Gesellschaft

Dialektatlas vorgestellt: Hat Platt in Ostbelgien noch Zukunft?

Ministerin Isabelle Weykmans (links) bei ihrer Einführungsrede. Sandra Weber, Robert Möller, Georg Cornelissen und Manuel Brüls (von links) hören zu. Foto: OD

Kürzlich wurde im Europasaal des Ministeriums der DG in Eupen der Dialektatlas vorgestellt. In der Eifel sprechen noch viele Menschen täglich Platt, während sich im Norden der DG, insbesondere in Eupen und Kettenis, deutlich weniger Bürger in ihrem Dialekt verständigen. Die Frage ist: Hat Platt in Ostbelgien noch Zukunft?

Im November 2011 hatte die DG alle Plattsprecher dazu aufgerufen, zwei von der Universität Lüttich ausgearbeitete Fragebögen auszufüllen. Es gab rund 1700 Rückmeldungen aus der gesamten DG sowie aus angrenzenden Gebieten. So kam der Atlas zustande, der jetzt vorgestellt wurde (weitere Fotos von der Veranstaltung am Ende des Artikels).

Einige Beispiele von Dialektunterschieden (mit Karte) hingen im Europasaal aus. Foto: OD

Einige Beispiele von Dialektunterschieden (mit Karte) hingen im Europasaal aus. Foto: OD

Mit den gesammelten Daten wurden Landkarten erstellt, auf denen farblich markiert ist, wo und wie heute in Ostbelgien noch Platt gesprochen wird. Hätten Sie etwa gewusst, dass der Löwenzahn fast 30 verschiedene Bezeichnungen im Dialekt hat? Oder dass man fast in der gesamten Eifel zu Bonbon „Schicke“ sagt?

Zu dem Dialektatlas gelangt man über die Internetseite DG-Live. Dort klicken Sie auf das „Kulturerbeportal“ und anschließend auf „Dialektatlas“:

http://www.dgkulturerbe.be/desktopdefault.aspx/tabid-3532/

Sie brauchen nur einen der Begriffe, die in der Datenbank bisher erfasst wurden, anzuklicken, und schon erfahren Sie, welche Bezeichnung es für dieses Wort in Plattdeutsch gibt und wo in der DG diese Bezeichnung geläufig ist. Für jeden Begriff wurde eine farbige Karte angefertigt.

Hubert Jates bei seinem Beitrag in Ameler Platt "Erenneronge van em Nokreechsjong". Foto: OD

Hubert Jates bei seinem Beitrag in Ameler Platt „Erenneronge van em Nokreechsjong“. Foto: OD

Weil der Dialekt überwiegend eine gesprochene Sprache ist, wurden in allen Gemeinden auch Tonaufnahmen gemacht. So kann die großen Unterschiede zwischen den verschiedenen Dörfern jetzt nicht nur lesen, sondern auch hören.

Bei der Vorstellung des Dialektatlas im Europasaal – übrigens just am Tag der Muttersprache – hielt nach einigen einführenden Worten von DG-Ministerin Isabelle Weykmans (PFF) Georg Cornelissen vom Landschaftsverband Rheinland einen kurzen Vortrag zum Thema „Wenn Mundart Muttersprache ist“. Mundart habe viel mit Nostalgie zu tun, weshalb ältere Menschen im Gegensatz zu jungen Leuten weiter Plattdeutsch sprechen, so Cornelissen.

Alle Plattsprecher in der DG wurden aufgerufen, einen Plattfragebogen auszufüllen.

Alle Plattsprecher in der DG wurden aufgerufen, einen Plattfragebogen auszufüllen.

Der Dialekt war im Laufe der zum Teil turbulenten Geschichte der heutigen DG vielen Einflüssen ausgesetzt. Die Staatsgrenze mit Deutschland hat sich ebenso auf den Wortschatz ausgewirkt wie die Nachbarschaft zur Wallonie. Ausgewirkt hat sich ebenfalls die Tatsache, dass die DG kein einheitliches Gebiet ist, denn der Norden und der Süden sind durch das Hohe Venn voneinander getrennt. All dies hat die Dialekte mehr oder weniger geprägt.

Für allgemeine Erheiterung sorgten bei der Vorstellung des Dialektatlas zwei Reden auf Plattdeutsch des Lontzener Mundart-Dichters Jean Schoonbroodt („Der Piper und Freewellige Vüerwehr va Herbestel“) und von Hubert Jates aus Amel („Erenneronge van em Nokreechsjong“).

