Notizen

Rassismus durch einen Unparteiischen: Spielabbruch in Champions League – Signal gegen Diskriminierung?

08.12.2020, Frankreich, Paris: Der rumänische Schiedsrichter Ovidiu Hategan (5.v.l) spricht mit Mitarbeitern des Istanbul Basaksehir neben Demba Ba (5.v.r) von Istanbul Basaksehir. Foto: Franck Fife/AFP/dpa

AKTUALISIERT – Ein Foul, Rufe, eine Rote Karte – und dann sehr aufgebrachte Funktionäre und Spieler bei Basaksehir Istanbul. Der Vorwurf: Der Vierte Offizielle hat sich rassistisch geäußert. Das Spiel gegen Paris Saint-Germain wird abgebrochen – und soll noch beendet werden.

Neymar, Kylian Mbappé, Thilo Kehrer – in den Stunden nach dem abgebrochenen Champions-League-Spiel gegen Basaksehir aus Istanbul zeigten sich die Fußball-Profis von Paris Saint-Germain auch im Internet solidarisch.

“Diskriminierung hat keinen Platz. Nicht im Fußball, nicht auf der Welt“, schrieb Nationalspieler Kehrer auf Instagram, Neymar veröffentlichte ein „BLACK LIVES MATTER“ (Schwarze Leben zählen) und von Mbappé hieß es: „Say no to Racism. M. Webo we are with you“ (Wir sind bei dir).

08.12.2020, Frankreich, Paris: Demba Ba (r) von Istanbul Basaksehir gestikuliert neben Neymar (l) von PSG und Kylian Mbappé (2.v.l) von PSG. Foto: Franck Fife/AFP/dpa

Nachdem das Team von Trainer Thomas Tuchel wie die Gegner das Feld verlassen und ein deutliches Signal gegen Rassismus gesetzt hatten, bewiesen die Pariser auch danach Haltung.

Warum das nötig war? Der Assistenztrainer der Gäste, der frühere kamerunische Nationalspieler Pierre Webo, hatte in der ersten Halbzeit die Rote Karte gesehen, dabei soll es zu einer rassistischen Beleidigung durch den Vierten Offiziellen gekommen sein.

Sebastian Colţescu wurde vorgeworfen, eine rassistische Formulierung für Schwarze benutzt zu haben, die im Deutschen inzwischen mit dem Begriff „N-Wort“ umschrieben wird. Dieser Ausdruck war im leeren Prinzenpark-Stadion während der TV-Übertragung deutlich zu hören.

Die Partie wurde schließlich beim Stand von 0:0 abgebrochen und soll an diesem Mittwoch (18.55 Uhr) fortgesetzt werden. Die Europäische Fußball-Union teilte am späten Dienstagabend mit, dass das komplette Schiedsrichter-Team ausgetauscht werde. Der Dachverband kündigte eine „gründliche Untersuchung“ an.

Durch das 3:2 von RB Leipzig gegen Manchester United ist Paris sicher im Achtelfinale, kann die Sachsen aber noch von Platz eins der Gruppe verdrängen.

08.12.2020, Frankreich, Paris: Okan Buruk (r), Trainer von Istanbul Basaksehir, spricht mit dem Vierten Offiziellen Sebastian Coltescu. Foto: Francois Mori/AP/dpa

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verurteilte „die rassistische Aussage gegenüber Pierre Webo“ und teilte via Twitter mit: „Wir sind bedingungslos gegen Rassismus und Diskriminierung im Sport und in allen Lebensbereichen.“

Frankreichs Sportministerin Roxana Maracineanu lobte das Verhalten der Profis beider Teams. „Heute Abend haben Sportler, Athleten eine historische Entscheidung getroffen gegenüber einer Einstellung, die sie als inakzeptabel beurteilt haben“, schrieb die Ministerin am späten Dienstagabend bei Twitter. Sie warte die Ergebnisse der Untersuchung ab. „Aber ich kann die starke Symbolik ihrer Geste und ihrer Solidarität nur begrüßen.“

Wie zudem zu hören war, soll das Schiedsrichter-Team aus Rumänien versucht haben, sich damit zu verteidigen, dass der Vierte Offizielle das rumänische Wort für Schwarzer (negru) benutzt habe und nicht das „N-Wort“.

Webo, der frühere Hoffenheimer Demba Ba und andere waren anschließend zu hören, wie sie lautstark darauf hinwiesen, dass die Schiedsrichter bei einem weißen Spieler auch nicht „der Weiße“ gesagt hätten, um diesen zu identifizieren.

Basaksehir twitterte sofort nach dem Vorfall das Logo der UEFA-Kampagne „No to Racism – Respect“. In den sozialen Netzwerken bekundeten Tausende ihre Solidarität, auch Vereine aus der Bundesliga positionierten sich gegen Rassismus.

08.12.2020, Frankreich, Paris: Der rumänische Schiedsrichter Ovidiu Hategan (l) spricht mit Mitarbeitern von Basaksehir neben Demba Ba (2.v.r) von PSG und Deniz Turuc (23) von Basaksehir. Foto: Franck Fife/AFP/dpa

Schiedsrichter Ovidiu Hategan, der versuchte, die Spieler zum Weitermachen zu bewegen, hatte schon mal mit Rassismus in einem Champions-League-Spiel zu tun. Vor sieben Jahren leitete er die Partie von Manchester City bei ZSKA Moskau, in der ihn Yaya Touré auf beleidigende Rufe aus dem Publikum aufmerksam gemacht hatte. Hategan hatte die Vorfälle in seinen Spielbericht aufgenommen, aber ansonsten keine weiteren Maßnahmen eingeleitet. ZSKA hatte in der Folge im Heimspiel gegen den FC Bayern München auf einen Teil der Zuschauer verzichten müssen.

