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Rakete im Gesicht, Böller in der Hand: Für einige endet Silvester in der Notaufnahme

21.12.2010, München: Ein Mann zündet einen Knallkörper der Klasse 2 an. Möglichst laut und bunt soll es sein: Feuerwerk gehört für viele Menschen einfach zu Silvester dazu. Die Kehrseite zeigt sich alljährlich in Kliniken. Foto: Marc Müller/dpa

Möglichst laut und bunt soll es sein: Feuerwerk gehört für viele Menschen einfach zu Silvester dazu. Die Kehrseite zeigt sich alljährlich in Kliniken. Ärzte berichten von typischen und kuriosen Unfällen.

Sie feuern Raketen aus der Hand ab. Werfen Böller aus dem Fenster. Importieren sprengstarke Pyrotechnik aus dem Ausland. Sammeln am Neujahrsmorgen Blindgänger auf. Oder halten Böller als Mutprobe extra lange in der Hand.

Nicht nur alkoholisierte Knaller-Freunde kommen an Silvester auf Ideen. „Der männlichen Experimentierfreude sind da keine Grenzen gesetzt“, sagt Angela Kijewski, Sprecherin des Unfallkrankenhauses Berlin (UKB). Sie spricht aus bitterer Erfahrung: Alljährlich sorgt Silvester für volle Notaufnahmen. Ärzte behandeln dabei nicht nur Hobby-Pyrotechniker nach Unfällen, sondern auch Zufallsopfer.

01.01.2013, Sachsen, Leipzig: Ein Mann zündet eine Feuerwerksrakete. Foto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa

Das sind vor allem Kinder, wie Experten der Deutschen Presse-Agentur berichten. Ihr Anteil unter den Silvester-Verletzten habe in den vergangenen Jahren bei Augen- und Ohrenverletzungen zugenommen, sagte der leitende Oberarzt der Notaufnahme am Virchow-Klinikum der Berliner Charité, Tobias Lindner.

Grund seien etwa Knaller-Würfe, die zu Explosionen nahe dem Gesicht oder dem Ohr führen. Opfer hätten in solchen Fällen keine Chance, sagt der Mediziner. Deutsche Augenkliniken meldeten rund um Silvester der beiden Vorjahre jeweils weit mehr als 800 Augenverletzungen durch Pyrotechnik, wie die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft mitteilte.

Die ersten Unfallopfer sehen die Notaufnahme-Teams schon vor dem 31. Dezember – sobald Feuerwerk zum Verkauf steht, wie Lindner sagt. An Silvester reißt der Zustrom an Verletzten von kurz nach Mitternacht an so schnell nicht mehr ab. An Neujahr schleppen sich dann noch viele in die Rettungsstelle, die ihre Verletzung in der Nacht noch unterschätzten. Doppelte Besatzung in der Chirurgie und bei den Pflegekräften stehen dann etwa am Virchow-Klinikum bereit.

Manchmal überlebt das Opfer das Feuerwerk nicht

Dass Menschen den Rutsch ins Neue Jahr nicht überleben, kommt in Deutschland immer wieder einmal vor – allein in Brandenburg gab es voriges Silvester zwei Tote durch Feuerwerk. Neben selbst gebautem Feuerwerk haben auch nicht frei verkäufliche Produkte wie Kugelbomben, die für professionelle Feuerwerke gedacht sind, hierzulande schon zum Tod oder zu erheblichen Verletzungen bei relativ jungen Männern geführt.

Feuerwerkskörper explodieren am 01.01.2018 Brüssel zum Jahreswechsel 2017-2018 während des Silvester-Feuerwerks hinter dem Atomium. Foto: Anthony Dehez/BELGA/dpa

“Die schweren Verletzungen passieren fast ausschließlich mit illegalen Böllern, sogenannten Polenböllern, oder selbstgebasteltem Feuerwerk“, betont Kijewski.

Das Geschlecht eint die allermeisten Opfer: Mutproben und Angeben mit Feuerwerk sowie mangelnde Sicherheitsvorkehrungen sind den Experten zufolge eher Männer-Sache. Lindner bezeichnet auch den „Straßenkampf“ mit Böllern und Raketen in manchen Berliner Ecken als rein männliche Domäne. Von „Gehabe“ gerade bei männlichen Jugendlichen sprechen mehrere Mediziner. Frauen würden, wenn überhaupt, durch von anderen abgefeuerte Knaller verletzt, bestätigt auch das UKB.

Häufig kommen die Menschen nach Lindners Erfahrung mit kleineren Verletzungen wie Verbrennungen in die Notaufnahme. Diese können durch Unaufmerksamkeit beim Hantieren mit Feuerwerk entstehen, wenn die Reaktionsfähigkeit durch Alkohol eingeschränkt ist und wenn gegebenenfalls auch noch Kälte für weniger Gefühl in den Fingern sorgt. Zu tiefergehenden Verbrennungen oder auch Knochenbrüchen kann es kommen, wenn Raketen Gesicht oder Körper treffen. „Die Leute beugen sich noch mal über die Feuerwerkskörper – „huch, hat ja gar nicht gezündet““, erklärt Kijewski.

