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Austritt und Auszeit nach neuem Skandal: Das Ende des Tübinger OB Boris Palmer bei den deutschen Grünen

20.02.2019, Berlin: Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, sitzt bei einer Berlin-Tour im Bus. Foto: Christoph Soeder/dpa

Die Beziehung zwischen Boris Palmer und den Grünen war nie einfach. Mit polarisierenden Aussagen brachte er vor allem die linken Vertreter seiner Partei gegen sich auf, musste seine Mitgliedschaft ruhen lassen. Jetzt hat er seinen Austritt erklärt.

Es kann in der Politik manchmal schnell gehen: Ende Oktober jubelte Boris Palmer noch auf dem Tübinger Marktplatz über seinen dritten Wahlsieg als Oberbürgermeister, dirigierte mit großer Geste die angetretene Blaskapelle – und es schien nur eine Frage der Zeit, bis die Grünen ihren wohl bekanntesten Bürgermeister wieder in die Partei aufnehmen würden.

23.10.2022, Baden-Württemberg, Tübingen: Boris Palmer, der alte und neue Oberbürgermeister von Tübingen, kommt nach seiner Wiederwahl auf den Marktplatz und empfängt Glückwünsche. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer ist bei den Grünen ausgetreten. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Seit Montagabend ist klar: Die Geschichte von Boris Palmer und den Grünen ist beendet – nach einem Eklat wegen Äußerungen Palmers zum Judenstern und Vorwürfen des Rassismus gegen ihn.

Der 50-Jährige, dessen Mitgliedschaft eigentlich nur noch bis Ende 2023 ruhen sollte, ist aus der Partei ausgetreten. Seine Austrittserklärung sei eingegangen, der Austritt gelte unmittelbar, teilte eine Sprecherin des Landesverbands am Montag in Stuttgart mit. Palmer bestätigte der Deutschen Presse-Agentur den Austritt.

Der Austritt markiert das vorläufige Ende einer heftigen Debatte rund um Palmer. Er hatte am Freitag mit einer verbalen Auseinandersetzung mit einer Gruppe vor einer Migrationskonferenz in Frankfurt am Main für Aufsehen gesorgt. Vor einem Gebäude der Goethe-Universität hatte er zu Art und Weise seiner Verwendung des „N-Wortes“ Stellung bezogen.

Als er mit „Nazis raus“-Rufen konfrontiert wurde, sagte Palmer zu der Menge: „Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi. Denkt mal drüber nach.“ Mit dem sogenannten N-Wort wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.

23.10.2022, Baden-Württemberg, Tübingen: Boris Palmer (l), der alte und neue Oberbürgermeister von Tübingen, bekommt nach seiner Wiederwahl auf dem Marktplatz Glückwünsche von Rezzo Schlauch. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Nach seinen Äußerungen in Frankfurt war es innerhalb von wenigen Tagen sehr einsam um den Tübinger Oberbürgermeister geworden, auch enge Wegbegleiter distanzierten sich von ihm.

Palmers Anwalt Rezzo Schlauch, der ihn noch im gegen ihn gerichteten Parteiausschlussverfahren vertreten hatte, sagte: „Unmittelbar nach Kenntnis über den von Boris Palmer in Frankfurt zu verantwortenden Eklat habe ich ihm meine persönliche und meine politische Loyalität und Unterstützung sowie meine juristische Vertretung aufgekündigt.“

Schlauch, der früher selber für die Grünen politisch aktiv war, erklärte weiter: „Keine noch so harte Provokation, keine noch so niederträchtigen Beschimpfungen und Beleidigungen von linksradikalen Provokateuren rechtfertigten, eine historische Parallele zum Judenstern als Symbol der Judenverfolgung in Nazi-Deutschland herzustellen. Da gibt es nichts mehr zu erklären, zu verteidigen oder zu entschuldigen.“ Schlauch hatte Palmer auch beim Wahlkampf in Tübingen unterstützt.

Auch andere Vertreter der Grünen gingen deutlich auf Abstand. Der Grünen-Stadtverband Tübingen verurteilte „die wiederholte Verwendung des N-Wortes und den inakzeptablen Vergleich mit dem Judenstern“ durch Palmer. „Wir bedauern, dass erneut durch Aussagen von Boris Palmer viele Menschen verletzt wurden.“

Das Rathaus von Tübingen. Foto: Pixabay

Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, schrieb auf Twitter von einem „neuerlichen Tiefpunkt von Boris Palmer“. Sie nannte seinen Austritt am Abend „folgerichtig“.

Palmer selbst veröffentlichte am Montag eine persönliche Erklärung und kündigte eine Auszeit an. Er schrieb, er entschuldige sich bei den Menschen, „die ich enttäuscht habe“, und betonte mit Blick auf seine Worte in Frankfurt, er hätte als Oberbürgermeister „niemals so reden dürfen“. Dass der Eindruck entstanden sei, er würde den Holocaust relativieren, „tut mir unsagbar leid“.

Weiter schrieb Palmer: „Eines ist mir klar: So geht es nicht weiter.“ „Die wiederkehrenden Stürme der Empörung kann ich meiner Familie, meinen Freunden und Unterstützern, den Mitarbeitern in der Stadtverwaltung, dem Gemeinderat und der Stadtgesellschaft insgesamt nicht mehr zumuten.“ Er wolle in seiner Auszeit „professionelle Hilfe“ in Anspruch nehmen, um eine bessere Selbstkontrolle zu erlangen. „Wenn ich mich zu Unrecht angegriffen fühle und spontan reagiere, wehre ich mich in einer Weise, die alles nur schlimmer macht.“

Die Aufregung um seine Äußerungen in Frankfurt ist nicht die erste, die Palmer mit pointierten Aussagen ausgelöst hatte. Bereits im Mai 2021 hatte er in einem Facebook-Beitrag über den früheren Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo, der einen nigerianischen Vater hat, das sogenannte N-Wort benutzt. Dies hatte massive Kritik auch bei seinen damaligen grünen Parteikollegen ausgelöst.

18.05.2022, Baden-Württemberg, Tübingen: Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, aufgenommen bei einem Pressetermin. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Ein Parteiausschlussverfahren endete vor einem Jahr mit dem Kompromiss, dass Palmer seine Parteimitgliedschaft bis Ende 2023 ruhen lässt. Im Oktober 2022 war er in Tübingen als unabhängiger Kandidat angetreten und im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit für eine dritte Amtszeit wiedergewählt worden. Er ist seit 2007 Oberbürgermeister der Universitätsstadt.

Auch mit pointierten Äußerungen zur Flüchtlingspolitik sorgte er immer wieder für Kontroversen und sah sich Rassismusvorwürfen ausgesetzt. Bundesweite Aufmerksamkeit und Anerkennung gab es aber auch sein Management während der Corona-Pandemie sowie seine kommunale Umweltpolitik.

Zurück zur Wahlparty auf dem Tübinger Marktplatz: Dass sich die Grünen nach der Wiederwahl auf einen lauten und unbequemen Boris Palmer einstellen müssen, machte der alte und neue Oberbürgermeister schon am Wahlabend im Oktober 2022 deutlich. Zu den Journalisten sagte er: „Warum sollte ein Oberbürgermeister, der zum dritten Mal mit Mehrheit gewählt wird, seinen Stil ändern?“ (dpa)

Zum Thema Boris Palmer nachfolgend ein Tweet mit einem Kommentar:

16 Antworten auf “Austritt und Auszeit nach neuem Skandal: Das Ende des Tübinger OB Boris Palmer bei den deutschen Grünen”

  1. …bleiben Sie wie Sie sind Boris Palmer !!!

    Endlich mal ein Politiker ohne das übliche Gesülze..

    Davon sollten sich andere Politiker ‚eine Scheibe abschneiden‘
    Mehr von dieser Sorte wären auch hier erwünscht.!

  2. der heilige josef

    Herr Palmer aus dem Dorf Tübingen versteht nichts von den Problemen dieser Welt da kann er sich ruhig aus dem Fenster hängen und sich freuen wenn der rechte Rand wieder einmal seine Thesen unterstützt.

  3. Das war, meiner Meinung nach, ein gezielter Akt der Grünen Partei um ihn los zu werden. Aber los sind sie ihn jetzt noch lange nicht! Sie haben ihm einen Märtyrer Status verliehen und ihm die Möglichkeit verschafft sich von der grünen Partei und ihren Ideologien vollends abzugrenzen. Die Grünen werden noch sehen was sie davon haben, wenn sie den letzten nicht ideologisch verblendeten, realistischen Politiker aus ihrer Partei entlassen.
    Die Bürger wählen ihre Vertreter, nicht die Partei. Der Kerl hat internationale Auszeichnungen für seine Arbeit im Umweltschutz und der Förderung der Deutsch-Französischen Beziehungen erhalten. Er hat ein abgeschlossenes Studium und ist fähig zu diskutieren. So einen Kerl aus der Partei raus zu ekeln weil er nicht die Parteilinie vertritt sagt mehr über die Partei als über ihn selbst aus.

    • Das stimmt, aber im Gegensatz zu seinen Parteikollegen kann man ihm nicht vorwerfen, dass er Drohungen vortäuscht und die Polizei für Wählerbetrug missbraucht, dass er einen Krieg mit einer Atommacht angezettelt hat, dass er mit Doppelmoral seinem eigenen Volk eine schleichende Verarmung aufbürdet und zeitgleich das Gegenteil in der Außen- und Handelspolitik gut heisst, dass er seinen Lebenslauf geschönt hätte …

    • Robin Wood

      Immerhin zieht er die Konsequenzen und nimmt schonmal eine Auszeit, während andere wie Habeck und Co. an ihrem Sessel der Macht kleben.
      Nichtsdestotrotz hat er bei mir seine Sympathien während der Corona-Politik verloren.
      Er entschuldigte sich zwar bei den Menschen in Frankfurt, die er „enttäuscht hat“, aber wo bleibt die Entschuldigung bei den Nichtgeimpften, die er öffentlich verunglimpft und ausgegrenzt hat? Und wo bleibt seine Entschuldigung bei den Menschen, die sich auch aufgrund seiner öffentlichen Aussagen und Diffamierungen unter Druck haben impfen lassen und nun einen schweren Impfschaden haben?

  4. N Wort ?

    Ohne Worte. Wieso wird in der Berichterstattung nur von dem N-Wort gesprochen ? Wenn er Neger gesagt hat, dann soll das auch so berichtet werden. Es ist doch kein Rassismus wenn man das Wort nicht als Schimpfwort oder Verunglimpfung nutzt, sondern darüber berichtet das jemand Neger gesagt hat ? Darf das Wort überhaupt nicht mehr ausgesprochen werden, egal in welchem Kontext ? Erinnert mich an den, dessen Name nicht gennant werden darf….. NICHT WEITERLESEN : Voldemort

  5. Gastleser
    Das Wort N… ist so was von abgedroschen und zwischenzeitlich langweilig geworden wenn man jemand weg haben will benutzt man es denn es wurde vor ca 75 jahren verwendet mal ist langweilig denn wen interressiert es noch, ein paar die nichts zu tun haben und um ihren Job fürchten und arbeit brauchen um zu beweisen wie wichtig sie sind

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