Gesellschaft

Polemik um DG-Auflagen für behindertengerechtes Bauen – zu kostspielig?

Hauset mit Mehrzweckhalle und Kirche im Hintergrund. Foto: OD

In der Gemeinde Raeren ist eine Polemik um die Auflagen der DG in Sachen behindertengerechtes Bauen entfacht worden. Auslöser war der Anstieg der Kosten für den Ausbau der Mehrzweckhalle Hauset. Eine Aussage von Ratsmitglied Erwin Güsting (FBL) rief die Dienststelle für Personen mit Behinderung (DPB) auf den Plan.

Güsting hatte laut Grenz-Echo in der jüngsten Sitzung des Raerener Gemeinderates erklärt: „Was hätten wir für dieses verschwendete Geld doch vieles Schöne in der Hauseter Mehrzweckhalle einbringen können!“

Frage nach Sinn und Notwendigkeit

Kritisiert hatte der FBL-Vertreter u.a., dass vier Türen zu Duschräumen verlangt worden seien, in denen niemals Behinderte duschen würden. Zudem sollten die Brauseköpfe versetzt werden, was wiederum das vollständig neue Fliesen der Räumlichkeiten zur Folge habe. Ein zusätzlicher Behinderteneingang sei notwendig gewesen, obwohl der vorhandene Eingang allen Ansprüchen genügt hätte.

Das Raerener Gemeinderatsmitglied Erwin Güsting (FBL). Foto: BRF

Das Raerener Gemeinderatsmitglied Erwin Güsting (FBL). Foto: BRF

Güsting forderte daher die DG-Politiker auf, Gesetz und Ausführungsmodalitäten mit Sinn und Notwendigkeit in Einklang zu bringen. Dem pflichtete laut Grenz-Echo Bürgermeister Hans-Dieter Laschet (Mit uns) bei.

Jedenfalls waren die Aussagen von Erwin Güsting und die Zustimmung durch Bürgermeister Laschet für die Dienststelle für Personen mit Behinderung (DPB) Anlass genug, in Form eines Offenen Briefes zu reagieren.

„Mit Befremden“ habe der Verwaltungsrat der Dienststelle für Personen mit Behinderung (DPB) die am 30. Mai in der Presse wiedergegebenen Aussagen des Ratsmitglieds Güsting zur Kenntnis genommen, die der Bürgermeister Hans-Dieter Laschet offensichtlich teile und unterstütze, heißt es in dem Schreiben von Helmut Heinen (Geschäftsführender Direktor) und Marcel Strougmayer (Vorsitzender des Verwaltungsrates).

7 bis 10% der Bevölkerung betroffen

Die DPB hält die Ausgaben für eine behindertengerechte Gestaltung der Mehrzweckhalle Hauset für "gut angelegtes Geld". Foto: OD

Die DPB hält die Ausgaben für eine behindertengerechte Gestaltung der Mehrzweckhalle Hauset für „gut angelegtes Geld“. Foto: OD

Man hoffe, dass es sich bei den Aussagen Güstings „um einen einmaligen Ausrutscher handelt“. Weiter heißt es in dem Offenen Brief: „Der Verwaltungsrat der DPB war bisher der Meinung, dass mittlerweile auch in der Deutschsprachigen Gemeinschaft eine zugänglich gestaltete Umwelt als eine Voraussetzung für das gleichberechtigte Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger allgemein anerkannt ist und dass die politisch Verantwortlichen dies inzwischen auch als gesellschaftliche Verpflichtung erkannt haben.“ Güstings Aussagen und die Tatsache, dass der Bürgermeister ihm darin zustimme, „belegen, dass dem bedauerlicherweise noch nicht so ist“.

Derzeit betreffe eine Behinderung bereits 7 bis 10% der Bevölkerung, und diese Zahl werde in den kommenden 20 Jahren noch ansteigen, da die Menschen immer älter werden und im Alter häufiger Mobilitätsbeeinträchtigungen auftreten, so die DPB, die dem hinzufügt: „All diese Menschen wollen so lange wie möglich am Gesellschaftsgeschehen teilnehmen, genauso übrigens wie die jüngeren Menschen mit Beeinträchtigungen auch. Daher sind die Ausgaben für die behindertengerechte Gestaltung der Mehrzweckhalle Hauset, die anlässlich der gründlichen Sanierung dieser Halle gemacht wurden, sehr gut angelegt, ermöglichen sie doch eine Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger an den Aktivitäten, die dort in den kommenden Jahren stattfinden werden“.

Der Offene Brief der Dienststelle für Personen mit Behinderung im vollen Wortlaut

 

9 Antworten auf “Polemik um DG-Auflagen für behindertengerechtes Bauen – zu kostspielig?”

  1. Luftschlösser vs. Prunkobjekte

    Ich wundere und ärgere mich, dass man sich über diese AUSSAGE entrüstet, aber dass über die Baugenehmigung beim Athenäum in Eupen in Sachen PPP-Projekt, nichts gesagt wird, welche eine Zugangsrampe mit einem viel zu starken Winkel zulässt (so stark, dass ein Rollstuhlfahrer diese alleine nicht überwinden kann) mit der Begründung, dass Rollstuhlfahrer ja sowieso nicht alleine zu den Räumlichkeiten kommen würden. Das nenn ich mal Diskriminierung, die in einem auch noch herablassend, erniedrigend und entwürdigend ist.
    Also wieso wird sich über eine Aussage geärgert, in einem Fall, wo alles Behindertengerecht ist, aber in einem Fall wo es eben nicht Behindertengerecht ist nichts gesagt? etwa weil unsere allherrliche DG-Regierung samt Frau Heinen dahinter stecken???

