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Pensionen, Urlaubsgeld, Abschiedsprämie: Kammer streicht eine Reihe von Privilegien für Parlamentarier

Die Abgeordneten-Kammer in Brüssel. Foto: Eric Lalmand/BELGA/dpa

In Belgien werden Parlamentarier oft beschuldigt, Privilegien zu genießen, die im Jahr 2025 nicht mehr zeitgemäß sind, insofern sie es überhaupt jemals waren. Damit soll jetzt Schluss sein.

Das Präsidium der Abgeordnetenkammer stimmte am Mittwoch einer Überprüfung einer Reihe von Vorteilen für gewählte Abgeordnete zu. Unter die Lupe sollen dabei Privilegien im Bereich Pensionen, Urlaubsgeld und Abfindungszahlungen genommen werden.

10.07.2024, Belgien, Brüssel: Luc Frank bei seiner Eidesleistung als einziger ostbelgischervKammerabgeordneter. Foto: Belga

Wachsende Politikverdrossenheit und das Erstarken von rechtspopulistischen Parteien, die das demokratische System immer häufiger infrage stellen und dabei oft auf die Privilegien der Parlamentarier verweisen, haben womöglich auch die etablierten Parteien dazu bewogen, das Statut der Parlamentarier zu revidieren und ihnen eine ganze Reihe von Privilegien zu entziehen.

Die Renten werden derzeit auf der Grundlage des letzten Arbeitsjahres berechnet, also des Jahres mit dem höchsten Gehalt. Die „Arizona“-Koalition will stattdessen die letzten zehn Jahre berücksichtigen. Die Pensionen der Parlamentarier sollen so indexiert werden wie die der Beamten.

Auch die Entschädigungen für ausscheidende Parlamentarier, Abschiedsprämien genannt, werden begrenzt. Dabei handelt es sich um Beihilfen für Abgeordnete, die nicht wiedergewählt wurden. Sie dürfen sich nicht länger als über ein Jahr erstrecken. Außerdem werden die Zuschläge für besondere Funktionen, wie z. B. die des Ausschussvorsitzenden, nur noch nach Anwesenheit gewährt.

Die Antrâge der beiden scheidenden Minister Isabelle Weykmans (PFF, rechts) und Antonios Antoniadis (SP, links) auf Austrittsentschädigung wurden von der DG-Regierung genehmigt. Fotos: Kabinett Antoniadis / OD

Die Opposition unterstützt die Mehrheit in ihren Vorschlägen, bedauert aber, dass diese Maßnahmen nicht noch weiter gehen. „Die Dinge bewegen sich, und das ist gut so, aber man muss die Wahrheit sagen: Im Gegensatz zu den Normalsterblichen werden die Politiker weiterhin in einer Blase leben“, beklagt Sofie Merckx, Fraktionschefin der linksradikalen PTB in der Kammer.

„Was sich nicht ändern wird, ist die Vergütung der Abgeordneten. Die parlamentarische Entschädigung beläuft sich derzeit auf fast 9.000 Euro brutto pro Monat. Auch die unversteuerte Kostenpauschale von 2.650 Euro monatlich wird nicht angetastet. Das sind Kosten, die nicht angegeben werden müssen“, so die PTB-Abgeordnete.

„Darüber hinaus wird das System der Abfindungszahlungen beibehalten. Politiker können nach einer Amtszeit weiterhin bis zu 125.000 Euro erhalten. Unabhängig davon, ob sie einen neuen Job haben oder nicht. Welcher normale Arbeitnehmer kann ein solches Privileg genießen? Für uns gibt es nur eine Lösung: Politiker müssen den Status eines normalen Arbeitnehmers erhalten. Nach ihrer Amtszeit können sie dann im Bedarfsfall Arbeitslosengeld beantragen“, so Merckx.

Die am Mittwoch beschlossenen Maßnahmen sollen noch durch ein Rechtsgutachten überprüft werden. Sie könnten im Januar 2026 in Kraft treten.

Provinzgouverneur Hervé Jamar (hier in Eupen am 17. Juli 1921 nach der Hochwasser-Katastrophe) geht schon mit 60 Jahren un Pension. Foto: OD

Wegen einer Reihe von Privilegien steht in diesen Tagen auch der Lütticher Provinzgouverneur Hervé Jamar in der Kritik, der mit schon 60 in den Vorruhestand gehen möchte, obwohl künftig der Otto Normalbürger erst mit 67 Jahren oder sogar noch später aus dem Berufsleben ausscheiden soll.

Auf Anfrage von RTL info erklärte Hervé Jamar in aller Offenheit, dass er bis zu seinem 63. Lebensjahr etwa 2.900 Euro netto pro Monat erhalten werde, danach habe er Anspruch auf eine Rente von rund 4.000 Euro netto. Er erklärte außerdem, dass er keine Abfindungszahlungen erhalten werde und dass er aufgrund seiner früheren Ämter als Minister und Parlamentarier über 15 Jahre lang Anspruch auf eine vorzeitige Pensionierung habe.

