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Uli Hoeneß im Interview: Seit 40 Jahren an der Spitze des FC Bayern München – „Ich bin damals wilder gewesen“

Uli Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern München. Foto: Shutterstock

Am 1. Mai 1979 tritt Uli Hoeneß beim FC Bayern das Amt des Managers an. „Nach oben“ zu kommen, ist das Ziel des Visionärs, der sich mit vielen anlegt. Als Präsident blickt er in einem ausführlichen Interview mit dpa auf vier bewegte Jahrzehnte zurück – und plaudert über Kahn, Mbappé, Kovac und zwei Legenden.

Der Aufstieg des FC Bayern München zur Nummer 1 in Deutschland und einem Global Player im internationalen Fußball ist maßgeblich mit dem Wirken von Uli Hoeneß verbunden.

Vor 40 Jahren wird er mit erst 27 Jahren Manager. Seit 2016 ist er zum zweiten Mal Präsident des deutschen Rekordmeisters. Amtsmüde wirkt Hoeneß in dem Interview der Deutschen Presse-Agentur (dpa) nicht, zumal sein Lebenswerk mal wieder mitten im Umbruch steckt. „Es ist gerade so viel Arbeit da. Wir haben so viele Themen anzupacken“, sagt der 67-Jährige.

– Herr Hoeneß, welche Erinnerungen haben Sie an den 1. Mai 1979? Wie verlief Ihr erster Arbeitstag? Was haben Sie damals als Manager beim FC Bayern vorgefunden?

23.04.1977, München: Der ehemalige Bayern-Manager Robert Schwan (r) sitzt, Pfeife rauchend, auf der Ehrentribüne im Gespräch mit Uli Hoeneß, der dann 1979 seine Nachfolge als Manager beim FC Bayern antrat. Foto: Hartmut Reeh/dpa

Hoeneß: Ich war ganz unternehmungslustig und sehr motiviert, als ich in einem grauen Sakko ankam, einen Notizblock hatte ich unter den Arm geklemmt. Damals habe ich das alte Büro von Robert Schwan übernommen. Da stand ein Schreibtisch drin, und ein Sideboard mit einem Telefon drauf – das war’s. Eine Sekretärin hatte ich nicht. Ich habe zwei Stunden rumtelefoniert, dann bin ich wieder nach Hause gegangen.

– Ihr Notizblock war vermutlich voll mit tollen Ideen?

Hoeneß: Nein. Da stand gar nichts drin. Aber danach ging es los. Ich hatte einen Bekannten, der Geschäftsbeziehungen nach Kuwait hatte. Da bin ich dann mal hingeflogen. Damals brachten Freundschaftsspiele in Deutschland nur 10.000 oder 20.000 Mark ein. Und ich dachte, es kann doch nicht wahr sein, dass der FC Bayern für solche Summen durch die Gegend fährt. Damals haben wir zwölf Millionen Mark Umsatz im Jahr gemacht. Wir hatten 20 Mitarbeiter, heute sind es 1.000.

– Merchandising, Sponsoring, gab’s das vor Ihrer Zeit schon?

Hoeneß: Merchandising gab es nicht. Wir hatten eine Poststelle. Da lag ein Schal aus, dazu ein paar Postkarten. Das war unsere Abteilung für Fanartikel.

– Sie waren 27, als Sie nach dem frühen Ende ihrer Laufbahn als Spieler Manager wurden. Hatten Sie keine Bedenken vor der Größe der Aufgabe?

Hoeneß: Meine erste schwere Knieverletzung habe ich 1975 im Alter von 23 Jahren im Europapokalfinale in Paris gegen Leeds United erlitten. Eine Meniskusverletzung war damals keine Kleinigkeit. Heute macht man einen kleinen Schnitt, und der Spieler ist in 14 Tagen wieder fit. Ich hatte damals viel Zeit zum Nachdenken. Und Manager wollte ich sowieso mal werden, Trainer kam für mich nicht infrage.

– Warum?

