Die Kessler-Zwillinge machten alles gemeinsam, standen auf den Bühnen der Welt, traten mit Stars wie Frank Sinatra auf. Jetzt sind sie beide gestorben.
Alice ohne Ellen oder Ellen ohne Alice? Schier undenkbar! Ein Leben lang waren die beiden Kessler-Zwillinge immer beieinander, standen gemeinsam auf den großen Show-Bühnen der Welt, teilten sich eine Villa. Und nicht einmal der Tod konnte sie trennen.
Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) erfuhr, starben die Schwestern zusammen in ihrem Haus in Grünwald. Die Polizei bestätigte einen Einsatz in der Gemeinde bei München, ohne Details zu nennen. Ein Fremdverschulden wird ausgeschlossen.

05.07.1986, Bayern, München: Alice und Ellen Kessler auf dem Münchner Festspiel-Ball am 05.07.1986. Foto: Istvan Bajzat/dpa
Ganz zuletzt waren die 89-Jährigen nicht mehr aufgetreten. Im Deutschen Theater in München standen sie aber immer noch regelmäßig auf der Gästeliste und begutachteten fachkundig das, was dort auf der Bühne geschah.
Ihr Leben im Scheinwerferlicht hatte die deutschen Schwestern durch die ganze Welt geführt. Ob in New York, Las Vegas, Sydney, Hongkong, Monte Carlo oder Rom: Alice und Ellen Kessler sorgten für Furore. Nicht einmal 20 Jahre alt waren die langbeinigen Blondinen, als sie im Pariser Varieté Lido ihre internationale Karriere starteten.
Ihr erstes Engagement hatten die Balletttänzerinnen schon als Jugendliche in Düsseldorf, wohin die Familie der in der Nähe von Leipzig geborenen Entertainerinnen aus der DDR geflohen war.
Mit dem Vater verband die Zwillinge nach eigener Schilderung ein höchst schwieriges Verhältnis. Als Trinker habe er die Mutter geschlagen und gedemütigt, die beiden Mädchen zum Akkordeonspielen und Singen in Kneipen gezwungen, erzählten sie im vergangenen Jahr in einem Interview der „Bunten“.
Aber er animierte sie auch zum Tanzen. Auf der Düsseldorfer Bühne entdeckte sie dann der Direktor des berühmten Lido, wenig später waren die beiden Schwestern Teil des berühmten Revuetheaters an den Champs-Elysées.
– Auftritte mit Fred Astaire und Frank Sinatra: In den 1960er Jahren gingen die Kessler-Zwillinge weltweit auf Tournee, verlegten ihren Wohnsitz nach Rom und traten mit Fred Astaire, Frank Sinatra und Harry Belafonte auf. Sie hatten auch das Angebot, mit Elvis Presley im Film „Viva Las Vegas“ aufzutreten. Doch das sagten sie ab – aus Angst, auch in den USA auf Musikfilme festgelegt zu sein.

31.10.1986, Niedersachsen, Hannover: „Groß, blond und vier lange Beine“, lautet das Rezept, mit dem Alice und Ellen Kessler zum Welterfolg wurden. Foto: Holger Hollemann/dpa
Als ihren wohl größten Erfolg betrachteten sie das Musical „Viola violino viola d’amore“, mit dem sie in Italien auf Tour waren. „Das hatte uns damals keiner zugetraut. Und dann wurde es ein Riesenerfolg“, erzählte Alice Kessler. Zu der Zeit standen die beiden häufiger in Italien auf der Bühne als in Deutschland.
Die Schwestern, die trotz einer Vielzahl an Verehrern nie heirateten, lebten in den vergangenen Jahrzehnten gemeinsam in einem Haus im Münchner Promi-Vorort Grünwald – nur durch eine Schiebetür getrennt. So konnten sie sich jederzeit sehen – oder eben auch nicht. Alleine hätten sie es wohl nicht geschafft, über so lange Zeit auf der Bühne zu stehen, sagte Alice kurz vor dem 80. Geburtstag. „Im Doppelpack unterwegs zu sein, hat nur Vorteile. Zusammen ist man stärker.“
– Noch mit 80 Jahren auf der Bühne: Die beiden Tänzerinnen und Sängerinnen waren bis ins hohe Alter in der Öffentlichkeit präsent und gerne gesehene Gäste auf den roten Teppichen im Land. Noch mit 80 Jahren standen sie für das Udo-Jürgens-Musical „Ich war noch niemals in New York“ auf der Bühne.
Mit 86 Jahren präsentierten sie charmant und grazil ihre alten Bühnenoutfits, die sie zugunsten der Flutopfer im Ahrtal versteigerten – obwohl ihnen die Kostüme in der XS-Größe 34 noch immer gepasst hätten. Mit 88 Jahren konnten sie nach eigenen Angaben noch immer den Spagat.
Nach ihrem Erfolgsgeheimnis befragt, zählte Alice Kessler einmal vier Punkte auf: „Disziplin. Jeden Tag. Dankbarkeit. Immer wieder. Demut statt Übermut. Und Zweisamkeit. Bis in den Tod.“ Testamentarisch haben die Zwillinge schon vor einiger Zeit verfügt, in derselben Urne zur ewigen Ruhe gebettet zu werden. (dpa)
RIP.
Zwei große Damen, Symbole einer Zeit in der die Welt noch einigermaßen in Ordnung war haben den perfekten Abtritt von der Bühne des Lebens gewählt.