Nachrichten

Großbritannien: Theresa May verliert ihre absolute Mehrheit – „Mayxit“?

Sie wollte gestärkt aus der Wahl hervorgehen, wird aber wahrscheinlich geschwächt: Grobritanniens Premierministerin Theresa May. Foto: Shutterstock

Rückschlag statt Rückenwind: Die britische Premierministerin Theresa May steht nach der auf ihre Initiative vorgezogenen Neuwahl vor einem Scherbenhaufen. Im Parlament verliert die Konservative ihre Mehrheit – das von ihr gewünschte klare Mandat für die Brexit-Verhandlungen mit der Europäischen Union gibt es nicht.

Nach der Auszählung fast aller Wahlkreise kommen die regierenden Tories nur auf 315 der 650 Sitze. Damit könnte May nicht wie bisher alleine regieren, sie müsste versuchen, eine Koalition zu bilden, mit wem auch immer.

Labour kommt der Prognose zufolge auf 261 Sitze und gewinnt damit deutlich hinzu. Es folgen die Schottischen Nationalisten (35), die Liberaldemokraten (12) und die Nationalkonservativen (10). Die rechtspopulistische UKIP geht leer aus.

Schlagzeile von bild.de von Freitagmorgen.

May hatte das Amt der Regierungschefin im vergangenen Jahr von David Cameron übernommen, nachdem eine knappe Mehrheit der Briten in einem Referendum für den Brexit gestimmt hatte.

Umfragen vor der Wahl hatten Mays Tories durchgehend vorn gesehen, allerdings war ihr Vorsprung vor Herausforderer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei in den vergangenen Wochen stark geschrumpft.

Nach den Terroranschlägen in London und Manchester war May unter Druck geraten, weil in ihrer Amtszeit als Innenministerin fast 20.000 Polizei-Stellen gestrichen worden waren. Auch Vorschläge zur Sozialpolitik waren bei den Briten nicht gut angekommen.

Die vorgezogene Neuwahl hatte die Premierministerin im April überraschend angekündigt mit dem Ziel, sich mehr Rückendeckung für die anstehenden Brexit-Verhandlungen zu holen.

Zu diesem Zeitpunkt lagen ihre Konservativen in Umfragen noch deutlich vor Labour. Die vorgezogene Neuwahl war also letztlich für Theresa May ein Schuss in den Ofen.

Corbyn fordert Mays Rücktritt

Ihr Herausforderer Jeremy Corbyn, dessen Labour-Partei stark zulegen konnte, forderte die Regierungschefin noch in der Nacht zum Freitag zum Rücktritt auf. Sie habe Stimmen, Sitze und Vertrauen verloren, sagte er. Das sei genug, um „zu gehen und Platz zu machen für eine Regierung, die wirklich alle Menschen dieses Landes repräsentiert“.

Kommt jetzt der „Mayxit“? Die „Tories“ hätten in diesem Fall binnen einem Jahr nach David Cameron und Theresa May zum dritten Mal einen neuen Chef.

Mit May als Premierministerin müsste sich die Europäische Union (EU) auf harte Brexit-Verhandlungen einstellen, mit denen Brüssel schon am 19. Juni beginnen will. Die Konservative betonte, Großbritannien werde die EU eher komplett ohne Einigung verlassen, als einen „schlechten Deal“ zu akzeptieren.

Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn. Foto: Shutterstock

Großbritannien hat ein reines Mehrheitswahlrecht. Um einen Sitz zu bekommen, müssen Politiker in ihrem Wahlkreis die meisten Stimmen holen. Kleine Parteien werden durch dieses Wahlsystem meist benachteiligt.

Wie die Trennung von der EU vollzogen werden soll, war eines der Themen im Wahlkampf – aber nicht das dominierende. May steht für einen sogenannten harten Brexit, das heißt, sie stellt die Kontrolle der Grenzen über eine Beteiligung Großbritanniens am europäischen Binnenmarkt.

Labour will einen weicheren Brexit und eng mit der EU zusammenarbeiten. Aber die Entscheidung der Briten vom vergangenen Jahr, aus der EU auszutreten, will auch Corbyn nicht rückgängig machen. Einzig die Liberaldemokraten wollen den Brexit noch verhindern, dies gilt jedoch als aussichtslos.

Die Liberaldemokraten, die von 2010 bis 2015 mit dem konservativen Premier David Cameron regiert hatten, schlossen eine Koalition und einen „Deal“ aus. Auch grundsätzlich unterschiedliche Haltungen der Parteien zum Brexit machen eine Zusammenarbeit schwer. Die nordirische DUP zeigte sich allerdings schon in der Nacht bereit, die Konservativen zu unterstützen.

