Politik

Präsidentenwahl in Brasilien: Linken-Ikone Lula siegt mit knappem Vorsprung gegen Amtsinhaber Bolsonaro

29.10.2022, Brasilien, São Paulo: Brasiliens Präsidentschaftskandidat und ehemaliger brasilianischer Präsident Luiz Inacio Lula da Silva von der Arbeiterpartei hält seine erste Rede vor der Presse nach seinem Sieg über den damaligen Präsidenten Bolsonaro von der Liberalen Partei in der Stadt São Paulo. Foto: Lincon Zarbietti/dpa

Nach einem erbittert geführten Wahlkampf hat der linke Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva die Wahl in Brasilien knapp gewonnen.

Der frühere Staatschef kam in der Stichwahl auf 50,90 Prozent der Stimmen, wie das Wahlamt in Brasília in der Nacht zum Montag nach Auszählung der Stimmen bekanntgab. Der rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro erhielt demnach 49,10 Prozent.

Nun will Lula ein extrem gespaltenes Brasilien versöhnen. „Ich werde für 215 Millionen Brasilianer regieren“, sagte er in seiner ersten Rede nach der Wahl in São Paulo. „Es gibt keine zwei Brasilien, nur ein Volk.“ Nun sei der Moment gekommen, den Frieden wieder herzustellen.

Der frühere Gewerkschafter Lula hatte das mit mehr als 210 Millionen Einwohnern größte Land in Lateinamerika bereits von Anfang 2003 bis Ende 2010 regiert.

30.10.2022, Brasilien, Rio De Janeiro: Ein Anhänger des brasilianischen Präsidenten Bolsonaro, der für eine weitere Amtszeit kandidiert, betet nach Schließung der Wahllokale während der Präsidentschaftsstichwahlen. Foto: Silvia Izquierdo/AP/dpa

Er ist der erste demokratisch gewählte Präsident Brasiliens, der in eine dritte Amtszeit geht. Außer dem Staatschef wurden am Sonntag auch Gouverneure in einem Dutzend Bundesstaaten gewählt.

Auf Twitter veröffentlichte Lula am Sonntag ein Bild der brasilianischen Flagge mit einer Hand. Darüber stand „Demokratie“.  Tausende Anhänger des Kandidaten der Arbeiterpartei (PT) feierten Lulas Sieg auf der Prachtstraße Avenida Paulista in der Millionenmetropole São Paulo.

Der französische Präsident Emmanuel Macron gratulierte Lula umgehend zur Wahl. „Es wird ein neues Kapitel in der Geschichte Brasiliens aufgeschlagen“, schrieb er auf Twitter. „Wir werden unsere Kräfte bündeln, um die vielen gemeinsamen Herausforderungen zu bewältigen und das Band der Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern zu erneuern.“ Macron war in den vergangenen Jahren mit dem brasilianischen Präsidenten Bolsonaro vor allem in der internationalen Umweltpolitik heftig aneinandergeraten.

Bolsonaro äußerte sich auch zwei Stunden nach Lulas Wahlsieg noch nicht. Aber Verbündete des Amtsinhabers erkannten Lulas Wahlsieg an. Es war befürchtet worden, dass es vor allem nach einem knappen Wahlausgang zu Gewalt kommen könnte.

30.10.2022, Brasilien, Rio De Janeiro: Jair Bolsonaro, Präsident von Brasilien, der für eine weitere Amtszeit kandidierte, kommt zur zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen an. Foto: Silvia Izquierdo/AP/dpa

Bolsonaro hatte mehrfach Zweifel am Wahlsystem gestreut und angedeutet, das Ergebnis möglicherweise nicht anzuerkennen. Seit der Lockerung der Waffengesetze in seiner Amtszeit haben viele seiner Unterstützer ordentlich aufgerüstet. Erst am Samstag verfolgte eine Abgeordnete von Bolsonaros Liberalen Partei (PL) einen Mann nach einem Streit mit vorgehaltener Waffe. Einige Anhänger des Amtsinhabers forderten auch unverhohlen einen Militärputsch. Experten sehen dafür in Gesellschaft und den Streitkräften allerdings keine ausreichende Unterstützung.

