Politik

„Wahlschwänzer“ haben im Prinzip nichts zu befürchten, Wahlhelfer dagegen schon

Foto: Jannis Mattar

Wer am 25. Mai seiner Wahlaufforderung nicht nachkommt, macht sich normalerweise strafbar. Dies ist aber nur rein theoretisch der Fall, wie „Ostbelgien Direkt“ bei der Prokuratorin des Königs in Eupen, Andrea Tilgenkamp, erfuhr. Hingegen müssen die Wahlhelfer, die unentschuldigt nicht erscheinen, sehr wohl mit Konsequenzen rechnen.

Unmittelbar vor den Kommunalwahlen im Oktober 2012 hatte eine Aussage der föderalen Justizministerin Annemie Turtelboom (Open VLD) für einigen Wirbel gesorgt. Turtelboom hatte erklärt, dass diejenigen, die der Wahlpflicht nicht nachkommen würden, nichts zu befürchten hätten. Angeblich sind seit 2003 keine Sanktionen mehr gegen “Wahlschwänzer” ausgesprochen worden.

Prokuratorin Andrea Tilgenkamp und Gerichtspräsident Rolf Lennertz. Foto: Gerd Comouth

Prokuratorin Andrea Tilgenkamp und Gerichtspräsident Rolf Lennertz. Foto: Gerd Comouth

Was Turtelboom damals gesagt hat, bekräftigte jetzt Andrea Tilgenkamp, Prokuratorin des Königs beim Gericht Erster Instanz in Eupen. Die Wahlpflcht gibt es eigentlich nur noch auf Papier, denn von einer Verfolgung der „Wahlschwänzer“ kann de facto keine Rede sein.

Nach der Wahl wird die Liste der Personen, die nicht zur Wahl erschienen sind, der Staatsanwaltschaft übermittelt.

Dabei dürfte man es auch belassen. „Stellen Sie sich mal vor, wir würden jeden Wähler, der nicht erschienen ist, verfolgen. Dann hätten wir zu viel zu tun. Die Wähler werden nicht verfolgt, weil es der Staatsanwaltschaft mit dem Personal, über das sie verfügt, nicht möglich ist, sie zu verfolgen.“

„Selbst wenn es eine Verfolgung gäbe“, so Tilgenkamp, „müssten die verfolgten Wähler, die das Bußgeld nicht sofort bezahlt haben, einzeln vernommen werden. Die von ihnen dann gemachten Aussagen müssten überprüft werden. Und falls sie dann immer noch nicht gezahlt haben, müssten sie vor Gericht geladen werden. Das ist mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln einfach nicht möglich. Wir sprechen ja hier nicht von fünf Wählern, die nicht zur Wahl erscheinen.“

Wahlhelfer in einem Wahlbüro in Walhorn bei den Kommunalwahlen 2012. Foto: Jannis Mattar

Wahlhelfer in einem Wahlbüro in Walhorn bei den Kommunalwahlen 2012. Foto: Jannis Mattar

„Es ist natürlich klar“, betonte Prokuratorin Tilgenkamp, „sollte der Anteil der Wähler, die nicht erscheinen, sagen wir mal, nicht mehr als 1% der Wahlberechtigten betragen, dann könnten wir schon aktiv werden.“

Anders verhält es sich mit den Wahlhelfern. Deren Anzahl ist schätzungsweise viel geringer. Deshalb ist in ihrem Fall eine Verfolgung durchaus machbar. Der Wahlhelfer, der nicht erscheint und für sein Fernbleiben auch keine stichhaltige Begründung liefern kann, muss damit rechnen, ein Bußgeld auferlegt zu bekommen. (cre)

 

23 Antworten auf “„Wahlschwänzer“ haben im Prinzip nichts zu befürchten, Wahlhelfer dagegen schon”

  1. Es gibt da in der Eifel eine aufgeforderte, aber lustlose Wahlhelferin, die auf Anraten ihres Ehemannes mit einem billigen Trick ein Attest erhielt und „frei“ gesprochen wurde. Daraufhin erhielt dann 2 Tage später …. der Ehemann die neue Aufforderung: Do lachst de dich kapott!

  2. Jugendlicher

    Für das Recht zu Wählen haben so manche unserer Vorfahren ihr Leben lassen müssen. Jeder, der nicht wählen geht spukt einerseits den eigenen Vorfahren aufs Grab und sollte sich andererseits nicht beklagen, wenn das Resultat schei*e ist.

      • Jugendlicher

        Es gibt immer noch die Möglichkeit weiss zu wählen. Ich bin aber einverstanden, dass es schade ist, dass man nicht mehr so tolle Sprüche auf die damit ungültigen Zettel schreiben kann.
        Ich finde eigentlich, dass wenn nicht jeder Wählen geht die Resultate verzerrt sind, weil das die Resultate von nur einem Teil des Volkes ist. Durch die Wahlpflicht wird gewährleistet, dass die Resultate der Wille des ganzen Volkes ist.

