Während in der Gruppe E die Roten Teufel an diesem Mittwoch im russischen Kasan gegen Belarus ihr drittes Spiel in der Qualifikation für die WM 2022 gegen Belarus bestreiten, tritt Deutschland in der Gruppe J in Island an. Island, da war doch was?
Genau. Es war fast auf den Tag genau vor 18 Jahren, als Teamchef Rudi Völler im Nationalstadion Laugardalsvöllur von Reykjavik nach einem tor- und trostlosen 0:0 der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation „explodierte“ und für die wohl legendärste Wutrede in der DFB-Geschichte sorgte (siehe VIDEO unten).
Völlers Wortwahl an jenem 6. September 2003 fiel derbe aus. Am Tag danach entschuldigte sich der heute 61 Jahre alte Geschäftsführer des Bundesligisten Bayer Leverkusen.
Seine Abrechnung mit Kritikern und Experten, die er „Gurus“ schimpfte, gipfelte erst im Fernsehen und danach auch in der Pressekonferenz in dem emotionalen Satz: „Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören.“ Völler sah damals rot.
Das Wetter war mies, das Spiel des Vize-Weltmeisters um die Leitwölfe Oliver Kahn und Michael Ballack war mies. Und richtig mies wurde die Laune von Völler, als er ins winzige TV-Studio zu ARD-Journalist Waldemar Hartmann musste. Als Völler auf den Start des Interviews wartete, musste er zuhören, wie Moderator Gerhard Delling und Experte Günter Netzer in der Heimat die Nationalmannschaft zerrissen.
Völlers Blutdruck stieg sekündlich. Dann legte er los. „Delling, das ist eine Sauerei, was der sagt. Die Geschichte mit dem Tiefpunkt, und nochmal ein Tiefpunkt. Und noch ein niedriger Tiefpunkt.“ Er könne „diesen Käse nicht mehr hören nach jedem Spiel“, in dem kein Tor gelungen sei. „Ich sitze jetzt seit drei Jahren hier und muss mir den Schwachsinn immer anhören“, polterte Völler in Fahrt kommend.
Ach, „der Scheiß, der da immer gelabert wird“, empörte sich der von den Fans verehrte „Ruuuuuudi“. Neben Delling attackierte er auch den 1974er Weltmeister Netzer direkt. „Der Günter, was die früher für einen Scheiß gespielt haben, da konntest du doch früher überhaupt nicht hingehen, die haben doch Standfußball gespielt“, ätzte Völler.
Auch Hartmann blieb nicht verschont, der das Spiel im Warmen verfolgt hatte. „Du sitzt hier locker auf deinem Stuhl, hast drei Weizenbier getrunken“, polterte Völler. „Waldi“ Hartmann schadete die Attacke nicht, im Nachhinein trug sie ihm einen lukrativen Werbevertrag mit einem bayerischen Weißbier-Produzenten ein.
Es könne doch keiner verlangen, dass Deutschland die Isländer einfach im Vorbeigehen 5:0 wegputze, klagte Völler: „Aber so redet ihr doch alle.“ Und mit dieser Erwartungshaltung könnte sich am Mittwoch auch der heutige Bundestrainer Hansi Flick beim Spiel auf Island konfrontiert sehen.
Völler wollte sich im Herbst 2003 vor allem auch schützend vor seine Spieler stellen. „Ich könnte es mir einfach machen, mich kritisiert ja keiner“, sagte er. „Sauerei“, „Meinungsmache“, „das Allerletzte“, so tobte der Weltmeister von 1990. Seine Vorgänger, Berti Vogts und Erich Ribbeck, hätten „sich das alles gefallen lassen, mussten das alles immer runterschlucken“. Er nicht. Rudi Völler schlug zurück.
Am Tag danach hatte sich Völler wieder im Griff und entschuldigte sich für die Form seiner Brandrede. „Ich gebe zu, dass die Wortwahl ein bisschen derb war.“ In der Sache stand er zu seinen Aussagen. (dpa)
Nachfolgend im VIDEO Rudi Völlers Wutrede am 6. September 2003 nach dem 0:0 in Reykjavik gegen Island:
Ahh, unvergessen und so unterhaltsam, wenn mal hinter den hölzernen Nullaussagen, echte Emotionen herausbrechen und Tacheles geredet wird. Auch merkwürdig antiqiuiert aus der heutigen um political correctness bemühten deutschen Fußballberichterstattung: Das unterhaltsame Duo Netzer-Delling. Schönes Völler-Porträt übrigens in der aktuellen 11-Freunde, die natürlich auch auf dieses legendäre Interview eingeht.