Hoeneß: Ich hatte immer eine besondere Beziehung zur wirtschaftlichen Seite des Fußballs. Robert Schwan, damals Manager des FC Bayern, konnte ich immer über die Schulter schauen. Er hat mich schon als Spieler als seinen Mini-Manager betrachtet. Wenn wir etwa in Südamerika waren, und es waren Hotelabrechnungen zu erledigen oder Flugumbuchungen, hat er mich immer mitgenommen.

– Die Kommerzialisierung des FC Bayern hin zu einem Global Player im Fußball dürfte Ihre wohl bedeutendste Leistung sein.

17.05.2003, Bayern, München: Bayerns Manager Uli Hoeneß (vorne) spricht auf dem Balkon des Münchner Rathauses zu den Fans. Im Hintergrund hält Oliver Kahn die Meisterschale hoch. Foto: Peter Kneffel/dpa

Hoeneß: Ich sah meine wichtigste Aufgabe darin, den FC Bayern unabhängiger von Zuschauereinnahmen zu machen. Als ich anfing, machten diese 85 Prozent des Umsatzes aus. Heute sind es bei knapp 700 Millionen Euro Umsatz noch 18 bis 20 Prozent.

– Wie sind Sie vorgegangen?

Hoeneß: Ich bin in der Anfangszeit viel rumgeflogen. Dahin, wo das große Business war, nach England und in die USA. Ich war in San Francisco bei den 49ers, einer Mannschaft im American Football, und bei den San Francisco Giants, damals World-Series-Sieger im Baseball. Auch Manchester United, die im Fußball mit weitem Abstand im Merchandising die Nummer 1 waren, habe ich besucht. Die hatten schon einen Fanshop und eine eigene Versandabteilung. Durch learning by doing habe ich das aufgearbeitet.

– Was haben Sie denn vor Ort konkret gelernt?

Hoeneß: Als ich in San Francisco war, sollte ich für meinen Sohn eine Lederjacke von Joe Montana mitbringen, dem Quarterback. Da war ich in einem Laden der 49ers in der City und habe zu meiner Frau gesagt: Wenn ich mir das vorstelle, dass beim FC Bayern auch mal an einem Montagmorgen nicht nur die klassischen Fans, sondern Banker und Geschäftsleute für ihre Kids einkaufen, dann haben wir es geschafft.

– Sie haben auch das Fernsehen als ganz große Einnahmequelle erkannt. Sie sollen damals schon die Vision vom Pay-TV gehabt haben?

Hoeneß: Und bin dafür belächelt worden. Mit Gerhard Mayer-Vorfelder, dem damaligen Präsidenten des VfB Stuttgart, habe ich eine Interessensgemeinschaft gegründet. Die hieß „Aktion 50 Millionen“. So viel wollten wir unbedingt vom Fernsehen kriegen. Damals bekamen wir alles in allem 20 Millionen Mark. Wir wurden dafür beschimpft.

– Live-Spiele im Fernsehen waren damals noch eine Ausnahme.

Hoeneß: Wenn ein Europapokalspiel nicht ausverkauft war, wurde oft erst am Spieltag entschieden, ob der Verein einer Live-Übertragung im Fernsehen zustimmt. Das waren harte Fights zwischen ARD, ZDF und den Vereinen – herrlich.

– Hätte der 27 Jahre junge Uli Hoeneß die Dinge mit der Erfahrung des 67 Jahre alten Uli Hoeneß anders angepackt?

Hoeneß: Damals bin ich wilder gewesen. Ich bin heute viel milder in der Auseinandersetzung. Ich wollte mit dem FC Bayern nach oben kommen. Meine Auseinandersetzungen mit Gladbachs Helmut Grashoff, Bremens Willi Lemke oder anderen Managern waren legendär. Da habe ich viel mehr mit den Ellbogen gekämpft. Wenn man oben angekommen ist, kann man verteilen. Aber bis du ganz oben bist, musst du fighten.

– Haben Sie die persönlichen Fehden mit Lemke oder später mit dem Trainer Christoph Daum auch als Antrieb gebraucht?