    NB: ich möchte damit keineswegs diese Aussagen verteidigen, ich möchte nur darauf hinweisen, dass es tatsächliche Probleme gibt und nicht nur in Luftschlössern, das ist meiner Meinung nach nämlich der eigentliche Skandal…

    • Heck Elisabeth

      Sehr geehrter Unbekannter,

      Berechtigte Kritik und auch ein wachsames Auge des Bürgers für das was in seinem Umfeld geschieht, ist lobenswert. Aber Anonyme Aussagen sind einfach nur feige und machen jeden gutgemeinten Hinweis zur Stammtischparole.

      Es kann ja sein, dass Ihre Aussage berechtigt ist, kann aber von mir als Referentin für Zugänglichkeit die mit der Planung vertraut ist, so nicht bestätigt werden.
      Ich biete Ihnen an mit mir direkt Kontakt aufzunehmen um mir detailliert darzulegen, wo am PPP-Projekt des KAE es ihrer Meinung nach Probleme mit der Zugänglichkeit gibt.

      Ich werde mich gerne dieser Angelegenheit annehmen und entsprechend intervenieren.

      MFG
      Elisabeth Heck
      Referentin für Zugänglichkeit
      der DPB

    • Ostbelgien Direkt

      @Anonymous: Da haben Sie vollkommen Recht. Zum besseren Verständnis sollte man erwähnen, was Erwin Güsting in der Gemeinderatssitzung konkret kritisiert hat. Wir haben daher den ersten Teil des Berichts von „Ostbelgien Direkt“ wie folgt ergänzt:

      Kritisiert hatte Güsting laut Grenz-Echo in der Gemeinderatssitzung u.a., dass vier Türen zu Duschräumen verlangt worden seien, in denen niemals Behinderte duschen würden. Zudem sollten die Brauseköpfe versetzt werden, was wiederum das vollständig neue Fliesen der Räumlichkeiten zur Folge habe. Ein zusätzlicher Behinderteneingang sei notwendig gewesen, obwohl der vorhandene Eingang allen Ansprüchen genüge.
      Auch die Verbreiterung einer Tür zu einem kleinen Abstellraum und zu einer Kochecke, damit auch diese formal behindertengerecht seien, hielt Güsting nach Angaben des Grenz-Echo für übertrieben. Der FBL-Vertreter forderte daher die DG-Politiker auf, Gesetz und Ausführungsmodalitäten mit Sinn und Notwendigkeit in Einklang zu bringen. Dem pflichtete laut Grenz-Echo Bürgermeister Hans-Dieter Laschet (Mit uns) bei.“

  2. Klaus Mertes

    Ich hatte gehofft, dass sich die Einstellung von manchen Gemeinderatsmitgliedern, Schöffen und auch Bürgermeistern zu dieser Notwendigkeit inzwischen gebessert hätte. Wenn dem nicht so ist, dann müssen wir wohl mal eine Klage einreichen und ein Exempel statuieren. Dies gilt auch für gewisse seltsame Entscheidungen des Urbanismus. Beispiele dafür gibt es leider genug. Ein Rollstuhlfahrer

  3. Wühlmaus

    Wenn die Befürworter auf die Gesetze mit ihren strengen Vorschriften pochen und unfähig sind, sachlich von Fall zu Fall zu entscheiden, dann werden letzten Endes die Behinderten die Dummen sein.

    Wer kann noch allen Forderungen genüge leisten.

  4. Papa Bär

    Zu Güstings Kritikpunkten:

    – Duschen werden nie von Behinderten genutzt.

    Ja, wie denn auch, wenn sie nicht behindertengerecht und zugänglich sind?

    – Brauseköpfe versetzen?
    Natürlich!
    Den ganzen Raum neu kacheln? Ist doch albern. Ob ein wenig Flickschusterei schön ist, sei mal dahingestellt, aber gleich den ganzen Raum neu kacheln ist ganz sicher nicht nötig.

    – Zusätzlicher behindertengerechter Eingang?
    Der wäre kaum gefordert, wenn er ausreichend vorhanden wäre.

    Vielleicht könnte man sich auch vor Beginn einer solchen Baumaßnahme informieren, welche rechtlichen Anforderungen bei einem öffentlichen Gebäude zu erfüllen sind. Die Regelungen hierzu sind eindeutig und öffentlich. Dies mag der Gemeinde Raeren lästig sein, genau wie mir Geschwindigkeitsbegrenzungen lästig sind. Trotzdem sind sowohl die öffentliche Hand, hier als Bauträger, wie auch ich, an Vorschriften gebunden.

    Ich unterstelle einfach mal, daß Herrn Güsting die Notwendigkeiten dieser Vorschriften nicht klar sind, jedoch ist beim aktuellen gesellschaftlichen Wandel und dem immer häufiger zu hörendem Ruf nach mehr Inklusion Regelungsbedarf vorhanden, und diese Regelungen bindend zu gestalten, ist der einzig richtige Schritt.

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