Manche tragen trotz Behandlung bleibende Schäden davon

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, Joachim Windolf, nennt Verletzungen durch Böller typisch für Silvester. Manche Patienten trügen trotz mehrwöchiger Behandlung bleibende Schäden davon, sagt er. Es gehe um dauerhafte Bewegungseinschränkungen der Hand und gebrochene sowie ganz oder in Teilen abgesprengte Finger. Auch Narben im Gesicht können an die Missgeschicke erinnern.

29.12.2010, Hamburg: So genannte Polen-Böller liegen bei einer Vorführung der Feuerwehr Hamburg zum sicheren Umgang mit Silvesterfeuerwerk neben einander. Foto: Malte Christians/dpa

Die Druckwelle einer Böller-Explosion nahe der Hand muss nicht zwangsläufig blutende Wunden oder verbrannte Haut hinterlassen. Es könne auch innerlich Gewebe zerstört werden, warnt Windolf. Darauf wiesen etwa Schwellungen hin. Zeitnah zum Experten zu gehen, sei dann wichtig, sagt der Direktor der Klinik für Unfall- und Handchirurgie am Uniklinikum Düsseldorf. Ein Teil der Patienten habe aber „dann doch irgendwie Glück“, sagt er.

Daneben sorgen sogenannte Knalltraumata bei HNO-Ärzten für Arbeit: „Ein gewisses Pfeifen im Ohr, Taubheitsgefühl – und man weiß nicht, ob es in ein, zwei Stunden weggeht, was häufig ist, oder ob es doch eine schwerwiegendere Verletzung ist, die behandelt werden muss“, erläutert Lindner. Üblicherweise deuteten Schmerzen im Ohr zum Beispiel auf eine Trommelfell-Verletzung hin – abwarten bis zu deren Abklingen sei dann die schlechtere Wahl.

Lindner findet, dass Feuerwerkskörper schon allein wegen gezielter Angriffe auf Rettungskräfte wie im Vorjahr in Berlin nicht in die Hände einer breiten Öffentlichkeit gehören. „Man sollte sich auf schöne Feuerwerke konzentrieren, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, so dass man das gemeinsame Erlebnis hat“, sagt er. Den «Straßenkampf» hingegen solle man unterbinden.

Mediziner Windolf hingegen hält ein Feuerwerksverbot in einer „freien Gesellschaft“ nicht für zielführend: Womöglich griffen die Leute dann erst recht zu gefährlichen illegalen Knallern, mit schlimmeren Folgen, befürchtet er – und setzt auf Aufklärung. (dpa)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

12 Antworten auf “Rakete im Gesicht, Böller in der Hand: Für einige endet Silvester in der Notaufnahme”

  1. Ja, ach Gott! Manche saufen sich um Verstand, Gesundheit und Leben, andere rasen sich zu Tode oder zum Krüppel, mit Rauchen verdient der Staat und die Raucer verlieren Bein um Bein. Es wird gespritzt. Extremsportler sind kein Deut besser. So what?

    Ich berufe mich auf das Rheinische Grundgesetz:

    Artikel 3: Et hätt noch emmer joot jejange.
    Artikel 7: Wat wells de maache?
    Artikel 8: Maach et joot, ävver nit zo off.
    Artikel 9: Wat soll dä Kwatsch/Käu?
    Artikel 11: Do laachs de disch kapott.
    Artikel 12: Jede Jeck es anders.

  2. Mischutka

    Liebe HUNDEfreunde,
    Darf ich euch (wie in jedem Jahr) nochmals einen kleinen Rat geben wegen dieser Knallerei ….. ?
    Für unsere 4-beinigen Freunde ist es in jedem Jahr immer sehr schlimm, wenn gegen Mitternacht der Radau losgeht. Doch bitte aufgepasst : Nicht die Knallerei alleine macht den Hunden zu schaffen – NEIN, es ist vielmehr …… AUFGEPASST bitte : der GESTANK dieser „Raketen“… !!! Das wissen viele nicht. Ja – im Fernsehen wird auch „geschossen“ und geknallt (in Western und in Krimis) und Hunde gewöhnen sich schnell an lauten Geräuschen. Kann man einfach trainieren : Mit Luftballons spielen und knallen lassen, mit (leeren) Getränkeflaschen spielen lassen (das macht soooo schön Radau) u.v.a.m. – nur ausprobieren. Am schlimmsten sind für Hundenasen die „neuen“ Gerüche welche durch diese Knallkörper verbreitet werden. Wir Menschen riechen, wenn überhaupt, den Gestank kaum. Aber Hundenasen, die 1000-fach besser riechen …. das ist 1) Neu – und unbekannt und 2) ein gräßlicher Geruch. Hunde riechen das auch noch 2-3 Stunden nach Ende der Knallerei. Mein Rat : Geht mit den Hunden 1-2 Stunden VOR Mitternacht raus, dann erst wieder wenn das „Spektakel“ einige Zeit vorbei ist. Und sollte doch ein Hund empfindlich gegen laute Geräusche sein, dann im Zimmer Radio/Fernsehen den GANZEN Abend eingeschaltet lassen und langsam, über 2-3 Stunden verteilt, immer etwas lauter einstellen. Das stört die Hunde NICHT (die können ja ihre Ohren „einstellen“ bzw. „abschalten“ wenn sie wollen (können wir Menschen leider nicht) dann fallen diese „komischen“ Geräusche nicht soooo auf. )
    N.B. : Ich habe das immer so trainiert, klappt SUPER ! (Und bei nicht wenigen Freunden auch !)
    Und jetzt : Guten Rutsch an ALLE – Menschen (und Tiere)….