Uli Hoeneß im März 2014 vor Gericht mit seinen Anwälten. Foto: dpa

Hoeneß: Durch die Polarisierung haben wir den FC Bayern viel interessanter gemacht als die meisten anderen Vereine. Es gab viele Clubs in großen Städten, die Möglichkeiten hatten wie der FC Bayern: Ich denke an Hamburg, Köln, Stuttgart, Frankfurt, Berlin. Oder an 1860! In den 60er Jahren war Sechzig in München der große Verein.

– Warum kann kein Verein dem FC Bayern dauerhaft Paroli bieten? Selbst Borussia Dortmund gelingt das, wie die sechs Jahre vor dieser spannenden Saison gezeigt haben, allenfalls temporär.

Hoeneß: Aber jetzt sind sie ein sehr ernstzunehmender Gegner geworden. Das liegt auch daran, dass sie mit Hans-Joachim Watzke und Reinhard Rauball in der Führung eine große Kontinuität besitzen, wie wir sie beim FC Bayern immer hatten. Ich bin jetzt 40 Jahre da. Dann kamen Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge. Wir haben versucht, bei Trainern und Manager wenig Fluktuation zu haben.

– Ist Kontinuität also das Erfolgsgeheimnis des FC Bayern?

Hoeneß: Die schlechtesten Jahre beim FC Bayern waren immer die, wenn wir auf der Trainerposition recht große Fluktuation hatten. Ich denke, dass heute viele Vereine nach München schauen, was der Marktführer macht, und dann versuchen, das Beste abzukupfern.

– Beckenbauer, Hoeneß, Rummenigge: Warum ist es Ihnen so wichtig, Spieler mit einer FC-Bayern-Vita an den entscheidenden Schaltstellen des Vereins zu installieren?

Hoeneß: Es ist hilfreich, wenn du in wichtigen Positionen Leute einbauen kannst, die Stallgeruch haben, die als Spieler die DNA des FC Bayern aufgesaugt haben. Das ist keine unabdingbare Voraussetzung, aber es ist hilfreich. Klar ist aber: Irgendwann müssen Karl-Heinz und ich hier die Plätze freimachen. Auch ich hatte mit 27, als ich angefangen habe, keine Ahnung, wie es geht. Aber ich habe es gelernt. Das war learning by doing. Die Chance gibt es auch jetzt für junge Ex-Spieler. Hasan Salihamidzic etwa macht einen sehr guten Job als Sportdirektor.

– Wenn über die nächste Führungsgeneration beim FC Bayern gesprochen wird, fällt der Name Oliver Kahn.

12.05.2018, Bayern, München: Präsident Uli Hoeneß (l) und Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef vom FC Bayern. Foto: Sven Hoppe/dpa

Antwort: Wir sind in sehr konkreten Gesprächen mit Oliver. Wir sind aber nicht unter Zeitdruck, weil Karl-Heinz seinen Vertrag als Vorstandsvorsitzender bis Ende 2021 verlängert hat.

– Was qualifiziert Kahn?

Hoeneß: Mir gefällt Olivers Entwicklung nach der Spieler-Karriere. Er hat sich als Experte im Fernsehen fantastisch entwickelt, ein Fernstudium in Betriebswirtschaft gemacht und eine Firma gegründet. Wir haben hier jemanden, der den Fußball als Torwart auf allerhöchstem Niveau erlebt hat und zugleich in der Lage ist, im wirtschaftlichen Bereich seinen Mann zu stehen. Das reizt uns so.

– Es war von einer Art Probejahr für beide Seiten die Rede. Wann beginnt dies?

Hoeneß: Es ist derzeit vorgesehen, dass es am 1. Januar 2020 losgeht.

– Das Fußballgeschäft hat sich in Ihren 40 Jahren als Macher rasant entwickelt. Wie liefen zum Beispiel Transfers früher ab?

