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Deutschland: Zerrissene SPD ringt sich zu GroKo-Verhandlungen durch

Der SPD-Parteivorsitzende Martin Schulz sitzt am 21.01.2018 beim SPD-Sonderparteitag in Bonn. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Vier Monate nach der Bundestagswahl hat die SPD den Weg zu Verhandlungen mit der Union über eine neue große Koalition frei gemacht.

Nach einer Debatte voller Emotionen stimmte auf dem Parteitag in Bonn eine Mehrheit von 362 der 642 Delegierten und Vorstandsmitglieder dafür. 279 waren dagegen, einer enthielt sich.

Die Koalitionsverhandlungen können damit in den nächsten Tagen beginnen und im besten Fall bereits im Februar abgeschlossen werden. Danach muss aber noch eine hohe Hürde überwunden werden: Die mehr als 440.000 SPD-Mitglieder stimmen über den Koalitionsvertrag ab und haben damit das letzte Wort.

Der Juso-Bundesvorsitzende Kevin Kühnert spricht am 21.01.2018 beim SPD-Sonderparteitag in Bonn. Foto: Oliver Berg/dpa

Parteichef Schulz hatte in einer kämpferischen Rede für eine große Koalition geworben. Kurz vor der Abstimmung trat er nochmals ans Rednerpult und sprach von einem „Schlüsselmoment“ in der Geschichte der SPD. „Ich glaube, dass die Republik in diesem Moment auf uns schaut“, sagte er. „Ja, man muss nicht um jeden Preis regieren, das ist richtig. Aber man darf auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen.“

Sein schärfster Widersacher Kevin Kühnert hatte an die Genossen appelliert, trotz weitreichender Folgen nicht vor einem Nein zurückzuschrecken. Der Leitspruch des Juso-Chefs für die Abstimmung: „Heute einmal ein Zwerg sein, um künftig wieder Riesen sein zu können.“ Damit spielte er auf eine Aussage des CSU-Landesgruppenchefs Alexander Dobrindt an, der den Jusos einen „Zwergenaufstand“ vorgeworfen hatte.

Verhandeln, bis es quietscht

In der mehr als vierstündigen Debatte sprach sich eine knappe Mehrheit der etwa 50 Redner für eine große Koalition aus. Die Befürworter kamen überwiegend aus der Parteiführung. Fast alle prominenten Sozialdemokraten sind für eine große Koalition.

Die leidenschaftlichste Rede hielt SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. Die Bürger würden der SPD einen Vogel zeigen, wenn sie sich trotz guter Sondierungsergebnisse für eine Neuwahl entscheide, sagte sie. In den Koalitionsverhandlungen könne noch mehr für die SPD herausgeholt werden. „Wir werden verhandeln, bis es quietscht auf der anderen Seite.“

Ein SPD-Anhänger trägt am 21.01.2018 eine Mütze mit der Aufschrift „NoGroko!“ bei einer Demonstration vor dem WCCB beim auflerordentlichen SPD-Parteitag in Bonn. Foto: Oliver Berg/dpa

Nahles bekam für ihre kurze Ansprache deutlich mehr Beifall als Schulz, der eine Stunde redete. „Wir entscheiden heute letztlich auch darüber, welchen Weg unser Land und Europa gehen“, sagte der SPD-Vorsitzende. Die Partei müsse „ohne Angst, ohne Scheu“ Verantwortung übernehmen. „Ich bin davon überzeugt, dass der mutige Weg der richtige ist.“

Für den Fall von formellen Gesprächen mit der Union versprach Schulz weitere Verhandlungserfolge der SPD. Unter anderem in der Gesundheitspolitik seien Ergänzungen des Sondierungspapiers nötig. „Wir werden konkrete Maßnahmen zum Abbau der Zwei-Klassen-Medizin verlangen – und wir werden sie durchsetzen“, sagte er.

Gemeint ist die unterschiedliche Behandlung gesetzlich und privat versicherter Patienten. Zudem müssten befristete Arbeitsverhältnisse künftig die Ausnahme sein. Als dritten Punkt versprach Schulz eine wirksame Härtefallregel für den Familiennachzug von Flüchtlingen.

Die Parteispitze hatte diese drei Forderungen in ihren Antrag für die Parteitagsabstimmung eingebaut. Damit gibt es reichlich Zündstoff für die Verhandlungen mit der Union. Denn CDU und CSU sind strikt gegen grundsätzliche Änderungen der 28-seitigen Sondierungsvereinbarung, auf die sich beide Seiten am 12. Januar verständigt hatten.

Sturz in Krise verhindert?

Schon jetzt dauert die Regierungsbildung so lange wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Erst scheiterten im November die wochenlangen Sondierungsgespräche über eine Jamaika-Koalition an der FDP.

