Gesellschaft

Warum stößt jemand in Frankfurt ein Kind vor einen Zug oder wirft eines in London aus dem 10. Stock?

05.08.2019, Hessen, Frankfurt/Main: Ein Meer aus Blumen, Kuscheltieren und Beileidsbekundungen hat sich am Gleis 7 des Hauptbahnhofs gebildet. Foto: Arne Dedert/dpa

Zwei unfassbare Taten innerhalb weniger Tage: In Frankfurt stirbt ein Kind nach einem Stoß vor einen einfahrenden ICE, in London soll ein Jugendlicher einen Jungen von der Aussichts-Plattform eines Museums geworfen haben. Warum begehen Menschen solche Taten?

Wer macht so etwas – einen Wildfremden vor einen Zug werfen oder aus großer Höhe herunterstoßen? Nach den Gewalttaten gegen Kinder am Frankfurter Hauptbahnhof und am Londoner Museum Tate Modern hat eine Expertin die Seltenheit solcher Taten betont.

„Diese Fälle sind extreme Raritäten“, sagte die Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Berliner Charité, Isabella Heuser, der Deutschen Presse-Agentur.

Isabella Heuser, Direktorin der Charité-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Berlin. Nach den Gewalttaten gegen Kinder am Frankfurter Hauptbahnhof und am Londoner Museum Tate Modern hat die Expertin die Seltenheit solcher Taten betont. Foto: -/Privat/dpa

Verallgemeinerungen seien schwierig: „Weil es so selten ist, kann man eigentlich keine Regel aufstellen.“ Aus einzelnen Fällen aus der Vergangenheit wisse man, dass die Täter an einer Psychose erkrankt waren und in akutem Wahn handelten, sagte die Psychiaterin. Sie fühlten sich zum Beispiel verfolgt – das könne man sich wie einen plötzlichen Krankheitsschub vorstellen. „Letztlich haben diese Patienten eine ungeheure Angst. Aber das ist natürlich die Verkennung der Realität. Sie können dann eben auch Angst haben vor einem Kind.“

Die Opfer seien zur falschen Zeit am falschen Ort, wenn es zu den völlig abrupten, überfallartigen Taten komme. Andere Motive wie Machtausübung spielen nach Heusers Erfahrung keine Rolle, wenn sich Täter und Opfer nicht kennen.

Mit Blick auf die öffentlichen Debatten nach Taten wie der in Frankfurt warnte sie davor, Menschen mit psychischen Erkrankungen unter Generalverdacht zu stellen. Denn tatsächlich seien Patienten mit Schizophrenie, Psychose, schweren Depressionen oder Abhängigkeitserkrankungen, wenn sie in Behandlung seien, keine tickenden Zeitbomben – sie seien sogar weniger gewalttätig als die Normalbevölkerung, betonte die Expertin. Das betreffe sowohl Gewalt gegen andere als auch Gewalt gegen sich selbst.

Grundsätzlich sei auch denkbar, dass es unter dem Einfluss bestimmter Drogen zu sinnloser Gewalt gegen Fremde komme, so Heuser. „Schlimme Gewalttaten gegen Unbeteiligte gingen zum Beispiel schon von Menschen aus, die unter Methamphetamin standen, und das in hohen Dosierungen eingenommen hatten.“ Stöße auf Gleise seien in dem Kontext zwar nicht bekannt, aber sinnlose Messerstiche auf Fremde durchaus.

Methamphetamin ist bekannter unter dem Namen Crystal Meth. Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen sind Überdosen mit dieser Droge leicht möglich – dies gehe einher mit einem erhöhten Risiko für Angstzustände und Halluzinationen.

05.08.2019, Großbritannien, London: Ein Schild in der Kunstgalerie Tate Modern informiert Besucher darüber, dass die Aussichtsplattform geschlossen ist, nachdem ein Jugendlicher einen sechsjährigen Jungen von einer Aussichtsplattform geworfen haben soll. Foto: Dominic Lipinski/PA Wire/dpa

In London soll ein 17-Jähriger am Sonntag einen Sechsjährigen von der Aussichtsplattform des Museums Tate Modern geworfen haben. Der jugendliche Brite erschien am Dienstag vor einem Jugendgericht in London. Ihm wird versuchter Mord vorgeworfen.