Dann stellten Robert Möller und Sandra Weber von der Universität Lüttich anhand konkreter Beispiele den Dialektatlas vor. Den Schlusspunkt setzte der Eifeler Mundart-Spezialist Raymond Andres mit einem Beitrag auf Mürringer Platt. (cre)

Nachfolgend eine Fotogalerie mit Bildern von der Vorstellung des Dialektatlas im Europasaal des Ministeriums der DG in Eupen. Zum Vergrößern Bild anklicken.

19 Antworten auf “Dialektatlas vorgestellt: Hat Platt in Ostbelgien noch Zukunft?”

  1. Eastwind

    Wer nicht mit Platt aufwächst, lernt es nie. So einfach ist das. Deshalb wird der Dialekt auf kurz oder lang aussterben, weil immer weniger Eltern mit der Zeit mit ihren Kindern Platt sprechen.

    • …und weil immer mehr Eltern überhaupt zu wenig mit ihren Kindern sprechen. Der Trend geht aber wieder zum Platt, ganz eindeutig (weil viele Erwachsenen ja auch kein richtiges Deutsch können!)

        • Bawe Urschel

          Richtig eastwind – Fakt ist aber, dass plattsprechende Kinder meist aus gutdeutschsprechenden Familien stammen – schlechtdeutschsprechende Eltern geben nur dieses weiter: schade! „Dat is wohl net jut, dat se in manschen Dörfern, auch in Sanfit, janz schlecht spreschen.“ Ein janz Jutes Beispiel is ne ehemalije Schöffin aus Sanfit: jrausaam!

        • Genau so ist es. Es gibt übrigens auch Eltern, die meinen,Plattdeutsch sei eine „niedere“ Sprache und sprechen aus diesem Grunde kein Platt mit ihren Kindern. Desweiteren, so glaube ich jedenfalls, gibt es in Bezug auf die plattdeutsche Sprache auch einen Mentalitätsunterschied zwischen dem Norden und dem Süden der DG.Während im Süden „querbeet“ noch Platt gesprochen wird, (vom Akademiker bis zum Hilfsarbeiter) scheint mir das im Norden nicht (mehr) so zu sein.
          Übrigens, die Behauptung, dass Plattsprechen im Schulalter dem Erlernen des Hochdeutschen schaden würde, ist meiner Meinung nach unbegründet.
          Die besten Germanisten die ich in der Eifel beispielsweise kenne, sprechen alle
          plattdeutsch

          • Sehr richtig. Es wurde an diesem Abend von Sprachwissenschaftlern bestätigt dass Kinder die zweisprachig (Plattdeutsch und Hochdeutsch) erzogen werden viel leichter eine Fremdsprache erlernen.

            • Öppe Alaaf

              Ich bin ja prinzipiell bei ihnen, aber … Wäre Deutsch plus Weltsprache nicht besser?

              Ich erinnere mich an andere Threads, in denen die Weltsprache schon zu viel war…Aber Platt als Zweitsprache würde das Gewissen vieler Eltern endlich entlasten, die zwar Einsehen, dass Sprachen nützlich sind, aber selbst Keine beherrschen. „Shit jou uff em Ejmer or on the waterklosett?“

              Ist die Antwort darauf dann „nur Platt in den Schulen“ der Gegenden, wo Platt im Alltag gesprochen wird? Deutsch ist dort Fremdsprache?

              Also ich persönlich finde Plattunterricht in der Schule so nötig wie einen Kropf mit Warzen! Welchen Unterricht will man denn ersetzen oder haben die Kinder nicht schon genug um die Ohren?

              …aber so ist das eben: Schreibt einer ein Buch über Platt, muss sofort jeder mit aufspringen.

