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Anmerkungen zu den Roten Teufeln im Kreuzfeuer der Kritik nach schwacher Vorrunde [Zwischenruf]

26.06.2024, Baden-Württemberg, Stuttgart: Belgiens Spieler reagieren nach dem Spiel. Mit der virulenten Kritik der Fans hatten sie nicht gerechnet. Foto: Marijan Murat/dpa

Wohl selten ist eine Fußball-Nationalmannschaft nach einer Qualifikation für die nächste Runde so runtergemacht worden wie die belgische nach dem 0:0 gegen die Ukraine und dem Einzug ins EM-Achtelfinale. Dazu einige Anmerkungen.

– Die Kritik der Fans: Die Kritik ist natürlich größtenteils gerechtfertigt. Das wissen auch Nationaltrainer Domenico Tedesco und sein Team. Das wusste auch Kevin De Bruyne, als er sich nach dem Schlusspfiff zusammen mit den anderen Spielern zu der roten Wand der belgischen Fans begab. Der Mittelfeldstar der Roten Teufel wird in dem Moment wohl keinen Jubel und Applaus von den Fans erwartet haben, aber Pfiffe und Buhrufe auch nicht – nachdem die Mannschaft doch das EM-Achtelfinale erreicht hat?

26.06.2024, Baden-Württemberg, Stuttgart: Belgiens Fans zünden vor dem Spiel Pyrotechnik. Foto: Marijan Murat/dpa

Im Grunde kann man beide Reaktionen nachvollziehen, die der wütenden Fans und die der erleichterten Nationalmannschaft. Die Fans haben eine große Wegstrecke zurückgelegt, um in großer Anzahl die Mannschaft zu unterstützen, die sie dann maßlos enttäuscht hat.

Auf der anderen Seite muss man auch die Spieler verstehen, die sich sagen: „Wichtig ist erst einmal, dass wir es geschafft haben, uns fürs Achtelfinale zu qualifizieren.“ Es hätte ja tatsächlich auch passieren können, dass Belgien in den letzten Minuten ein Tor kassiert und ganz ausscheidet.

Dass Belgien mangels Gruppensieg jetzt im Achtelfinale gegen Frankreich spielen muss, ist sicher von Nachteil, aber die Niederlande und England, mit denen es die Gruppengegner Rumänien und die Slowakei im Achtelfinale zu tun bekommen, sind in etwa vom gleichen Kaliber wie die zuletzt ebenfalls schwächelnden Franzosen.

– Die schwerere Hälfte des Turnierbaums: Enttäuschte Kritiker der Roten Teufel weisen darauf hin, dass Belgien es nicht nur im Achtelfinale mit Frankreich zu tun bekommt, sondern sich jetzt auch in der schweren Hälfte des Turnierbaums befindet, wo außer Frankreich auch Portugal, Deutschland und Spanien angesiedelt sind. Diese Kritik ist jedoch nur in der Theorie nachvollziehbar.

26.06.2024, Baden-Württemberg, Stuttgart: Belgiens Trainer Domenico Tedesco reagiert an der Seitenlinie. Foto: Tom Weller/dpa

Bei der EM 2016 schien für Belgien nach der Gruppenphase der Weg ins Finale wie geebnet, weil die damals noch von Marc Wilmots trainierten Roten Teufel mit Ungarn im Achtelfinale und Wales im Viertelfinale die vermeintlich leichteren Gegner hatten als in der anderen Hälfte des Turnierbaums. Doch gegen die Waliser war wider Erwarten Schluss mit lustig…

– Eine grottenschlechte Vorrunde als Weckruf: Italien bei der WM 1982, Belgien bei der WM 1986 und Portugal bei der EM 2016 spielten eine grottenschlechte Vorrunde und erreichten nur mit viel Glück die Zwischenrunde bzw. das Achtelfinale, doch am Ende wurden die Spieler nach ihrer Heimkehr wie Helden gefeiert: Italien wurde 1982 Weltmeister, Belgien 1986 Vierter und Portugal 2016 Europameister.