In der DG hatten kürzlich die ehemaligen Minister Isabelle Weykmans (PFF) und Antonios Antoniadis (SP) von sich reden gemacht, weil sie nach ihrem Ausscheiden satte 318.000 Euro brutto bzw. 170.000 Euro an Abschiedsprämie erhalten haben. (cre)

21 Antworten auf “Pensionen, Urlaubsgeld, Abschiedsprämie: Kammer streicht eine Reihe von Privilegien für Parlamentarier”

  1. Hugo Egon Bernhard von Sinnen

    Entschuldigung für mein Misstrauen,
    aber irgendwie riecht man schon eine gewisse Taktik.
    Bei der Besteuerung des Normalbürgers, stinkt es immer so fürchterlich, wenn von politischer Seite eine Steuersenkung versprochen wird . Bekanntlich hat dann schon jemand aus den gleichen Reihen, ein ungenießbares steuererhöhungssüppchen gekocht, das im finanziellen Gegenwert, der Steuersenkungssuppe zwar gleicht , aber eben fürchterlich stinkt. Es würde mich also nicht wundern , wenn man im Umkehrschluss jetzt zwar das Gemüse für den Parlamentariern aus der Suppe nimmt, uns aber verschweigt dass man im Anschluss Crevetten hinzufügt. . Vergesst den Kaviar und Champagner nicht .

  2. Joseph Meyer

    Das ganze aktuelle parlamentarische System ist meines Erachtens einfach nur krank!
    Seit Jahren gibt es eine „Partikratie“, wodurch die Abgeordneten nach der Pfeife der Parteivorsitzenden und der Minister in den Parlamenten abzustimmen haben, was durch die offene, namentliche Abstimmung leicht zu kontrollieren ist, ein Abweichler wird ganz einfach bei der nächsten Wahl nicht mehr aufgestellt.
    Durch die vielen Wahlhürden, insbesondere die Mindestanzahl der Stimmen von 5%, wird das Parteienspektrum so festgezurrt, dass neue Ideen, Veränderungen durch neue Parteien nur geringe Erfolgschancen haben.
    Einmal gewählt brauchen die Wahlsieger eine Kontrolle durch die Bevölkerung während der Legislaturperiode, ausser in der Schweiz mit den Volksabstimmungen, so gut wie nicht zu befürchten.
    In der EU kommt dann noch hinzu, dass die Parlaments- und Regierungsmitglieder der EU-Staaten die tolle Ausrede haben: „Oh, das ist Zuständigkeit der EU, da können wir Nichts machen!“ … , und die EU ist eine vollkommen anti-demokratische Kreation der Konzerne und ihrer Investoren, das EU-Parlament dient ihnen als eine reine Alibi-Institution!
    Und damit der ganze Apparat so wunderbar, geschmiert, funktioniert, wird er mit Geld an die Politiker überschüttet!
    Was könnte getan werden?
    Die einzelnen Länder und die Bevölkerungen in den einzelnen Ländern sollten sich, meines Erachtens, ihr Selbstbestimmungsrecht und ihre Freiheiten zurückholen!
    Das könnte bedeuten: 1. Abschaffung der aktuellen EU-Institutionen, an deren Stelle Schaffung eines Völkerbundes souveräner Staaten; 2. Abschaffung der Parteien, der Parlamente, der Regierungen und der Wahlen, Ersatz derselben durch entsprechende Gremien welche sich aus Mitgliedern zusammensetzen würden, die per Los unter denen gezogen wurden welche sich vorher angemeldet hatten. Finanziell für diese Tätigkeiten nur Aufwandsentschädigungen; 3. Eingliederung des Internet in die Tätigkeiten der Gremiumsmitglieder sowie für die notwendigen Abstimmungen.
    Das wäre natürlich radikal, aber ich bin überzeugt, dass es funktionieren und zu sehr viel besseren Ergebnissen führen würde, als das derzeitige wirklich marode System!

  3. Unten sparen - Oben verteilen

    Wer immer nur unten spart und es sich oben gemütlich macht, der muss sich nicht wundern wenn die Demokratie durch die erstarkten politischen Ränder in Schieflage kommt.

  4. Ein schwieriges Thema…. Einerseits sollen die Politiker gut bezahlt werden, die Verantwortung ist gross und die Leute sollten nicht mit ein paar Geschenken zu kaufen sein. Andererseits darf der Politbetrieb auch nicht zum Selbstbedienungsladen werden für Leute die mal schnell eine Parteikarriere hingelegt haben. Mit 2500 €/Monat Verdienst wird man keine guten Leute in die Politik locken, andererseits, wenn man sieht wer alles 10.000 €/Monat und mehr da verdient fragt man sich auch in welchem Film man ist…. Eine Lösung des Problems? Ehrlich, ich wüsste keine ausser dass der Wähler sich gut überlegen sollte wem er seine Stimme gibt. Aber das ist ein anderes Problem….

