldman-Sachs-Investmentbanker (2002-2005): Draghi senkte die Zinsen. Ende Oktober 2019 wird sich der 72-Jährige als erster EZB-Präsident aus dem Amt verabschieden, in dessen Amtszeit die Zinsen nicht mehr angehoben wurden.
Was Sparer ärgert, freut Schuldner. Die Nachfrage nach Immobilien boomt seit Jahren, weil Baukredite kaum noch etwas kosten. Zudem ist das billige Notenbank-Geld seit Jahren Schmierstoff für die Börsen. Und auch starke Volkswirtschaften wie Deutschland profitieren: Der deutsche Finanzminister verdiente sogar am Schuldenmachen, weil Geldgeber bereit waren, negative Zinsen zu akzeptieren.
„Deutschland ist nicht Verlierer der Niedrigzinspolitik der EZB, sondern unser Land ist einer der Gewinner“, stellt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher fest. „Und nicht nur unser Land, sondern jeder einzelne von uns hat in der einen oder anderen Form von der Geldpolitik und dem Euro profitiert.“
Doch der Streit, ob die Notenbank unter Draghis Führung ihre Kompetenzen überschritten habe, schwelt weiter – zum Beispiel vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter haben ernsthafte Bedenken, dass die Währungshüter mit ihren milliardenschweren Käufen von Staatsanleihen womöglich zu weit gehen. Auch wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Käufe für rechtens erklärt hat, könnte Karlsruhe im äußersten Fall der Bundesbank als größtem Anteilseigner der EZB die Beteiligung an neuen Anleihenkäufen untersagen.
Draghi jedoch hat längst Fakten geschaffen, die den Euroraum mit seinen 19 Mitgliedstaaten noch weit über seine Amtszeit hinaus prägen werden. Kritiker im Zentralbankrat zeigen sich zermürbt vom „System Draghi“, in dem der Präsident Entscheidungen durchgesetzt habe, statt den Konsens zu suchen. Die ehemalige Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger erklärte ihren Rücktritt aus dem sechsköpfigen EZB-Direktorium zum 31. Oktober dieses Jahres.
Eine gewisse Sturheit habe den gebürtig aus Rom stammenden Draghi schon als jungen Wirtschaftsprofessor ausgezeichnet, schrieb vor einigen Jahren die „Wirtschaftswoche“: Als er das Examen an der Universität von Trient abnahm, hätten seine Studenten ihm erklärt, sie wollten Fragen nur als Kollektiv beantworten. Draghi habe entgegnet: „Wenn der Kollektivsprecher richtig antwortet, besteht die ganze Klasse. Liegt er falsch, fallen alle durch.“ Der Sprecher der Gruppe antwortete falsch – Draghi ließ alle durchfallen. (dpa)
0,01% Zinsen auf dem Sparbuch bei 1,5-2% Inflation! Yeah, Baby!!!!11!
Draghi zum Buh-Mann erklären ist zu kurz gegriffen. Natürlich entspricht seine Geldpolitik den politischen Forderungen aus Frankreich, Italien und den anderen EU-Südländern. Aber die anderen Länder, allen voran Deutschland, haben ihn machen lassen! Die absehbare Implosion des EURO-Raums ist Folge einer fehlgeschlagenen Politik und Draghi war nur der Totengräber, den Mord begangen hat die Politik. Aber die steht jetzt weinend am Grab, so wie bei einer Mafia-Beerdigung, der Mörder kondoliert als erster den Angehörigen der toten Spareinlagen….
Der größte Verbrecher seid Adolf verlässt endlich die Bühne.Millonen von Sparern hat er um Milliarden Euro betrogen. Hoffentlich erstickt er an seiner dicken Pension.
Petz, wie kommen Sie an die Milliarden? Davon abgesehen, Millionen ermordete Menschen mit Milliarden Euro zu vergleichen ist allerhand.
Dax, das einzige Schlimme ist, dass vieles des gedruckten Geldes in den Börsenkreislauf und in Immobilienblasen abgeleitet wird. Daran könnte die und sollte die Politik was machen, Tut sie aber nicht außer dem grün-rot-roten Senat Berlins mit der Mietenbremse. Die in Frankreich und Deutschland eingeführte Börsentransaktionssteuer ist ebenso lachhaft wie die die schon so lange bestehende in Großbritannien. Davon abgesehen haben die USA schon noch länger als die EU eine ganz ähnliche Geldpolitik.
Ihr Beitrag ist ein Beispiel von richtiger Diagnose (aufgeblähter Immobilien- und Börsenmarkt durch falsche Geldpolitik) mit der falschen Therapie (noch mehr staatlicher Interventionismus). Es ist so wie der Aderlass im Mittelalter, es schwächte den Patienten und deswegen wurde intesiver zur Ader gelassen….
Nur eine Marktbereinigung kann das wieder richten, aber eine „Mietpreisbremse“ ist das genaue Gegenteil davon. Ich empfehle das Video von Markus Krall auf Tichys Einblicke, es wird Ihnen aber nicht gefallen, zu wahr um schön zu sein….