– Zweifel an Nationalcoach Domenico Tedesco: Der Deutsch-Italiener hatte während der Qualifikation viele Skeptiker überzeugt, doch nach der Gruppenphase der EM in seinem Land mehren sich die Zweifel. Weshalb hält er an Leandro Trossard fest, der immer den Eindruck erweckt, als habe er kurz vor dem Anpfiff eine Depression gehabt? Weshalb brachte er nicht früher Lois Openda?…

Indes wird man ein schlüssiges Urteil über Tedesco erst nach der EM fällen können. Der Verband hat zwar bereits vor der EM den Vertrag mit dem 38-Jährigen verlängert, aber man kann schon davon ausgehen, dass eine Klausel eingebaut wurde, wonach der Vertrag im Fall eines zu frühen Ausscheidens bei der EM oder bei sehr schlechten Leistungen aufgelöst wird.

22.06.2024, Nordrhein-Westfalen, Köln: Belgiens Torhüter Koen Casteels gestikuliert. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

– Es gibt auch Positives: Kaum zu glauben, aber es gibt nach dieser schlechten Gruppenphase auch Positives zu berichten, unabhängig davon, dass die Roten Teufel immerhin das Achtelfinale erreicht haben, was bei der WM 2022 in Katar nicht der Fall war.

Spricht noch jemand von Thibaut Courtois? Nein. Denn Koen Casteels hat mit Glanzleistungen gezeigt, dass Belgien auf einen Egozentriker wie den Torhüter von Real Madrid verzichten kann. Und erinnert man sich noch an die Kritik an Verteidiger Wout Faes? Was ist nicht alles über den Abwehrspieler von Leicester City geschrieben worden! Überhaupt hat sich die belgische Abwehr bisher als sattelfest erwiesen, obwohl sie vor dem Turnier das große Sorgenkind zu sein schien.

Als positiv könnte man schließlich noch die beiden Spieler von Manchester City erwähnen, nämlich Jérémy Doku, ein ständiger Gefahrenherd, der überdies bisher verletzungsfrei geblieben ist, und Kevin De Bruyne, der bei diesem Turnier einen Einsatzwillen an den Tag legt, wie man ihn bei früheren Turnieren bei ihm nur selten gesehen hat. (cre)

24 Antworten auf “Anmerkungen zu den Roten Teufeln im Kreuzfeuer der Kritik nach schwacher Vorrunde [Zwischenruf]”

  1. Die Wahrheit

    Fussball ist wie ein Krieg geführt wird. Angriff und Verteidigung, und Schuss, Tor!
    Manche Kriegstreiber meinen auch, dass sie ein kleines Land innerhalb einiger Tage einnehmen können und beißen sich dann die Zähne aus, weil das kleine Land kämpft und sich wehrt.
    So ist es auch beim Fussball!
    Nur keine Panik! Fussball ist nur ein Sport und noch kein Krieg!! Das Spiel zu verlieren ist zwar traurig, aber noch kein Weltuntergang!
    Es gibt Schlimmeres!

  2. Rundes Leder

    Der OD Kenner lobt unsere Abwehr, das kann ich so nicht nachfühlen! Die gehn das hanbe Spiel wie Traumtänzer durch die Gegend, denen fehlt der Push nach vorne, nur im Querpass sind sie sehr gut, ich vergass noch den Rückpass! Aber dasselbe Problem hatte schon der Martinez! Der Tedesco sollte zumindest viel früher wechseln! Bakayoko, Vermeeren, Carrasco u a, es sind Alternativen da!

    • Joseph Meyer

      @Runde Leder
      Sie vergessen noch Openda!
      Ich hatte mich gewundert, dass Herr Tedesco zum Trainer der belgischen Nationalmannschaft berufen wurde, nachdem er in Deutschland, so weit mir bekannt, bei keinem Club wirklich erfolgreich war … ! Und er gibt dem Weltklassespieler De Bruyne „Anweisungen“ … ? Im ersten Spiel setzt er Doku auf der rechten Seite ein … – schlimmer geht´s nicht!
      Aber vielleicht und hoffentlich beweisen uns die belgischen Spieler noch, dass er ein exzellenter Trainer ist …

      • Ostbelgien Direkt

        @Joseph Meyer: Sie schreiben, Tedesco sei in Deutschland bei keinem Verein erfolgreich gewesen? Das stimmt nicht.

        – Schalke 04: In der ersten Saison mit Schalke wurde Tedesco Vizemeister und erreichte im DFB-Pokal das Halbfinale.

