Politik

Antonios Antoniadis im Interview drei Monate nach der Wahl: „Ich bin ein Mensch, der nach vorne blickt“

Antonios Antoniadis war DG-Minister von 2014 bis 2024. Foto: privat

Zehn Jahre war Antonios Antoniadis Minister. Gerne wäre es auch noch nach der PDG-Wahl vom 9. Juni geblieben. Weil sich aber die ProDG von Ministerpräsident Oliver Paasch für eine Koalition mit der CSP und für die PFF als dritten Partner entschieden hat, musste die SP in die Opposition.

Antoniadis erklärte schon früh, dass er sein Abgeordnetenmandat im Parlament der DG nicht annehmen werde. Danach hörte man nichts mehr von ihm.

Zuletzt war sein Name wieder in aller Munde, ebenso wie der von Isabelle Weykmans (PFF), nachdem die neue Regierung die Anträge der beiden scheidenden Minister auf Zahlung einer Austrittsentschädigung genehmigt hatte, was sogleich in der Öffentlichkeit auf Kritik stieß.

Antonios Antoniadis bei einer Veranstaltung der ostbelgischen Sozialdemokraten und Sozialisten.. Foto: SP

Knapp drei Monate nach dem 9. Juni sprach „Ostbelgien Direkt“ mit Antonios Antoniadis über seine Enttäuschungen nach der PDG-Wahl, die Kritik von Karl-Heinz Lambertz an Edmund Stoffels und Oliver Paasch, das heikle Thema Austrittsentschädigung sowie seine Zukunft.

OD: Was macht Antonios Antoniadis heute?

Antonios Antoniadis: Ich habe eine Woche Urlaub genommen. Das war kurz, aber es hat gut getan. Ich gebe aktuell auf Anfrage Sprechstunde. Wenn Menschen ein soziales Anliegen haben, Fragen zu Energiebeihilfen oder der Raumordnung sie beschäftigen, dann gebe ich weiterhin Ratschläge und Orientierung. Außerdem helfe ich seit zwei Wochen bei einem Sozialbetrieb in der Geschäftsführung aufgrund eines Ausfalls aus. Im Herbst übernehme ich in Teilzeit neue Aufgaben innerhalb der VoG CAB Integra und bleibe der organisierten Zivilgesellschaft (*) damit treu. Ich nehme mir außerdem Zeit für die Familie. Das war in der Vergangenheit nicht möglich.

(*) „Organisierte Zivilgesellschaft“ ist ein Sammelbegriff für alle Formen sozialen Handelns von Einzelnen oder Gruppen, die weder mit staatlichen Behörden verbunden sind noch von diesen verwaltet werden.

OD: Wie sehr macht Ihnen das Ausscheiden aus der Regierung, der Sie zehn Jahre angehört haben, zu schaffen?

Antonios Antoniadis (r) 2014 in der ersten Regierung von Ministerpräsident Oliver Paasch (2.v.l.) mit Harald Mollers (l) und Isabelle Weykmans (2.v.r.). Foto: OD

Antoniadis: Es wäre nicht ehrlich, wenn ich behaupten würde, das Ganze hätte mich kalt gelassen. Die Möglichkeit zu gestalten und Dinge zum Positiven zu verändern, fehlt mir natürlich. Der Kontakt zu Menschen und Organisationen war besonders. Ich erhalte noch immer viel Zuspruch aus der Bevölkerung. Das hat mir Kraft gegeben. Ich bin aber ein Mensch, der nach vorne blickt und neue Wege sucht, um mitanzupacken. Hauptsache, ich kann anderen Menschen helfen.

OD: Keine Politik mehr? Weder bei den Kommunalwahlen im Oktober 2024 noch danach?

Antoniadis: Viele Menschen haben mich aufgefordert in Eupen oder in Kelmis als Bürgermeisterkandidat anzutreten. Das ehrt mich. Ich schätze die Arbeit, die auf kommunaler Ebene gemacht wird. Sie ist sehr nah an der Bevölkerung. Aber ich hätte es nicht für richtig gefunden, so kurz nach der DG-Wahl in den Kommunalwahlkampf einzusteigen. Was die Zukunft bringt, das kann ich aktuell nicht sagen. Hier und heute steht für mich fest, dass ich kein politisches Mandat anstrebe. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich nicht politisch interessiert bleibe.

OD: Wie beurteilen Sie die harte Kritik von Karl-Heinz Lambertz an Stoffels und Paasch?