Ich empfehle zu diesem Thema diese beiden Videos:
Der Markt regelt gar nichts – Prof. Heinz-Josef Bontrup im Gespräch – Der Fehlende Part
https://www.youtube.com/watch?v=qPl1_TzLuMs
Prof. Bontrup versus Dr. Krall – Ist der Neoliberalismus wirklich an allem schuld? – Der Fehlende Part
https://www.youtube.com/watch?v=knXbYm8TtU4
Ach ja, der Bontrup, in der taz, in junge Welt und Neues Deutschland ist er zu finden.
Wohnen wie in West-Berlin, zu Preisen wie in Ost-Berlin, und die Geschenke bringt der Nikolaus. Wir schaffen das….
Es ist ja nicht nur dass es keine Zinsen mehr gibt, sondern das wir demnächst noch bezahlen müssen.
Dies ist EUROPA und dann wundert man sich wenn Populisten an den Regierungen kommen.
@ Bankier, wahre Worte….die Reaktion von „Der.“ wird wohl nicht lange auf sich warten lassen….
Wartet nur mal ab bis das Bargeld abgeschafft ist. Dann bekommt ihr von eurem Gehalt erstmal ein paar Prozent Strafzinsen abgebucht ohne dass ihr etwas dagegen unternehmen könnt. Das ist nämlich der wahre Grund der Bargeldabschaffung. Uns werden solange die Ohren lang gezogen bis wir auf der Straße randalieren.
Stimmt genau – Bravo!
https://www.voltairenet.org/article208017.html
Die neue Welt erscheint vor uns
von Thierry Meyssan
Thierry Meyssan unterstreicht die extreme Tragweite, nicht etwa des Rückzugs der USA aus Syrien, sondern des Zusammenbruchs der aktuellen Bezugspunkte der Welt. Wir treten seiner Ansicht nach in eine kurze Übergangszeit ein, in der die gegenwärtigen Meister des Spiels, also die „Finanzkapitalisten“ — und jene von ihm so Bezeichneten, die nichts mit dem ursprünglichen Kapitalismus oder dem ursprünglichen Bankenwesen zu tun haben— zugunsten der von Russland im Jahr 1899 erlassenen Rechtsvorschriften verdrängt werden.
König Salman begrüßt den Friedensstifter Wladimir Putin.
Es ist ein Moment, den es nur ein- oder zweimal im Jahrhundert gibt. Eine neue Weltordnung zeichnet sich ab. Alle vorherigen Verweise verschwinden. Jene, die der Schmach preisgegeben waren, triumphieren, während diejenigen, die regierten, in die Hölle gestoßen werden. Die offiziellen Erklärungen und Interpretationen von Journalisten entsprechen eindeutig nicht mehr den Ereignissen, die sich abspielen. Die Kommentatoren müssen ihren Diskurs so schnell wie möglich ändern, ihn zur Gänze umkehren, oder sie werden von dem Wirbel der Geschichte verschlungen.
Im Februar 1943 markierte der sowjetische Sieg über das Nazireich den Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs. Die folgenden Ereignisse waren unvermeidlich. Doch man musste noch auf die anglo-amerikanische Landung in der Normandie (Juni 1944) warten, auf die Jalta-Konferenz (Februar 1945), den Selbstmord von Kanzler Hitler (April 1945) und schließlich auf die Kapitulation des 3. Reiches (8. Mai 1945), um diese neue Welt entstehen zu sehen.
In einem Jahr (Juni 44 bis Mai 45) war das Dritte Reich durch das sowjetisch-amerikanische Duopol ersetzt worden. Das Vereinigte Königreich und Frankreich, die zwölf Jahre zuvor noch die beiden ersten Weltmächte waren, wurden Zeugen der Entkolonialisierung ihrer Imperien.
Es ist ein Moment wie dieser, den wir heute erleben.
Jede historische Periode hat ihr eigenes Wirtschaftssystem und baut einen politischen Überbau auf, um es zu schützen. Am Ende des Kalten Krieges und der Auflösung der UdSSR demobilisierte Präsident Bush Sr. eine Million US-Soldaten und vertraute die Suche nach Wohlstand den Bossen der multinationalen Konzerne an. Diese verbündeten sich mit Deng Xiaoping und verlegten die US-Arbeitsplätze nach China, das zur Werkstatt der Welt wurde. Weit davon entfernt, den US-Bürgern damit Wohlstand zu bieten, heimsten sie ihre Gewinne ein und verursachten allmählich das langsame Verschwinden der westlichen Mittelschicht. Im Jahr 2001 finanzierten sie die Anschläge vom 11. September, um dem Pentagon die Rumsfeld/Cebrowski-Strategie der Zerstörung der staatlichen Strukturen aufzuzwingen. Präsident Bush Jr. verwandelte dann den „Erweiterten Nahen Osten“ in den Schauplatz eines „endlosen Krieges“.