        – RB Leipzig beendete die Bundesliga-Saison 2021/22 unter Tedesco mit 58 Punkten auf Platz 4 und qualifizierte sich damit für die Champions League 2022/23. In der Europa League schied man erst im Halbfinale gegen die Glasgow Rangers aus. Im Mai 2022 gewann RB Leipzig erstmals den DFB-Pokal. Gruß

        • Piersoul Rudi

          Liebe Redaktion;

          …Und jeweils im 2tes Jahr kamen die Probleme weil „Herr Tedesco“ mit einige „Führungsspieler “ nicht zurecht kam u.a. mit Forsberg.
          Wessen Ego war da wohl zu groß???
          Bei Spartak Moskou idem.
          IdT, die jeweils 1sten Jahre, aber Bestätigungen gab es nicht.

  3. askiebitz

    Zu kurz kommt hier aber die indiskutabel Art und Weise, wie Belgien aufgetreten ist, denn man kann durchaus ehrwürdig verlieren bzw. ausscheiden. Und das würdigen wahre Fans dann auch. Entgegen der zuvor ausgegebenen Linie die letzten 20 Minuten auf Ergebnishalten wechseln und spielen, das Spiel durch lächerliche Schwalben (Carrasco) zu drehen versuchen oder am Schluss an der Eckfahne Zeit zu schinden, das ist schon lächerlich und völlig zurecht geschmäht worden. Ich frage mich auch, was sich Offensivspieler wie Openda oder CdK denken, die auch dann offensichtlich keine Option zu sein scheinen, wenn Lukaku mal nichts gelingt. Erbärmlich finde ich die Schönrederei im Nachgang, mit der Tedesco eine für alle unübersehbar unzufriedenstellende Vorrunde schönzureden versucht, das qualifiziert ihn tatsächlich als potenziellen AS-Trainer. Trotzdem kann es am Montag gegen ein angeschlagenes Frankreich in alle Richtungen gehen, auch wenn oder gerade weil es überhaupt keine Anzeichen für eine Überraschung gibt.

    • René Wilmes

      Ja ,es kann in alle Richtungen gehen! Gegen Japan 2-0 hinten und das Spiel gedreht ,dann Brasilien raus gehauen! Ich habe mir den Grottenkick am Mittwoch nicht abgetan weil ich irgendwann nach 10 vergeben Chancen die Fassung verliere! Es gibt Hoffnung auch wenn die “ Roten Teufel“ manchmal wie die stillen wehrlosen Lämmlein spielen!

  4. CarbonBlack

    Leute, es ist bloß Fußball.
    22 Hampelmänner die dämlich gegen ein Ball treten und dafür Millionen verdienen.
    Verschwendet eure Zeit nicht für solchen Schwachsinn und unterstützt nicht die korrupten Verbände.

  5. Schön anzusehen, wenn Doku auf dem linken Flügel zaubert. Aber leider schießt er kaum mal ein Tor. Ein Ribery oder Robben trafen vom Außen her am laufenden Band. Solche Stürmer hat man nötig, wenn der Gegner mit 10 Mann im Strafraum steht. Gegen Frankreich wird der Strafraum nicht zugenagelt sein. Mal schauen, ob das für Belgien von Vorteil wird sein oder ob wir uns mehr nach hinten orientieren müssen, um die Bude sauber zu halten. Es wird spannend.

  6. Pensionierter Bauer

    Als ich eben am belg. Fernsehen die Reaktionen der sg. Fans hörte und deren gehässigen Gesichtsausdrücke sah, da habe ich mich für diese aufs hefstigste fremdgeschämt.
    Klar, die Vorrunde war kein fußballerisches Glanzstück, aber was nützt eine tolle und im allgemeinen auch kraftrabende Vorrunde, wenn man dann in der Ko Phase gleich die Kraft fehlt um diese harten Spiele erfolgreich zu überstehen.
    Ich war jedenfalls glücklich, dass unsere Jungs gegen die zum Siegen verurteilten Ukrainer das Unentschieden ohne kraftraubendes Spiel gut gehalten bekamen.
    So, jetzt Schluß mit Knoterei und volle Konzentration aufs Achtelfinale!

  7. Der Alte

    „die Abwehr hat sich bisher als Sattelfest erwiesen“. Ähm, wie war das mit dem Ball, den der brilliant spielende Torwart von der Linie herunter rettete? Wo war die Abwehr bzw. die Mannschaft bei diesem Eckstoß? Wer stand am ersten Torpfosten?

