Notizen

Schäuble: „In der Corona-Krise nicht alles dem Schutz von Leben unterordnen“

22.04.2020, Berlin: Wolfgang Schäuble (CDU), Bundestagspräsident, leitet die Sitzung bei der Regierungsbefragung im Plenum in Bundestag. Foto: Michael Kappeler/dpa

In Deutschland ist Wolfgang Schäuble dafür bekannt, dass er oft Klartext redet. Das hat der Präsident des Bundestages jetzt wieder getan. Mit einigen markigen Sätzen äußerte sich der 77-Jährige zur Corona-Krise. Schäuble warnte unter anderem vor einer Überforderung des Staates angesichts der massiven Hilfen in der Corona-Krise.

Es gebe im Moment ein verbreitetes Gefühl, „wir könnten jedes Problem mit unbegrenzten staatlichen Mitteln lösen, und die Wirtschaft kriegen wir hinterher wieder mit einem Konjunkturprogramm in Gang“, sagte der CDU-Politiker dem „Tagesspiegel“ (Sonntag). „Der Staat kann aber nicht auf Dauer den Umsatz ersetzen“, betonte Schäuble. In seiner Amtszeit als Bundesfinanzminister war es gelungen, von 2014 an Haushalte ohne Neuverschuldung aufzustellen.

„Wir werden mit den klassischen Mitteln umso weniger anfangen können, je länger die Krise dauert“, betonte Schäuble. Es werde zu strukturellen Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik kommen.

10.04.2020, Belgien, Lommel: Ein Mitarbeiter im Schutzanzug desinfiziert in einem Krematorium einen Sarg, in dem die Leiche eines Menschen liegt, der an einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus gestorben ist. Foto: Francisco Seco/AP/dpa

Weiter warnte Schäuble angesichts der Einschränkungen vieler Grundrechte davor, dem Schutz von Leben in der Corona-Krise alles unterzuordnen. „Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig.“ Wenn es überhaupt einen absoluten Wert im Grundgesetz gebe, dann sei das die Würde des Menschen. „Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen.“ Der Staat müsse für alle die bestmögliche gesundheitliche Versorgung gewährleisten. „Aber Menschen werden weiter auch an Corona sterben.“

Der Parlamentspräsident rief dazu auf, die Corona-Krise als Chance zu nutzen, um in den Hintergrund getretenen Krisen zu bekämpfen. „Noch immer ist nicht nur die Pandemie das größte Problem, sondern der Klimawandel, der Verlust an Artenvielfalt – all die Schäden, die wir Menschen und vor allem wir Europäer durch Übermaß der Natur antun“, betonte Schäuble und warnte: „Hoffentlich werden uns nicht wieder nur Abwrackprämien einfallen, die es der Industrie ermöglichen, weiter zu machen wie bisher.“

Der Bundestagspräsident äußerte auch die Sorge vor einem Kippen der Stimmung in der Bevölkerung. „Es wird schwieriger, je länger es dauert.“ Der Weg zurück aus dem Stillstand sei viel schwieriger. Man müsse vorsichtig Schritt für Schritt vorgehen und bereit sein, zu lernen. „Wir dürfen nicht allein den Virologen die Entscheidungen überlassen, sondern müssen auch die gewaltigen ökonomischen, sozialen, psychologischen und sonstigen Auswirkungen abwägen“, mahnte Schäuble. (dpa/cre)

12 Antworten auf “Schäuble: „In der Corona-Krise nicht alles dem Schutz von Leben unterordnen“”

  1. Ein wenig hat er schon recht. Sehr oft prahlt der Mittelstand mit dem unternehmerischen Risiko und fordert in ’normalen‘ Zeiten Steuersenkungen. Sobald es aber mal nicht läuft wird der Ruf nach staatlicher Unterstützung laut. Zur Erinnerung: noch in den 1960er Jahren bezahlten Bürger, Körperschaften und Unternehmer die gleichen Steuersätze, das hat sich seitdem doch sehr verändert.

  2. Zitat:

    „Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig.“ Wenn es überhaupt einen absoluten Wert im Grundgesetz gebe, dann sei das die Würde des Menschen. „Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen.“ Der Staat müsse für alle die bestmögliche gesundheitliche Versorgung gewährleisten. „Aber Menschen werden weiter auch an Corona sterben.“

    Das sind mal sehr weise Worte. Führen hier aber auch nicht ansatzweise zu der Anzahl Kommentare die losgelassen werden wenn es zum Beispiel um geschlossene Grenzen (oder ist eher der verhinderte Einkauf in Deutschland?) geht. Ist eigentlich sehr zu bedauern.

