Im Jahr 2010 erschütterte ein Verbrechen am Niederrhein die Öffentlichkeit in Deutschland. Auch in Ostbelgien bewegte der Fall des zehn Jahre alten Mirco viele Menschen. Der Junge wurde entführt und getötet. Aus der Tragödie ist mittlerweile ein Fernsehfilm geworden, den das ZDF am Montag um 20.15 Uhr zeigt.
Aus dem Polizisten Ingo Thiel ist eine Filmfigur geworden. Der Fall lässt ihn bis heute nicht los.
Ingo Thiel denkt immer wieder an den Tag, der nicht nur sein Leben verändert hat. Als sich das Datum zuletzt jährte, war er gerade in Köln. „Da hab ich zu einem Kollegen gesagt: Um diese Zeit ist er gerade von der Straße gerissen worden“, sagt Thiel. „Das vergisst man nicht.“
Eine der größten Suchaktionen
Es ist der Tag, an dem der damals zehn Jahre alte Mirco entführt wird. Vor acht Jahren war das, im Jahr 2010. Eine der bis zu diesem Zeitpunkt größten Suchaktionen der deutschen Geschichte nimmt ihren Lauf, bis zu 1.000 Polizisten durchkämmen eine Region am Niederrhein, Tornado-Jets steigen auf, Tausende Mobilfunkdaten werden ausgewertet. Und mittendrin hält der bullige Polizist Thiel die Fäden in der Hand.
Was nach Stoff für ein Krimidrama klingt, ist nun tatsächlich zu einem geworden. Am Montag (22. Oktober, 20.15 Uhr) zeigt das ZDF den Film „Ein Kind wird gesucht“, der den Fall penibel nachzeichnet und auf wahren Begebenheiten beruht. Auf der einen Seite sieht man die kräftezehrende und mühsame Polizeiarbeit, auf der anderen Seite das Leiden von Mircos Familie.
Der Film markiert so etwas wie den endgültigen Übergang von Ingo Thiel zu einer Art Star-Ermittler. Es gibt jetzt nicht nur Ingo Thiel, Leiter der Mönchengladbacher Mordkommission – es gibt jetzt auch Ingo Thiel, den Fernseh-Ermittler, der von Heino Ferch (55, „Comedian Harmonists“, „Der Untergang“) gespielt wird. Ob ihm das gefällt? „Ich wäre ja blöd, wenn ich das abgelehnt hätte!“, sagt Thiel. Er ist ein Freund der direkten Ansprache.
Ferch spielt Thiel als Polizisten, der sich komplett seinem Fall verschreibt. Er raucht Kippe um Kippe, für seine Kinder hat er kaum noch Zeit. Nach und nach setzt sich das Puzzle zusammen. Immer mehr Kleidungsstücke des Kindes tauchen auf, das Fahrrad, das gesuchte Auto des Täters. Als Mircos Familie den Polizisten in der Weihnachtszeit Schokolade schenkt, halten es die Kommissare kaum aus. Die Zuversicht der Frau können sie nur schwer ertragen.
Mirco ist tot, sein Mörder lebenslang in Haft
Thiel wiederholte damals immer wieder, dass man den Täter kriegen werde. Es war Überzeugung, aber auch Medienstrategie. „Sie müssen das so sehen: Natürlich gibt es auch bei der Polizei viele Quatschköpfe, die alles besser wissen“, sagt er. Die gar nicht begriffen hätten, warum man die Medien brauchte – nämlich um weiter Druck auf den Täter aufzubauen. „Ich hab‘ mich damals immer an meiner Mutter orientiert, die ist 84. Wenn die zu mir ‚Jung‘, ich hör‘ gar nix mehr‘ gesagt hat, dann wusste ich, dass ich mit meinem Pressesprecher reden muss.“
Um die Motivation im Team hoch zu halten, ließ Thiel damals jeden Vorschlag seiner Leute umsetzen, der umsetzbar war. Jeden Morgen habe man zusammen gefrühstückt. „Das lag auch daran, dass die Datenleitungen damals so langsam waren, dass man morgens den Computer anmachen und dann erstmal in Ruhe Kaffee trinken konnte.“
In Kleinarbeit gleichen die Ermittler schließlich mehr als 200.000 Mobilfunkdaten mit der rekonstruierten Fahrt-Route des Täters ab. Dabei kristallisiert sich heraus, dass nur ein Mobiltelefon zur Tatzeit mit seinem Besitzer diesen Weg genommen und sich von Funkmast zu Funkmast eingeloggt hatte.
Obwohl man weiß, wie der Fall ausgeht, bleibt die Dramatik. Mirco ist tot, sein Mörder – ein Familienvater – wird später zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Familie, tief gläubig und Mitglied einer Freikirche, verzeiht ihm. Sie wolle nicht hassen, um weiter leben zu können, sagt sie. Die Eltern schreiben ein Buch, das eine Grundlage für den Film war. Auf „Arte“ wurde er schonmal gezeigt.
„Typen wie Thiel brauchst du wohl für solche Fälle“, sagt Hauptdarsteller Heino Ferch. „Die sind wie Terrier, die sich in den Fall reinbeißen, Blut riechen, rote Augen bekommen.“ (dpa)