  8. Peter Müller

    Ich war jedenfalls glücklich, dass unsere Jungs gegen die zum Siegen verurteilten Ukrainer das Unentschieden ohne kraftraubendes Spiel gut gehalten bekamen.
    Puh, was ein Satz. Das hätte von meiner Frau stammen können. :-))

    Antworten

  9. Neneewaa

    Richtige Analyse pens. Bauer. Die Mannschaft die weit kommen will, es sind ja bis zum Finale insg. 7 Spiele, muss mit den Kräften Haushalten. Die tapferen Georgier haben toll gespielt gestern, aber sich auch verausgabt.
    Man sollte nicht seine ganzen Patronen am Anfang verschiessen

  10. Intipuca

    Alles ist kein Wunschkonzert, alle Mannschaften tun sich schwer. Ich bin im G-E Tippspiel weit oben, weil ich viele 1 zu 1 getippt haben und dummerweise die großen Vereine gewonnen getippt habe. Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.

  11. Die Nationalmannschaft hat grottig gespielt… wer was anderes behauptet, hat keine Ahnung!
    Unsere Zahlreichen Fans, sind weit gereist um so einen Müll zusehen, und das Die sehr unzufrieden waren mit der Leistung ist verständlich.
    Als Profis geht man auch geschlossen in die Kurve, es gibt nicht immer nur Lobeshymnen… und da nehme ich KDB raus.
    Er musste mit der Mannschaft zur Kurve und mit den Fans reden auch wenn es ihm nicht gepasst hätte. Kritik gehört ebenfalls dazu!
    So hat man eine Spaltung der Fans und der Nationalmannschaft geschaffen, und das vor so einem wichtigen Spiel gegen Frankreich…
    Naja wollen wir das beste hoffen, den Belgien kann besser spielen wie gegen die Azows. Und gegen Frankreich ist ein Sieg auch möglich…. also TOUS ENSEMBLE IN DE WUNDER’BAR 🇧🇪🇧🇪🇧🇪🖤💛❤

  12. @BMG,

    und gegen Frankreich ist ein Sieg auch möglich…. also TOUS ENSEMBLE IN DE WUNDER’BAR 🇧🇪🇧🇪🇧🇪🖤

    Schon beim Abspielen der Nationalhymnen von Belgien und Frankreich wird man an der bildlichen
    Reaktion der Spieler wohl erkennen, wer den Platz am Ende als Sieger verlassen wird (Ironie – nicht ganz- aus.) Noch eindeutiger wäre es, wenn es etwa gegen Italien, die Türkei, Portugal u.a.m ginge.
    Da erkennt man direkt, dass die alles für ihr Land rausholen wollen. Wenn ich u.a. die Mimik von KDB dagegen sehe…….

    • Trippelbruder

      Bei Man City (auch in der Chamionsleague) hat KdB auch keinen anderen Gesichtsausdruck.
      Im Rückschluss hiesse das, dass er da auch nicht gewinnen will?
      Sie meinen weil er da nicht singen muss, ist der Gesichtsausdruck egal und lässt keine Rückschlüsse auf seine Motivation zu?

  13. Peter Müller

    Ich weiss warum die so schlecht gespielt haben. :-))) Da zählt jede Ausrede.

    Quelle: MagentaTV
    26.06.2024
    „Ich möchte eines klarstellen. Unter welchen Umständen wir hier angekommen sind, so etwas habe ich noch nie erlebt. Wir sind eine Stunde vor Anpfiff angekommen. Unsere Polizei-Eskorte ist 20 km/h gefahren. Es gab kein Blaulicht. Die Straße war komplett frei. Wir haben trotzdem über eine Stunde für die Anreise aus dem Team-Hotel gebraucht“, poltert Belgien-Trainer Domenico Tedesco (38) nach Abpfiff.
    Der Trainer kommt aus der Region, weiß, dass es aus dem Quartier in Ludwigsburg höchstens 30 Minuten bis ins Stuttgarter Stadion dauert. Doch nicht bei der Anreise der Belgier.
    Abwehr-Oldie Jan Vertonghen (37) ergänzt: „Ein riesiger Fehler der Veranstalter. Die Polizei fuhr hinter dem Bus. Das verstehe ich nicht. Das ist nicht das erste Mal. Wir hatten zwei Minuten, um uns umzuziehen.“

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