Die Präsidentenwahl hat die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas extrem gespalten. „Ich bin zuversichtlich, dass wir einen Ausweg finden werden, damit dieses Land wieder demokratisch und harmonisch leben kann“, sagte Lula in seiner Rede. „Wir können sogar den Frieden zwischen denen, deren Meinungen auseinander gehen, wiederherstellen.“

Der ohnehin erbittert geführte Wahlkampf war im Endspurt immer schmutziger geworden. Die Brasilianer wurden vor allem in sozialen Medien und Whatsapp-Gruppen von einer Flut von Falschinformationen überschwemmt. Die Fernsehdebatten, in denen Lula und Bolsonaro sich gegenseitig mit Vorwürfen überzogen, wirkten dagegen geradezu gesittet.

30.10.2022, Brasilien, Rio de Janeiro: Anhänger des ehemaligen Präsidenten da Silva feiern in der Nacht in der Innenstadt von Rio de Janeiro seinen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen in Brasilien. Foto: Fernando Souza/dpa

Viele Anhänger des 77-Jährigen verbinden Lula mit den goldenen Zeiten Brasiliens, als die Wirtschaft aufgrund der hohen Rohstoffpreise boomte und die Regierung mit Hilfe von Sozialprogrammen Millionen Menschen aus der bittersten Armut holte. Für seine Gegner hingegen ist Lula verantwortlich für Korruption und Vetternwirtschaft.

2018 war Lula selbst wegen Korruption und Geldwäsche zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden und verbrachte 580 Tage im Gefängnis. Im vergangenen Jahr hob ein Richter am Obersten Gerichtshof das Urteil aus formalen Gründen auf. Lula erhielt seine politischen Rechte zurück und kehrte bald auch wieder auf die politische Bühne zurück. (dpa)

Die Unterstützer von Bolsonaro sehen ihren Staatschef als Verteidiger traditioneller Familienwerte und wirtschaftlicher Freiheit und als Bollwerk gegen den angeblich drohenden Kommunismus. Allerdings stieß er mit seinen zum Teil vulgären Ausfällen gegen Frauen, Homosexuelle und Indigene auch viele Menschen vor den Kopf. Durch seine Blockade beim Klimaschutz, seine eigenwillige Corona-Politik und seine Angriffe auf demokratische Institutionen wie den obersten Gerichtshof isolierte er Brasilien auf der Weltbühne immer mehr. «Brasilien ist zurück», sagte Lula. Es sei zu groß, um zum Paria der Welt herabgestuft zu werden.

Die Wahl in Brasilien hat auch international eine wichtige Bedeutung. Als riesiger Kohlenstoffspeicher spielt das Amazonasgebiet im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel eine wichtige Rolle. Zudem ist Brasilien mit seinen enormen natürlichen Ressourcen, dem hohen Anteil an grüner Energie und der großen Agrarwirtschaft ein potenziell wichtiger Handelspartner.

18 Antworten auf “Präsidentenwahl in Brasilien: Linken-Ikone Lula siegt mit knappem Vorsprung gegen Amtsinhaber Bolsonaro”

    • @Hugo

      Ja wenn die Gerichte so entschieden haben, muss es ja stimmen obwohl böse Stimmen munkeln das Gerichte schon lange politisch infiltriert sind. Ich glaube den Gerichten……;) Hatte man auch in Belgien gesehen mit bei der Dutrouxakte wo wiederum die bösen Stimmen munkeln das es Hintermänner gab….ich jedoch glaube Dutroux war ein Einzeltäter….;0)Schließlich machen die Gerichte gute Arbeit 😂

