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Getötetes Baby: Zwölf Jahre Haft gegen Vater gefordert

13.08.2019, Nordrhein-Westfalen, Aachen: Der Angeklagte (r) sitzt zu Beginn des Prozesses neben seinem Anwalt. Foto: ---/dpa

AKTUALISIERT – Zwölf Jahre Haft wegen Totschlags hat die Anklage in Aachen am Freitag gegen einen Mann gefordert, der sein sechs Monate altes Kind getötet haben soll. Die Verteidigung beantragte Freispruch.

Es müsse der 37 Jahre alte Angeklagte gewesen sein, von dem die Gewalt gegen den Schädel des kleinen Jungen ausgegangen sei, so die Staatsanwaltschaft. Andere Erklärungen seien auszuschließen.

Die Anklage geht nach Angaben eines Gerichtssprechers davon aus, dass der Vater überfordert war: Das Baby habe gekränkelt, und er sei zum ersten Mal mit ihm über Nacht allein in der Wohnung in Alsdorf bei Aachen gewesen.

Das Justizzentrum Aachen am Adalbertsteinweg, in dem die Gerichtsverhandlungen stattfinden. Foto: Oliver Berg/dpa

Ein Video, das er selbst aufgenommen habe, dokumentiere die schlechte Verfassung des Kindes in der Nacht (siehe weiter unten). Der Angeklagte hätte dringend Hilfe holen müsse, habe das aber unterlassen.

Die Verteidigung beantragte Freispruch. Die Beweise reichten für eine Verurteilung nicht aus, hieß es. Der Angeklagte – der die Vorwürfe bestreitet – sei ein fürsorglicher Vater gewesen, der nie auffällig geworden sei. Eine solche Tat sei ihm einfach nicht zuzutrauen.

In einem „letzten Wort“ an das Landgericht sagte der Angeklagte, er habe „dem Kleinen“ nichts getan. Aus heutiger Sicht hätte er früher den Notarzt alarmieren sollen, aber er habe keinerlei Gewalt gegen das Kind angewendet.

Notruf des Vaters wurde im Gerichtssaal eingespielt

Bedrückende Minuten gab es im Aachener Prozess um den gewaltsamen Tod des Säuglings vor allem am Mittwoch: In einem über Lautsprecher eingespielten Notruf war über Minuten zu hören, wie ein Mann in der Rettungsleitstelle den angeklagten Vater zur Reanimation seines sechs Monate alten Kindes anleitete. Aus dem Zuschauerraum war das Schluchzen der Mutter zu hören, und auf der Anklagebank kämpfte der 37 Jahre alte Vater vergeblich gegen die Tränen.

Foto: Shutterstock

Der Junge starb im März an den Folgen eines Schädelbruchs durch massive Gewalteinwirkung. Der Vater, der zu dem Zeitpunkt alleine mit dem Jungen war, bestreitet den Vorwurf der Anklage, dem Säugling Gewalt angetan zu haben. Die Kindsmutter hatte ihn als liebevollsten Vater, den es gibt, bezeichnet.

Das Gericht gab nach Angaben eines Sprechers den Rechtshinweis, dass auch eine Verurteilung wegen versuchten Mordes durch Unterlassen infrage komme. Das könne dann der Fall sein, wenn der Angeklagte das Kind durch Gewalt lebensbedrohlich verletzt und dann keine oder zu spät Hilfe geholt habe, sagte der Sprecher.

Sein Junge atme kaum noch, war der Vater am Mittwoch in dem aufgezeichneten Notruf zu hören: „Ich weiß nicht, was ich machen soll.“ Das Baby sei ganz kalt. Der Mann in der Leitstelle sagte, dass ein Rettungswagen unterwegs sei. Er leitete den Vater unaufgeregt wirkend Schritt für Schritt zur Reanimation an. Er sagte, wie der Vater den Jungen richtig hinlegt, dass er ihm in den Mund pusten – und prüfen soll, ob sich der Brustkorb hebt. Minuten später war das Schellen an der Wohnungstüre zu hören. Die Einspielung dauerte gut sieben Minuten. Das Urteil ist für den 10. September geplant. (dpa)

9 Antworten auf “Getötetes Baby: Zwölf Jahre Haft gegen Vater gefordert”

  1. peter Müller

    Ob das jetzt stimmt oder nicht. Es ist doch immer das gleiche. Es wird gelogen, bis das sich die Balken biegen. Wieso auch nicht. Andere müssen die Wahrheit heraus finden. Nicht nur die Angeklagten lügen das Blaue vom Himmel sondern auch die Anwälte. Hauptsache Freispruch, und gute Referenzen.

  2. Angeklagter, erheben Sie sich

    „Im Zweifel für den Angeklagten.“ „In dubio pro reo“ galt schon im alten Rom.
    Ein elementares Prinzip jedes Rechtsstaates.
    Ein anderes lautet, dass jeder Tatverdächtige bis zur Verurteilung als unschuldig zu gelten hat.
    Weiter muss nicht der Angeklagte seine Unschuld beweisen, sondern der Staatsanwalt die Schuld des Angeklagten.
    Niemand ist verpflichtet, sich vor Gericht selbst zu belasten.
    Ein Anwalt darf seinem Mandanten nicht in den Rücken fallen und ihn belasten.
    Schade, dass manche solche Regeln immer noch nicht kennen.
    Wohin das Gegenteil führt, davon gibt es eigentlich genügend Anschauungsmaterial, in der Vergangenheit wie in der Gegenwart.

    • Rechtsstaat???

      Würden Sie auch den sog.“Rechtsstaat“, denn es ist m.E. nach eben nur ein sogenannter, so toll finden, wenn eine Ihnen nahe stehende Person Opfer eines Verbrechens wäre und dieser tolle“ Rechtsstaat“
      wie so oft, den Täter schützt, aber das Opfer, bzw. deren Angehörige nicht? Der sog. „Rechtsstaat“ hat sich, wie gesagt, nach meinem Empfinden längst verabschiedet. Heute ist ein „Rechtsstaat“ der Staat,
      wo bei Gerichtsverhandlungen ein guter bis sehr guter Anwalt des Täters, den Gerichtssaal als „Sieger“ verlässt. Wahrheit und Gerechtigkeit spielen dabei keine Rolle, sondern nur die Cleverness des Täterrechtsbeistandes. Wer also noch an den „Rechtsstaat“ glaubt, ist einfach nur naiv.

      • Wenn man persönlich von so einem Fall betroffen ist, fällt es mit Sicherheit mehr als nur schwer, an einen Rechtsstaat zu glauben. Abgesehen von der Tatsache, dass die Trauer wahrscheinlich nicht so viel Platz für rechtsphilosophische Überlegungen lässt.
        Die Offensichtlichkeit Ihres „Rechtsempfindens“ gepaart mit Ihrer Version von „Empathie“ lässt jedoch niemanden im Zweifel über die eigentliche Absicht Ihres Beitrags.

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