RB Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann bekam die Vorfälle im Parallelspiel zunächst nur am Rande mit. Er habe während der Partie gegen Manchester United (3:2) zunächst nur gehört, dass es „um Beleidigungen geht“, sagte er. „Das verurteile ich aufs Schärfste. Wir leben in einer bunten Gesellschaft, das ist auch gut so, so etwas sollte nicht passieren, nicht auf dem Fußballplatz und auch sonst nirgendwo.“ (dpa)

Anti-Rassismus-Netzwerk: „Zeichen in Europa“

Das „Fare“-Netzwerk gegen Diskriminierung sieht in den Ereignissen beim Champions-League-Spiel in Paris ein wichtiges Signal im Kampf gegen Rassismus.

„Dass Basaksehir und PSG zusammen das Spielfeld verlassen haben, setzt ein Zeichen in Europa“, sagte der Fare-Geschäftsführer Piara Powar der Nachrichtenagentur AP. Viele Fußballprofis seien halbherzige Maßnahmen gegen Rassismus leid und mehr denn je gewillt, bei Vorfällen selbst ein Spiel zu unterbrechen.

„Wenn Offizielle nicht mit ihrem eigenen Verhalten Standards setzen können, dann kann man sich auch nicht darauf verlassen, dass sie mit Rassismus auf dem Platz oder den Tribünen umgehen können“, sagte Experte Powar. Das Fare-Netzwerk berät die Europäische Fußball-Union UEFA bei der Strafverfolgung von Vorfällen wie denen in Paris. (dpa)


Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

20 Antworten auf “Rassismus durch einen Unparteiischen: Spielabbruch in Champions League – Signal gegen Diskriminierung?”

  1. Das N-Wort ? Darf man es jetzt nicht mal mehr schreiben? Ist N-Wort dann nicht ein Synonym für Neger und es kommt dann auf’s Gleiche raus, ob man N-Wort sagt oder verbotene das N-Wort.
    Bei aller Ablehnung von Rassismus,Frauenfeindlichkeit,…… diese verlogene politische Korrektheit wird langsam krankhaft.

  2. Hausmeister

    Als unter Mobutu, der Kongo Zaire hieß, war man schon Rassist wenn man dennoch Kongo sagte. Heute ist wieder alles beim alten. Irgendwann darf man vielleicht auch wieder Neger sagen.

    • Corona2019

      @ – 5/11

      Die Möglichkeit mit den zwei Fernseh Abenden sollte man in Betracht ziehen .

      Eine andere Möglichkeit ist , das Leute mit zu viel Kapital auf etwas gesetzt hatten , das nur ein Spiel-
      Abbruch für Veranstalter krimineller Machenschaften die Kasse klingeln lassen konnte .

    • Das hätten sie nicht verraten dürfen. Das schöne friedliche Lied kommt jetzt auf die schwarze Liste. Ups, auf die S-Liste.
      Auf Phoenix,ZDF-Info,… läuft heute Nacht, wie jeden Nacht ,irgendwas über Hitler.
      Hitlers Panzer,Hitlers Flugzeugträger, Rommels irgendwas…. das ist normal.
      Aber wenn man Flüchtling sagt statt Geflüchteter ist er ein Rassist.

  3. Eigentlich eine richtige Entscheidung der beiden Mannschaften. Allerdings stelle ich mir die Frage, ob die Schiedsrichter (oder das gesamte Schiedsrichtergespann) auch das Spiel vorzeitig abbrechen dürfen, wenn Beleidigungen jeglicher Art auf sie einprasseln. Das müsste ja dann auch erlaubt sein. Dann werden demnächst 80 Prozent der Spiele vorzeitig beendet. Vor allem der 4. Schiedsrichter muss sich 90 Minuten von beiden Seiten was anhören.

  4. Da sagte also Colțeanu “negru”. Hierbei handelt es sich zuerst mal um das rumänische Wort für die Farbe schwarz. Somit ist der Verweis auf N-Wort, das verächtliche Nigger sowie das kaum bessere Neger, nicht korrekt. Englisch und Deutsch haben mit black und schwarz angemessenere Worte für die Bezeichnung der Farbe.
    Ja auch im Rumänischen würde man „negru“ für Neger verwenden. Ja in Ost- und Südosteuropa ist man im Sprachgebrauch (auch heute noch) etwas weniger zart in der Bezeichnung und im Umgang mit Menschen nicht weißer Hautfarbe.

    Vorzuwerfen ist dem Herrn, dass er bei diesem Täter des Fehlverhaltens spezifiziert hat, dass es sich um einen Schwarzen handelt. Die Frage, wie er das bei einem Weißen gehandhabt hätte, ist berechtigt.

    Ansonsten in diesem Falle: viel Lärm um nichts. Gekrönt durch Erdogan, der die Tat eines rumänischen Schiedsrichters als Beleg für den florierenden Rassismus in Frankreich qualifiziert.

  5. Peter Müller

    Wer interessiert sich denn dafür. Einen Freund nennen wir auch, solange ich denken kann do Schwatte, na und.
    Was haben und müssen wir uns alles anhören beim Fussball, wenn wir in der Wallonie spielen gingen.
    Ich bin mit Neger ,Negerkuss Sarotti Mohr und Rothaut aufgewachsen. Das wir das Problem haben ,sind nur unsere Politiker Schuld.

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