Der kleine Junge aus Frankreich, der mit seiner Familie Urlaub in London machte, erlitt eine Blutung im Gehirn und Knochenbrüche an der Wirbelsäule sowie an Armen und Beinen, wie die britische Nachrichtenagentur PA aus dem Gerichtssaal berichtete. Laut Polizeimitteilung war sein Zustand „stabil, aber kritisch“.

Ein bestimmtes oder offenkundiges Motiv für die Tat sei bislang nicht erkennbar, hatten Ermittler berichtet. Opfer und Täter kannten sich nicht. Der Jugendliche soll am Donnerstag vor dem Londoner Strafgerichtshof Old Bailey erscheinen.

Am 29. Juli hatte ein Mann am Frankfurter Hauptbahnhof einen achtjährigen Jungen und dessen Mutter vor einen einfahrenden ICE gestoßen, das Kind starb. Ein psychiatrisches Gutachten über den 40 Jahre alten Tatverdächtigen aus Eritrea wurde beauftragt. Der Beschuldigte, ein dreifacher Familienvater, soll dieses Jahr in psychiatrischer Behandlung gewesen sein. (dpa)

11 Antworten auf “Warum stößt jemand in Frankfurt ein Kind vor einen Zug oder wirft eines in London aus dem 10. Stock?”

  1. Jockel F.

    Jemand ist wohl viel unterwegs. Man fragt sich, warum jemand nicht gleich dingfest gemacht wurde, als er zum ersten Mal straffällig wurde. Jemand hat inzwischen schon einige Menschenleben auf seinem Todsündenkonto und doch wird man ihn weiter gewähren lassen.
    Wissen Sie, Herr Cremer, wer das Problem ist? „Jemand“ und „man“.

  2. Dieter Olbricht

    Erst einmal ist es positiv, dass endlich die Medien, wenn auch unterschiedlich reagieren und Roß und Reiter ungeschminkt nennen. Es ist doch sekundär und unwichtig, in welchem geistigen Zustand der Täter sich befand. Er hat getötet und brutal ein Kind und deren Mutter, vor dem Zug gestoßen. Er hat eine Familie brutal zerstört..Ich erwarte vom Staat und der Justiz, kompromisslose und konsequente Bestrafung. Es kommt mir so vor, dass bei kriminellen Migranten, bei diesen Tätern, deren Psyche als eine “ Entschuldigung “ der Tat / Taten betrachtete werden soll.Wer unsere Grundwerte mit Gewalt antwortet, hat bei uns nichts zu suchen und ist mit höchster Konsequenz zu bestrafen.

    • Sarah Zihn

      @ Dieter Olbricht,
      Bin vollkommen Ihrer Meinung, nur mir fehlt der Glaube, dass das so umgesetzt wird, wie Sie es zurecht fordern, bzw. wie alle Menschen mit gesundem Verstand dies einfordern. Ich habe aber, wie gesagt, meine Zweifel, denn Deutschland aber auch andere europäische Länder sind längst vom Opferschutz zum Täterschutz übergegangen. Das wird sich in den nächsten Jahren nicht ändern, vermutlich wird es noch schlimmer; Polizei und Justiz sind gar nicht mehr in der Lage für Recht und Ordnung zu sorgen und die Politik schaut gewollt oder nur ohnmächtig zu und betreibt eher Täter- als Opferschutz. Deutschland schafft sich ab.

  3. Vic van Achteren

    Oft entwickeln insbesondere Angehörige bestimmter Kulturen außerhalb ihres Herkunftslandes das Plötzliche-Radikalisierungs-Syndrom oder auch die gefährliche Instant-Schnell-Psychose.

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