    • Hallo @ Mischutka, Hundefreund
      Vielen Dank für deine Ratschläge; das mit den Gerüchen habe ich ehrlich gesagt niemals bedacht. Aber wahrscheinlich hast du wohl Recht, denn die Hunde- sind mit unseren Menschennasen einfach nicht zu vergleichen. Unser Hund, ein fröhlicher Mischling, hatte übrigens früher nie Probleme mit Feuerwerk, selbst wenn er drunter stand. Jetzt, wo er älter wird, kommt in den letzten Jahren immer mehr Panik bei ihm auf, selbst bei vereinzelten Knallern. Ist das normal, eigentlich müsste er doch, je älter er wird, eher daran gewöhnt sein, oder?
      Dir, Deinen Lieben einen guten Rutsch und Deine(m)n Hund(en) auch!!

      • Mischutka

        Hallo Theresa, vielen lieben Dank für alles Geschriebene. Es ist sehr gut möglich daß bei deinem Hund, wenn er älter wird, immer mehr Panik aufkommt. Es ist nämlich zu vergleichen mit uns Menschen : ja älter man wird, je mehr lassen viele „Dinge“ nach. So auch wahrscheinlich die Erinnerungen deines fröhlichen Tierchens an frühere Knallerei. Und besonders : Wenn es auf einmal „anders knallt“ als wie er „gewohnt“ ist. Noch an Rat von mir : Wenn du merkst daß das „Spektakel“ losgeht, lenke ihn ab mit „lauten“ Spielchen, Leckerlis usw….. und besonders wichtig : viele Streicheleinheiten ! Du sagst ihm damit, DU würdest ihn doch beschützen !
        Auch dir einen guten Rutsch an alle 2- und 4- Beiner um dich herum ! Auf 2019 !

    • Peter Müller

      Ja ja der arme Hund. Haben sie Kinder/ Baby oder eine Katze. Man kann es auch übertreiben mit der Hundeliebe. Ich würde mich mit ihm unter der Bettdecke legen.

      Und sollte doch ein Hund empfindlich gegen laute Geräusche sein, dann im Zimmer Radio/Fernsehen den GANZEN Abend eingeschaltet lassen und langsam, über 2-3 Stunden verteilt, immer etwas lauter einstellen. Das stört die Hunde NICHT (die können ja ihre Ohren „einstellen“ bzw. „abschalten“ wenn sie wollen Sie wiedersprechen sich, so ein Quatsch

      • Mischutka

        @ Peter Müller : Riiiiiiiiiiiichtig ! Nach 17 JAHREN Erfahrung (fast täglich) Hunde trainiert zu haben, deutet vieles darauf hin, HIER „Quatsch“ zu schreiben…..
        Bitte mal auf Platinum.com nachlesen. Aber die erzählen wohl auch nur „Quatsch“.
        Und danke für den selbst verfassten Quatsch …… (wenn man „0“ Ahnung hat) Amen.

    • Polarlicht

      @ mischutka
      Hunde können laut Ihrem Ausführungen ihr Gehör abstellen??? Soviel Unsinn auf einen Haufen hab ich noch nie gelesen!
      Im übrigen ist den Tieren egal ,was die da riechen, es ist schlicht und ergreifend der Lärm, der Tiere im allgemeinen in Panik versetzt. Bei Gewitter zB. reagieren manche Hunde auch panisch. Das ist aber wahrscheinlich wegen dem Ozongeruch….

  3. Pumpernickel

    Wenn es nur die Knallerei 2 Stunden vor und 2 Stunden nach Mitternacht wäre! Die Knallerei beginnt ja schon 3 Tage vor Silvester und dauert auch noch 3 Tage danach an. Eigentlich verboten. Hält sich aber keiner dran. Alle klagen über die Preise und dass alles teurer wird; beim Böllern nicht, da kann es nicht doll genug zugehen. Kranke Gesellschaft!

  4. Alfons van Compernolle

    Bisher habe ich noch keinen Euro / DM / BFR etc fuer Silvesterknaller ausgegeben. Bloedsinn !
    Es soll aber jeder mit seiner Kohle/Geld machen was er will, auch sich selbst ins Krankenhaus sprengen.

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