Nachrichten

Über den SV Meppen und die Union St. Gilloise in die Premier League: Das Fußball-Märchen des Deniz Undav

25.07.2021, Belgien, Brüssel: Deniz Undav von Union St. Gilloise feiert nach einem Tor. Aufsteiger Union bestreitet als Spitzenreiter nach der klassischen Phase der Meisterschaft die Champions Playoffs. Foto: Virginie Lefour/BELGA/dpa

Vor anderthalb Jahren wechselte der deutsche Drittliga-Fußballer Deniz Undav vom SV Meppen zum damaligen belgischen Zweitliga-Club Royale Union St. Gilloise. Daraus entwickelte sich ein beinahe märchenhafter Aufstieg.

Was ist eigentlich das schönere Fußball-Märchen: Dass ein Club, der 48 Jahre lang nicht in der 1. Division spielte, dort auf einmal als Aufsteiger mit großem Vorsprung auf Platz eins steht? Oder dass ein Stürmer, der über den TSV Havelse und den SV Meppen aus Deutschland kam, in dieser ersten belgischen Liga schon seit Monaten die meisten Tore schießt und deshalb am Montagabend einen Vertrag in der englischen Premier League erhielt?

Bei Union St. Gilloise kann einem die Antwort herzlich egal sein, denn beide Fragen gehen auf den schon 124 Jahre alten Traditionsclub aus der Region Brüssel zurück.

Siebe Van der Heyden von Union St. Gilloise und Isaac Nuhu von der AS Eupen kämpfen um den Ball. Foto: Belga

Der Sensations- Tabellenführer der Jupiler Pro League war in den vergangenen Tagen auch von Rekordmeister RSC Anderlecht (1:0) und dem amtierenden Meister FC Brügge (0:0) nicht einzufangen. Neun Punkte trennen den Aufsteiger bereits von seinen Verfolgern.

Damit könnte dem Brüsseler Traditionsverein das gelingen, was bisher nur wenigen Clubs gelungen ist: als Aufsteiger in die 1. Liga direkt danach Landesmeister zu werden. Das haben in England Nottingham Forest 1978, in Deutschland der 1. FC Kaiserslautern 1997-1998 und vor 10 Jahren Ludogorets in Bulgarien geschafft. Für die Royale Union wäre es zwar der 12. Landesmeistertitel, aber der erste seit dem letzten im Jahr …1935.

Über den 18-maligen Torschützen Deniz Undav, geboren in Achim bei Bremen, waren in der vergangenen Woche solche Schlagzeilen zu lesen: „Gladbach will Undav“, „Wolfsburg will Undav“ oder „Stefan Kuntz will Deniz Undav in die türkische Nationalmannschaft holen“. Letzteres ist noch offen, aber Gladbach und Wolfsburg kamen bei dem 25 Jahre alten Stürmer zu spät.

30.01.2022, Belgien, Brüssel: Deniz Undav von Union reagiert während des Fußballspiels zwischen Union St. Gilloise und RSC Anderlecht. Foto: Laurie Dieffembacq/BELGA/dpa

Undav, dessen Familie aus der Türkei stammt, unterschrieb einen Vertrag mit Brighton & Hove Albion. Er wird im Sommer zum Tabellenneunten der Premier League wechseln und bis dahin auf Leihbasis bei Union St. Gilloise bleiben. Beide Clubs haben mit dem Pokerspieler Tony Bloom denselben Besitzer.

„Manchmal muss ich mich kneifen“, sagte Undav der „Kreiszeitung Syke“ über seinen Aufsteig. Denn der Angreifer ist das, was sein früherer Trainer Torsten Lieberknecht gern einen „Profi auf dem zweiten Bildungsweg“ nennt.

Mit 16 Jahren wurde Undav bei Werder Bremen aussortiert, mit 21 bot ihm Eintracht Braunschweig für die 3. Liga keinen neuen Vertrag an. Nach sechs Jahren beim SC Weyhe, TSV Havelse und bei Eintracht II wechselte Undav 2018 zum SV Meppen, für den er in seiner zweiten Drittliga-Saison 17 Tore schoss. Danach war klar, dass er es auf Umwegen doch noch in den Profifußball schaffen wird.