Antoniadis: Ich habe mir vorgenommen, mich nicht mehr zum Wahlausgang in den Medien zu äußern. Ich lese die Zeitung täglich und war über die Aussagen weder schockiert noch überrascht.

OD: Was sagen Sie Edmund Stoffels, wenn Sie ihm demnächst nochmal begegnen?

Antoniadis: Ich habe ihm nichts zu sagen, weil ich ein reines Gewissen habe. Die Sache war und ist für mich schon lange abgeschlossen.

Sie besetzten nach den Wahlen vom 26. Mai 2019 die sechs wichtigsten Posten in der DG-Politik. V.l.n.r.: Alexander Miesen (PFF), Harald Mollers (ProDG), Antonios Antoniadis (SP), Oliver Paasch (ProDG), Isabelle Weykmans (PFF) und Karl-Heinz Lambertz (SP). Heute ist nur noch Paasch im Amt. Foto: OD

OD: Fakt ist, dass die scheidende Mehrheit gestärkt aus der PDG-Wahl hervorgegangen ist, denn sie hat einen Sitz mehr als vor fünf Jahren. Paasch wollte aber trotzdem partout eine andere Koalition. Haben Sie verstanden, weshalb Paasch unbedingt eine Koalition mit der CSP wollte, die genauso einen Sitz verloren hat wie SP und Ecolo?

Antoniadis: Ich möchte mich an dieser Debatte nicht mehr beteiligen. Dazu wurde alles gesagt. Es gibt nun eine neue Regierung. Als Bürger wünsche ich mir, dass Mehrheit und Opposition sich auf die Sachthemen fokussieren. Wir haben enorme Herausforderungen beim Fachkräftemangel, in der Pflege, der Bildung und beim bezahlbaren Wohnraum. Die Menschen fühlen sich nicht mehr sicher. Bevölkerung, Wirtschaft und Vereine beklagen zu viel Bürokratie. Mich würde es interessieren, wie man diese Themen angehen wird. Und mich würde es außerdem interessieren, welchen Platz die Regierung der Zivilgesellschaft bei der Bewältigung dieser Aufgaben einräumen wird.

OD: Wie bewerten Sie die jüngste Polemik um die von Ihnen sowie von Isabelle Weykmans beantragte Zahlung einer Austrittsentschädigung?

Antoniadis: Die neue Regierung aus ProDG, CSP und PFF hat eine Regelung für die Austrittsentschädigungen der ehemaligen Minister festgelegt. Es ist nicht meine Aufgabe, diese zu kommentieren, da ich weder dieses System noch die Regelung der Wallonie für die ehemaligen Parlamentarier oder die Regelung in einem anderen Teilstaat ändern kann. Ich hätte kein Problem damit, wenn Minister Zugang zum Arbeitslosengeld und einer Sozialversicherung bekämen. Das ist aber aktuell gesetzlich nicht möglich. Daran kann auch die jetzige Regierung direkt nichts ändern. (cre)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

27 Antworten auf “Antonios Antoniadis im Interview drei Monate nach der Wahl: „Ich bin ein Mensch, der nach vorne blickt“”

  1. Antoniadis hat selbst den Antrag gestellt. Da er die Entschädigung in Aussicht hatte, hat er sich für kein Amt zur Verfügung gestellt, obwohl er für das Parlament kandidiert hat – aber Parlamentarier möchte er offensichtlich nicht sein. Dreist, aber nicht überraschend für einen ‘sogenannten’ Sozialisten.

  2. Respekt!?

    Paasch sagt, die DG müsse eine Entschädigung zahlen, weil ein Antrag gestellt wurde. Antoniadis hingegen behauptet, er erhalte eine Entschädigung, weil die Regierung es so entschieden habe. Kein Wunder, dass sich die Leute nicht (mehr) für Politik interessieren und keinen Respekt vor Politikern haben. Meinen Respekt haben Paasch und Co. definitiv verloren.

    • Dow Jones

      Antoniadis bestreitet nicht, dass er einen Antrag gestellt hat. Er sagt nur, dass er die Regelung nicht beeinflussen kann. Insofern haben beide Recht: Antoniadis sagt „es gibt eine Regelung, auf die ich keinen Einfluss habe, und diese Regelung erlaubt mir, eine Entschädigung zu beantragen“, worauf Paasch antwortet „es wurde ein Antrag gestellt, also bin ich verpflichtet zu bezahlen“.