Hoeneß: Da war viel mehr Abenteuer dabei. Als wir Rabah Madjer, der in unserem Europapokalfinale gegen den FC Porto 1987 dieses legendäre Hackentor erzielte, verpflichten wollten, bin ich nicht direkt nach Porto, sondern nach Lissabon geflogen. Mit einem Leihwagen bin ich dann quer durch die Pampa gefahren, nur, um mich in Porto heimlich mit der Familie Madjer treffen zu können. Oder als wir Roque Santa Cruz 1999 in Paraguay abgeworben haben. Da haben wir mit dem Vereinspräsidenten in dessen Haus verhandelt. Die ganze Familie war dabei. Und nebenan im Wohnzimmer warteten die ganze Zeit 25 Journalisten. Das waren schon verrückte Erlebnisse.

– Es gehörte also Versteckspiel dazu?

Hoeneß: Als wir Michael Sternkopf verpflichten wollten, bin ich mit Jupp Heynckes mit dem Zug nach Karlsruhe gefahren zu dessen Eltern. Am Bahnhof habe ich gesagt: Jupp, wir brauchen noch Blumen. Und am nächsten Tag stand’s dann groß in der Zeitung: Heynckes und Hoeneß mit Blumenstrauß im Taxi bei der Familie Sternkopf.

– Der Jungstar des KSC wechselte 1990 für 3,4 Millionen Mark zum FC Bayern. Jetzt haben Sie 80 Millionen Euro für den französischen Weltmeister Lucas Hernández von Atlético Madrid ausgegeben. Die 100-Millionen-Marke ist ganz nah. Fällt sie noch in diesem Sommer?

Hoeneß: Dieses Jahr sicherlich nicht. Und ich muss zugeben, auch 80 Millionen hätte ich mir vor zehn Jahren nicht vorstellen können. Aber man muss berücksichtigen, dass wir in diesem Zeitraum auch unseren Umsatz verdoppelt haben. Da ist es klar, dass auch die Ausgaben zunehmen. Die Gehälter sind gestiegen, ebenso die Transfersummen. Dass sie diese Dimensionen erreicht haben, hat damit zu tun, dass ausländische Investoren, Oligarchen, amerikanische Hedgefonds und sogar ganze Staaten wie Abu Dhabi und Katar ins Fußballgeschäft eingestiegen sind.

– Über die Rekordausgabe des FC Bayern für Hernández ist kontrovers diskutiert worden. Wie haben Sie das aufgenommen?

31.01.2019, Bayern, München: (l-r), Susanne Hoeneß, Uli Hoeneß, Vereinspräsident vom FC Bayern, und Niko Kovac, Trainer vom Fußball-Bundesligisten FC Bayern München, beobachten das Spiel. Foto: Matthias Balk/dpa

Hoeneß: Ich habe mich gewundert, dass unsere 80 Millionen so kritisch gesehen wurden. Vor kurzem hieß es noch, mit seiner vorsichtigen Transferpolitik habe der FC Bayern keine Chance mehr, in die Phalanx der englischen und spanischen Topclubs sowie von Paris Saint-Germain einzudringen. Jetzt liefern wir, und die Leute schreien: Wie kann man für einen Spieler 80 Millionen ausgeben? Was hätten die Leute erst geschrien, wenn wir Kylian Mbappé gekauft hätten.

– Würden Sie den gern zum FC Bayern holen? Paris hat schon vor knapp zwei Jahren 180 Millionen Euro für Mbappé bezahlt.

Hoeneß: Mbappé würde ich sofort kaufen. Der Spieler ist toll. Aber für den fehlt uns das notwendige Geld.

– Kann ein Spieler tatsächlich mehr als 200 Millionen wert sein?

Antwort: Es geht nicht darum, ob ein Mbappé das wert ist. Die Frage lautet, ob es sich jemand leisten kann, dieses Geld auszugeben, ohne in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten. Ich habe gelesen, das teuerste Bild der Welt hat bei einer Versteigerung fast 400 Millionen Euro gekostet. Ist ein Kunstwerk das wert? Natürlich nicht! Aber wenn es einer unbedingt besitzen will und so viel Geld dafür bezahlt, ist das letztlich seine Entscheidung.