  3. Wahlfisch

    Zunächst mal gilt es den Unterschied festzuhalten zwischen dem Begriff „Wahlhelfer“ einerseits und dem Begriff „Wahlpflicht“ andererseits.Bei ersterem handelt es sich um eine gesetzliche Pflichtaufgabe. Bei der sog.“Wahlpflicht“ habe ich so meine Benken, denn eigentlich ist es ein „Recht“. Die Pflicht besteht nicht darin, einen Kandidaten , bzw.eine Partei zu wählen, sondern in einem bestimmten Wahllokal zu erscheinen! Dementsprechend ist es auch keine WAHLpflicht und müsste somit eher
    „Erscheinungspflicht zur Wahl“ oder wie auch immer heißen.
    Desweiteren ist das ganze Wahl-System
    vollkommen ungerecht, da man nur die Kandidaten, bzw.Parteien eines vorgegebenen Wahlbezirkes wählen kann (darf). In der DG kann man beispielsweise betreffend den Föderalwahlen keinen flämischen Kandidaten wählen, mit anderen Worten : eine willkürlich eingeschränkte Wahl.Und da ich nicht in einer Bezirksliga mitmischen möchte,
    gehe ich einfach nicht hin.Erst recht, was die Europa-Wahlen betrifft. Verspüre absolut keine Lust, irgendwelchen Lobbyisten-hörigen Abzockern dieser Geldverbrennungsanlage zu den Futtertrögen zu verhelfen. Sollen diese EU-dioten doch ohne mich weiterhin ihrer Regulierungswut frönen und an ihren Verordnungen über Gurken, Duschköpfen,
    Ölkännchen, Staubsaugern, Kaffeemaschinen usw., oder wie zuletzt der 10-seitigen Verordnung über die Pizza napoletana sich ergötzen.In der letzten Sendung von „Hart aber fair“ wurde einem dieser ganze EU-sinn noch mal so richtig vor Augen geführt.

  4. Kontrolle

    @ Jugendlicher: BRAVO… Sie reden mir aus der Seele.

    Die Wahl ist das einzige Mittel für den Bürger, aktiv in das politische Leben einzugreifen. Was diverse Koalitionen im Nachhinein anbelangt, so steht das auf einem anderen Blatt, denn sind zumeist die „großen Parteien“ – im Fall der DG offensichtlich die CSP bei den letzten Wahlen – nicht bereit, den politischen Kuchen, bzw. die Posten zu teilen. Wer zu viel verlangt muss sich nicht wundern, wenn er am Ende allein im Regen steht.

    Unsere Vorfahren haben bis aufs Blut für das Wahlrecht gekämpft und es ist ein Hohn, wenn jetzt sogar Politiker und bei den Gemeinderatswahlen 2012 sogar die Jurisprudenz öffentlich bekannte, Wahlmuffel nicht strafrechtlich zu verfolgen.

    Die Wahl ist in Belgien „Pflicht“; ähnlich wie das Tragen des Gurtes im Pkw oder aber das Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen. Wenn nun Politiker und Gesetzesverantwortliche laut schreien; dass „Wahlmuffel“ ungeschoren davonkommen, glaube ich nicht mehr an Rechtsstaatlichkeit und erachte die oben genannten „Pflichtbeispiele“ ebenfalls als lapidar und somit nicht „verpflichtend“.

    Meiner Meinung nach MÜSSEN ALLE Wahlmuffel zur Kasse gebeten werden – wenn die öffentliche Hand das nicht gebacken bekommt, sollen sie gefälligst private Unternehmen (ähnlich wie beim Verteilen von Knöllchen in den Städten) damit beauftragen. Nur so kann der Bürger zu mehr Verantwortungsbewusstsein erzogen werden… und glauben Sie mir, die Extremisten bevorzugen diese lasche Haltung, denn es sind zweifelsohne bequeme Bürger aus der Mitte, die am Wahlsonntag lieber im Bett liegen bleiben.

    Durch diese Haltung werden extremistische Parteien unterstützt und die Wahl verfälscht.

    Weißwählen ist in diesem Zusammenhang zwar legitim, doch politisch in der Entscheidungsfindung wenig dienlich, werden doch nur die „Großen“ unterstützt.

    Daher meine Aufforderung und mein Wunsch zugleich:

    100%ige Wahlbeteiligung – 0% Weißwähler!

    Nur so kann die Demokratie und damit auch unser Wohlstand garantiert und geschützt werden.

    • @ Kontrolle :
      Und wenn mir kein einziger KandidatIN, bzw.keine einzige Partei irgendeiner Liste zusagt, was dann? Was bleibt mir als Alternative? Sehe das so ähnlich wie „Wahlfisch“ es in seinem Post beschreibt.
      Echte Demokratie wären VolksENTSCHEIDE wie beispielsweise in der Schweiz (Keine lapidaren Volksbefragungen , wo sich die Politik letztendlich nicht dran halten muss!)Das ist bürgergerechte Demokratie und nicht der Zwang in ein Wahllokal zu gehen.
      Funktioniert die „Demokratie“ denn besser in Belgien als in anderen Ländern, wo es keine Wahl“pflicht“ gibt?
      Ach ja, Wahlpflicht gibt es tatsächlich außer in Belgien u.a. auch noch in Ägypten,Kuba, Fidschi,Chile und nicht zuletzt in Nordkorea. Alles Staaten, die über jedwede Korruption erhaben sind.
      Genau wie Belgien, oder etwa nicht?