  3. Fritte Belgique

    Im Nachhinein einfach nur dreist. Schön die Moneten einsacken. Natürlich alles legal und rechtens. Er war durchaus angesehen auch bei nicht Sozis aber dadurch hat er sich sein positives Image gehörig versaut. Schade.

  4. Klaus die Maus

    Antoniadis ist „ein Mensch, der nach vorne blickt… Seine Wähler und Pratigenossen lässt er im Stich. Seine Parlamentskollgen ignoriert er und giert nach einer „Entschädigung“ in Höhe eines Jahreseinkommens.
    Dreister war in Ostbelgien ein Sozialist noch nie.
    Der heutige GE-Kommentator hat nichts von „Volkes Stimme bemerkt. Der sonst so redselige Ziehvater KHL schweigt. Im Oktober wird abgerechnet.

  5. Eisenhart

    Nach den sieben fetten Jahre kommen nun die sieben mageren Jahre.

    Herr Antoniadis sollte froh sein für diese Erfahrung. Persönlichkeit und Charakter werden gestärkt. Beim Militär sagte der Ausbilder : „Was nicht tötet, das härtet.“.

    Im Prinzip hatte Herr Antoniadis sich ins gemachte Bett von KHL gelegt. Musste nicht schwer um seinen Posten kämpfen wie so oft in der Politik. Und sowas ist Gift. Solange sich alles positiv entwickelt, gibt es keine Probleme. Kommt irgend ein negatives Ereignis, was man nicht gewöhnt ist, bricht eine Welt zusammen. Anstatt das beste aus der Situation zu machen, wird panikartig die Flucht ergriffen.

  6. Wenn sie keinen Zugang zum Arbeitslosengeld haben, dann hätte man den Betrag deckeln müssen. Und zwar bis zu der Summe, welche andere Bürger im Falle einer Arbeitslosigkeit bekommen würden.
    Wenn ein Bürger ein hohes Einkommen hatte und arbeitslos wird, dann bekommt diese Person ja auch nur bis zu einer gewissen Grenze Arbeitslosengeld.
    Und Weykmans hat selber entschieden zu gehen und nicht mehr anzutreten. Wenn man selber kündigt, hat man auch nicht zwangsläufig direkt Anspruch auf Arbeitslosengeld.

  7. Ich speie aus...

    Die Kunst der nichtssagenden Aussagen, das beherrschen sie alle wie die Meister… Wir haben sie aber verdient, wir lassen alles mit uns machen, aus Bequemlichkeit. Schon die OFFENBARUNG lehrt: „Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch heiß bist. Ach, dass du kalt oder heiß wärst! So aber, weil du lau bist und weder kalt noch heiß, werde ich dich ausspeien aus meinem Mund.“
    Wir sind lau, wir sind unwürdig etwas anderes, besseres als „Leiter“ zu haben. Wie heißt es im NARRENSCHIFF? „Die Welt will betrogen seyn“. Wie wahr, zumindest im „Wertewesten“.
    Ich speie aus…

  8. Kopfschüttel

    @Ich speie aus…
    Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen: Wir wollen betrogen werden.
    Die Antworten des AA sind reine Floskeln. Will er etwa seinen beruflichen Weitergang nicht aufs Spiel setzen?
    Hätte er seinen Sitz im Parlament eingenommen, könnte ich noch Achtung vor ihm haben.
    Wenn man gegen diese Machthaber aufbegehrt, steht man allein auf weiter Flur. Es ist bequemer, den Kopf in den Sand zu stecken. Somit werden die Missstände zur Gewohnheit, zur Sebstverständlichkeit.

  9. Dow Jones

    Zitat: „Als Bürger wünsche ich mir, dass Mehrheit und Opposition sich auf die Sachthemen fokussieren. Wir haben enorme Herausforderungen beim Fachkräftemangel, in der Pflege, der Bildung und beim bezahlbaren Wohnraum. Die Menschen fühlen sich nicht mehr sicher. Bevölkerung, Wirtschaft und Vereine beklagen zu viel Bürokratie. Mich würde es interessieren, wie man diese Themen angehen wird.“

    Er ist ja jetzt erst seit ein paar Monaten Bürger, vorher war er Minister. Mich würde es interessieren, wie er diese Themen als Minister in den letzten 10 Jahren angegangen ist, bzw. warum er diese Themen jetzt als Bürger als Problem ansieht. Wie kann man nach 10 Jahren als Minister plötzlich als Bürger aufwachen und Problemfelder erkennen, wenn man vorher in der Verantwortung stand, genau diese Probleme zu lösen oder zu verhindern?