Dass er sich 2020 für die damals noch zweitklassige Union St. Gilloise entschied und nicht für einen deutschen Erst- oder Zweitliga-Club, wunderte seinerzeit viele. In der Rückschau erklärt Undav das aber auch mit seinen Erfahrungen in Bremen und Braunschweig.

„Kein anderer Verein ist in die Offensive gegangen – nur die Union“, sagte er. „Sie haben alles gegeben, alle zwei Tage meinen Berater angerufen. Ich habe gemerkt: Die kämpfen um mich, da bekomme ich zum ersten Mal richtige Wertschätzung. Das Gefühl kannte ich nicht.“

09.07.2019, Belgien, Brüssel: Das Logo des Traditionsclubs Royale Union St. Gilloise an der Fassade der Haupttribüne des Stade Joseph Marien in der Brüsseler Gemeinde Forest. Foto: Shutterstock

Die spektakuläre Entwicklung seines Teams hat derweil viele Gründe: ein eingespieltes Team, ein erfahrener Trainer wie Felice Mazzu sowie kluge Transfers.

Der Clubbesitzer Bloom rekrutiert Spieler nach ähnlichen Prinzipien, wie sein Unternehmen den Wert von Sportwetten ermittelt: mit akribischer Datenanalyse. Auch delegierte er nach dem Aufstieg talentierte Spieler wie den Japaner Kaoru Mitoma und den Polen Kacper Kozlowski von Brighton nach Belgien. Undav wird im Sommer 2022 den umgekehrten Weg gehen und sich so seinen Traum von „einer der fünf Top-Ligen Europas“ erfüllen.

Dem belgischen Fußball kommt der Erfolg seines Überraschungsteams ebenfalls gerade recht. Die Staatsanwaltschaft will demnächst 57 Verdächtige in einem 2018 aufgedeckten Skandal um Geldwäsche, Betrug und Spielmanipulation anklagen. Involviert sind auch Vertreter des Verbandes, des FC Brügge und des RSC Anderlecht. „Bei so viel schlechten Nachrichten will man ab und zu gern an Märchen glauben“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ über die Royale Union St. Gilloise.

Es ist wahrscheinlich vorerst das letzte Mal, das der belgische Landesmeister einen Startplatz in der Gruppenphase der Champions League sicher hat. Um in der Königsklasse des europäischen Fußballs im Fall eines Meistertitels, der wegen der noch zu bestreitenden Playoffs 1 doch sehr fraglich ist, ähnlich glänzen zu können wie in der laufenden Saison in der Jupiler Pro League, hätte die Union St. Gilloise ein noch viel größeres Wunder nötig – und das obendrein ohne Deniz Undav. (dpa/cre)

3 Antworten auf “Über den SV Meppen und die Union St. Gilloise in die Premier League: Das Fußball-Märchen des Deniz Undav”

  1. Fußballkritiker

    Deniz Undav ist wahrscheinlich ein Grund für den Höhenflug von Union St. Gilloise. Die AS Eupen und die Union St. Gilloise lagen einmal gleichauf. Inzwischen stürmt der Brüsseler Club auf einen unerwarteten Meistertitel zu, während Eupen gegen den Abstieg kämpfen muss.

  2. Peter Müller

    Ja wenn es läuft haben sie es alle richtig gemacht, kennen wir ja. Ein Jahr später ist schon wieder alles Schnee von gestern. Da wid eine Mannschaft überlegen Meister,, bekommt als dank Punkte abgezogen und müssen sich in einer Play – off Runde noch einmal beweisen. Wieso sind immer so Kranke Menschen in den Führungspositionen. Normale Menschen lassen sich so etwas nicht einfallen, oder ist Korruption im Spiel ?

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern