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Mal war er „der deutsche Pelé“, mal „der Kohleneimer“: Ohne Standard Lüttich wäre Erwin Kostedde wohl nicht der erste schwarze deutsche Nationalspieler geworden

27.04.1969, Belgien, Waregem: Durch einen 2:0-Sieg in Waregem sichert sich Standard Lüttich die Meisterschaft 1969. Nach dem Schlusspfiff tragen die Fans der „Rouches“ Erwin Kostedde, den Schützen des zweiten Treffers für Standard, auf Händen. Foto: Belga

Das Leben hat Erwin Kostedde nicht immer gut mitgespielt. Unter Rassismus hat der erste schwarze deutsche Nationalspieler immer gelitten. Solange er Tore schoss, war er der „deutsche Pelé“. Lief es nicht, war er der „Kohleneimer“. An diesem Freitag wird Kostedde, der von 1968 bis 1971 sowie in der Saison 1978-1979 in Belgien für Standard Lüttich spielte, 75 Jahre alt.

Von 1968 bis 1971 stand Erwin Kostedde, der später der erste schwarze deutsche Fußball-Nationalspieler wurde, bei Standard Lüttich unter Vertrag. In Sclessin war der vom Meidericher SV (Duisburg) verpflichtete Deutsche der Nachfolger des nach Alemannia Aachen abgewanderten „enfant terrible“ Roger Claessen. Mit den „Rouches“ wurde Kostedde drei Mal in Folge belgischer Meister und im Jahr 1971 belgischer Torschützenkönig.

25.05.1973, Hessen, Offenbach: Erwin Kostedde (r) als Spieler der Offenbacher Kickers, zu denen er nach seiner Zeit bei Standard Lüttich gewechselt war, schießt den Ball ins Tor zum 1:1 bei einem Spiel gegen den 1. FC Köln (aufgenommen im Mai 1973). Der Kölner Spieler Weber (M), konnte den Schuss nicht verhindern. Erwin Kostedde wurde später der erste schwarze deutsche Nationalspieler. Foto: picture alliance / dpa

An diesem Freitag feiert Erwin Kostedde seinen 75. Geburtstag. Dieser findet in allen deutschen Medien deshalb viel Beachtung, weil er im Dezember 1974 der erste schwarze deutsche Fußball-Nationalspieler wurde, an der Seite der damaligen Weltmeister Franz Beckenbauer & Co.

Womöglich hätte es Kostedde ohne die drei Jahre bei Standard Lüttich nicht so weit gebracht, denn erst durch seine Erfolge als Mittelstürmer der „Rouches“, mit denen er in der Saison 1969-1970 im Europapokal der Landesmeister die große Mannschaft von Real Madrid ausschaltete und das Viertelfinale erreichte, wurde die Bundesliga auf ihn aufmerksam.

Kostedde spielte nach 1971 für Kickers Offenbach, Hertha BSC, Borussia Dortmund und Werder Bremen. In 219 Bundesliga-Partien erzielte er 98 Tore. In den drei Jahren in Belgien hatte er in 67 Spielen 51 Treffer erzielt.

Trotz der vielen Erfolge hat Kostedde auch gelitten. Als Spieler litt er unter seiner Hautfarbe, und nach seiner aktiven Karriere verlor er fast sein ganzes Geld an einen Anlagebetrüger.

Bei Standard Lüttich sollte Erwin Kostedde den legendären Torjäger Roger Claessen ersetzen, der 1968 zum Bundesliga-Aufsteiger Alemannia Aachen gewechselt war. Mit Standard wurde Kostedde drei Mal in Folge Landesmeister. Foto: picture-alliance/dpa

An den existenziellen Abgrund brachte ihn jedoch eine zu Unrecht erfolgte Verhaftung und Anklage wegen eines Raubüberfalls auf eine Spielhalle in Coesfeld im Sommer 1990. Kostedde wurde nach einem halben Jahr Haft, in der er fast zerbrach, freigesprochen.

„Ich knabbere heute noch daran. Wenn meine Familie nicht gewesen wäre, hätte ich mir das Leben genommen“, sagte Kostedde, der sein Leben als „ein Elend“ bezeichnete.

Zeitlebens hat der Sohn eines afroamerikanischen GI’s und einer deutschen Mutter unter Rassismus gelitten – bis heute. „Es hat sich etwas gewandelt, aber man darf in Deutschland, in Frankreich oder Amerika keine andere Hautfarbe haben. Die Hautfarbe, die trennt“, sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Erwin Kostedde war der Exot im deutschen Fußball. Für seine Tore wurde er als „deutscher Pelé“ gefeiert. Blieben die Torerfolge aber aus, wurde er angefeindet, attackiert und unsäglich beleidigt als „Kohleneimer“, so wie einst von Anhängern von Borussia Dortmund (1976-1978).

„Wenn ich schlecht gespielt hatte, habe ich mich gefragt, ob die Fans Spieler mit weißer Hautfarbe auch so ausgepfiffen hätten“, sagte Kostedde. „Schlecht spielen durfte ich nicht. Geduld hat man mit mir nicht gehabt.“

Erwin Kostedde (l) in Aktion in einem Bundesligaspiel der Offenbacher Kickers gegen Schalke 04 am 17.02.1975. Foto: picture-alliance/dpa

Geduldig musste er selbst sein, bis er in die Nationalmannschaft berufen wurde und am 22. Dezember 1974 auf Malta sein Debüt mit 28 Jahren geben durfte. Franz Beckenbauer gehörte zu seinen Fürsprechern. „Ich war der erste farbige Nationalspieler. Darauf war ich stolz“, sagte er.

Es sollten aber nur noch zwei in England und Griechenland folgen: „Ich hätte mehr Länderspiele haben können, passte aber nicht in die Mannschaft, das habe ich gemerkt.“ Pech hatte er, dass Gerd Müller als genialer Nationalstürmer ihm die Tür versperrte. „Ich habe es ihm gegönnt“, betonte Kostedde.

Beim VfL Osnabrück beendete er die Karriere. In der Saison 1978-1979 kehrte er noch einmal zum Standard nach Lüttich zurück, erzielte in 15 Spielen 6 Treffer. Er versuchte sich nach dem Ende seiner Spielerkarriere auch als Trainer, aber mit wenig Erfolg.

Nicht nur bei Standard Lüttich hat man Erwin Kostedde in bleibender Erinnerung behalten. Das im November 1994 gegründete Fanmagazin der Offenbacher Kickers (heute Regionalliga Südwest) trägt ihm zu Ehren den Titel „Erwin“. (cre/dpa)

Nachfolgend ein VIDEO mit einem Gespräch mit Erwin Kostedde:

https://twitter.com/dw_sport/status/1317126653429112834?s=21

https://twitter.com/oldfootball11/status/1395837063606546434?s=21

https://twitter.com/oldfootball11/status/747302142600327169?s=21

https://twitter.com/oldfootball11/status/805424016655785984?s=21

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