– Stichwort Geld: Waren Vertragsverhandlungen mit den Spielern in Ihrer Anfangszeit als Manager einfacher, weil nicht immer Berater im Spiel waren? War der clevere Manager Hoeneß da im Vorteil?

Hoeneß: Nein, weil ich nie jemanden über den Tisch gezogen habe. Die schönsten Verhandlungen waren übrigens die mit den Ehefrauen von Spielern, mit Martina Effenberg zum Beispiel. Mit Frau Schuster habe ich auch mal verhandelt, als wir Bernd Schuster zum FC Bayern holen wollten, was aber dann nicht geklappt hat.

– Was waren die Meilensteine in der Entwicklung des FC Bayern?

Hoeneß: Ganz wichtig war, dass wir es geschafft haben, im Bereich Marketing sehr schnell in die europäische Spitzenklasse aufzurücken. Und als Jürgen Klinsmann 1995 als Spieler zu uns kam, haben wir richtig mit dem Trikotverkauf begonnen. Merchandising wurde zu einem Element. Mit Fanartikeln setzen wir 100 Millionen Euro im Jahr um. Ein Meilenstein war auch die Wiedervereinigung. Mit der Öffnung der Grenzen kam eine ganze Welle ehemaliger DDR-Bürger zu uns. Als ich 1979 anfing, hatten wir 8000 Mitglieder. Heute sind es fast 300 000.

– Würden Sie den FC Bayern also als Wendegewinner bezeichnen?

Hoeneß: Absolut. Ein weiterer ganz bedeutender Meilenstein war dann 2005 die Allianz Arena. Das Stadion hat den FC Bayern in eine völlig neue Welt geführt. Fußballspiele sind zum Event geworden. Sogar das Pokalspiel neulich gegen Heidenheim, einen Zweitligisten, war ausverkauft. In den 70er Jahren haben wir dreimal nacheinander den Europapokal gewonnen. Und der Besucherschnitt im Olympiastadion lag trotzdem ungefähr nur bei 35 000.

– Sie haben die Bedeutung der Trainer für den Erfolg des FC Bayern angesprochen. Sie haben viele erlebt – und manche auch entlassen müssen…

Hoeneß: …und das ist das Schwierigste. Das sind Tiefpunkte der eigenen Karriere. Denn ich habe dabei immer auch die menschliche Komponente gesehen. Ich kann mich an Fälle erinnern, da ist mir der Hals zugegangen, wenn man einem Mann, mit dem man oft jahrelang prima zusammengearbeitet hat, sagen musste, dass es nicht mehr weitergeht.

– Können Sie Beispiele nennen?

Hoeneß: Die Entlassung von Jupp Heynckes 1991 habe ich ja schon oft als meinen größten Fehler bezeichnet. Verrückt war es auch bei Ottmar Hitzfeld. Den habe ich mit seinem Assistenten Michael Henke und den Ehefrauen zu mir nach Hause eingeladen. Meine Frau hat gekocht. Erst haben wir die Trennung besprochen und anschließend schön gegessen und bis drei Uhr morgens gefeiert. So geht es auch. Otto Rehhagel haben wir 1996 nach einem verlorenen Spiel an die Säbener Straße kommen lassen, um ihm zu sagen, dass Schluss ist. Ich wäre im Büro von Franz Beckenbauer am liebsten unter dem Präsidententisch verschwunden. Franz war damals knallhart. Ich hätte das damals nicht machen wollen. Bei der Gelegenheit möchte ich auch einmal sagen, dass Rehhagel inzwischen ein sehr guter Freund von uns geworden ist.

– Niko Kovac ist nach dem Triple-Coach Jupp Heynckes und anderen berühmten Trainern wie Pep Guardiola in große Fußstapfen getreten. Er hat kein einfaches erstes Jahr, als Bayern-Trainer zu bestehen. Was muss er leisten, damit Sie ihm auch die Zukunft anvertrauen?

