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Belarus: Hunderttausende demonstrieren gegen „Europas letzte Diktatur“

23.08.2020, Belarus, Minsk: Tausende Menschen versammeln sich auf dem Platz der Unabhängigkeit zu einem Protest. Foto: Ulf Mauder/dpa

Trotz Drohungen von Machthaber Lukaschenko demonstrieren Menschen in Belarus gegen „Europas letzte Diktatur“. Bei den Protesten wird aber auch deutlich, dass das Land gespalten ist.

In Minsk bebt der Unabhängigkeitsplatz fast unter den kraftvollen Sprechchören der Gegner von Alexander Lukaschenko. „Freiheit, Freiheit!“, „Uchodi!“ (Hau ab) und „Es lebe Belarus“ rufen die Menschen – es sind die Protestrufe der Demokratiebewegung.

Hunderttausende sind es am Sonntag, die ein Ende der „letzten Diktatur Europas“ fordern. Ein beispielloser Zusammenhalt von Bürgern aller Schichten, die das auch 30 Jahre nach Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums noch sowjetisch geprägte Land erschüttern.

Wie eine Welle gehen die donnernden Rufe durch das Stadtzentrum. Nur für einen Moment wird alles still – um 15.30 Uhr Ortszeit. Eine Schweigeminute für die Opfer der Revolution in Belarus. Die Zahl der bekannten Todesfälle steigt an diesem Wochenende auf vier, als ein seit dem 12. August vermisster Mann gefunden wird. Hunderte Menschen kurieren zudem ihre Verletzungen, die sie bei der blutigen Polizeigewalt der ersten Protesttage davontrugen.

23.08.2020, Belarus, Minsk: Eine Frau mit einer belarussischen Nationalflagge steht vor einer Gruppe von Bereitschaftspolizisten. Foto: Dmitri Lovetsky/AP/dpa

„Ich will ein Ende dieses Terrors, endlich frei leben“, sagt die 52 Jahre alte Historikerin Swetlana. Sie weint. Ja, sie habe auch Angst. Sie und ihr Mann könnten nicht schlafen aus Sorge darum, was kommt. „Dieses Regime, dieser Diktator und seine Leute haben so viel Blut an den Händen“, sagt sie. Sie hoffe, dass Europa helfe.

Die Proteste in Minsk sind keine antirussischen oder pro-europäischen. Es gibt keine EU-Flaggen. Es sind die weiß-rot-weißen Fahnen, die das Bild auf der Straße bestimmen, die historische Flagge von Belarus, die bisher vor allem Nationalisten für sich nutzten. Längst ist die Fahne aber zu einem Symbol eines neuen Belarus geworden – es sind die Farben der Revolution.

Zwei Wochen nach der von der EU verurteilten Präsidentenwahl, bei der Lukaschenko sich zum sechsten Mal zum Sieger ausrufen ließ, gehen die Menschen in dem kleinen Land zwischen EU-Mitglied Polen und Russland auf die Straße. Täglich. Und friedlich. Die Sonntagsdemonstrationen sind seit der ersten Auflage vorige Woche die größten überhaupt. Trotz Drohungen der Polizei und des Militärs, die von illegalen Aktionen sprechen, fassen die Menschen ihren Mut zusammen. Und sie übertönen die Lautsprecherdurchsagen der Polizei.

Die Menschen folgen den Protestaufrufen der Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja, die aus ihrer Sicht Siegerin der Wahl gegen Lukaschenko am 9. August ist. „Natürlich ist sie keine Präsidentin, aber ein Symbol für etwas Neues“, sagt die 54-jährige Tatjana bei einer Kundgebung am Samstag. Tichanowskaja sendet vor allem Aufrufe per Video aus ihrem Exil in Litauen. Tatjana hofft auf Neuwahlen und eine Kandidatur des unter Lukaschenko inhaftierten Ex-Bankenchefs Viktor Babariko.

23.08.2020, Belarus, Minsk: Ein Konvoi von Polizeifahrzeugen vor einem weiteren geplanten Protest. Foto: Dmitri Lovetsky/AP/dpa

Die Buchhalterin steht mit ihrer Tochter und dem Enkelkind im Kinderwagen vor dem zentralen Komarowski Markt und diskutiert mit zwei Männern, einem jungen und einem alten. Beide unterstützen Lukaschenko. Sie schimpfen, die Frauen wollten nur Unruhe stiften. Szenen wie diese gibt es viele auf den Straßen. Die Gesellschaft ist gespalten.

Seit Lukaschenko die Streitkräfte am Samstag in volle Gefechtsbereitschaft versetzt hat, wachsen zudem Befürchtungen, dass er eine Militärdiktatur errichten könnte. Gedroht hat er mehrfach damit, notfalls die Armee einzusetzen, um sich die Macht zu sichern. „In meinem Umfeld gibt es einige Soldaten. Nach allem, was ich höre, werden sie einen Schießbefehl dieses nicht legitimen Präsidenten aber nicht ausführen“, sagt Tatjana.

Der 29 Jahre alte Stepan, der nur Belarussisch spricht und nicht das im Land stark verbreitete Russisch, sagt, dass er keine Angst um seine vier Jahre alte Tochter und um seine Frau haben wolle. „Bei uns verschwinden immer wieder Menschen, einfach so von der Straße weg. Ich will nicht, dass mir oder meiner Familie das passiert.“

Gesprächsthema auf den Straßen in Minsk ist auch der zunehmende Einfluss der russischen Staatspropaganda. Lukaschenko hat eingeräumt, dass er selbst „russische Journalisten“ eingeladen habe, nachdem Korrespondenten seines Staatsfernsehens sich den Protesten angeschlossen hätten. „Ich habe die Russen gebeten: gebt uns zwei, drei Gruppen mit Journalisten für den Fall der Fälle.“

03.07.2020, Belarus, Minsk: Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus, gestikuliert während der Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag. Foto: Sergei Grits/AP/dpa

Zwar hat Russland immer wieder gefordert, dass niemand sich einmischen möge in Belarus. Aber die Kremlpropaganda läuft im Land inzwischen auf Hochtouren, stempelt die Proteste als antirussisch ab und behauptet, der Westen mit seinen liberalen Werten und vor allem Homosexuelle und Pädophile wollten sich das Land einverleiben. Unterstützer Lukaschenkos brüllen den Demonstranten diese Parolen des Staatsfernsehens ins Gesicht.

„Wir geben unser Land nicht her!“, lautet einer der Sprüche bei den Pro-Lukaschenko-Veranstaltungen in Minsk und anderen Städten. Die Menschen bekommen dort, wie sie teils selbst bestätigen, Geld für die Auftritte. Zwischen 50 und 100 Rubel (17 bis 33 Euro) pro Einsatz gibt es demnach. Während Lukaschenko auf Kosten aller Steuerzahler seine Unterstützer bequem mit Charterbussen zu Kundgebungen fahren lässt, geht die Demokratiebewegung meist zu Fuß.

Auch am Sonntag werden in Minsk wieder früh Metrostationen gesperrt. Staatsferne Internetseiten sind blockiert, damit möglichst wenige die Protest-Aufrufe mitbekommen können. Die Opposition, das machen Tichanowskaja und ihre Mitstreiterin Maria Kolesnikowa an diesem Wochenende deutlich, stellt sich auf einen langen Kampf gegen Lukaschenko ein. „Ein Diktator, der in 26 Jahren alle Bereiche des Lebens durchdrungen hat, verschwindet nicht so einfach innerhalb weniger Tage“, sagt Kolesnikowa. „Aber wir werden siegen.“ (dpa)

31 Antworten auf “Belarus: Hunderttausende demonstrieren gegen „Europas letzte Diktatur“”

  1. Maria Hridelberg

    Es hat sich ja mittlerweile herumgesprochen, dass es gute Demos und schlechte Demos gibt. Also, erwünschte Demos und Unerwünschte. Das hier ist eine politisch erwünschte Demo. Wäre der Virus hingegen wirklich so schlimm, wie hier die Politmarionetten behaupten, würden sie alle Demos verurteilen. Mal abgesehen davon bin ich der Meinung, dass innerhalb einer so „gefährlichen Pandemie“ Besonnenheit gefragt ist. Leider kann ich das bei den Politmarionetten und Medienpack nicht feststellen. SIe provozieren, bis aufs Blut, setzen bewusst – so blöd kann keiner sein – Lügen in die WELT und zwar DAMIT die Leute auf die Straße gehen. Man treibt uns genau dahin, wo man uns hin haben will. Deswegen sind natürlich Unerwünschte Demos auch erwünscht.

    Alle Wege führen nach Rom und es gibt nix Neues unter der Sonne.

    Wie sich wohl die „Zuschauer im Trockenen“, so fühlen, wenn Sie die komplette Menschheit gegeneinander aufhetzen?! Das ist für diesr menschenverachtende Spezie bestimmt spannend mit anzusehen, was sich in deren Arena so abspielt.

    Die holen sich warscheinlich auf das Szenario mehrmals am Tag einen runter, und spritzen auf Euch! Sorry, aber was anderes fällt mir zu diesen Affen nix mehr ein.

    Das Spiel spielt sich genauso ab, wie es von diesen Strategen gewünscht ist.

    Es läuft alles nach Plan.

  2. Es waren doch nur höchstens ein paar hundert Menschen……. . In Deutschland wär diese Demonstration schon lange aufgelöst, wegen Verstoss der Hygieneverordnung. In Frankreich hätte man jetzt ein paar Blendgranaten in der Menge geworfen. Belarus gibt mir die Einsicht das es heutzutage doch noch Nationen gibt wo man friedlich demonstrieren kann.

  3. Maria Heidelberg

    @Alfons, JFK war auch unzulänglich. Deswegen hat eine „monolithische Verschwörung“ diesen Mann in aller Öffentlichkeit abgeknallt. War ein Mahnmal für die zukünftigen Präsidenten. Man hat gefälligst die Bevölkerung nicht über die Hintermänner aufzuklären, wo kommen wir denn dahin…

    Ich erzähle Ihnen, was ich denke. Und Sie schreiben, dass das Mist ist?!
    Gut, ich nehme das zu Kenntnis, @Alf…

    Besser wäre, Sie würden mitdenken, so kann man sich ergänzen.

    • Jetzt ist gut!

      Oswald (nicht Schröder) war ein echter Gott, er war an mehreren Stellen gleichzeitig und feuerte aus 8 Positionen auf JFK, Maria. Alles zu sehen in der Doku „Everything is a rich man’s trick“…

    • Alfons van Compernolle

      Gut Maria Heidelberg, Sie berichten, was Sie Denken, was von mir akzeptiert wird und ich kommentiere dazu meine Gedanken, welche in Ihrem Falle durch aus unterschiedlich sein koennen.
      Dieses aber sollten Sie auch akzeptieren, zumal ich nicht in allen Ihren Sichtweisen unterschiedlicher Meinung bin.

  4. Horst Emonts-pool

    Deutsche Politiker Stacheln die Menschen in Belarus noch an, demonstrieren zu gehen. Von Corona kein Wort. Ja so ist es wenn man für den guten Westen demonstriert. Da wird man sich nicht anstecken. Aber wenn in Sankt-Vith 100 Leute auf der Straße stehen, ist sofort die Sicherheit des Landes gefährdet.

  5. Maria Heidelberg

    @Alfons, wenn man auf Angriffsmodus schaltet, wird man in der Regel stur und beratungsresistent. Sie wollen mich doch überzeugen oder zumindest nicht verscheuchen? Ich bin schon seit Jahren auf der Suche nach den Leuten, die das hier alles steuern. Für mich ist es nicht normal, dass man kein friedliches Miteinander durch die Politik auf die Reihe bekommt. Die scheinen entweder völlig verblödet zu sein, oder haben sich kaufen lassen…. Wobei das eine das andere nicht ausschließt.
    Ich bin bei den Jesuiten gelandet. Es gibt eine Statue – ich glaub im Petersdom, das tritt die heilige Maria Mutter Gottes, Martin Luther in den Arsch. Das ist ein ziemliches eindeutiges Symbol für die Gegenreformation der Jesuiten. Maria Mutter Gottes wird also vom Vatikan als Jesuitun stilisiert. Diese Jesuiten löschen alles aus, was der politisch religiösen Macht des Vatikans in die Quere kommen kann. Sie sind überall, haben alles infiltriert. Sie erziehen Gesellschaften um, löschen Kulturen aus … Sie haben den 1. Und zweiten Weltkrieg zu verantworten, die Hippibewegung, Gender, Familienzerstörung, CO2, Migration, Corona, eigentlich alles, was Schrott ist…

    Vielleicht sind sie davon nicht überzeugt, aber gehen wir mal davon aus, es würde stimmen: Könnten Sie sich einen Grund vorstellen, was das Endziel dieser Jesuiten sein könnte?

    • Herbert G.

      @ Maria H.
      Natürlich kann ich mir vorstellen, was das Endziel der Jesuiten sein wird: die wollen Sie, Maria, nackt auf einen Altar binden und schlachten und Ihr Blut wird in einen güldenen Kelch aufgefangen und Beelzebub geopfert.

  6. Charlotte Russe

    Mal abgesehen von den anderen Themen hier,da scheint es kein Corona zu geben.Bei uns hätte man die Demonstration einfach verboten und gesagt ,wer hingeht 500 euro Strafe, wir haben Videokameras überall,wir kriegen euch.Wo ist jetzt mehr Diktatur?So viele ohne Abstand, in 2 Wochen schwappt die nächste Welle von da zu uns,oh je oh je.Oder der Diktator lässt alle einsperren dann sind die in Quarantäne ,dann passiert nix mehr.
    Obwohl wenn er gestürzt wird,darf man dann noch Weißrussland sagen in der heutigen Zeit,vielleicht neutral Russland,wär dann nicht Rassistisch.

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