Gesellschaft

Wie das Coronavirus unsere Begrüßungsformen verändert – Künftig „Namasté“ oder die offene Hand auf dem Herzen statt Händedruck oder Wangenkuss?

Bild links - Der indische Gruß “Namasté“: Hände aneinandergelegt und eine kleine angedeutete Verbeugung. Bild rechts - Die offene Hand auf dem Herzen wird bei vielen arabischen Völkern praktiziert. Fotos: Shutterstock

Ellbogen statt Küsschen? Faust statt Umarmung? Seit sich das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 ausbreitet, grüßt man sich anders. Weltweit kommen mit der Pandemie wegen der Ansteckungsgefahr Etikette und Rituale auf den Prüfstand.

Händedruck ist out. Ärzte raten zu häufigem Händewaschen und weniger körperlicher Nähe. Vor zwei Wochen berichtete „Ostbelgien Direkt“ über eine Firma im westflämischen Kortrijk, die wegen des Coronavirus ihren Beschäftigten verbietet, sich morgens bei der Begrüßung zu küssen, die Hand zu geben oder zu umarmen.

Vor einer Woche wies die belgische Fußball-Profiliga Schiedsrichter und Spieler an, sich bei der Seitenwahl nicht mehr die Hand zu geben. Einige Schiedsrichter entschieden sich daraufhin für den Faustgruß. Die Reporter wurden zudem gebeten, bei Interviews mit Fußballern mindestens einen Meter Abstand zu halten.

12.03.2020, Nordrhein-Westfalen, Dortmund: „Aus aktuellem Anlass: Wir schenken Ihnen einen Lächeln, aber verzichten auf den Händedruck“ steht auf einer automatischen Glastür der Sparkasse in Dortmund unter einem durchgestrichen Symbol eines Händedrucks. Foto: Bernd Thissen/dpa

Kurzum, das Coronavirus hat unsere Begrüßungsformen verändert. Gleichwohl will man nicht unhöflich sein. Deshalb suchen die Menschen jetzt nach passenden Alternativen.

Der britische Thronfolger Prinz Charles probierte es mit dem indischen Gruß “Namasté“: Hände aneinandergelegt und eine kleine angedeutete Verbeugung. Andernorts legen Politiker die Hand aufs Herz – oder nicken sich zu.

„Es gibt unendlich viele verschiedene Begrüßungsformen“, sagt die Verhaltensbiologin Imme Gerke, die unter anderem interkulturelle Schulungen anbietet. Sie selbst beherrsche allein 20 Formen – und suche aus, was passend sei. „Dann stellt sich die Frage nach dem Handschlag gar nicht mehr. Das ist das, was wir heute unter Vielfalt verstehen.“

Nicht angezeigt ist derzeit die Berührung mit der Stirn oder der „Nasenkuss“ bestimmter Völker – und auch die Bussi-Gesellschaft muss sich vorerst zurücknehmen. Im Internet kursieren dafür Videos, in denen sich Leute beim „Wuhan-Shake“ oder „Foot-Shake“ zur Begrüßung mit den Füßen einen Kick geben oder sich berührungsfrei die Hände nur angedeutet in der Luft reichen.

Fachleute empfehlen Verzicht auf den Händedruck

Weil Patienten schon vor den ersten Symptomen ansteckend sein und Viren an den Händen haben können, empfehlen Fachleute den grundsätzlichen Verzicht auf den Händedruck. „Jeden unnötigen Kontakt sollte man zurzeit vermeiden“, sagt Petra Gastmeier, Leiterin des Nationalen Referenzzentrums (NRZ) für Surveillance von nosokomialen Infektionen in Berlin.

12.03.2020, Berlin: Howard Carpendale (r), Sänger, kommt anlässlich der Classic Open Air Berlin-Gendarmenmarkt zu einer Pressekonferenz und begrüßt einen der Teilnehmer mit dem Ellenbogen. Der sogenannte „elbow bump“, bei dem die jeweiligen Ellenbogen für einen Gruß zusammengebracht werden, ist eine der Alternativen zum Händedruck, den man wegen der Möglichkeit sich mit dem Coronavirus zu infizieren, vermeiden sollte. Foto: Jörg Carstensen/dpa

Die Übertragung geschehe, wenn man sich anschließend mit den eigenen Händen in sein Gesicht fasse, erläutert der Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene DGKH, Peter Walger. „Die Viren, die an den Händen kleben, trägt man dann in die Schleimhäute der Nase, der Augen oder des Mundes.“ Wie viel Prozent der Coronavirus-Infektionen über den Handschlag übertragen werden, könne allerdings niemand sagen.

Aber es geht um mehr: Wer Hände schüttelt, ist dem anderen nah – und hier droht eine weitere Gefahr: Tröpfcheninfektion. „Das Händeschütteln zu untersagen, macht nur Sinn, wenn man den Abstand von ein oder besser zwei Metern einhält“, sagt Walger. „Schon allein um diesen Abstand einzuhalten, schüttelt man nicht mehr die Hände.“

Damit ist jede nahe Begrüßung auch ohne Hautkontakt keine Lösung. „Auch von Umarmungen – als Alternative zum Händeschütteln – würden wir derzeit abraten“, heißt es etwa beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).

Walger ruft zur Besonnenheit und verantwortlichem Verhalten auf. „Wir sollten anerkennen, dass wir eine grassierende Infektion haben, eine Ausbreitung eines Erregers, der sehr viele Menschen betreffen wird.“ Eine Priorität müsse sein, die zu schützen, die schwer krank werden könnten: Alte und Kranke. Wer eine Infektion habe, solle aus Rücksicht auf andere den Kontakt reduzieren. Ein einfacher Mundschutz helfe praktisch nicht gegen eine eigene Infektion, könne aber die anderen schützen, wenn man krank sei. Anstelle eines Mundschutzes tue es auch ein Schal oder ein Tuch – „alles, was die Tröpfchenverbreitung verhindert“.

Beim Faustgruß ist Zwei-Meter-Abstand nicht möglich

Vielleicht gehört das künftig zum guten Benehmen: Mundschutz bei Erkältung. Beim Gruß hat sich bisher noch kein neuer Ritus durchgesetzt. Oft gesehen ist die „Namaste“-Geste. Doch dafür braucht man beide Hände – schwierig und wenig elegant, wenn man eine Tasche oder ein Handy in der Hand hält. Nur Lächeln wiederum könne missverstanden werden als ein „Du gefällst mir“, meint Gerke.

11.11.2019, Italien, Rom: Bundeskanzlerin Angela Merkel (r) wird von Giuseppe Conte, Ministerpräsident von Italien, mit einer Umarmung begrüßt. Umarmung und Kuss sind wie der Händedruck out. Foto: Roberto Monaldo/LaPresse via ZUMA Press/dpa

Gerkes favorisierte Alternative der Coronavirus-angepassten Begrüßung ist die offene Hand auf dem Herzen. „Das wird auch bei vielen arabischen Völkern so gemacht.“ Es sei oft die Antwort darauf, dass sich Männer und Frauen nicht berühren sollten. „Das wäre doch jetzt eine ideale Begrüßung.“ Es sei eine menschlichere Geste als der Faustgruß, den viele Firmen derzeit propagieren und mit dem Barack Obama lässig unter anderem im vergangenen Jahr die Grünen-Fraktionschefin in Bayern, Katharina Schulze, begrüßte.

Zwar dürfte der Faustgruß – auch als „Fist Bump“ oder „Ghettofaust“ bekannt – an sich virenfreier sein als der Händedruck. Doch der Zwei-Meter-Abstand ist dabei kaum einzuhalten.

Dasselbe gilt für den Ebola-Gruß, den der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn schon praktizierte: Dabei berühren sich nur die Ellbogen. Auch der Sänger Howard Carpendale nutzte diese Grußart am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. „Ich habe viele Leute getroffen, die sich Ellbogen an Ellbogen begrüßen. Aber es gibt weltweit so viele Begrüßungsformen – da muss man nicht den Ellbogen erfinden“, sagt Gerke.

Die Verhaltensbiologin, die unter anderem bei dem Forscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt lernte, hat noch einen Vorschlag, der bisher kaum genannt wird, nach ihrer Aussage aber weltweit über die Kulturen hinweg verstanden wird: „Es gibt eine Begrüßungsform, die allen Menschen und auch den Primaten angeboren ist: Das Hochziehen der Augenbrauen.“

Auch kleine Kinder reagierten so. Sich gar nicht mehr zu begrüßen, wäre laut Gerke die schlechteste Idee. Denn: „Die Begrüßung ist ein aggressionshemmender Mechanismus.“ (dpa/cre)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

27 Antworten auf “Wie das Coronavirus unsere Begrüßungsformen verändert – Künftig „Namasté“ oder die offene Hand auf dem Herzen statt Händedruck oder Wangenkuss?”

  1. Guido Scholzen

    neue begrüßungsformen deswegen?
    wie meinte demletzt ein französischer virologe dazu:
    „Wissen Sie, es ist eine verrückte Welt da draußen.“
    diese „allgemeinen begrenzungsmaßnahmen“ mögen ja einen sinn haben, aber man kann es auch übertreiben.

  2. Pandemie läuft

    Wir werden viele geliebte Menschen verlieren. Wir haben es mit einem Jahrhundertereignis zu tun, das eine ganze Generation prägen wird. Zitat von Boris Johnson Premierminister von England.

      • Pandemie läuft

        Die Worte von Boris Johnson machen deutlich womit wir es hier zu tun haben, sie zeigen den Ernst der Lage, Zeit für alle, Verantwortung zu übernehmen. Wir brauchen Ausgangssperren, der Bus und Bahnverkehr muss eingestellt werden. Wir müssen von China lernen dort stand alles still in den Hotspots. Rote Zonen helfen gegen Neuinfektionen. Handeln sie jetzt, machen sie in Europa keine tödlichen Fehler, wie es heute auch der Leiter der WHO sagte.

  3. Pensionierter Bauer

    Ich begrüße alle mir angenehmen Menschen weiblichen Geschlechts nach wie vor mit dem obligatorischen und herzlichen Küsschen, denn darauf habe ich auch noch nie während einer Grippezeit verzichtet.

    • Frankenbernd

      @Pensionierter Bauer: Grippe ist nicht vergleichbar mit ‚Corona‘, immer noch nicht kapiert?! Bei Grippe kann ich ja alle Gepflogenheiten weitest gehend beibehalten, aber dieses ‚Biest‘ verlangt doch mehr Vorsicht, die Zahlen sprechen doch Baende. Wir haben nur all noch nie so etwas erlebt…..deshalb faellt es oft schwer sich von langen Gepflogenheiten mal zu trennen.

    • Vorsichtiger

      Sind sie wieder da mit ihren blöden Bemerkungen. Sie haben mir gestern nicht geantwortet( siehe Beitrag über Schwimmbad Eupen).Welches Mädchen lässt sich denn von so einem dummen Bauern küssen? Es sei denn, sie haben sich gut gewaschen oder parfümiert. Ich wiederhole ihnen was ich gestern schon geschrieben hatte : dies ist keine normale Grippe, verdammt nochmal. Es braucht 2-3 Wochen bis der Virus ausbricht und es gibt noch kein Gegenmittel!!!!!! Sind sie sicher , daß sie noch nicht infiziert sind? Nehmen sie sich in acht- vielleicht sind sie der nächste.

      • Pensionierter Bauer

        1. Auch gegen eine ganz normale Grippe gibt es kein Gegenmittel, außer vorbeugend eine Impfung, die aber nicht immer wirksam ist. Beim Ausbruch einer Grippe kann der Arzt nur Ruhe und Präparate zur Stärkung des Körpers verschreiben.
        Auch eine normale Grippe führt bei einigen Prozent der Betroffenen zu Komplikationen.
        2. Seit dem das Küsschen als Begrüßungsform in den 70er Jahren aus der Wallonie zu uns rüber schwappte hat noch nie eine Frau (Mädchen) mir dieses verweigert.
        Alleine an den vergangenen Karnevalstagen waren es wohl mehrere Hundert.

  4. Mist! Der Hongi der Māori hätte mir gefallen. Geht nicht …!
    Der Aachener Klenkes? Vielleicht!
    Handkuss wie bei Louis de Funes? Also bitte …?
    So wie die Japaner? Macht mein Kreuz nicht mit!
    Der höfische Kniefall oder Knicks oder Diener mit Hut ab und Distanz? Könnte man versuchen!
    Der Deutsche Gruß? Geht gar nicht … !!!

    Ich hab´s! Augengruß und Winken ist die Lösung. https://de.wikipedia.org/wiki/Augengruß

    Geht immer!

  5. Rob-Otter

    Geduld, Geduld. Wartet einfach etwas. Nehmt Euch Zeit, bis Ihr wieder mit Euren Spielereien weitermachen könnt. Man muss jetzt einfach mal Land sehen. Dann könnt Ihr lieben Genossen, wieder in den so wichtigen Infight gehen.
    Was glaubt Ihr eigentlich was dann los ist?

    • Walter Keutgen

      Ludwig, was soll dieser Beitrag denn gerade hier? Eine Halblüge über die Föderalabgeordnete verspreiten? Sie hatte den zweiten Listenplatz, aber auch die zweitgrößte Anzahl Vorzugsstimmen, also ist ihre Wiederwahl durchaus verdient: https://elections2019.belgium.be/fr/votes-nominatifs?el=CK&id=CKC62063&party=328. Überhaupt ist der einzige Ostbelgier, der es ins nationale Parlament schafft, seit jeher jemand der auf einen zweiten Listenplatz gesetzt wird. Lange Zeit war das der Kelmiser Schins. Seine Partei setzt auf die föderale wie die regionale Liste nur noch jemand unter ferner liefen. Seit Evers hat die PFF die CSP diesbezüglich abgelöst.

  6. Friedrich Meyer

    Für den Fall, dass ich den Ellenbogengruß verwende, soll ich dann den rechten Ellenbogen benutzen, in den in vorher hinein geniest habe? (Ich darf ja nicht mehr in die Hand niesen.)

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