  3. Aufwachen

    Mfg
    Der Herr Schäuble hat absolut Recht mit dem was er sagt. Sehr schade. Nur leider will das keiner hören von den Herrn Virologen bzw. Herrn Drost, denn ansonsten hört man keinen anderen Virologen zu. Daher macht es keinen Sinn weiter darüber zu diskutieren.

  4. Ich kann es nicht fassen: ein Artikel auf OD mit drei Kommentaren, denen ich eigentlich uneingeschränkt zustimmen kann.

    Ohne einen der drei schmälern zu wollen, möchte ich @MfG. hervorheben, der uns an die Würde des Menschen erinnert (dabei ist irrelevant, dass dies eigentlich nur in der deutschen Verfassung mit solcher Deutlichkeit steht).

    @Aufwachen möchte ich nur darauf aufmerksam machen, dass die Virologen ihren Job machen, und Politker einen anderen Job. Schäuble (der in der Vergangenheit mit Sicherheit oft zu diskutieren war) bringt beeindruckende Weisheit zu Tage. In solchen Momenten bedauere ich, dass man ihn mit dem Fraktionsjob abgespeist hat. Der man hätte präsidiale Weihen verdient gehabt. Steinmeier (den ich nicht grundsätzlich ablehne) beschränkt sich auf die Rolle des Pressesprechers.

  5. Hans Eichelberg

    #Der .

    „Schäuble bringt beeindruckende Weisheit zu Tage.“ Tritt jetzt die Altersweisheit zu Tage? Warten wir mal ab, wie es bei ihm weitergeht.
    Schäuble hatte vor einigen Jahren auch mal von „Inzucht“ in Europa schwadroniert. Allerdings war er da einige Jahre jünger.

    Diesmal stimme ich ihm zu.

  6. Meilenweit davon entfernt

    Art. 23 der belgischen Verfassung:
    « Chacun a le droit de mener une vie conforme à la dignité humaine.
    À cette fin, la loi, le décret ou la règle visée à l’article 134 garantissent, en tenant compte des obligations correspondantes, les droits économiques, sociaux et culturels, et déterminent les conditions de leur exercice.
    Ces droits comprennent notamment :
    1° le droit au travail et au libre choix d’une activité professionnelle dans le cadre d’une politique générale de l’emploi, visant entre autres à assurer un niveau d’emploi aussi stable et élevé que possible, le droit à des conditions de travail et à une rémunération équitables, ainsi que le droit d’information, de consultation et de négociation collective ;
    2° le droit à la sécurité sociale, à la protection de la santé et à l’aide sociale, médicale et juridique ;
    3° le droit à un logement décent ;
    4° le droit à la protection d’un environnement sain ;
    5° le droit à l’épanouissement culturel et social;
    6° le droit aux prestations familiales. »

    • @HEp: Wie sie sehen und erleben, wird den Virologen (wer einmal lügt, dem glaubt man nicht) wieder das volle Vertrauen geschenkt und man zeichnet diese mit Preisen aus, die sich aus Steuergeldern der Bürger zusammensetzen. Aber wenn Corona das Hirn vernebelt, dann ist mir alles klar…..

      Für mich sagt eher ein Arzt die Wahrheit, der nichts mehr zu verlieren hat, weil z.B. in Rente, die anderen sind weiter abhängig und korrupt…..

    • Hans Eichelberg

      #Horst Emonts-pool
      „…. Virologen nicht immer sicher sind?“

      Der Virologe Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit von der Universität Hamburg gibt zu, dass Virologen sehr wenig wissen. „Wir müssen nachbessern und lernen dauernd dazu“.
      Nach der Methode: „Versuch und Irrtum“ oder „trial and error“.

      Wahrheit? Ja, sie sagen die Wahrheit. Es handelt sich um das derzeitige – heutige – Wissen. Morgen kann es schon wieder umgekehrt sein, dann wäre das heute gesagte eine Lüge.
      Ist es aber nicht, sie wussten es nicht besser.
      Fazit, man kann den Virologen glauben oder auch nicht – aber glauben heißt nichts wissen.

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