    • Dow Jones, genau richtig. Seit jeher versteht man auch nicht, dass Leute zu Ministern ernannt werden, welche nie in dem Fach gearbeitet hatten, oder diese Tauschgeschäfte während der Legislatur!? So z Bspl der Ödzemir als Landwirtschaftsminister in der BRD!? Lachhaft!

  10. In € we trust

    Es ist schon erstaunlich, dass sich Antoniadis, der sonst zu allem seinen Senf dazugeben muss, jetzt hinter einer sogenannten Aufgabenverteilung versteckt, obwohl er selbst davon betroffen ist. Das Mindeste wäre, dass er sich bedankt, Teil eines Systems zu sein, das er gnadenlos für sich ausnutzt – trotz all seiner angeblichen Sorgen als Bürger. Diese reichen offenbar nicht aus, um sich ins Parlament zu setzen und die Opposition zu führen.

  11. Besorgte Mutter

    Pfui Teufel, schämt euch ihr zwei EX-Minister!
    Das sind Steuergelder die im Endeffekt vom kleinen Mann erarbeitet wurden und ihr steckt sie euch ohne ROT zu werden in die Tasche.
    Der A.A. soll sich als Soze noch viel mehr schämen als die I.W., denn als Mitglied der Roten behauptet er ja per Mitgliedschaft für die kleinen Leute da zu sein.
    War da nicht kurz vor den Wahlen im roten Dunstkreis ein Korruptionsskandal?
    Das was hier passiert, dass ist dann nichts anderes als legale Korruption, oder sehe ich das falsch?
    Wie sollen wir denn wieder Vertrauen in diese Politbande erlangen?
    Bin ich froh am 9. Juni keinen von den geldgierigen Gestalten gewählt zu haben.

  12. Ich speie aus...

    Wenn Ihnen meine FESTSTELLUNG gefällt, teile ich gern ein bißchen mehr aus.
    Wann war die Blütezeit des Musicals? Genau, in den 30ern und wieso: Weil die Leute „Brot und Spiele“ wollten, um sich vom Elend abzulenken. Étienne de La Boétie, Montaignes bester Freund veröffentlichte bereits vor 450 Jahren: „De la servitude volontaire“ – „Über die freiwillige Knechtschaft“… Und auch in Huxleys „Brave New World“ („Schöne neue Welt“) wollen die Menschen kontrolliert werden – von „innen“, nicht nur außen, wie in 1984 von Orwell. Unser Konsum hat uns seit 70 Jahren mindestens zu Weicheiern gemacht. „Weicheier“ ist übrigens der deutsche Titel eines sehr interessanten Buches von Martin van Creveld.
    Ein großes Problem dabei ist, daß die meisten, allermeisten, keine VERANTWORTUNG für ihr Leben übernehmen wollen und lieber mit dem Strom schwimmen und sich nicht trauen, anders zu denken, zu sein, zu leben. Die Bequemlichkeit hat uns dorthin gebracht… Schauen Sie sich die „Jüngeren“ an, oder auch wenig jüngeren: Smartphone Zombies“. Wie sagt meine Frau immer? „Lasse doch!“ ;-)

  13. Krisenmangement

    Er hinterliess einen Scherbenhaufen. Die folgen seiner Gesundheitspolitik sind noch nicht abzusehen. Dieser Herr soll Menschen in sozialen Belangen beraten? Echt jetzt? In unseren Pflegeheimen bekommen wir keine Plätze für unsere Senioren. Zimmer stehen leer. Fakt ist Antoniadis wollte nicht unter das einfache Fussvolk der Abgeordneten gehen. Übergangsgelder für EX-Minister gehen gar nicht. Nun fällt Antoniadis sogar auf einen Posten ….. Darum empfehle ich die Petition des Herrn Hoffmann https://www.openpetition.de/petition/online/auszahlung-von-austrittsenschaedigungen-in-der-dg-muss-eingestellt-werden

  14. Besteuern!

    wird diese Abfindung denn wenigstens besteuert ? ici denke dabei an den Bonus, die das Pflegepersonal in der Coronazeit erhalten hat une von dem, nach Abzug der Steuern, nicht viel űbrig blieb !

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