Zu den Sondierungsgesprächen zwischen Union und SPD kam es erst nach einer Kehrtwende von Schulz, der sich ursprünglich auf die Oppositionsrolle festgelegt hatte. Hätte die SPD mit Nein gestimmt wären nur eine Minderheitsregierung, eine Rückkehr zu den Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition oder eine Neuwahl möglich gewesen.

Die Delegierten stimmen am 21.01.2018 beim SPD-Sonderparteitag in Bonn ab. Foto: Oliver Berg/dpa

Mit dem Votum verhinderten die Delegierten auch den Sturz der SPD in eine tiefe Krise. Für den Fall eines Neins war mit dem Rücktritt von Schulz gerechnet worden. Vor dem Parteitag war die Partei in den Umfragen bis auf 18 Prozent abgesackt.

Schulz nannte als zentrales Projekt einer großen Koalition einen „Aufbruch in der Bildungspoliti“ und hob erneut die Reform der Europäischen Union hervor. Er betonte, dass die SPD trotz ihres schlechten Wahlergebnisses von gut 20 Prozent eine Regierung auf Augenhöhe mit der Union anstrebe. „Die SPD muss und wird sichtbar, hörbar und erkennbar sein.“ Sie „muss eine SPD-Regierung sein“.

Kühnert sprach von einer „Vertrauenskrise“ in der Partei und betonte, dass der Parteitagsbeschluss für oder gegen ein Bündnis mit der Union so oder so schmerzhafte Nachwirkungen haben werde. „Es wird wehtun“, sagte er. „Wir werden Menschen vor den Kopf stoßen“

Noch am Sonntagabend wollten die Spitzengremien von CDU und CSU über das weitere Vorgehen beraten. Das Ja der SPD dürfte auch in der Europäischen Union für ein Aufatmen sorgen.

Brüssel und wichtige Partnerländer wie Frankreich warten darauf, dass eine neue deutsche Regierung EU-Reformen mit vorantreibt. Rechnet man den Wahlkampf dazu, agiert die Bundesregierung seit einem Jahr nur noch mit angezogener Handbremse. Seit drei Monaten ist sie nur noch geschäftsführend im Amt. (dpa)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf „Ostbelgien Direkt“:

16 Antworten auf “Deutschland: Zerrissene SPD ringt sich zu GroKo-Verhandlungen durch”

  1. Ekel Alfred

    Da wird der Zwergen-Schulz wohl erleichtert sein….noch nicht ganz weg vom Fenster….aber die AFD wird jetzt als erster die Rede halten als Oppositionspartei….da geht’s bestimmt zur Sache….endlich wieder mal was los in Deutschland….auch EdiG als alter SPD Anhänger wird sich freuen….und uns wohl bestens weiterhin unterrichten….wohin die Reise geht….

  2. Es reicht!

    Der Bundesvorsitzende hat eine tolle Rede gehalten. Seine Zeit wird noch kommen wenn SCHULZ und MERKEL in zwei Jahren aufhören (wenn Sie überhaupt bis dahin kommen denn die vier Jahre durchzuhalten ist illosorich). Die GROKO wird scheitern und dann muss der JUSO Vorsitzende die scherben aufkehren die SCHULZ hinterlässt.
    SCHULZ hätte direkt nach der Wahl Verhandlungen aufnehmen sollen. Mit dem Anfangs strikten NEIN zur Groko und jetzigem JA hat er für mich alle Glaubwürdigkeit verloren.

    • Hop Sing

      Schulz ist nur noch peinlich. Er sollte seine sieben Sachen packen. Die grosse alte SPD verdient Besseres. Und Merkel, die 25 % Stimmenverluste der CDU verantwortet, sollte ebenfalls schleunigst ihre Koffer packen.

      • Talfahrt

        Natürlich. ABer die tun doch nur das, wofür sie dahin gestellt worden sind. Schuklz und Merkel streiten sich, ja, aber das ist nur Show. Solange es in Deutschland keine Regierung gibt, und eine Regierung steht noch nicht, glauben Sie mir, werden keine neuen gesetze usw. gemacht. Also geht die Talfahrt weiter. Nicht zu vergessen, Deutschland hat auch keine echte Verfassung, was vieles überhaupt erst möglich macht. Zum 3. mal in 100 Jahren hat das Land den Kontinent ins Chaos gestürzt.

  3. Letztes Jahr brach die SPD auf, um Berge zu erklimmen –
    Inzwischen freuen sich Nahles und Schulz bereits über den Sprung auf eine Bordsteinkante, unter lautem Jubel der CDU / CSU, die ihnen bescheinigen, welch irre Leistung dies ist