    • Hugo Egon Bernhard von Sinnen

      #Dax. Soweit alles richtig . Manche könnten aber das doppelte Gehalt oder Pensionen bekommen und würden sich trotzdem weiterhin zu Kapitalverbrechen verleiten lassen. Richtig gefährlich wird es , wenn dadurch ausschließlich Diktatur politisch gehandelt wird .
      In dem Moment kann man nur beten, dass die Bevölkerung sich zu wehren weiß.
      Auf welche Art und Weise sich gewehrt wird, spielt dann auch keine Rolle mehr, sollte es dazu kommen.
      Pensionen, Urlaubsgeld, Abschiedsprämien oder andere Kürzungen von Privilegien, würden dann zum kleinsten Problem der teils nicht Korrekten.
      Dass der Wähler sich gut überlegen sollte, wem er seine Stimme gibt, hilft ja nichts, wenn man dem Wähler bildlich gesehen , vor den Wahlen S-Klasse Mercedes Technik verspricht und nach den Wahlen Lada Technik präsentiert.
      Ganz gleich für welche Partei man sich entscheidet .
      Oder einfacher ausgedrückt , mir geht das belügen werden, aller Parteien auf den Sack .
      Mir ist bewusst, aber auch egal , dass mit diesem Kommentar, einige Fähnchenschwenker nicht einverstanden sind.

    • Gute Leute in der Politik

      @ DAX

      Die Leute in der heutigen Politik genehmigen sich sehr gute Gehälter! Leisten sie dafür auch gute Arbeit? Ich sehe nur enorme Schuldenberge trotz enormer Steuern, schlechte Straßen, schließende Krankenhäuser, ständig wachsende Verwaltungsapparate mit Drangsalierungen der zahlenden Bevölkerung, …, arbeiten so gute (gutbezahlte) Leute, denen man auch noch ein Abschiedsgeld hinterher wirft?

      Wenn die Führungskräfte im Kabelwerk so arbeiten würden, gingen in einem halben Jahr dort die Lichter aus!

    • Willi Müller

      @ Dax
      Jetzt hat @ Hugo sie gelobt und tatsächlich geschrieben :“ #Dax. Soweit alles richtig“.
      Den haben Sie jetzt an der Backe, Dax. Ehrlich gesagt, ich beneidige Sie nicht. Lieber keine Freunde als @ Hogo usw.

  5. Gleichbehandlung: Politiker = Arbeitnehmer des Staates!

    Warum wird da schon wieder eine Extrawurst für Politiker und Staatsbeamte gekocht?!

    Beide Gruppen SIND Arbeitnehmer des Staates und sollten genau wie alle anderen „Arbeitnehmer“ behandelt werden. ALLE – auch Politiker – sollen in die Rentenkasse einzahlen und ihre Renten nach dem gleichen Modus ausbezahlt bekommen.

    Auch Abschiedsprämien sind abzuschaffen! Wenn ein Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft seinen Job verliert, bekommt der auch kein gesichertes Abschiedsgeld.

  6. Peter Müller

    Hallo Dax, „die Verantwortung ist gross “ Ich glaube, dass die ziemlich gering ist, ausser den drei obersten in der Politik !. Mehr als ein Misstrauensvotum kann doch nichts passieren, oder ?. Egal ob finanziell oder sonst was. Und bei den Dorfpolitiker erst Recht nicht.

  7. Es wird höchste Zeit mal in dem Selbstbedienungsladen auf zu räumen! Im Laufe der Jahre haben sich da klammheimlich eine Vielzahl von Profitören in solch hohem Masse bedient, dass es bis zum Hochhausgiebel reicht!? Und dabei wird der kleine Mann von der Strasse aber sowas von über den Tisch geschoben wie niemals zuvor!? Womit verdient unsere tolle Politik diese Bonis, Zugaben, Postenüberzahl, Über Rente, Vorteile jedweder Art usw!? Eben! Weil sie sich dass so selber und heimlich zusammengearbeitet haben! Dass solche Leute einen gewissen Vorteil bekommen, keine Frage! Aber niemals in diesen Summen und Höhen! Das ist Raub am Allgemeingut! Pensionen X mal höher als die normale!? Pfui, Deubel! Warum, wofür!? Bei den Resultaten von jetzt!? Nie und nimmer Gerecht solche Vorgänge! Daher sofort abschaffen!

  8. Echt jetzt?

    Dieses Reförmchen ist wahrscheinlich nicht wirklich ernst gemeint. Wer sägt schon an dem Ast… Das Geld ist einfach zu verlockend. Verantwortungsgefühl ist in den politischen Kreisen einfach nicht vorhanden. Wer gute Arbeit macht, soll gutes Geld bekommen. Nur wird diese Arbeit von unseren Stellvertretern wirklich gut gemacht? Frau W. und Herr A. haben mit der Beantragung der Austrittsentschädigung bewiesen, warum es ihnen wirklich geht. Politiker sollen, wie alle anderen Arbeitnehmer und Selbstständigen in Belgien ganz normal in die Sozialkassen einbezahlen.

    • @Echt jetzt? Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich bin mit der Austrittsentschädigung auch nicht einverstanden. Aber mal Hand aufs Herz, würden Sie da nein sagen wenn Sie Anspruch darauf hätten. Also ich würde es auch mitnehmen.

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