  5. Werden Wahlhelfer eigentlich ausgelost oder wie läuft sowas ab ?

    Nach der dritten Aufforderungen, bei den letzten vier Wahlen, habe ich ernsthaft kein Bock mehr drauf… Reicht das als Begründung ?

    • Es reicht!

      Einfach zum Arzt gehen und ihm mitteilen Sie fühlten sich durch die ganze Berieselung durch Wahlwerbung und Spots verfolgt und belogen (alle wollen es besser machen, alle sich für die Umwelt einsetzen, für den Bürger da sein usw.). Sie könnten keine Märchen mehr vertragen? Bin sicher er wird ihnen für den Wahltag ein Attest ausstellen!

    • Ich verstehe nicht das man keine Arbeitslose als Wahlhelfer nimmt. Die meisten die dort hin müssen arbeiten die ganze Woche und können sich dann auch noch dahin setzen?? Wir haben nur Anrecht auf Wochenende und 20 Urlaubstage im Jahr, da braucht man meiner Meinung nach nicht noch den ganzen Tag dort zu vergeuden.

  6. Ostbelgien Direkt

    „Ostbelgien Direkt“ ist heute gemeldet worden, dass es immer noch Wahlhelfer gibt, die bei den Gemeinderatswahlen von Oktober 2012 im Einsatz waren und noch immer auf ihre Entschädigung warten. Gruß

    • Wahlhelfer

      Das kann ich bestätigen. Geht mir genauso wie den anderen aus meinem Wahlbüro. Ist ja eh nicht de Welt, was man dafür bekommt, aber wenn man schon Leute zwingt, den ganzen Sonntag der Demokratie zu widmen, sollte man ihnen wenigstens die kleine Entschädigung zahlen.

  7. Nur geträumt?

    Also, habe ich richtig verstanden? Wenn ich und viele andere nicht wählen gehen, werde all die nicht bestraft, weil es zuviel Arbeitsaufwand für die Justiz wäre, alle diese zu verfolgen und zu bestrafen?
    Wenn dem so ist, dann liebe Autofahrer, liebe Häuslebauer, liebe Einbrecher, …. so viel wie möglich Verkehrszuwiderhandlungen, Verstösse gegen das Urbanismusgesetz, so viel wie möglich Einbrüche, … Dann ist die Justiz mit Arbeit überfordert und keiner wird bestraft.

    • @ Nur geträumt? Ich finde es auch seltsam, dass nicht auf die Einhaltung eines Gesetzes geachtet wird, nur weil dies zu viel Aufwand erfordert. Ist dem Rechtsempfinden der Leute nicht gerade förderlch.

  8. Unkontrolliert

    @kontrolle.
    Selten so einen Unsinn gelesen.
    Wohl einen schlechten Tag gehabt?

    Ich wähle wen ich will, und wenn mir keiner gefällt und wenn mir deren Wahllügen auf den Geist gehen, dann auch gerne Weiß. Das lasse ich mir von einem wie Ihnen in Ihrer arroganten Art nicht vorschreiben!!!

  9. Es reicht!

    Anstatt gar nicht zur Wahl zu gehen wie wäre es einer der etablierten Parteien zu wählen aber nur die Kandidaten von Platz 10 bis 15? Ich bin sicher dann würden die Listenführer sehr sehr Böse über die Wähler werden?

  10. Stimme TD

    Es ist nicht nur das Gericht was vielen Dingen garnicht mehr nachgeht. Es fängt bei der Polizei an. Es wird gekürzt was das Zeug hält, koste es was es wolle.
    Würde mich nicht wundern, wenn es wieder zu einem Eklat in Brüssel kommt und viele anti Europa Parteien Gehör finden.

  11. Anonymous

    Strafverfolgung ist auch und vor allem eine Frage der öffentlichen Sicherheit und des zivilen Friedens. Von daher ist es nachvollziehbar, dass die personell chronisch unterbesetzte Eupener Justiz keine Verstöße verfolgt, die weder Sicherheit noch Frieden bedrohen und wo es eigentlich auch kein Opfer gibt. Mir ist es absolut recht, wenn die Staatsanwaltschaft sich eher auf Kriminalität als auf zivilen Ungehorsam konzentriert.

  12. fünfnachzwölf

    Wenn ich am Wochenende der Wahlen ans Meer fahren möchte kann ich keine Vollmacht erteilen.Verbringe ich mein Wochenende im Ausland,z.B in Köln ist dies möglich.Wo ist da die Logik ?Dabei würde ich gerne meiner Wahlpflicht nachkommen und meine Stimme abgeben.

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