16.01.2018, Hessen, Frankfurt/Main: Karl-Heinz Rummenigge (l-r), Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG, Ex-Nationalspieler Lothar Matthäus, Bayern-Sportdirektor Hasan Salihamidzic und Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern München, stehen beim DFL-Neujahrsempfang in Frankfurt am Main (Hessen) zusammen. Foto: Arne Dedert/dpa

Hoeneß: Was heißt, was muss er leisten? Mir hat gefallen, wie er die Mannschaft aus dem schwierigen Tal im November herausgeführt hat. Die Mannschaft ist im Umbruch. Wir haben Niko Kovac auch aufgebürdet, mit Arjen Robben und Franck Ribéry den Übergang zu schaffen. Da ist klar, dass man auch mal Geduld haben muss.

– Die Ruhmeshalle des FC Bayern umfasst viele große Spieler. Wo ordnen Sie die angesprochenen Champions-League-Sieger Robben und Ribéry ein, wenn Sie sie demnächst verabschieden werden?

Hoeneß: Ich kann mich noch entsinnen, als Franck nach München kam. Da dachte er, jetzt mache ich zwei, drei Jahre hier und dann ruft Real Madrid oder so etwas. Dann ist er über zehn Jahre eine wichtige Stütze des FC Bayern geworden. Ebenso wie Arjen Robben, der nach der Verpflichtung von Real Madrid 2009 bei uns eine überragende Karriere hingelegt hat mit dem legendären Siegtor im Champions-League-Finale 2013 in Wembley als Krönung. Franck und Arjen gehören für mich in die Phalanx solcher Spieler wie Beckenbauer, Maier, Müller, Rummenigge, Breitner, Lerby, Lahm, Schweinsteiger – und wie sie alle heißen, da möchte ich keinen vergessen.

– In dieser Saison gab es viel Kritik. Sie hätten den Umbruch der Mannschaft verpasst und auch keinen Plan für den Wechsel an der Spitze des Vereins. Kovac galt als Trainer-Notlösung. Wie sehr hat Sie das angestachelt?

Hoeneß: Mir hat es furchtbar gestunken, weil es sehr unsachliche Kritik gab. Einen Übergang könnte man so abwickeln, dass man Leute, denen man dankbar sein muss und die viel geleistet haben, vor den Kopf stößt. Das ist aber nicht meine Welt. Ich habe hier beim FC Bayern immer dafür gekämpft, dass wir Persönlichkeiten wie Arjen und Franck, auch einem Rafinha, einen vernünftigen Abgang verschaffen. Und zwar in einem Jahr des Übergangs, ohne einen totalen sportlichen Einbruch zu erleben.

– Sie haben den Zeitpunkt für den Umbruch also nicht verpasst?

Hoeneß: Ich habe mich letztens sehr gewundert. Beim tollen 3:2 im Länderspiel in den Niederlanden standen fünf Bayern-Spieler in der Startelf, darunter nur der ältere Manuel Neuer sowie vier Junge: Joshua Kimmich, Niklas Süle, Leon Goretzka und Serge Gnabry, alle Jahrgang 1995. Kein anderer Verein stellte mehr als einen Spieler. Der Verein, der am meisten kritisiert wurde, dass er den Übergang nicht geschafft haben soll, erfreut beim Neuaufbau der Nationalmannschaft am meisten.

– Der Verjüngungsprozess muss dennoch weitergehen, oder?

Hoeneß: Benjamin Pavard und Lucas Hernández sind weitere junge Spieler, die wir verpflichtet haben. Dazu ist Corentin Tolisso praktisch ein Neuzugang, der fast die ganze Saison verletzt war. Und der eine oder andere wird vielleicht noch dazu kommen.

– Pavard und Hernández sind Weltmeister – und Franzosen. Es war immer ein Bestreben des FC Bayern, auch den Großteil der deutschen Nationalmannschaft zu stellen. Bleibt es bei diesem Anspruch?