              Öppe „Eupener Platz backen als Nebenfach“ Alaaf

              • @Öppe Alaaf
                Mein Beitrag in diesem Thread sollte die letze Aussage von PATRIOT bestätigen. Das oft angeführte Argument dass Plattdeutsch zu Hause die Deutschkenntnisse der Kinder schmälern würde ist absolut falsch. Im Gegenteil, an besagten Abend wurde von Sprachwissenschaftlern behauptet dass Plattdeutsch zu Hause die Mehrsprachigkeit nur fördern kann.
                Ich kann auch nur mit ihnen stimmen wenn sie sagen das man Plattdeutsch nicht in der Schule unterichten soll. Aus eigener Erfahrung kann ich ihnen bestätigen das man eine Sprache nur in den Grundkenntnissen auf einer Schule lernen kann. Eine ‚gesprochene‘ Sprache lernt man vor Ort in dem man die Sprache spricht.
                Wie würde so ein Plattkursus in einer Schule in Ostbelgien aussehen? Ostbelgien ist nun mal nicht Luxemburg wo es eine Rechtschreibung und eine mehr oder weniger einheitliche Aussprache gibt.
                Aber: Unsere Dialekte (von Nord bis Süd) sind nun mal ein (wichtiger) Teil unserer Kultur, und dazu sollten wir stehen und dies sollte wir fördern (und dies hoffentlich auch noch nach den Wahlen!)

      • Altweltenaffe

        Der Trend geht meiner Meinung nach eher Richtung Aussterben und deshalb begrüsse ich die Aktion. Es gab deren aber auch schon anderswo, in der deutschen Eifel. Ich hoffe, dass man sich auch mit denen Leuten ausgetauscht hat.
        Wer kein richtiges Hochdeutsch spricht, der spricht dann noch lange nicht Plattdeutsch.
        Plattdeutsch wird ja sogar in gewissen Schulen verboten, weil die Kinder sonst angeblich kein Hochdeutsch lernen. Die Schulleiter sind sich garnicht bewusst, dass sie den Kindern so ihre eigene Kultur verbieten.
        Ich liebe die Karnevalszeit, weil dann wirklich nochmal Platt gesprochen und gesungen wird, auch wenn das eher „Kölsch-Platt“ ist.

  2. Wir sollten tatsächlich darüber nachdenken das „Plattdeutsche“ schon in der Grundschule mit ein bis zwei Stunden pro Woche einzuführen.

    Auch wenn es hier eine nördliche und südliche Variante zu berücksichtigen gilt.

    • RallyFan

      Das Problem bei einer solchen Unternehmung ist allerdings, dass es sehr schwierig ist, einen echten Unterricht aus dem „Platt“ zu machen. Und eine Vereinheitlichung zu Unterrichtszwecken würde die Variëtäten der Dialekte zu Nichte machen.
      Desweiteren denke ich, dass es ganz und gar nicht im Sinne der Kinder wäre, neben Hochdeutsch und Französisch ein drittes Sprachenfach einzuführen. Das entspricht nicht dem Alter der Kinder.

      Platt zu Hause zu lernen funktioniert meist am besten und wie das auch richtigerweise gesagt wurde: Kinder, die zu Hause Platt und in der Schule HochDeutsch sprechen, lernen Fremdsprachen einfacher.

        • RallyFan

          Es geht ja nicht um die Benotung, sondern darum, dass a) die zwei Stunden irgendwo auch hergenommen werden müssen… Die Diskussion darüber, was in einem aktuellen Grundschulstundenplan überflüssig ist, ist aber zu anstrengend, als dass man sie hier austragen könnte.
          Und b) bin ich der festen Überzeugung, dass sich die Kinder, was lernen angeht, darauf konzentrieren sollten, die zwei Hauptsprachen des Landes so gut wie möglich zu beherrschen. Denn wenn ich bedenke, wie schlecht das Französisch vieler Menschen ist, die seit der Grundschule bis zum Abitur hin Französisch gelernt haben, dann rückt Platt – als Schulfach – schnell und weit in den Hintergrund.

          Was die Familien angeht, die den Dialekt nicht mehr beherrschen, so bringt das Fach in der Schule keinen echten Vorteil. Diejenigen, die Platt sprechen, werden in dem Unterricht gebremst, weil der Lehrer/die Lehrerin das Tempo für die drosseln muss, die es eben (durch die Familie) nicht sprechen können.

          Wie Herr Prof.Dr. Möller schon erwähnt hat, es sind doch überraschend viele Familien, in denen Platt noch jeden Tag gesprochen wird. Ich glaube also nicht, dass Platt in Gefahr ist.

  3. eifelbube

    Ob es was bringt Plattdeutsch als Schulfach einzuführen weiß ich nicht. Eine Bekannte von mir hat mit ihren Kindern nur Platt gesprochen – und die Kinder waren im Fach Deutsch Klassenbeste.

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