  4. Réalité

    Selber Schuld!! Das sind die Leute, welche sich mit aller Kraft an die Gier zur Macht fest halten! Erbärmlicher Zustand, was uns da gezeigt wird!
    Die sehen es trotzdem, und immer noch nicht ein!?
    Reden und reden und reden, immer dasselbe Gequasel. Und dabei dermassen konträr, so das die Wände wackeln. Und sowas will Vertrauen und Talent erbringen!?
    Wenn die Nahles nicht da so aufrüttelnd geschrien hätte, wäre das Ding baden gegangen!
    Der Zustand der SPD, spiegelt in sehr vielem die Situation der heutigen „Politikerschwäche“, die Arbeit der Politik in den vergangenen Jahren wieder.
    Davon bleiben selbst sogenannte Volksparteien verschont. Siehe gerade auch in der BRD, CSU und CDU, Frankreich, Spanien, USA, Brexit! Alles Resultate von bizarren und desilusionierten Entscheidungen der dort Regierenden und Agierenden. Natürlich kann man unser Land hier prompt mit auflisten, sowie sehr viele andere Nationen in der ganzen Welt. Kriegsgeschehen, alternde Bonzen und korrupte Typen von Politikern tun das übrige am Unwohlsein mit voller Pulle dazu!
    Diese meinen wohl so fest an und in ihrem Trohne fest zu sitzen!?
    Das könnte aber bald so nicht mehr der Fall sein!?
    Allemal sollten sich in Frage stellen. Das Volk lässt sich so nicht mehr zum Narren halten.
    Da nützen Worte, solche wie die z Bspl der Frau Jaddin aber auch gar nichts (mehr)!
    Eine jede Partei, all deren Ausführende, sollten sich in Frage stellen.
    Die Massstäbe des Erdachten und Beschlossenen dieser Ausführenden sind total und überdimmensioniert verrutscht worden.
    Hier könnten Seitenweise Beispiele geschrieben werden, mit, und von den vielen Tatsachen der Regierenden Granden.
    Die „nicht-Regierenden“ sollten sich an die eigene Nase fassen, denn von der Seite kommt auch nichts umwerfendes herüber.
    So wird es im selben Trott wohl weitergehen. Man rauft sich, man verträgt sich.
    Hauptsache! Guter und bestbezahlter Posten, deren ein paar mehr, desto besser.
    Der Rest, interessiert mich doch nicht.
    Der Bürger bezahlt doch, und wir kassieren!
    Inverse Situationen, von vielen Grossen und kleinen Möchtegernen.

    • Alfons Van Compernolle

      Im „wesentlichen“ gebe ich Ihnen Recht ! Die alte verdiente SPD gibt es nicht mehr. Die Zeiten von Wehner / Brandt / Schmidt etc haben mit G. Schroeder ein Ende gefunden. Ich als Mitglied der SPD Ortsverein Bruessel, gestehe ein, dass die Groko mehr als nur UNGUT ist.
      Die SPD hat eine tiefgreifende Rueckbesinnung noetig! Dieses gilt auch fuer die SP.a hier in Belgien !
      M.Schulz ist fuer mich nicht das Problem, ich weiss aus div. Diskussionen mit ihm hier in Gent (im Vooruit) was ich von M.Schulz zu halten habe / erwarten kann , das Problem ist zweiteilig: 1) die Schroedersche Agenda Politik, welche nur Armut und Sozialabbau und die Reichen noch sehrviel REICHER gemacht hat und 2) Andrea Nahles und ihre scheinheiligen Reformen !

  5. Ekel Alfred

    @ AVC, Sie vergessen wohl, das Schulz bis heute noch nicht den Reportern von „REPORT MAINZ“ Rede und Antwort gegeben hat, warum er 110000,– Euro STEUERFREI eingesteckt hat….und so einen Mann in einer Führungsposition finden Sie gut?….das kann ja nichts werden mit der SPD….da fehlt es an Glaubwürdigkeit….

    • Alfons Van Compernolle

      Nein, E.A., dass finde ich bei weitem nicht gut , was ich auch bei der letzten Ortsverbandssitzung angefuehrt habe. Ich schweige nicht, weshalb man nicht besonders mag, muss man auch nicht !!
      Wenn ich aber die Wahl habe zwischen weniger GUT und „besch……“, dann waehle ich weniger GUT, zumal ich weiss, was ich von M.SCH. zu halten und zu erwarten habe. Und ja die SPD hat ein massives Glaubwuerdigkeitsproblem, die Zeiten von Brandt / Wehner / Schmidt etc sind vorbei, leider.
      Ich bin kein Freund der GROKO, aber ich sehe lieber einne GROKO als eine AFD /NPD / N-VA oder
      Vlaams Belang an der Macht !!!!!

  6. Ekel Alfred

    @ AVC, ich wiederhole es nochmals, die AFD braucht gar nicht an die Macht….das wäre nicht gut….aber sie soll Kontrollorgan bleiben, was die Flüchtlingspolitik und Einwanderung der Menschen aus aller Herren Länder betrifft….zum grossen Nachteil vom einheimischen Normalbürger….fällt Ihnen denn nicht auf, das im „DEUTSCHEN“ TV neuerdings in der Werbung laufend dunkelhäutige Menschen mitgezeigt werden….ob im Parfüm oder andere Artikel, man will uns mit aller Macht die Integration suggerieren….

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