  1. Eine Gerichtsbarkeit hat immer mehrere Instanzen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die höhere Instanz anders entscheidet als die Eingangsinstanz.
    Wer ohnehin meint, Gerichte seien korrupt, kann dann aber konsequenterweise keiner Instanz glauben, oder ist immer nur die erste, zweite oder die letzte Instanz korrupt? Und wo erfährt man das? Vom ostbelgiendirekt-Forum? Oder sucht man sich einfach immer aus, welche Instanz man für korrupt hält, je nach dem, was gerade zur eigenen Meinung passt? „Man munkelt…“ ist natürlich eine sehr große Hilfe, da kann man einfach mal jeden Unfug in die Welt setzen.
    Supergut wäre es natürlich, wenn man ostbelgiendirekt-Forumsspezialisten (aber natürlich nur die, die überall Diktatur, Korruption, Verschwörung wittern) zur obersten Kontrollinstanz über alle Gerichtsentscheidungen ernennen würde, genialer Fortschritt der Gewaltenteilung! Abstimmung dann ohne Gerichtsverhandlung, ob ein Urteil richtig sei oder nicht, sozusagen per Daumenpeilung. Aber das Problem ist, dass auch dann garantiert jemand käme mit „Man munkelt, die od-Foristen sind korrupt.“

    • Ach nee Hugo…. Sie schon wieder…“ Korrupt ?“, diejenigen, die ich ja nicht glaube, munkeln das Gerichte politisch infiltriert sind. Der oberste Richter der BRD z.B wurde bestimmt nicht zum Waschweiberplausch regelmäßig von der 2 besten Kanzlerin zum Diner eingeladen………
      Wie kommen Sie eigentlich zum Schluss einer Korruption bitteschön? Das ist doch bösartig……..
      Die einen munkeln die anderen argumentieren mit Schwurbler und Verschwörungstheorien usw. Das Leben ist schon ganz schön hart….;)

    • #Hugo

      ..“konsequenterweise keiner Instanz glauben, oder ist immer nur die erste, zweite oder die letzte Instanz korrupt?“

      Ob Korrupt, weiß man nicht.
      Aber in den niedrigsten Instanzen sitzen die Unqualifizierten, dies zeigt sich wenn Urteile „kassiert“ werden und die nächsthöhere Instanz entscheiden muss.

      ..und beim höchsten deutschen Gericht (#Alibaba) gilt das Parteien- und Proporzprinzip.

      Aufgrund dieser Tatsache wäre die „deutsche Arroganz“ (Außenminister a. D. Sigmar Gabriel) gut beraten, anderen europäischen Staaten keine Empfehlungen zu geben.

      • Wenn ich hier manche Beiträge über Justiz lese, denke ich, dass das so ähnlich ist wie wenn ich mich über die Abläufe in einer Chemie-Fabrik auslassen würde, davon habe ich nämlich keine Ahnung.

        • @Hugo
          Schön das Sie dieses Thema anreißen…haben Sie sich noch nie über die Themen Impfung und das Maskentragen geäußert? Ich auch…denn mit Chemiefabriken kenne ich mich zufällig sehr gut aus, und Sie kennen mein Standpunkt. Maskentragen ist beinahe wirkungslos, und die Art und Weise wie die Impfstoffe geprüft wurden, so hätte man noch nicht mal eine neuartige Wandfarbe auf dem Markt bringen können. Aber immer schön alles im Körper reinjagen….

  2. 9102Anoroc

    Mal sehen wie die Lage sich entwickelt.
    Bekanntlich ist ja das oftmals vor der Wahl , nach längerem oder kürzeren regieren , nicht die Resultate gebracht werden die versprochen wurden .

    Man kann nur hoffen dass Luna nicht so Gold gierig ist wie sein Vorgänger und noch ein paar Bäume stehen lässt.

  3. der heilige josef

    Jede Wahl in Brasilien ändert nichts an den Besitzverhältnissen. Eine kleine aber feine Schicht von Industriellen und Großgrundbesitzern gehört im Grunde das ganze Land. Das alte südamerikanische Problem dieser gravierenden Ungleichheit seit fast 300 Jahren, konnte nie gelöst werden. Deshalb ist es ohne Änderung der Strukturen ganz egal ob rechte oder linke Kräfte regieren.

  4. Wechsel?

    Der „Wechsel“ ist weniger extrem, als man denkt: selbst wenn ab 1. Januar 2023 ein Linker das Amt des Präsidenten ausüben wird, haben die Rechten immer noch eine Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments.

    (Also genau die Situation, mit der auch die Vereinigten Staaten nach den Halbzeitwahlen mit hoher Wahrscheinlichkeit leben werden müssen.)

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