Die Befreiung eines Viertels des syrischen Territoriums innerhalb einer Woche ist nicht nur der Sieg von Präsident Baschar al-Assad, „der Mann, der seit acht Jahren gehen muss“, sie markiert das Scheitern der militärischen Strategie, deren Ziel die Vorherrschaft des Finanz-Kapitalismus war. Was unvorstellbar schien, geschah. Die Weltordnung hat sich vollkommen gewendet. Die weitere Folge der Ereignisse ist unausweichlich.
Der sehr feierliche, pompöse Empfang von Präsident Wladimir Putin in Saudi-Arabien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten zeugt von der dramatischen Wende der Golfmächte, die nun in das russische Lager umschwenken.
Die ebenso spektakuläre Umverteilung der Karten im Libanon bestraft das gleiche politische Versagen des Finanzkapitalismus. In einem Dollarland, in dem es seit einem Monat keine Dollars mehr gibt, wo Banken ihre Geldautomaten schließen und Bankabhebungen begrenzt sind, sind es nicht die Anti-Korruptions-Demonstrationen, die den Sturz der alten Ordnung aufhalten werden.
Die Krämpfe der alten Ordnung breiten sich aus. Ecuadors Präsident Lenin Moreno schreibt die Volksrevolte gegen die vom Finanzkapitalismus verhängten Maßnahmen seinem Vorgänger Rafael Correa zu, der im belgischen Exil lebt, und einem Symbol des Widerstands gegen diese Form der menschlichen Ausbeutung, dem venezolanischen Präsident Nicolas Maduro, obwohl sie beide keinen Einfluss in seinem Land haben.
Das Vereinigte Königreich hat bereits seine Spezialeinheiten aus Syrien abgezogen und versucht, aus dem supranationalen Staat Brüssel (Europäische Union) herauszukommen. Nachdem es gedacht hatte, den Gemeinsamen Markt (Theresa Mays Projekt) beizubehalten, beschloss es, mit dem gesamten europäischen Konstrukt (Boris Johnsons Projekt) zu brechen. Nach den Fehlern von Nicolas Sarkozy, von François Hollande und Emmanuel Macron verliert Frankreich plötzlich jegliche Glaubwürdigkeit und jeglichen Einfluss. Donald Trumps Vereinigte Staaten hören auf, die „unverzichtbare Nation“ zu sein, der „Polizist der Welt“ im Dienst des Finanzkapitalismus, um selbst wieder zu einer großen Wirtschaftsmacht zu werden. Die USA ziehen ihr Atomwaffenarsenal aus der Türkei ab und bereiten sich auf die Schließung des CentCom in Katar vor. Russland wird von allen als „Friedensstifter“ anerkannt, indem es dem Völkerrecht zum Triumph verhilft, welches es durch die Einberufung der „Internationalen Friedenskonferenz“ 1899 in Den Haag geschaffen hatte, und deren Grundsätze seitdem von den Mitgliedern der Nato mit Füssen getreten wurden.
Die internationale Friedenskonferenz von 1899. Es dauerte mehr als ein Jahrhundert, um ihre Auswirkungen zu verstehen.
So wie der Zweite Weltkrieg dem Völkerbund ein Ende setzte, um die UNO zu gründen, wird diese neue Welt wahrscheinlich eine neue internationale Organisation herbeiführen, die auf den Prinzipien der Konferenz des russischen Zaren Nikolaus II. von 1899 und des französischen Friedens-Nobelpreisträgers Léon Bourgeois beruht. Dafür muss zunächst die NATO aufgelöst werden, die durch ihre Expansion im Pazifik versuchen wird, zu überleben, und dann die Europäische Union, ein Unterschlupf des Finanzkapitalismus.
Man muss verstehen, was hier vor sich geht. Wir treten in eine Übergangsphase ein. Lenin sagte 1916, der Imperialismus sei die höchste Stufe des Kapitalismus, die aber mit den beiden Weltkriegen und der Börsenkrise von 1929 verschwand. Die Welt von heute ist die Welt des Finanzkapitalismus, welche Volkswirtschaften nach einander zum alleinigen Nutzen der wenigen Superreichen verwüstet. Seine höchste Stufe bestand darin, die Welt in zwei Teile zu spalten: auf der einen Seite stabile und globalisierte Länder, auf der anderen Seite Regionen der Welt, die staatenlos waren und zu bloßen Rohstoffreserven reduziert wurden. Dieses Modell, das sowohl von Präsident Trump in den Vereinigten Staaten, den Gelb-Westen in Westeuropa oder von Syrien in der Levante in Frage gestellt wird, stirbt vor unseren Augen.
Thierry Meyssan
Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser
Thierry Meyssan
Politischer Berater, Gründer und Präsident vom Voltaire Netzwerk – Réseau Voltaire. Letztes französisches Werk: Sous nos yeux – Du 11-Septembre à Donald Trump.