Hoeneß: Die Nationalmannschaft hat immer dann ihre erfolgreichsten Phasen, wenn der FC Bayern genügend Spieler liefert. Ich denke an die WM-Titel 1974 und 2014, auch 1990 hatte der Kern eine prägende Vergangenheit bei uns. Wir sind gerade dabei, wieder zu liefern. Beim DFB in Frankfurt sollten sie einige Kerzen aufstellen, dass der FC Bayern für neue Erfolge genug Spieler parat hat.

– Ist das größte Investitionsprogramm in der Vereinsgeschichte eine Reaktion auf die Befürchtung, international abgehängt zu werden. Oder wollen Sie vor allem die nationale Dominanz wiederherstellen?

Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München, Susanne Hoeneß, ihr Mann, FC-Bayern-Vereinspräsident Uli Hoeneß, und Bayern-Trainer Carlo Ancelotti (v.l.n.r.) sitzen am 23.09.2017 während des Oktoberfestes in München. Foto: Alexandra Beier/FC Bayern München/dpa

Hoeneß: Weder noch. Wir sind der Meinung, es ist der Zeitpunkt gekommen, an dem der FC Bayern sein hart erarbeitetes Geld in den Markt gibt, um wieder eine neue, junge Mannschaft auf den Platz zu führen.

– Ob als Spieler, Manager oder Präsident – die Bundesliga hat Ihr gesamtes Fußballer-Leben begleitet…

Hoeneß: …und wird es auch immer tun.

– Es kursieren immer wieder die Pläne einer Superleague. Auch eine Reform der Champions League wird diskutiert, etwa mit Spielen auch am Wochenende. Was halten Sie davon?

Hoeneß: Vorstand und Aufsichtsrat des FC Bayern haben festgelegt, dass wir die Bundesliga als wichtigstes Element in unserer Vereinspolitik sehen. Der Superleague haben wir eine Absage erteilt. Einer Club-WM alle zwei oder vier Jahre stehen wir dagegen positiv gegenüber. Die Kritiker vergessen, dass wir nicht eine zusätzliche Belastung für die Spieler erwägen, sondern einen Wettbewerb anstelle des Confed Cups. Für diesen sportlich unwichtigen Wettbewerb mussten wir unsere Nationalspieler abstellen und haben nichts dafür gekriegt. Da finden wir eine Club-WM besser, bei der wir richtig Geld verdienen. Als Kaufmann muss man dafür Verständnis haben.

– Was halten Sie von Champions-League-Spielen am Wochenende?

Hoeneß: Um ehrlich zu sein, wäre es mir am liebsten, wenn das Wochenende der Bundesliga vorbehalten bliebe.

– Seit 1979 bestimmen Sie bis auf eine kurze Phase während Ihrer Haftstrafe die Geschicke des FC Bayern. Im November läuft Ihre Amtszeit als Präsident ab. Haben Sie sich persönlich eine Deadline an der Spitze des FC Bayern gesetzt?

Hoeneß: Ich werde mich nach der Saison in aller Ruhe mit meiner Familie zusammensetzen und bis Ende Juni entscheiden, ob ich noch einmal antrete oder nicht. Diesen Fahrplan kennen alle im Verein. Es ist gerade so viel Arbeit da. Wir haben so viele Themen anzupacken. Ich denke an den Einstieg von BMW für Audi oder den Aufbau der neuen Mannschaft. Ich bin in der Sache total entspannt. Eines ist aber auch klar: Man darf sich nicht einbilden, dass man unersetzlich ist. Jeder ist ersetzbar. Der eine mehr, der andere weniger.

ZUR PERSON: Uli Hoeneß wurde am 5. Januar 1952 in Ulm geboren. Seine Fußball-Karriere musste er nach großen Erfolgen mit dem FC Bayern und der Nationalmannschaft frühzeitig aus Verletzungsgründen beenden. Im Alter von 27 wurde er Bayern-Manager. Seit Ende 2016 ist er zum zweiten Mal Präsident des deutschen Rekordmeisters, nachdem er im März 2014 nach der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung von seinen Ämtern zurückgetreten war. (dpa)

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