May bittet Queen um Regierungsauftrag

Trotz der herben Schlappe bei der Parlamentswahl in Großbritannien hält Theresa May an ihrem Machtanspruch fest und will das Land aus der EU führen. Am Freitag bat sie Königin Elizabeth II. um die Erlaubnis zur Regierungsbildung.

Noch am selben Tag begannen erste Gespräche über eine Minderheitsregierung der Tories mit Unterstützung der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP). (dpa/cre)

11 Antworten auf “Großbritannien: Theresa May verliert ihre absolute Mehrheit – „Mayxit“?”

  1. Pensionierter Bauer

    Dann hoffe ich mal, dass die Konservativen wirklich abgewählt sind. Es wäre gut für Europa.
    Europa muss sich unbedingt auf seine eigenen Werte und Stärken zurückbesinnen. Weder die rechten Kräfte noch die sogenannten Gutmenschen sind gut für unsere Bevölkerung.

  2. Zaungast

    Zum zweiten Mal zeigt sich in GB, dass die Wähler doch nicht willenloses Stimmvieh sind, das man zu den Wahlurnen treiben kann, wenn es den Parteistrategen gerade ins politische Konzept passt und die dann nach Vorlage abstimmen. Gut so, auch wenn die Folgen, sowohl für GB als auch für die EU, wohl eher negativ sein werden.

    Wer hat jetzt ein Mandat, die Verhandlungen über den Brexit zu beginnen und zu einem für GB halbwegs glücklichen Ende zu führen? Da jedenfalls hat May sich gründlich verrechnet.

    Die kommenden Monate werden spannend werden: die USA mit Trump, GB mit dem Brexit, die EU mit Reformen, der Nahe Osten mit Qatar, die Wallonie und Brüssel mit ihren Skandalen, Deutschland und Merkel/Schulz, Bütgenbach und das Trinkwasser, …

  3. Zaungast

    Schön, dass mein Schuss Ironie bei Ihnen angekommen ist, Réalité. Ja, die Liste ließe sich endlos fortspinnen, wobei die Gewichtung der einzelnen Punkte natürlich relativ ist. Für den Bütgenbacher ist sauuberes Trinkwasser sicher wichtiger als Trumps Eskapaden.

    Zum Thema:
    Nix mit „Mayxit“!
    Die „Blecherne Lady“ klammert sich an ihren Stuhl und will die nächste Regierung bilden.

    Dabei hatte sie vor den Wahlen getwittert:

    “If I lose just six seats I will lose this election and Jeremy Corbyn will be sitting down to negotiate with Europe: https://t.co/OwbfDseOJh”

    Nun ja, das ist nicht der erste Umfaller ihrerseits.

    • Radio Euro

      Auch Cameron hatte nach dem Brexit-Votum erklärt, das Deichseln zu wollen. Es gibt Automatismen, gegen die kann man sich nicht wehren. Heute nicht. Und morgen oder übermorgen erst recht nicht.

      • Zaungast

        „Auch Cameron hatte nach dem Brexit-Votum erklärt, das Deichseln zu wollen.“
        Das habe ich anders in Erinnerung.

        Cameron hat die Deichsel gleich am Tag nach dem Referendum losgelassen und seinen Rücktritt erklärt. Er hat bekanntlich – wenn auch windelweich – für den Verbleib in der EU geworben und diese – nicht bindende – Volksbefragung nur veranstaltet, um seine innerparteilichen Gegner kaltzustellen. Dieser Schuss ging dann nach hinten los. Dieselbe rein parteipolitische Taktierei hat auch May veranstaltet, und es ist gut, dass die Wähler beiden die Quittung dafür gegeben haben, auch wenn den kleinen Leuten wie üblich die Folgen davon aufgebürdet werden.

  4. Radio Euro

    Nein. Die kleinen Leute haben sich das zweimal selbst aufgebürdet. Wenn man jemandem die Folgen seines Tuns vorher klar macht und er dennoch meint, er müsste zeigen wo der Hammer hängt, dem kann niemand mehr helfen.

  5. Ostbelgien Direkt

    AKTUALISIERUNG – Trotz der herben Schlappe bei der Parlamentswahl in Großbritannien hält Theresa May an ihrem Machtanspruch fest und will das Land aus der EU führen. Am Freitag bat sie Königin Elizabeth II. um die Erlaubnis zur Regierungsbildung. Noch am selben Tag begannen erste Gespräche über eine Minderheitsregierung der Tories mit Unterstützung der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP).

  6. Johann Klos

    Das war es dann – sie wird wohl “ gegangen werden “

    Wichtiger scheint mir das man wie Labour es vormacht mit einer überzeugenden linken Politik auch wieder Wähler gewinnen kann.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern