Gesellschaft

Immer mehr verwaiste Gräber: Geht die Kultur des Todes verloren?

Mehrere verwaiste Grabstätten nebeneinander auf dem Eupener Friedhof. Auf dem Grabstein links wurde der Name der Familie mit einem schwarzen Band überklebt. Foto: OD

Am Samstag herrschte auf dem Eupener Friedhof rege Geschäftigkeit: Viele Menschen brachten die Gräber ihrer Angehörigen in Ordnung. Am Sonntag, dem 1. November, ist Allerheiligen. Jedoch fällt auf, dass immer mehr Grabstätten verwaist sind. Geht die Kultur des Todes verloren?

Erst neulich sah sich der Eupener Stadtrat genötigt, die Konzession für 35 Grabstätten zu entziehen, weil sie nicht unterhalten wurden.

Immer häufiger sieht man Grabsteine mit einem Aufkleber. Auf diese Weise wird den Angehörigen signalisiert, dass sie sich beim Friedhofverwalter melden sollen. Sie haben dann ein Jahr Zeit, um die Grabstätte in Ordnung zu bringen. Ist dies nicht der Fall, wird eine letzte Gnadenfrist gewährt. Falls auch die abläuft, ohne dass sich etwas geändert hat, wird die Konzession entzogen.

Dass dies immer öfter der Fall ist, sieht man mit bloßem Auge, wenn man über den Eupener Friedhof spaziert. Nicht selten sind gleich mehrere Grabstätten nebeneinander verwaist. Die Namen auf dem Grabstein wurden mit einem schwarzen Band überklebt.

Zimmermanns Grab

In Eupen sind nicht wenige Grabstätten Ausdruck der gesellschaftlichen Stellung, welche die Familie der dort ruhenden Verstorbenen inne hatte.

Das Grab des früheren Eupener Bürgermeisters Hugo Zimmermann (1938-1984, Amtsenthebung während des 2. Weltkriegs) wird nie verwildern. Dafür sorgt schon die Stadt Eupen, die jedes Jahr vor Allerheiligen vor Zimmermanns imposanter Grabstätte einen Kranz niederlegen lässt.

Das Grab des früheren Bürgermeisters Zimmermann wird jedes Jahr von der Stadt Eupen mit einem Kranz geschmückt. Foto: OD

Das Grab des früheren Bürgermeisters Zimmermann wird jedes Jahr von der Stadt Eupen mit einem Kranz geschmückt. Foto: OD

Obwohl es immer mehr verwaiste Grabstätten gibt, bleibt der Eupener Friedhof einer der schönsten in der ganzen Region – erst recht, wenn er, wie an diesem Samstag vor Allerheiligen, in hellen Farben erstrahlt.

Es ist übrigens beileibe nicht das erste Mal, dass Allerheiligen bei sehr mildem Wetter gefeiert wird. Im vergangenen Jahr wurden am 1. November in Uccle sogar 20,3 Grad gemessen. Es war der wärmste 1. November seit 1901.

In der Dunkelheit bietet der Friedhof einen faszinierenden Anblick, wenn auf den meisten Gräbern eine Grablampe leuchten. Dann spürt man sie dann doch: die Kultur des Todes. (cre)

Mehr über den Eupener Friedhof erfahren Sie unter folgendem Link:

http://www.eupen.be/Eupen/files/08/0824d086-1a93-4050-9f18-945537793a0a.pdf

Der Eupener Friedhof gehört zu den schönsten in der Region. Foto: OD

Der Eupener Friedhof gehört zu den schönsten in der Region. Foto: OD

22 Antworten auf “Immer mehr verwaiste Gräber: Geht die Kultur des Todes verloren?”

    • Die Toten müssen einem nicht mehr Leid tun, denen ist das herzlich egal. ;-)
      Die Gräber machen Menschen für andere Menschen (oder für sich selbst).
      Man erkennt am Grab, wie wichtig einem „Gräber“ wirklich sind. Trauern um Verwandte geht aber auch, ohne vor einem Grab zu stehen.

  1. Blauäugig

    Wirklich ein schöner, alter Friedhof mit vielen uralten Gräbern und Denkmählern.
    Schade ist nur, dass sehr, sehr viele Gräber kurze Zeit später, nachdem der übrig gebliebene Ehepartner auch verstorben ist, nicht mehr unterhalten werden. Tot ist für uns nur derjenige, der vergessen ist!!!

    NICHT einverstanden sind wir mit der Meinung des Friedhofsverwalters, der die Pflege des Eupener Friedhofs im GE lobt. Wenn wir sehen, dass JEDER Gärtner oder Steinmetz, manchmal auch Privatleute, mit ihrem Fahrzeug bis vor die Gräber fahren dürfen und die Wege und Ränder kaputt fahren, ist das absolut nicht in Ordnung! Auf anderen Friedhöfen gibt es keinerlei Möglichkeit, mit einem Klein-LKW oder Lieferwagen bis zum jeweiligen Grab vorzufahren. Trotzdem werden auch dort die Gräber von Gärtnern bepflanzt und Grabsteine aufgesetzt. Warum geht das in Eupen nicht mehr???

    Und dann die Laub-BLÄSER, die mit viel Krach und Spaß die Wege freipusten ohne Rücksicht auf die Grabstätten, auif denen ein Teil des Drecks landet. Sorry, aber eine vernünftige Friedhofskultur sieht für uns anders aus.

  2. Alessandra Wintgens

    Den grössten Mangel an Respekt vor den Toten sehe ich hier vor allem darin, dass ein schwarzes Klebeband über die Namen angebracht wird!!! Hallo??? In der heutigen Zeit gibt es doch bestimmt andere Wege, Familienangehörige zu kontaktieren… Ganz abgesehen davon, dass die Angehörigen ja offensichtlich nicht zum Grab kommen und „mal danach sehen“… Wen also erreicht diese message??
    FALLS es denn wirklich „so schlimm verwahrlost“ ist (auf Ihrem Foto z.B. frage ich mich, was da „verwaist“ ist… ). Es gibt Kulturen, da ist gerade das „In-Ruhe-Lassen“ DAS Zeichen von Respekt… Gibt es vielleicht eine „Unkraut-Problematik“??
    Ich danke für diesen Artikel… Er bestätigt mich darin, dass ich schnellstens zu einer der „Bestattungs-Messen“ ( pardon the pun!) ,wie sie regelmässig angeboten werden, hineile um sicherzustellen, dass ich nach MEINEN Vorstellungen von dieser Welt gehe UND keiner meinen Namen überklebt.
    Poste hier bewusst unter meinem Namen… Solange er noch sichtbar ist…

  3. Was da verloren geht ist der verlogene Totenkult. An der Größe und an der Ausstattung des Denkmals und der Grabstätte sollte man den Reichtum und die Bedeutung des Verstorbenen erkennen. Ein kommerzielles Wettrüsten zum Profit der Steinmetze und Blumenläden. 1,20 m tiefer verrotten ALLE, ohne Unterschied, nur oben wird weiter geprotzt was der Geldbeutel her gibt. Schon 1982 war ich angenehm überrascht den Friedhof in Brügge zu sehen (eine Tante wurde da beerdigt), wo alle Gräber einheitlich sind. Nur 0,5 m² Fläche vor dem Stein kann von der Familie individuell mit Blumen geschmückt werden. Der Rest wird von der Stadt einheitlich gestaltet und gepflegt. Höchste Zeit auch in Ostbelgien über solche Regelungen nachzudenken, dann gibt es auch keine Probleme mehr mit verwahrlosten Gräbern.

    • Alessandra Wintgens

      Hi, ja, Mary Roach erklärt das auch sehr „schön“ in ihrem gewagten, sehr lustigen Bestseller „Stiff“… Kapitel 11: „Out of the fire, into the compost bin – and other new ways to end up“… Die Schweden sind schon soweit… ;-)

    • Zaungast

      Prima Idee!
      Mit dem Superkompost von Onkel Paul oder Tante Sidonie düngen wir dann unseren Gemüsegarten.

      Frage; Was geschieht mit dem Skelett, dass wohl kaum so schnell verrotten wird?
      In die Knochenmühle damit und zu Leim oder Seife verarbeitet?

  4. karlh1berens

    Heute war ich auf dem Friedhof in Galhausen. Dort unter anderen am Grabmal meines Großvaters und Paten Karl Berens(*1877+1972) und meiner Großmutter. Daneben ist eine Stelle für mich reserviert. Über mir steht dann ein denkmalgeschütztes Kreuz, welches eigenhändig von dem Bruder meines Großvaters, Johannes Berens, aus einem großen Stein gehauen wurde. Gestern war ich mit meinem Vater in Sistig wo dieser Johannes Berens (*1973) wãhrend 40 Jahren Pastor war. Er liegt auf dem dortigen Friedhof begraben und es ist das einzige Grab welches vor 1985 angelegt wurde. In Sistig hat man auch eine Straße nach ihm benannt.
    P.S. : Wenn ich mir hier einige Kommentare und ganz allgemein diese Flickschusterei um mich herum beobachte muss ich zum Schluss kommen dass man getrost den Geschichtsunterricht abschaffen kann.

  5. Zaungast

    In der Gemeinde Büllingen werden alle Grabstätten, die älter als 40 Jahre sind, entfernt Bei Doppelgräbern entscheidet das Datum der letzten Beisetzung. Das schafft Platz auf dem Friedhof, aber auch zahlreiche unschöne Lücken in den Grabreihen.

    Aber verwahrloste Gräber, wie sie in der Wallonie wegen der „concession perpétuelle“ üblich sind, gibt es dadurch nicht.

    Die schönsten Friedhöfe findet man übrigens in vielen Bergdörfern Tirols und Südtirols.

    R. I. P.

  6. gerhards

    Toll, besserverdiener die garnicht wissen das Oma sich ein klassisches Grab garnicht leisten kann. Da kannst du dir die Pietät sonst wo hin…. Das ist alles nur traurig aber am tot verdienen wollen dann doch alle. Was Oma wirklich will interessiert fast keinen.

    • Wer verdient denn daran Ihrer Meinung nach? Und wer gibt das Geld in der Realität aus?
      Oft sind es die Hinterbliebenen, die sich um alles kümmern müssen. Oft wird zu Lebzeiten kein Geld für die Organisierung von einem Grab ausgegeben. Den Rest bezahlen Angehörige wenn keine gefunden werden, wird trotzdem etwas gemacht. Über die Schönheit der Gräber kann man dann noch philosophieren, aber den Toten interessiert es dann nicht mehr wirklich.
      Dass auch Leute am Tod anderer verdienen ist völlig logisch. Es gibt fast keine Branche, in der das nicht der Fall sein soll, weshalb ist das also schlecht? Selbst in Krankenhäusern spart man Geld, umso weniger die Patienten an Kosten verursachen. Stirbt ein Patient früher, wird auch weniger für die Behandlung ausgegeben.
      Gibt es nicht genug Blumenhändler und Bestatter, die am finanziellen Hungertuch nagen aufgrund genau der Situation die wir heute haben?

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